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Die grammatischen Charakteristiken eines Gesamttextes

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  1. Allgemeines
  2. Allgemeines

Der Gesamttext ist, wie schon gesagt wurde, Forschungsobjekt mehrerer linguistischer Disziplinen. Ist es ein künstlerischer Text, so ist er außerdem Forschungsobjekt der Literaturwissenschaft. Ist es ein wissenschaftlicher Text, so folgt er in seinem Aufbau der Logik und dem Begriffssystem der entspre­chenden Wissenschaft.

Jedoch gehört ein ganzer Komplex von Fragen der Textgestaltung in den Bereich der Textgrammatik.

1. Die temporale Struktur des Textes. Eines der wichtigsten Gestaltungs­mittel des Textes ist eine einheitliche temporale Struktur des Textes, die je nach dem Typ des Textes durch die eine oder die andere Zeitform realisiert wird. So überwiegen in einem erzählenden Text das Präteritum und das von ihm abhängige Plusquamperfekt (die Erzähltempora oder die Tempora „der erzählten Welt"). Eine Variante davon ist ein erzählender Text im schildern­den Präsens. Enthält der erzählende Text Dialogpartien, so ergibt sich die temporale Struktur des Textes aus dem Zusammenspiel der Zeitformen der „besprochenen" und der „erzählten" Welt, d. h, der präreritalen und der prä­sentischen Tempusgruppe. Gehört der Text zum Funktionalstil der wissen­schaftlichen Prosa, der Publizistik, zur Sprache der Werbung, so ist die do­minierende Zeitform, die die zeitliche Perspektive des Gesamttextes prägt, das Präsens. Vgl. folgende Textauszüge, die auf die temporale Struktur gan­zer Texte schließen lassen.

(1) Die Federn einer Gans beschämten den neugeborenen Schnee. Stolz auf dieses
blendende Geschenk der Natur, glaubte sie eher zu einem Schwane als zu dem, was sie
war, geboren zu sein. Sie sonderte sich von ihresgleichen ab und schwamm einsam und
majestätisch auf dem Teiche herum. Bald dehnte sie ihren Hals, dessen verräterische
Kürze sie mit aller Macht abhelfen wollte. Bald suchte sie ihm die prächtige Biegung zu
geben, in welcher der Schwan das würdigste Ansehen eines Vogels des Apollo hat.
(Lessing)

(2) Der kleine, flache, weiße Alsterdampfer biegt bei. „Sybille" steht an seinem
Bug. Der Schiffstelegraf schrillt, und die Schraube wirbelt schaumiges Wasser auf.
Die Passagiere drängen nach den Ausgängen. Der Kontrolleur springt an Land, wirft
das Schiffstau um den eisernen Poller am Kai und ruft: „Jungfernstieg! Endstation!"
(Bredel)

(3) Er machte die Augen zu. Mit einmal wurde es noch dunkler. Er merkte, dass
jemand gekommen war und nun vor ihm stand, dunkel, leise. Jetzt haben sie mich! dach­
te er. Aber als er ein bisschen blinzelte, sah er nur zwei etwas ärmlich behoste Beine.
Die standen etwas krumm vor ihm, dass er zwischen ihnen hindurchsehen konnte. Er
riskierte ein kleines Geblinzel an den Hosenbeinen hoch und erkannte einen älteren
Mann.

Der hatte ein Messer und einen Korb in der Hand. Und etwas Erde an den Finger­spitzen.

Du schläfst hier wohl, was? fragte der Mann und sah von oben auf das Haarge­strüpp herunter. Jürgen blinzelte zwischen den Beinen des Mannes hindurch in die Son­ne und sagte: Nein, ich schlafe nicht. Ich muss hier aufpassen. Der Mann nickte: So,


dafir hast du wohl den großen Stock da? Ja, antwortete Jürgen mutig und hielt den Stock fest. (Bordiert)

(4) Das Eisenerz nützt uns so, wie es in der Natur vorkommt, im täglichen Leben nichts. Es muss zunächst aus dem Erdinnern gebrochen und zutage gefördert werden. Das ist die Arbeit der Bergleute. Die Hochöfner erzeugen aus dem Erz Roheisen. Die Stahl­werker verarbeiten das Roheisen zu Stahl; die Walzwerker stellen aus dem Stahl schließ­lich Bleche und Profile (Formstähle) her. (Einführung in die sozialistische Produktion)

