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Die verbale Wortfügung hat mehrere Erscheinungsformen:
a) Sie kann als eine Infinitivgruppe geprägt sein:
eifrig studieren; sich um die Kinder kümmern; gehen wollen
Diese Prägungsart betrachten wir als die Grundform der verbalen Wortfügung;
b) Sie kann eine finite Verbalform, zum Kern haben:
(Er) studiert eifrig.
(Sie) kümmert sich um die Kinder.
(Ich) will gehen.
c) Sie kann auch als eine Partizipialgrappe geprägt sein:
tief atmend; sehr besorgt; nach Hause eilend
Für die Struktur der verbalen Wortfügungen sind folgende Charakterzüge typisch:
1. Die verbale Wortfügung kann aus Wörtern bestehen, die zu verschie
denen Wortarten gehören, oder biverbal sind:
a) schnell gehen, einen Brief schreiben, selbst alles erledigen;
b) schlafen gehen, helfen wollen, bauen helfen, zu sprechen beginnen',
2. Die Anglieder verbaler Wortfügungen können freie oder obligatori
sche Ergänzungen sein.
Obligatorische Ergänzungen sind:
a) Gleichsetzungsnominative und Gleichsetzungsakkusative zu den ko
pulativen und anderen ergänzungsbedürftigen Verben sowie Artergänzun
gen:
alt werden; jemandes Freund werden (scheinen, bleiben); jemanden seinen Freund nennen.
b) Objekte ergänzungsbedürftiger Verben:
ein Geschenk kaufen; dem Kind einen Apfel geben
с) infinite Verbalformen zum Modalverb als Kern biverbaler Wortfügung und zu anderen ergänzungsbedürftigen Verben; z. В.:
schlafen wollen (vgl. Ich will...); zu sprechen beginnen (vgl. Er begann.,.)
Die Zahl der Ergänzungen wird durch die Valenz des Verbs bestimmt. Als freie Ergänzungen zum Verb erscheinen vor allem Unistandsergänzungen:
im Laden ein Geschenk kaufen; dem Kind zum Frühstück einen Apfel geben
Es ergibt sich folgende Einteüung verbaler Wortfügungen nach ihrer Struktur:
I. Verbale Wortfügungen mit nichtverbalem Anglied:
1. verbale Wortfügungen mit einer freien Ergänzung und einem beliebi
gen Verb als Kern;
2. verbale Wortfügungen mit obligatorischen bzw. fakultativen Ergän
zungen und einem mehrstelligen Verb als Kern;
II. biverbale Wortfügungen:
3. biverbale Wortfügungen mit einer freien Ergänzung;
4. biverbale Wortfügungen mit einer obligatorischen Ergänzung und ei
nem Modalverb und anderen ergänzungsbedürftigen Verben als Kern.
Verbale Wortfügungen mit freien nichtverbalen Angliedern sind durch folgende Modelle vertreten:
Adv V schnell gehen
laut singen
pS2 V nach Hause gehen
vor Angst zittern
S2V gesenkten Hauptes dastehen
frohen Mutes daherwandern
Копу S V als Freund kommen
wie ein Schmetterling umherflattern
pAdv V von oben fallen
nach links schauen
PV selbst entscheiden
selber alles wissen
pPr V von selbst kommen
pAdv — Adverb mit einer Präposition, Pr—Pronomen, pPr—Pronomen mit einer Präposition, iwjS — Substantiv mit einer Konjunktion; s. auch S. 281—282.
Das Grundmodell dieser Wortfügungen ist Adv.V (schnell gehen). Sowohl das Anglied als auch der Kern der Wortfügungen können erweitert werden:
Adv Adv | V sehr schnell gehen
kmj S Adj als guter Freund handeln
pS2... | pS2„. V im Schritt nach Hause fähren
Gestaltungsmittel verbaler Wortfügungen mit freiem nicbtverbalem An-glied sind:
a) Wortstellung in der Infinitiv- und Partizipialgruppe: Anglied —> Kern:
Am Abend zu den Betgen zu gehen, | war ebe vergnügliche Aussicht
Neu gestärkt voller Zuversicht erwachte Fabian am Morgen.
Ist der Kern der verbalen Wortfügung eine finite Verbalform, so treten die Wortstellungsgesetze des Satzes in Kraft. Die Angüeder können entweder in Kontaktstellung oder entfernt voneinander stehen:
Eines Tages erschien auch Gleichen bei Wolfgang.
(Kellermann)
b) Stimmführung: "Anglied Kern
schnell gehen (l odert je nach der Stellung im Satz)
2 °3 2 1
nach Hause gehen (i odert)
2 03 11
als Freund kommen (i oderf)
c) Anschließung unflektierter Anglieder:
schnell gehen; Schnell ging (er) nach Hause
d) Schwache Rektion, d. h. die Verbindung des regierenden Wortes mit
verschiedenen Formen des regierten Wortes:
mit Erlaubnis (Dat.) fortgehen vor Angst (Dat.) zittern ohne Erlaubnis (Akt) fortgehen an allen Gliedern (Dat.) zittern
um sein Leben (Akk.) zittern
Modelle einfacher verbaler Wortfügungen mit nichtverbalem obligatorischem Anglied sind:
a) Modelle der verbalen Wortfügungen mit Objektergänzung (der Kern ist ein zweistelliges Verb):
S2...V einen Brief schreiben
einem Rat folgen
eines Rates bedürfen
pS2...V an die Eltern schreiben
sich um das Kind kümmern
Pr3.„V ihnfiagen
sich seiner erinnern
pPr2...V an ihn schreiben
sich um jemand kümmern S2 — Substantiv im obliquen Kasus, Pr2 — Pronomen im obliquen Kasus, V— Verb.
