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Es war nicht nur meine Geschichte. Einiges davon habe ich erst viel später erfahren. Während wir immer noch auf Estian zuritten, ereigneten sich Dinge in der Stadt, die später eine wichtige Rolle spielen sollten. Eigentlich hätte die Abhandlung, die Erdrick sich aus der Bibliothek des Königs geliehen hatte, genügt, um ihn zu beschäftigen, aber schließlich musste er sich zu sehr darauf konzentrieren, die Geräusche zu ignorieren, die aus dem Zimmer seines Bruders nebenan kamen. Er drehte sich im Bett herum, um es bequemer zu haben, und blätterte um.»Sie könnten wenigstens leiser sein«, murmelte er, als ein besonders schriller Schrei durch die Wand drang.»Es ist einfach widerwärtig. Die Königin ist älter als Mutter.«Sie sah allerdings erheblich besser aus, das musste er zugeben.
Der Sex störte ihn nicht; er hatte solche Geräusche aus dem Zimmer seines Bruders ignoriert, seit die Zofe ihrer Mutter ihn verführt hatte. Es war der Gedanke an Beckrams Hals unter dem Scharfrichterbeil, der ihn beunruhigte - und genau das hatte seinen Bruder vermutlich dazu verleitet, diese Affäre zu beginnen. Wie immer war es Beckram, der spielte, und
Erdrick, der sich wegen der Gefahren sorgte, denen sein Bruder sich aussetzte.
Erdrick schnaubte - eine Äußerung, mit der er die Verachtung seiner selbst kundtat. Er wäre am Tag zuvor beinahe zu Tode erschrocken, als die Königin ihn mit Beckram verwechselt hatte. Sie sollte es wirklich besser wissen, als ihn so in aller Öffentlichkeit zu begrabschen. Immerhin war es nicht nur Beckram, der sterben würde, wenn die Wahrheit herauskäme. Der Ehebruch der Königin hatte die Todesstrafe für beide Beteiligten zur Folge.
Und Erdrick hatte sich in dieser vergangenen Woche mehr als nur einmal unter dem Blick des Königs gewunden. Ein Mann, der sich allein dadurch hervortat, wie viele Manuskripte über Ackerbau er aus der Bibliothek des Königs auslieh, hätte keine solche Aufmerksamkeit erregen sollen - es sei denn, der König glaubte, Beckram vor sich zu haben. Erdrick bezweifelte nicht, dass der König Bescheid wusste. Er hatte versucht, seinen Bruder zu warnen, aber der hatte nur die Schultern gezuckt. Erdrick tröstete sich mit dem Gedanken, dass es nicht Zorn gewesen war, was er im Blick des Königs gesehen hatte, nur Nachdenklichkeit.
Garranon hob den Kopf aus den weichen Kissen, um den Mörder seines Vaters anzusehen, und sagte mit sanfter Stimme:»Ich habe Nachricht von meinem Besitz, dass die Überfälle im Westen immer schlimmer werden.«
Jakoven, Hochkönig der Fünf Königreiche, winkte gleichgültig ab und schob die bestickte Samtdecke auf den Boden.»Die Vorsag werden nicht bleiben. Das Land hat für sie keinen Wert, sie sind Banditen, keine Bauern.«
»Euer Majestät, es sind Eure Leute, die sie umbringen. Eure und meine.«Obwohl seine Worte dringlich waren, achtete Garranon darauf, ebenfalls gleichgültig zu klingen, als er die Laken geradezupfte, wo die Decke sie verzogen hatte.
»Mein Junge«, tat der König das freundlich ab,»du machst dir zu viele Gedanken. Schlafe jetzt. Du bringst mich um meine Ruhe.«
Garranon vergrub das Gesicht im Kissen und zwang seinen Körper, sich zu entspannen. Er nahm seinen Hass und schob ihn sorgfältig wieder hinter die Schranken zurück, die er schon vor Jahren gelernt hatte zu errichten, als man ihn als Zwölfjährigen in Estian abgesetzt hatte, zusammen mit seinem achtjährigen Bruder, um den er sich kümmern musste, weil alle anderen tot waren, Märtyrer für die Freiheit von Oranstein. Er hatte schon früh gelernt, dass Mangel an Vorsicht den Tod bringen konnte. Und noch schlimmer, es konnte auch dazu führen, dass Frauen und Kinder vergewaltigt und umgebracht wurden. Er würde nicht sein wie sein Vater. Er plante, manipulierte, veränderte eine Kleinigkeit nach der anderen. Wenn ihn das mitunter mehr kostete, als er ertragen konnte, sagte er sich, dass zumindest sein Bruder noch am Leben war. Was Garranon tat, würde seiner Familie nicht schaden, nur seiner Seele.