2. Die temporal-lokale Achse des Textes. Der Text besitzt nicht nur eine
temporale Struktur, sondern auch eine temporal-lokale Achse. Die Bege­
benheiten, von denen es handelt, sind zeitlich und lokal situiert. Sie verlau­
fen in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort und sind auch
innerlich zeitlich gegliedert. Diese konkrete zeitliche und lokale Perspekti­
ve wird vor allem durch lokale und temporale Umstandsbestimmungen in
Form von Präpositionalfügungen, Adverbien und Pronominaladverbien, lo­
kalen und temporalen Umstandssätzen ausgedrückt, z. B. in Berlin, am 3.
Januar 1982, am nächsten Morgen, bald darauf, in der Nacht, in der Nähe,
links / rechts davon; da, dann, danach, damals, seitdem, seither, unterdes­
sen, indessen; hier, da, dort, überall
u. Ä.

Am klarsten ist die temporal-lokale Achse des Textes in einem Lebens­lauf ausgeprägt.

Max Born wurde am 11. Dezember 1882 im damaligen Breslau als Sohn eines Professors für Anatomie geboren. Nach Semestern in Breslau, Heidel­berg und Zürich schloss er 1907 in Göttingen sein Fachstudium mit einer Dissertation auf dem Gebiet der Elastizitätstheorie ab. Auf Planks Vorschlag wurde er 1914 als Professor ßr theoretische Physik nach Berlin berufen. Hier begann seine Freundschaft mit Einstein.

Berücksichtigt man das Datum des Erscheinens einer Zeitung, so ist auch im publizistischen Text die temporal-lokale Achse des Textes sehr klar aus­geprägt.

Zur Vorbereitung der UNO-Konferenz über Wissenschaft und Technik begann am Montag in Bukarest eine europäische Regionaltagung, an der Vertreter der ECE-Mitgliedsländer und Beobachter internationaler Organi­sationen teilnahmen.

Als Zeit- und Ortsangaben fungieren auch Titel künstlerischer Werke, Realien im Text u. a.

3. Die modale Struktur des Textes. Die Textauszüge, die in 1. und 2.
angeführt sind, lassen deutlich erkennen, dass der Text auch eine einheitli­
che modale Struktur hat. Alle genannten Texte, wie auch die meisten künst­
lerischen und Gebrauchstexte haben als ihre modale Dominante oder den
modalen Schlüssel des Textes die Modalität der Realität, der die Formen des
Indikativs entsprechen.

Der modale Schlüssel der Irrealität liegt manchmal einem lyrischen Ge­dicht zugrunde:


Ich wollt' ich war' ein Fisch,

So hurtig und frisch;

Und kämst du zu angeln,

Ich würde nicht mangeln. (Goethe)

Im künstlerischen Text wechselt der modale Schlüssel des Textes beim Übergang von der Erzählung des Autors zu den Äußerungen literarischer Figuren von einer Modalität zu einer anderen hinüber. Die Helden des künst­lerischen Werkes stellen Vermutungen an, denken sich unwahre Situationen aus, sprechen irreale Wünsche aus, erteilen Befehle.

(1) „Meine Frau schloß wohl schon?" fragte er, währender seinen Überzieher in
der Diele ablegte.
(Kellermann)

(2) „Ich esse nie wieder einen Pfirsich", sagte er.

„Warum nicht, Christian... Was fir ein Unsinn... Was ist dir?" „Denkt euch, wenn ich aus Versehen... diesen großen Kern verschluckte, und wenn er mir im Halse steckte... und ich nicht Lufi bekommen könnte... und ich spränge auf und würgte grässlich und ihr alle spränget auch auf..." Und plötzlich fugt er ein kurzes, stöhnendes „Oh.1" hinzu, das voll ist von Entsetzen, richtet sich unruhig auf seinem Stuhl empor und wendet sich seitwärts, als wollte er fliehen. (Th.Mann)

(3) „Ruth", sagte er, „ich wollte, die Decke bräclie auseinander, und ein Flugzeug
käme, und wir flögen zu einer Insel mit Palmen und Koralle?}, wo keiner weiß, was ein
Pass und eine Aufenthaltserlaubnis ist!"
(Remarque)

4. Die referenzielle Struktur des Textes. Eine Orientierung in der refe­
rentiellen Struktur des Textes ermöglichen der Artikel, die Aitikelwörter und
die Pro-Formen, die ein vorerwähntes Substantiv ersetzen.