10 Москяльокал 289
b) Modelle verbaler Wortfügungen mit zwei obligatorischen Objekter
gänzungen (der'Kern ist ein dreistelliges Verb):
S3 S4 V dem Kind einen Apfel geben
53 pS2... V dem Vater zum Geburtstag gratulieren
54 S2 V seinen Gegner keines Blickes würdigen
S4 S4 V den Jungen einen Faulenzer schelten
S4 — Substantiv im Akkusativ.
c) Modelle verbaler Wortfügungen mit Prädikatsergänzung zu einem ko
pulativen oder anderen ergänzungsbedürftigen Verb:
AdjV | jung sein {scheinen, aussehen,.,) |
pI2(K/.v | reizend sein {scheinen, aussehen...) |
gebildet sein {scheinen...) | |
SV | Lehrer sein \ werden... |
PS2... V | zum Mann werden,.. |
кот sv | als Kenner gelten |
sich als guter Kamerad zeigen | |
wie ein Gespenst aussehen | |
s2v | deutscher Abstammung sein |
PrsV | etwas (nichts, jemand) sein |
NumV | zwei (drei, hundert) sein, z. B. wir waren |
zwei | |
der erste sein |
Р!)2 eij — adjektiviertes l„ 2. Partizip, Prs — substantivisches Pronomen
Gestaltungsmittel verbaler Wortfügungen mit nichtverbalem sinnnotwen digem Anglied sind:
a) Wortstellung (bei allen Verbalfügungen gleich);
b) Stimmmführung (bei allen Verbalfügungen gleich);
c) Rektion bei Verbalfügungen mit einer bzw. zwei Objektergänzungea
Anschließung bei Verbalfügungen mit Prädikatsergänzung (das Kon.
gruenzverhältnis des Gleichsetzungsnominativs mit dem Subjektnominati
liegt außerhalb der syntaktischen Beziehungen in der Verbalfiigung und kan
nicht als deren Gestaltungsmittel betrachtet werden.
Unter den biverbalen Wortfügungen sind die meisten halb feste Wor -gruppen mit grammatischer Bedeutung, die einen verschiedenen Verwandtschaftsgrad mit den analytischen Verbalformen aufweisen, ohne selbst zum Verbalparadigma zu gehören {hat zu machen l ist zu machen; muss zu Hause sein; will das gesehen haben). Doch neben ihnen bestehen auch biverbale Wortfügungen mit freiem Anglied, die manchmal die Tendenz haben, sich zu festen Wortkomplexen oder auch zu Zusammensetzungen zu entwickeln. Vgl.:
Ich gehe in die Bibliothek lesen — in die Bibliothek lesen gehen
Ich gehe baden — baden gehen
Ich gehe schlafen — schlafen gehen (fester Wortkomptex)
Das freie Anglied biverbaler Fügungen hat gewöhnlich adverbiale Bedeutung, und zwar finale: (Ich) gehe baden oder modale: (Er) saß sinnend.
Biverbale Fügungen mit freiem Anglied haben das Modell: V (Kern) + V (Anglied, ein Infinitiv oder I., 2. Partizip). Also:
V (Kern) + V/B/ ш basteln helfen
fortzukommen streben
V (Kern) + VPj sinnend sitzen
V (Kern) + VP2 verwundert dastehen
Sowohl der Kern als auch das Anglied der Verbalfügung können erweitert werden:
Adv | VV (Kern) gern basteln helfen
PS2... V | V (Kern) in seine Gedanken vertieft sitzen
Gestaltungsmittel biverbaler Wortfügungen mit freiem Anglied sind:
a) Wortstellung (bei allen Verbalfügungen gleich);
b) Stimmführung (bei allen Verbalfügungen gleich);
c) Gestaltung des Anglieds als infinite Verbalform (s. o.).
Halb feste biverbale Wortfügungen mit grammatischer Bedeutung sind der häufigste "typ biverbaler Fügungen. Sie fungieren an der Peripherie zweier grammatischer Felder, des Modalfeldes und des Feldes der Aktionalität.
Da das Modalfeld im Deutschen scharf umrissen ist und eine gut entwik-kelte grammatische Kategorie als Kern hat (vgl. § 39), sind auch die biverbalen Fügungen mit modaler Bedeutung gut geprägt und scharf umrissen. Der Grad der Grammatikalisierung von Verbalfügungen mit modaler Bedeutung ist verschieden: Er nimmt zu, wenn die Verbalfügung eine invariable Komponente hat und durch grammatischen Idiomatismus gekennzeichnet ist; fehlen diese Bedingungen, so nähert sich die Verbalfügung einer freien biverbalen Wortfügung (Näheres: [175])
Einen hohen Grad der Grammatikalisierung weisen folgende Wortfügungen auf:
haben Vh$ № hat zu machen; zu machen haben
sein У},ф т ist zu machen; zu macJien sein
Grundbedeutung dieser Verbalfügungen ist die Modalität der Notwendigkeit (bei ist zu machen auch die der Möglichkeit). Das Oppositionsverhältnis zwischen den beiden Verbalfügungen hat zu machen — ist zu machen dient außerdem zum regelmäßigen Ausdruck der Genera verbi, so dass diese Verbalfügungen ein klassisches Beispiel der Überlagerung der peri-pheren Segmente zweier grammatischer Felder abgeben, eines Segmentes des Modalfeldes und eines Segmentes des Feldes der Genera verbi.