Und seine Seele schmerzte nun wegen dem, was er dem armen Ward von Hurog angetan hatte. Garranon hatte das Leben eines harmlosen Jungen zerstört, und es hatte noch nicht einmal zu etwas geführt, weil Ward schließlich zusammen mit Ciernacks Sklavin geflohen war. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte Garranon dem König gesagt, er hätte das Dekret nicht abgeliefert; der König hatte es ihm überlassen, ob er das tun wollte oder nicht. Aber unter seinen Leuten waren Spione, und zu viele von ihnen wussten, dass er Ward hatte ins Asyl bringen wollen. Also war Ward nun ein Flüchtling, dem Gefangenschaft drohte, und Garranon hatte beinahe all sein Geld hergeben müssen, um das Leben seines Bruders zu erkaufen - wenn es ihm denn gelungen war; Ciernack galt nicht gerade als vertrauenswürdig. Die Götter allein wussten, welchen Schaden Landislaw Buril antun würde, aber hier in der Hauptstadt war er zu sehr in Gefahr.
Spannung zog Garranons Magen zusammen, bis er brannte. König Jakoven hatte Ward ebenso für untauglich erklärt, um Garranon fester an sich zu binden, als um des Goldes für die königliche Schatzkammer willen. Es war Jakoven gleich, wer auf Hurog saß, einer so armen Burg, dass sie die meisten Steuern nicht mit Gold, sondern mit Waren zahlte. Nachdem der alte Hurogmeten, der mächtige Krieger, den alle gefürchtet hatten, tot war, hatte Hurog keine Bedeutung mehr. Aber der König würde dafür sorgen, dass es Garranon etwas bedeutete.
Wenn Garranon nun zu Wards Gunsten sprach, bestand durchaus die Möglichkeit, dass Jakoven den Jungen umbringen ließ. Der König wurde leicht eifersüchtig, wenn Garranon Zuneigung fasste, sei es zu einer Person oder einer Sache.
Der Arm des schlafenden Königs rutschte von Garranon herunter, während dieser sich fragte, ob der Weg, den er gewählt hatte, tatsächlich zu etwas führen würde. Er war zweifellos nicht in der Lage gewesen, Oranstein zu helfen.
Was immer er in der Öffentlichkeit oder zu seinem Geliebten sagte, Jakoven wusste genau, dass Kariarn Oranstein haben wollte. Er wartete nur darauf, dass Oranstein fiel, damit die Vorsag gezwungen waren, Tallven und Seefurt über die Bergpässe hinweg anzugreifen und das Heer des Königreichs damit den strategisch vorteilhafteren Boden hatte.
Es war erst fünfzehn Jahre her, seit die Rebellion in Oranstein niedergeschlagen worden war. Zu viele würden sich an die Kämpfe gegen dieses Land erinnern, um sich über >ein paar< Überfälle aufzuregen. Erst wenn Oranstein voll und ganz von dem gierigen vorsagischen Heer verschlungen worden war, würden die Adligen der verbliebenen vier Königreiche ihre Empörung und ihren Zorn kundtun und in dieser Stimmung alles billigen, was Jakoven tat.
Es war eine gute Strategie, wenn einen Oranstein nicht kümmerte. Als Garranon Landislaw nach Hause schickte, hatte er ihn angewiesen, Männer auszubilden, um Buril zu schützen - und den Besitz wenn nötig zu evakuieren.
Wenn der Tod des Königs Oranstein retten würde, hätte Garranon ihn schon lange umgebracht. Aber selbst als Junge war ihm klar gewesen, dass Jakovens Tod zu nichts weiter als zu seinem eigenen Tod führen würde. Es war besser, den König zu benutzen, denn als Mörder zu sterben, obwohl er wusste, dass sein Vater nicht so gedacht hatte. Aber wenn er die Anerkennung seines Vaters gesucht hätte, dann hätte er sich umgebracht, wie seine Mutter es getan hatte. Wenn sein Vater sehen könnte, wie er hier die Hure des Königs spielte, würde er seinem ältesten überlebenden Sohn sofort die Kehle durchschneiden.