Jeder neue Textreferent wird im Verlaufe des Textes durch den unbestimm­ten Artikel eingeführt. Der unbestimmte Artikel hat eine kataphorische Funk­tion. Er ist ein Signal für den Hörer bzw. Leser, dass ihm sagt; „Sei aufmerk­sam I" Die Spannung lässt nach bei der wiederholten Nennung des Referen­ten, doch dienen wiederholte Wiederaufnahmen des gleichen Substantivs genau so wie der Gebrauch von rückverweisenden Pro-Formen {er, ihn; sie; das u. Ä.) zum Ausdruck der Identität der vorgenannten Textreferenten:

Ein von den Jägern hart verfolgter Panther kauerte einmal im Dickicht, um Atem zu schöpfen. Da hörte er aus den Zweigen Über seinem Kopf eine Stimme. „Hi, hi, hi! kicherte die Stimme. „Hab' ich's nicht immer gesagt? Mitsamt deinen furchtbaren Tatzen und deinem maßlosen Gebrüll nimmst du ein Ende mit Schrecken. Dir fehlt die kluge Anpassung an einmal gegebe­ne Verhältnisse. Wie kleinlaut ist doch jetzt der starke Pardel!"

Der Panther schaute auf, konnte jedoch den Eigentümer der schadenfro­hen Stimme nicht entdecken.., (Hoernle)

Vgl. auch die Texte Im Kanal lag ein Boot.,. S. 325; Die Federn einer Gans... S. 333.

5. Die Arten der Rededarstellung im Text. Zur Charakteristik der Text­
gestaltung und zur Gestaltung einzelner Texttypen gehören auch die Arten
der Rededarstellung.


Der künstlerische Text kann ganz aus einem szenischen Dialog bestehen. Das ist im. Drama der Fall. Ein künstlerisches Werk, das nicht zu den drama­tischen Formen der Literatur gehört, ist entweder ganz in Form der Auto­renrede gestaltet oder es verbmdet die Autorenrede und den Dialog der lite­rarischen Figuren. Letzterer kann auch in Form der indirekten Rede wieder­gegeben werden. Eine besondere Art der Figurensprache ist die erlebte Rede. Eine für den wissenschaftlichen Text überaus typische Art der Verbindung der Worte des Verfassers mit der fremden Rede sind das wörtliche Zitieren sowie die sog. erzählte Rede. Die Sprache der Publizistik neigt ebenfalls zu verschiedenen Formen der erzählten Rede, und zwar zu einer nicht wörtli­chen Wiedergabe fremder Äußerungen bzw. zur bloßen Angabe des Themas einer fremden Äußerung. Folgende Textauszüge mögen die einzelnen Arten der Rededarstellung veranschaulichen:

(1) Der Beamte hatte keinen Spitzbart. Trotzdem kam er Kern bekannt vor. Vielleicht
hatte er sich den Bart inzwischen abnehmen lassen. Er spielte mit einem zierlichen Fe­
dermesser aus Perlmutter und warf einen milden Blick auf Kern, „Emigrant?"

„Ja."

„Aus Deutschland gekommen?"

„Ja. Heute."

„Irgendwelche Papiere?"

„Nein,"

Der Beamte nickte. (Remarque)

(2) Er tippte mit den Fingern nachdenklich auf einen Tisch. Mit seinen hellen grün­
lichen Augen sah er sie überlegend unter der gesenkten Stirn hervor an. Sie erwarte
doch wohl nicht, dass er Geld habe? Nein. Sie habe nicht darüber nachgedacht. Es sei
ihr auch gleich. Er sei Fahnenjunker a. D., also olme Bezüge. Ohne Stellung. Ohne
festes Einkommen. Ja, eigentlich ohne Einkommen.

Ja, es sei recht, nicht darum habe sie gefragt.

Er erkundigte sich nicht, warum sie gefragt habe. Erfragte überhaupt nichts weiter. (Fallada)

(3) Mit ihnen zusammen buk erzwischen heißen Steinen sein Brot und aß es, nach­
dem er es mit Knoblauch eingerieben hatte. Denn vom Knoblauch wurde man groß und
blieb immer gesund.
(H.Mann)

(4) Uta Boege, die sich seit ihrem Berufsverbot mit Nebenarbeiten durchs Leben
schlagen musste, kommentierte diese Dossiers mit den Worten:
Wenn ich es bisher nur
ahnen konnte, so wurde es mir jetzt zur erschreckenden Gewissheit, dass ich auf Schritt
und Tritt bespitzelt werde."