Von allen halb festen Verbalfügungen stehen diese den analytischen Formen des Verbs am nächsten. Das ergibt sich aus folgenden Eigenschaften der betreffenden Fügungen:
a) Sie bilden eine Opposition;
b) Eine ihrer Komponenten ist invariabel und somit modellprägend:
hat zu Infinitiv; ist zu Infinitiv z. В.:
hat zu
lesen schreiben veranstalten prüfen usw.
ist zu
lesen schreiben veranstalten. prüfen usw.
c) Sie sind aus grammatischer Sicht idiomatisch, weil ihre modale Bedeutung nicht aus der grammatischen Bedeutung der Komponenten abgeleitet werden kann, sondern nur der Ganzffigung anhaftet.
In das Modalfeld gehören auch die Verbalfügungen Modalverb + Infinitiv, besonders wenn die Fügung die Modalität des ganzen Satzes ausdrückt und durch grammatischen Idiomatismus gekennzeichnet ist. Das ist der Fall:
a) Beim Ausdruck der Modalität der Vermutung; es kommen hier die
Modelle in Frage:
können Infi 2 kann zu Hause sein {gewesen sein)
müssen Inflr 2 muss das wissen {gewusst haben)
mögen lnf}i 2 mag 20 Jahre alt sein (gewesen sein)
dürfen Infjt 2 dürfte zurückgekehrt sein {gewesen sein)
Den Fügungen mit Modalverben stehen nicht idiomatische Fügungen mit dem Verb scheinen nahe:
scheinen Adj /Pl2 sein scheint klug zu sein
scheint beleidigt zu sein scheint viel versprechend zu sein
b) Beim Ausdruck der Modalität der fremden Äußerung (d. h. der Mo
dalität der berichteten Rede, vgl. S. 219):
sollen lnfit 2 soll krank sein {gewesen sein) = man sagt, dass
er krank ist / gewesen ist
wollen Inflr 2 will alles wissen
will mit eigenen Augen gesehen haben = behauptet alles zu wissen, behauptet (es) mit eigenen Augen gesehen zu haben.
Im letzten Modell überlagern sich die Modalität der berichteten Rede und die Modalität der Irrealität.
Diesen Fügungen stehen unidiomatische Fügungen mit dem Verb glauben nahe:
glauben zu /иД 2 glaubt zu träumen
glaubt sich geirrt zu haben
glauben Adj (Pl( 2) sein glaubt nützlich zu sein
glaubt betrogen zu sein glaubt anziehend zu sein
Besonderes Formmerkmal solcher Modalfügungen ist die Möglichkeit der regelmäßigen Verbindung des Modalverbs mit dem 1. und 2, Infinitiv (in den anderen Fallen nur mit dem 1. Infinitiv).
Eine Übergangsstellung zwischen halb festen und freien Wortfügungen nehmen die Verbindungen von Modalverben mit dem 1. Infinitiv ein, die die Modalität der Handlung zum Ausdruck bringen, z. B.
wollen Infi 2 will schlafen; will sprechen
können Inf}i 2 kann lesen; kann schreiben
Solche Fügungen mit Modalverben weisen keinen grammatischen Idiomatismus auf. Das Kennzeichen, das ihnen trotzdem einen Platz an der unteren Grenze halb fester biverbaler Fügungen mit grammatischer Bedeutung zuweist, ist einerseits ihre Zugehörigkeit zum Modalfeld, und andererseits der invariable, modellprägende Charakter der ersten Komponente der Fügung:
will
muss
lesen
schreiben
singen
helfen...
lesen
schreiben
singen
helfen...
kann
soll
lesen
schreiben
singen
helfen...
lesen
schreiben
singen
helfen...
In das Aspektfeld gehören biverbale Wortfügungen mit den Verben beginnen, anfangen, fortsetzen, pflegen, aufhören als Kern und einem Infinitiv:
beginnen zu Inf. beginnt zu sprechen
beginnt zu lesen
pflegen zu Inf. pflegt zu sagen
pflegt zu kommen
aufhören zu Infl hört auf zu sprechen
hört auf zu arbeiten
Der aspektuale Charakter dieser Wortfügungen tritt bei folgendem Vergleich klar zutage: beginnt zu sprechen — setzt fort zu sprechen — hört auf zu sprechen u, Ä.