Garranon starrte den dicken Teppich im königlichen Schlafzimmer an, während der König schlief.
»Es gibt Neuigkeiten, Erdrick«, sagte Beckram, sobald Erdrick die Verbindungstür öffnete.
Das Morgenlicht fiel auf das Pergament, das Beckram in der Hand hielt. Er klang so nüchtern, dass Erdrick die Garde des Königs vor der Tür erwartete.
»Was ist los?«
Beckram warf seinem Bruder den Brief zu.»Lies.«
Sobald er die Schrift auf dem Pergament sah, das er vom Boden aufhob, wusste Erdrick, dass der Brief von seinem Vater kam. Er las ihn zweimal.
Ward zum Asyl verurteilt? Armer, armer Ward. Erdrick wusste, was Hurog seinem Vetter bedeutete, ob er nun ein Idiot war oder nicht. Man konnte kein Hurog sein, ohne zu wissen, wie stark alle, die dort lebten, an diese Burg gebunden waren. Der Hurogmeten hatte noch aus dem Grab die Hand ausgestreckt, um seinem Sohn ein letztes Mal wehzutun. Dieses Bild ließ ihn schaudern; der verstorbene Hurogmeten hatte ihm immer Angst gemacht.
»Ich möchte wirklich wissen, woher Vater weiß, dass ich mit der Königin schlafe«, sagte Beckram angriffslustig.
Du schläfst nicht mit ihr, hätte Erdrick beinahe gesagt. Aber sein Bruder hatte etwas gegen den Humor anderer Leute, also sagte er stattdessen:»Er erwähnt es nicht.«
»Er sagt, ich solle meinen Einfluss auf den königlichen Haushalt nutzen, um den König dazu zu bringen, Ward wieder als Hurogmeten einzusetzen.«
Also gut, es war Zeit, es zuzugeben.»Nun ja, ich dachte, Vater sollte wissen, dass du die Familie zu Verrätern machst. Damit er vorbereitet ist.«
Beckram zischte leise.»Dem König ist das egal; sie hat weder ihm noch irgendeinem anderen einen Erben geboren. Und er hat Garranon und all die Jungen, die er in sein Bett locken kann.«
»Hat sie dir das gesagt?«
Beckram bedachte ihn mit einem seltenen ehrlichen Lächeln - einem Lächeln, das Erdrick daran erinnerte, wieso er seinen Zwillingsbruder liebte.»Nein, das hat mir der König gesagt, als er mir gestattete, sie zu nehmen.«Er lehnte sich zurück.»Obwohl >gestatten< das falsche Wort ist; es handelte sich eher um einen Befehl.«
Erdrick wusste nicht, ob er jetzt erleichtert sein oder sich noch mehr Sorgen machen sollte. Der König spielte seltsame Spiele.»Sei trotzdem vorsichtig.«
Beckram nickte geringschätzig.»Ich verstehe wirklich nicht, wieso sich Vater wegen Ward solche Sorgen macht. Jeder weiß, dass Ward dumm ist - zu dumm, um sich angemessen um einen Besitz wie Hurog zu kümmern. Selbst dem Hurogmeten, so geizig er war, fiel es schwer, auf diesem Besitz von einem Jahr zum anderen zu überleben. Dennoch...«Er zögerte einen Augenblick.»Ich mag Ward vielleicht nicht besonders...«
Weil er dich, so dumm er sein mag, daran erinnert, was du tun solltest, statt zu tun, was du willst, dachte Erdrick.
»Aber ich möchte auch nicht, dass er in das königliche Asyl gesteckt wird. Kannst du dir das vorstellen? Ich glaube, er wäre so zornig, dass er töten würde. Aber vielleicht können wir einen Kompromiss erreichen. Vater würde ihn aufnehmen. Der arme Tosten ist dank unseres toten Onkels wahrscheinlich schon lange Fischfutter, womit Hurog an Vater fiele.«
»Vater will Hurog nicht«, sagte Erdrick. Er wusste, dass das seinen Bruder überraschen würde. Duraugh hatte mit allem, was er sagte, stets die Annahme des Hurogmeten genährt, dass Hurog der Gipfel seines Ehrgeizes war, ganz gleich, wie sehr die Vernunft dem widersprach.