(5) In einer Eröffnungsansprache würdigte Oberbärgermeister Erhard Krack den
schöpferischen Beitrag der Jugend der Hauptstadt zurErßllung und gezielten Überhie-
tung des Volkswirtschafisplanes 1978, Bezirks МММ, so unterstrich er, dokumentiert
das erfolgreiche Wirken der Berliner Arbeiterjugend, der jungen sozialistischen Intelli­
genz sowie der Schüler und Studenten zur weiteren erfolgreichen Verwirklichung der
Beschlüsse des IX. Parteitages der SED.

Vgl. auch die Texte Er machte die Augen zu... S. 333; Ich esse nie wieder einen Pfirsich... S. 335; Ein von den Jägern hart verfolgter Panther... S. 335.

6. Distanzverbindung und Nachbarbindung der Textteile durch Pro­nominaladverbien und Konjunktionen. Der inhaltliche Zusammenhang


zwischen den Textteilen wird häufig durch Pronominaladverbien hervorge­hoben, indem letztere auch den logisch-semantischen Charakter der Verbin­dung zwischen Sätzen oder größeren Textteilen zum Ausdruck bringen und ihn dadurch dem Leser zugänglicher machen. Das Pronominaladverb kann sowohl im Inneren eines Mikrotextes stehen und die Nachbarsätze verbin­den als auch absatz- und sogar kapiteleröffnend sein. Es handelt sich dabei also entweder um Distanzverbindung ganzer Textteile oder um Nachbar­bindung von Absätzen im Makrotext bzw. von Sätzen im Mikrotext.

Ein Beispiel des kapiteleröffnenden Pronominaladverbs hiermit, das den nachfolgenden Text mit den vorausgehenden Kapiteln des Buches verbin­det, ist oben angeführt worden. Siehe den Textauszug Hiennit begannen schöne Sommerwochen für Tony Buddenbrook... S. 325.

Besonders häufig ist die Nachbarbindung von Sätzen durch Pronomi­naladverbien anzutreffen.

Einen Vorzug des Buches sehen seine Autoren darin, dass die Darstellung der theo­retischen Grundlagen, die ohne Anspruch darauf erfolgt, eine geschlossene Theorie der rhetorischen Kommunikation zu bieten, mit einer großen Zahl praktischer Übungen ver­bunden wird, denen eine möglichst breit gehaltene Auswahl von Kommunikationsaufga­ben aus der Praxis unseres gesellschaftlichen Lebens zugrunde liegt. Damit soll erreicht werden, dass die Benutzer des Buches die fachlichen Voraussetzungen erwerben, die es ihnen ermöglichen, die Übungen des zweiten Teils nicht als „Rezepte" zu betrachten, sondern mit ihrer Hilfe die Fähigkeit selbstständiger und schöpferischer rhetorischer Gestaltung zu erwerben bzw. zu vertiefen. Dabei ist an der Ausbildung an den Universi­täten, Hochschulen und anderen Einrichtungen die führende Rolle des Übungsleiters wichtig; das Buch ist jedoch so angelegt, dass es auch der autodidaktisch Arbeitende mit Nutzen verwenden kann. (W. Schmidt / E. Stock)

Dieser Paragiaf erhebt keinen Ansprach auf eine vollständige Charakte­ristik der grammatischen Gestaltung von Texten. Er soll vielmehr in die Pro­bleme einer textgrammatischen Beschreibung des Textes einführen und wei­tere Untersuchungen im Bereich von Textgestaltung und Texttypologie för­dern.


VERZEICHNIS DER ZITIERTEN LITERATUR

1. ^&ramon'äAZumBegriffderzentripetalenundzentrimgalenPotenzen//Deutsch
als Fremdsprache (im Weiteren DaF) — 1967. — H. 3.

2. Admoni W. G. Der deutsche Sprachbau. — 2. Aufl. — M.; L., 1966.

3. Admoni W. G. Der deutsche Sprachbau, — 3. Aufl. — M.; L„ 1972.

4. Admoni W.G, — Адмони Д Г. Синтаксис современного немецкого языка.
Система отношений и система построения._ Л., 1973.

5. Admoni W, G.—Адмони В. Г. Пути развития предложения в немецком язы­
ке. — М, 1973.

6. Akademiegrammatik — Грамматика русского языка. — М., 1952—1954. —


Дата добавления: 2015-08-05; просмотров: 238 | Нарушение авторских прав


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