Zum Unterschied von den einfachen substantivischen Wortfügungen, für die das Prinzip der binären Teilung ausnahmslos gilt, kann für die verbalen Wortfügungen kein einheitliches Aufgliederungsprinzip aufgestellt werden. Zu berücksichtigen sind folgende Momente:
1) Während die verbalen Wortfügungen mit substantivischem, adverbialem, adjektivischem oder pronominalem (d. h. nichtverbalem) Anglied im Satz als zwei Satzglieder fungieren, müssen viele biverbale Fügungen als ein Satzglied betrachtet werden. Vgl, schreibt | einen Brief; kommt j sehen; doch: hat zu arbeiten, soll kommen; nicht eindeutig zu entscheiden ist, wie viel Satzglieder biverbale Fügungen enthalten: beginnt | zu sprechen, pflegt j zu kommen. Doch aus rein struktureller Sicht lassen sie sich alle binär aufgliedern:
einen Brief schreiben
spät kommen
kommen
einen Brief schreiben spät
2) Nicht zwei, sondern drei unmittelbare Konstituenten haben verbale Wortfügungen mit zwei obligatorischen Ergänzungen:
dem Kind einen Apfel geben
dem Kind einen Apfel geben
seinen Gegner keines Blickes würdigen
seinen Gegner keines Blickes würdigen
Bei Erweiterung binärer und mehrgliedriger verbaler Wortfügungen ist mehrfache Aufgliederung möglich:
einen langen Brief schreiben
einen langen Brief
schreiben
langen Brief dem Vater zu seinem Geburtstag von ganzem Herzen gratulieren
dem Vater zu seinem Geburtstag von ganzem Herzen gratulieren
zu seinem Geburtstag von ganzem Herzen gratulieren
von ganzem Herzen
§ 104. Adjektivische Wortfügungen
Adjektivische Wortfügungen haben am häufigsten ein Adverb bzw. ein Adjektiv-Adverb als Anglied:
Adv Adj sehr schön
zu teuer
wenig bekannt
Adj Adv Adj echt deutsch
politisch verlässlich
wahrhaft freundlich
Das Substantiv erscheint in adjektivischen Wortfügungen meistens mit einer Präposition bzw. einer Konjunktion (z. B. bei der Komparation); der präpositionslose oblique Kasus ist nur als eine obligatorische Objektergänzung möglich. In allen Fällen ist auch ein substantivisches Pronomen möglich. Es sind folgende Modelle zu nennen:
Adj pS2... nützlich für Kinder
reich an Bodenschätzen
Adj pPr2... nützlich für uns
der klügste von allen
bunt wie ein Schmetterling
älter als sein Bruder
jjf^ Pr schön wie sie
älter als er
Adj S2... seinem Vater ähnlich
keinen Heller wert
der Ruhe bedürftig
AdjPr2.- dir ähnlich
nichts wert
deiner bedürftig
Als Anglied in der adjektivischen Wortfügung kann auch ein Infinitiv fungieren:
A Vfojr bereit zu helfen
leicht zu machen
§ 105. Adverbiale Wortfügungen
Zu den echten Adverbien (s. S. 211) treten als Anglieder Adverbien, Numeralien, Präpositionalfügungen, manchmal auch präpositionslose Substantive im obliquen Kasus, z. В.:
Adv Adv morgen früh
da oben
Num Adv viel mehr
so viel
Adv pS 2... oben im Schrank
nie im Leben
S4 Adv eine Stunde später
§ 106. Pronominale Wortfügungen
Als Kern pronominaler Wortfügungen fungieren substantivische Indefinit- und Negativpronomina; als Anglieder treten dazu substantivierte Adjektive, Präpositionalfügungen sowie Infinitive.
Pr Adj, etwas Interessantes
nichts Neues
alles Gute
Pr pS2... jemand von den Kollegen
etwas zu lesen
Pr pPr2... jemand von uns
nichts davon
Pr V щ_ etwas zu unternehmen
nichts zu machen
§ 107. Satzwertige Wortgruppen
Die Eigenart satzwertiger Wortgrappen besteht darin, dass sie implizit eine Subjekt-Prädikat-Beziehung enthalten. Ihr Kern ist eine infinite Verbal-form. Es sind entweder Infinitiv- oder Partizipialgruppen. Es lassen sich zwei Subklassen satzwertiger Wortgruppen unterscheiden. Das Kriterium der Einteilung ist die Art des impliziten Subjekts, das beim Ersatz der satzwertigen Wbrtgruppe durch synonymen Gliedsatz zu verwenden ist.
1) In den meisten Infinitiv- und Partizipialgruppen ist das implizite Sub
jekt der Wortgruppe mit dem Subjekt des Satzes identisch, in den die satz
wertige Wortgruppe eingebettet ist, Vgl.:
Ich bin gekommen, dir zu helfen —» Ich bin gekommen mit der Absicht, dass ich dir helfe. Er ging, ohne von uns Abschied zu nehmen —> Erging, ohne dass er Abschied von uns genommen hatte (hätte). Nach Hause gekommen, ging er sofort zu Bett-* Nachdem er nach Hause gekommen war, ging er sofort zu Bett. Nach allen Seiten spähend, ging er langsam weiter —> Während er nach allen Seiten spähte, ging er langsam weiter.
2) Den zweiten Subtyp bilden Infinitivgruppen, die ein potenzielles Sub
jekt haben, das mit dem Subjekt des Satzes nicht identisch ist.
Zu diesem Subtyp gehört die syntaktische Konstruktion, die man accu» sativus cum infinitivo nennt:
Ich höre sie singen —} Ich höre, dass sie singt.
Wir sahen ihn aus dem Wald herauskommen —> Wir sahen, wie er aus dem Wald herauskommt.
Merkmal satzwertiger Infinitivgruppen des zweiten Subtyps ist ein von dem Infinitiv unabhängiger (nichtregierter) oder absoluter Akkusativ der Person.
Gestaltungsmittel satzwertiger Infinitiv- und Partizipialgruppen sind:
1. Wortstellung: Anglied -> Kern
2. Stimmführung: alle satzwertigen Infinitiv- und Partizipialgruppen au
ßer der syntaktischen Konstruktion accusativus cum infinitivo stehen unter
eigenem Teilbogen;
2 2 °3 3| 2 °3 II
Ich bin gekommen, dir zu helfen.
2 2 °3 3| 2 2 °H
Nach Hause gekommen, ging er sofort zu Bett.
3. Innerhalb der satzwertigen Infinitiv- oder Partizipialgruppen herrschen
die syntaktischen Beziehungen, die für eine Verbalfügung charakteristisch
sind. Mit dem übrigen Satzbestand ist die Infinitiv- bzw. Partizipialgrappe
intonatorisch verbunden, der erste Subtyp auch durch Beziehung auf das
gleiche Subjekt.
Kapitel 11 ZUSAMMENGESETZTER SATZ
§ 108. Allgemeines
Als einen zusammengesetzten Satz betrachtet man jeden Satz, dessen unmittelbare Konstituenten eine Subjekt-Prädikat-Stroktur besitzen, z. В.:
Ich stieg wieder bergauf und bergab, und vor mir schwebte die schöne Sonne, immer neue Schönheiten beleuchtend. (Heine)
Es war noch sehr früh, als ich Göttingen verließ... (Heine).
Nach der Art der Verbindung zwischen den unmittelbaren Konstituenten eines zusammengesetzten Satzes und nach der Zahl der Konstituenten mit Subjekt-Prädikat-Struktur unterscheidet man Satzverbindungen und Satzgefüge, auch Parataxe und Hypotaxe genannt.
Die unmittelbaren Konstituenten eines zusammengesetzten Satzes nennt man Teilsätze, den gesamten zusammengesetzten Satz dagegen einen Ganzsatz (als Ganzsatz gilt auch der einfache Satz; über die gemeinsamen Merkmale von einfachen und zusammengesetzten S ätzen und über die Unterschiede zwischen ihnen s. w. u.).
Zusammengesetzte Sätze können einen großen Umfang erreichen, indem sie mehrere Komponenten mit Subjekt-Prädikat-Stroktur enthalten und einen gemischten Charakter der Verbindung zwischen den Komponenten aufweisen. Es können Satzgefüge mit mehrfacher Subordination von verschiedenen Stufen sein, Satzgefüge mit mehreren gleichartigen und gleich-rangigen subordinierten Teilen, die untereinander durch Koordination verbunden sind, sowie Satzverbindungen, die im Rahmen der einzelnen koordinierend verbundenen Teile auch die Subordination aufweisen:
a) mehrfache Subordination im Satzgefüge
Georg ging weiter auf dem Weg, der parallel zur Chaussee an ein paar Häusern vorbeißhrte, die alle auf die Felder sahen. (Seghers)
b) Koordination gleichartiger und gleichrangiger subordinierter Teile ei
nes Satzgefüges
Schriftlich erklärt und ehrenwörtlich bekräftigt hatte der Doktor Becker, dass er die amerikanische Verfassung durchaus anerkenne, dass er den gewaltsamen Sturz von Regierungen mitnichten gutheiße, dass er weder Anarchist sei noch Kommunist. (Kisch)
c) Subordination im Rahmen der Komponenten einer Satzverbindung
Lessings Lebensarbeit gehört nicht der Bourgeoisie, sondern dem Proletariat In der bürgerlichen Klasse, deren Interessen er verfocht, waren beide noch eins, und es wäre töricht, ihm eine bestimmte Stellung zu historischen Gegensätzen anzudichten, die sich erst lange nach seinem Tode entwickelt haben, (Mehring)
Der zusammengesetzte Satz ist eine Satzart ebenso wie der einfache Satz. Daher gelten für ihn die Grundcharakteristiken des Satzes und dessen Gesamtdefinition.
Der zusammengesetzte Satz ist ebenso wie der einfacheSatz eine kommunikative Einheit, eine Äußerung oder Bestandteil einer Äußerung. Er ist wie jeder Satz durch die Stimmführung einer abgeschlossenen Äußerung sowie durch temporale und modale Bezogenheit auf die Wirklichkeit gekennzeichnet (Vgl. §§ 79 — 81 und § 86 ff.). Im Gegensatz zum zusammengesetzten Ganzsatz besitzen die Teilsätze trotz ihrer Subjekt-Prädikat-Strak-tur nicht die Charakterzüge einer selbstständigen Redeeinheit. Sie sind sowohl funktional und inhaltlich als auch äußerlich unselbstständig.
Die inhaltliche Unselbstständigkeit der Teils ätze eines zusammengesetzten Satzes kennzeichnet man oft als eine Erscheinung der Synsemantie, indem man sich auf A. Martys Unterscheidung zwischen Autosemantika und Synsemantika stützt [162, 163]. "Wir begegneten diesen Begriffen bereits bei der Einteilung der Wortarten (s. § 13), d. h. auf der Wörtebene. Auf der Satzebene bezeichnet Marty als Autosemantika, d. h. als Einheiten mit selbstständiger Bedeutung, vollständige einfache Sätze sowie zusammengesetzte Sätze; elliptische Sätze und Teilsätze eines zusammengesetzten Satzes gelten als Synsemantika, da sie nur in Verbindung mit anderen Einheiten eine Äußerung bilden (zum Problem der Synsemantie s. auch: [34, 181, 242, 96, 97]. Gulyga unterscheidet in ihrer Untersuchung über das deutsche Satzgefüge verschiedene Grade der Synsemantizität der Teilsätze im Satzgefüge:
a) Als potenziell autosemantisch werden Hauptsätze betrachtet, deren
Gliederzahl, Wortstellung und Vollständigkeitsgrad eine autonome Verwen
dung dieser Sätze als einfache Sätze gestattet:
Der Wald wurde gelbgrün, als läge die Sonne darauf. (L. Frank; hier und weiter zit. nach Gulyga [96])
b) Synsemantizität 1. Grades ist Haupt- und Gliedsätzen eigen, die äu
ßerlich abhängig sind, das heißt eine besondere Wortstellung haben oder
subordinierende Konjunktionen und Korrelate enthalten, so dass sie nicht
ohne Änderung ihrer Form autonom verwendet werden können:
Als es schon völlig dunkel war, fuhr der lange Zug ab... (Kellermann)
c) Synsemantizität 2. Grades ist Haupt- und Gliedsätzen eigen, die se
mantisch abhängig sind, weil ihnen eines der Hauptglieder fehlt, oder weil
sie synsemantische Wörter enthalten, die einer Vervollständigung im ande
ren Teilsatz bedürfen:
Wer stark ist, darf Optimist sein. (H. Mann; der Hauptsatz hat kein Subjekt, seine Stelle nimmt der Gliedsatz ein)
Stefan sagte von ihr, sie sei eine beispiellos mutige Frau (Bredel; der Hauptsatz enthält das synsemantische Verb sagen, das die berichtete Rede als Ergänzung voraussetzt)
d) Ein Hauptsatz wird als asemantisch betrachtet, wenn er nur grammatische Information enthält:
Es ist, als hätte die Rose keine Seele. (Th.Mann)
Eine detaillierte Unterscheidung der Synsemantizitätsgrade bedarf einer SpezialUntersuchung, Für eine allgemeine Charakteristik des zusammengesetzten Satzes ist aber vor allem wesentlich, dass alle Komponenten des zusammengesetzten Satzes synsemantisch, das heißt inhaltlich voneinander abhängig sind, und dass andererseits der Grad dieser gegenseitigen Abhängigkeit verschiedene Abstufungen aufweisen kann.
Besonders eng ist das Synsemantizitätsverhältnis in Satzgefügen mit einem Subjekt- bzw. Prädikativgliedsatz (Wer stark ist, darf Optimist sein) sowie in Satzgefügen mit asemantischem Hauptsatz (Es ist, als hätte die Rose keine Seele; letzterer Beleg vereinigt in sich beide Charakteristiken). Doch auch in Sätzen wie Der Wald wurde gelbgrün, als läge die Sonne darauf (s. o.) ist die Synsemantizität beider Teile des zusammengesetzten Satzes unverkennbar, vor allem, da der Satz keinesfalls als die Summe zweier Informationseinheiten aufzufassen ist (vgl. a) der Wald wurde gelbgrün, b) die Sonne lag darauf).
Versuchen wir den zusammengesetzten Satz auf diese Weise in zwei einfache Sätze aufzulösen und somit auch die potenzielle Autosemantie des ersten Teilsatzes (Der Wald wurde gelbgrün) zu realisieren, so geht ein wichtiger Teil der im zusammengesetzten Satz enthaltenen Information verloren, und die Redeabsicht selbst wird entstellt. Die Absicht des Sprechers (des Verfassers) war nicht nur mitzuteilen, dass der Wald gelbgrün wurde, sondern sie bestand darin, die Farben des Waldes durch den bildlichen Vergleich anschaulich darzustellen. Eliminieren wir den Vergleich, so kann das Farbbild selbst dem Leser ganz anders erscheinen, zum Beispiel als das herbstliche Gelbgrün und nicht als das sonnenbeschienene Grün des Laubs.
Auch im Satz: Als es schon völlig dunkel war, fiihr der lange Zug ab (s. o.) ist die äußerliche Abhängigkeit der Teilsätze nicht von der inhaltlichen Synsemantizität zu trennen. Die Absicht des Verfassers ist ja, das Geschehen temporal zu bestimmen; davon überzeugt uns der Kontext, dem der Satz entnommen ist:
»Endlich lief der Zug in Görlitz ein, wo er eine volle Stunde stehen blieb. Ein Zug aus Berlin mit jammernden und schreienden Passagieren in acht Viehwagen war fast gleichzeitig eingefahren, und die beiden Transporte wurden zusammengekoppelt. Die Türen blieben die ganze Zeit geschlossen, und die tote Frau lag noch immer unter ihrem Sack.
Als es schon völlig dunkel war, fithr der lange Zug ab, in Nacht, Frost und Schnee hinein" (Kellermann)
Auch eine Satzverbindung kann nicht auseinander genommen werden, ohne dass ein wesentlicher Teil ihres Informationsgehaltes verloren geht, was von der Synsemantizität ihrer Komponenten zeugt, z. B,:
Entweder Sie verlassen das Haus, oder ich lasse Sie durch den Hauswart hinauswerfen, (zit. nach Erben)
Die logische Beziehung zwischen den Teilsätzen einer Satzverbindung (Gegenüberstellung, Begründung, Folgerung) ist nicht nur in der Konjunktion enthalten, obwohl diese eine sehr wesentliche Rolle spielt; auch bei der asyndetischen Verbindung tritt sie klar zutage, z. В.:
Aus dem Hause drang Klavierspiel, jemand übte fleißig eine schwierige Köhler-Etüde... (Kellermann)
Am losesten ist die Verbindung zwischen den Teilsätzen einer Satzverbindung bei asyndetischer Anreihung. Der Synsemantizitätsgrad ist hier oft nicht, um vieles größer als bei der Anreihung selbstständiger einfacher Sätze, so dass die Synsemantizität aus dem Grammatischen ins rein Begriffliche überzugehen scheint. Vgl.:
a) Anreihung von Teilsätzen im Rahmen einer Satzverbindung:
An unserem Tische wurde es immer lauter und traulicher, der Wein verdrängte das Bier, die Punschbowlen dampften, es wurde getrunken, schmol-liert und gesungen. (Heine)
b) Anreihung einfacher Sätze im Text:
Die Bremsen kreischen. Ein kurzer, gellender Pfiff. Ruckartig verlangsamt sich die Fährt. DerZugßhrt durch Wilhelmsburg. (Bredel)
Die Verwendung kurzer einfacher Sätze im zweiten Auszug spannt aber die Erzählung, bringt jedes einzelne Geschehen zur Geltung, gestaltet die Darstellung drehbuchartig, als eine Folge einander ablösender Bilder.
Hand in Hand mit der inhaltlichen Synsemantie geht die äußerliche Abhängigkeit der Teilsätze, die in der internen Struktur des zusammengesetzten Satzes ihren Ausdruck findet.
Das universellste Merkmal der strukturellen Einheitlichkeit des zusammengesetzten Satzes, der Zusammengehörigkeit seiner Komponenten ist die Stimraführung. Jeder zusammengesetzte Satz bildet eine rhythmisch-melodische Einheit. Jeder vorangehende Teilsatz wird mit dem nachfolgenden durch weiterweisende (progrediente) Tonführung (1) verbunden; erst am Ende des letzten Teilsatzes sinkt die Stimme (terminate Tonführung, 4-).z- B<:
2 °3 3|2 2 2 U
Als es schon völlig dunkel war, fuhr der lange Zug ab'.
2 °3 3|2 °3 2 1 11
Der Schiffstelegraf schrillt, und die Schraube setzt sich in Bewegung.
Der abhängige Charakter der Teilsätze wird also durch weiterführende (progrediente) Stimmführung an der Grenze zwischen den Teilsätzen gekennzeichnet.
Im Satzgefüge wird die Abhängigkeit der Teilsätze außer der Stimmführung auch durch die Wortstellung im Gliedsatz, durch Konjunktionen und Relativwörter im Gliedsatz, Korrelate und synsemantische Wörter im Hauptsatz geprägt, z. В.:
a) ЛЬ es schon ganz dunkel war,...
b) Stefan sagte von ihr,.,.
Der abhängige Charakter der Teilsätze macht es problematisch, ob man die Komponenten eines zusammengesetzten Satzes als Sätze betrachten soll, „ob die Teilsätze der Satzverbindung und des Satzgefüges überhaupt die Benennung von Sätzen verdienen" (W. Schmidt). Stellt man bei der Lösung dieser Frage die inhaltliche und intonatorische Abgeschlossenheit als Kriterium der Satzwertigkeit in den Vordergrand, so muss man zur Schlussfolgerang kommen, dass den Komponenten eines zusammengesetzten Satzes die wesentlichen Merkmale des Satzes fehlen. So schreibt zum Beispiel Paul: „Man hat... verlangt, es müsse noch die Bestimmung aufgenommen werden, dass der Satz etwas Selbständiges, in sich Abgeschlossenes sei. Geschieht dies aber, so ergibt sich daraus die Konsequenz, dass dasjenige, was nach allgemeinem Sprachgebrauch Nebensatz genannt wird, nicht als ein Satz anerkannt werden kann" [192]. Denkt man aber an die interne Struktur der Teilsätze, so gelangt man zu der Ansicht, es handle sich doch um Sätze, da sie eine Subjekt-Prädikat-Struktur haben. So sagt zum Beispiel Admoni: „Dennoch scheint es uns unmöglich, den Satzcharakter solcher Bildungen wie Hauptsätze oder Nebensätze zu bestreiten, da sie in ihrer ganzen Struktur zu innig mit der Struktur des selbständigen Satzes zusammenhängen und auf Grandlage der logisch-grammatischen Satztypen aufgebaut werden. Andererseits ermöglichen es der Aspektreichtum und die Mehrschichtigkeit des Satzes, dass sowohl eine höhere Einheit (Satzgefüge) als auch eine zu ihr gehörende niedere Einheit (Hauptsatz, Nebensatz) nach einem und demselben Prinzip organisiert werden" [2]. In den Grammatiken der deutschen Sprache wird heute der Sonderstellung der Komponenten eines zusammengesetzten Satzes gegenüber dem einfachen und dem zusammengesetzten Ganzsatz durch den Terminus Teilsatz Rechnung getragen, der sowohl die satzartige interne Struktur der Komponenten eines zusammengesetzten Satzes als auch deren Synsemantizität und die gegenseitige grammatische und intonatorische Abhängigkeit zum Ausdruck bringt (W. Schmidt). Sehr beachtenswert ist der Standpunkt, der in den Schriften von Brinkmann und besonders krass in Hartungs Untersuchung über die zusammengesetzten Sätze des Deutschen zur Geltung kommt, wonach die Subjekt-Prädikat-Struktur an und für sich noch keinen Satz, sondern eine satzmäßige Repräsentation von Sachverhalten bildet, Zum Unterschied von Wort und Wortgruppe, die einen Sachverhalt nur nennen, schafft die Subjekt-Prädikat-Struktur Voraussetzungen für eine entfaltete Darstellungsweise (Repräsentation) dieser Sachverhalts. Der Sachverhalt kommt in gegliederter Form zum Ausdruck, unter Angabe von Agens, Vorgang, anderen Aktanten von verschiedenen Umständen wird temporal und modal gekennzeichnet. Doch macht die Subjekt-Prädikat-Struktur allein noch keinen Satz aus. Eine Subjekt-Prädikat-Verbindung kann entweder als eine selbstständige Äußerung gebraucht werden, das heißt in den Satzrang erhoben werden (z. B. Es wurde ganz dunkel), oder in eine andere Äußerung als ihr Glied eingeschaltet werden (Als es ganz dunkel wurde, fuhr der lange Zug ab). Am Beispiel eines Auszuges aus dem 2. Kapitel von»Jonio Kröger" zeigt Brinkmann den Unterschied zwischen verschiedenen sprachlichen Fassungen für einen Gedanken: „Gemeinsam ist den Fassun-
gen: er wußte, dass sie [die Liebe] reich und lebendig mache und: er kannte die Wirkungen der Liebe der Satzwert des jeweiligen Inhalts: beide haben den Wert eines Objekts. Verschieden ist die sprachliche Repräsentation: die sonst übliche Darstellung des Objekts durch ein Substantiv ist durch eine satzmäßige Darstellung ersetzt, bei der die Satzintention wie üblich durch die Personalform des Verbums (mache) ausgesprochen wird" [38]. Härtung nennt die Subjekt-Prädikat-Verbindungen Satzrepräsentationen und weist daraufhin, dass sie nach bestimmten Gesetzen in Sätze „überführt werden". Der Hauptsatz ist dem einfachen Satz insofern analog, als beide Satzrepräsentationen sind; er ist von ihm insofern verschieden, als für die Überführung isolierter und kombinierter Satzrepräsentationen in Sätze unterschiedliche Regelmäßigkeiten gelten. Ähnliches gilt auch für die oft erörterte Frage, ob der Nebensatz ein Satz ist. Er kann natürlich nie ein Satz in dem Sinne „Satz der deutschen Sprache" sein [105].
§ 109. Das Satzgefüge. Allgemeines
Das Satzgefüge (die Hypotaxe) wird durch das Verhältnis der Subordination zwischen seinen unmittelbaren Konstituenten (den Teilsätzen) gekennzeichnet.
Die Kennzeichen der Subordination sind bei der Satzfügung dieselben wie bei der Wortfügung: Ungleichartigkeit und Ungleichrangigkeit der Komponenten der syntaktischen Fügung, Übereinstimmung der syntaktischen Charakteristiken der übergeordneten Komponente und der Ganzstruktur bei abweichendem syntaktischem Wert der untergeordneten Komponente.
Um die syntaktischen Beziehungen im Satzgefüge zu veranschaulichen, konzentrieren wir uns zuerst auf den Grundtyp der Satzgefüge, der aus zwei Subjekt-Prädikat-Verbindungen besteht.
Die übergeordnete Komponente eines solchen Satzgefüges, der Hauptsatz (Obersatz nach [59]) ist der strukturelle Grandstock des Ganzsatzes, nach der treffenden Bezeichnung von H. Glinz „ein Trägersatz, der das Ganze trägt" [81]. Seine Grundcharakteristiken stimmen mit denen des Ganzsatzes überein. Die untergeordnete Komponente dagegen hat den syntaktischen Wert eines satzmäßig geprägten Satzgliedes, weshalb sie auch Gliedsatz, beim attributiven Verhältnis Gliedteilsatz, genannt wird (Untersatz nach Engel [59]). Der Gliedsatz steht in unmittelbarer syntaktischer Beziehung zu einem der Satzglieder des Hauptsatzes und ist mit dem ganzen Hauptsatz durch dieses Satzglied, das heißt mittelbar, verbunden.
Den strukturellen Gegensatz zwischen Haupt- und Gliedsatz veranschaulichen die Entfaltungs- und die Reduktionstransformation. Die Entfaltungstransformation wird an einem einfachen Satz vorgenommen und besteht darin, dass eines der Satzglieder zu einer Subjekt-Prädikat-Struktur, d. h. zu einer Satzrepräsentation entfaltet wird. Es zeigt sich dabei, dass alle Satzglieder außer dem entfalteten Satzglied nach der Entfaltungstransformation den Hauptsatz konstituieren, während das entfaltete Satzglied zu einem Gliedsatz wird, z. В.:
Er zitterte vor Angst -» Er zitterte, weil er Angst hatte.
Sein sonderbares Benehmen fiel allen auf—> Es fiel allen auf, dass er sich sonderbar benahm.
Die Reduktionstransformation wird an einem Satzgefüge ausgeführt und zeigt, dass immer der Gliedsatz, niemals aber der Hauptsatz, in ein einfaches Satzglied transformiert werden kann, z. В.:
Als es ganz dunkel wurde, fuhr der lange Zug ab —» Nach Anbruch der Dunkelheit fuhr der lange Zug ab.
Wer stark ist, darf Optimist sein. -» Der Starke darf Optimist sein.
Die Übereinstimmung der syntaktischen Charakteristiken des Hauptsatzes und des Ganzsatzes lässt sich an allen wichtigen Kategorien der Satzebene verfolgen, und zwar an der Kategorie der kommunikativen Intention an der affirmativen bzw. negativen Satzbedeutung, an der Kategorie der Prä-dikativität (Modalität des Satzes, zeitliche Bezogenheit auf die Wirklichkeit).
So kann zum Beispiel der Hauptsatz ausgeprägte Merkmale der Aussage-, Frage- oder Aufforderangsform haben, wobei diese Merkmale auch die kommunikative Intention des Ganzsatzes bestimmen:
a) Aussagesatz
Du weißt, dass wir für die Freiheit und eine bessere Zukunft kämpfen. (Kellermann)
b) Fragesatz
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen'! (Goethe)
Дата добавления: 2015-08-05; просмотров: 183 | Нарушение авторских прав
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