»Was?«
»Es macht ihm Angst. Er sagt, die Burg ist verflucht. Erinnerst du dich an Großvater? Onkel Fen war schlimmer. Vater wird seine Pflicht tun, aber er will die Burg nicht wirklich. Du vielleicht?«
Beckram dachte darüber nach und verzog das Gesicht.»Ein Hurog zu sein, bringt einem einen gewissen Ruf ein - als besäße man ein Menschen fressendes Tier. Aber Hurog zu besitzen, würde meinem Liebesleben eher schaden. Kannst du dir vorstellen, dass irgendeine Frau an diesem trostlosen Ort leben will? Und es würde mir zufallen, während du Iftahar bekämest, das reicher und wärmer ist.«Er schauderte demonstrativ.»Also gut, ich werde mit ihr reden.«
Beckram schloss die Tür hinter sich, bevor er aufhörte zu lächeln. Er hätte sich zwar lieber die Zunge herausgeschnitten, als es zuzugeben, aber er machte sich ebenfalls Gedanken wegen seiner Affäre mit der Königin. Ihr letzter Geliebter war mit dem Gesicht nach unten in dem kleinen Brunnen im Haupthof gefunden worden - eine Tatsache, die man bei Hof gern verschwieg.
Beckram wusste nicht, welche Fehler der arme Narr gemacht hatte, aber er war entschlossen, sie zu vermeiden. Er hatte sorgfältig darauf geachtet, sich aus der Politik herauszuhalten. Er hatte nie um eine Gunst gebeten. Er sprach mit niemandem über die Königin - wenn man von Erdrick einmal absah, und das zählte nicht -, obwohl selbstverständlich alle von der Affäre wussten.
Aber sicher war es keine Gunst, sie zu bitten, das Dekret über Ward zurückzuziehen - ganz im Gegenteil. Hurog war nicht wirklich so schlimm. Nicht viele würden ihr Leben aufs Spiel setzen, um es wegzugeben.
Wer hätte gedacht, dass er einmal für Ward sein Leben aufs Spiel setzen würde!
Nun, dachte er, als er den Flur entlang zum Garten ging, wo sich die Damen meist vor dem Essen mit den beliebtesten Herren trafen, er würde eben dafür sorgen müssen, dass Ward niemals davon erfuhr. Ward umarmte Leute, die ihm halfen, und Wards Umarmungen waren weder würdevoll noch sanft. Beckrams Schritte wurden schwungvoller - sein Leben aufs Spiel setzen; das gefiel ihm.
Tehedra Foehne Tallven, Königin von Tallven und der Fünf Königreiche, hatte sich bequem in ihrer Lieblingsecke des Gartens niedergelassen und ließ ihre Zofe an ihrem Haar arbeiten. Die Ecke war abgelegen und vom Rest des Gartens aus beinahe nicht einzusehen, und wenn sie sich dort befand, wussten die anderen Damen, dass sie sie in Ruhe lassen sollten.
Der süße Duft des blühenden Busches, für dessen Namen sie sich nie interessiert hatte, war so beruhigend wie die Hände der Zofe. Einer dieser Büsche hatte auch in dem Haus, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte, vor dem Fenster gestanden, und seine weißen Blütenblätter hatten ebenfalls diesen zarten Hauch von Rosa am Rand gehabt. Wenn sie die
Augen schloss, konnte sie beinahe die tadelnde Stimme ihrer Mutter hören und die tiefere, wohlklingendere Stimme ihres Vaters, der sie tröstete.
»Ah, meine Schöne möchte den Morgen wohl verschlafen?«
Unwillkürlich begann sie zu lächeln, aber sie verstärkte dieses Lächeln gewaltig zu etwas Künstlichem, als sie die Augen öffnete. Auf keinen Fall sollte die Zofe berichten können, dass ihre Herrin so etwas wie Zärtlichkeit für ihren Geliebten empfand.
»Beckram, mein Lieber.«
Er lächelte und ließ den Blick mit einer Bewunderung über sie schweifen, von der sie annahm, dass sie zumindest zum Teil der Wahrheit entsprach. Er mochte noch jung sein, aber sie hatte die Figur einer Frau, die halb so alt war wie sie. Sie fragte sich, wieso der König wohl ausgerechnet Beckram ausgesucht hatte. Wollte er sie prüfen? Onev war nicht so jung gewesen, aber sanfter und weniger schlau. Es hatte ein ganzes Jahr gedauert, bis Jakoven ihn schließlich umbringen ließ. Sie hoffte, dass Beckram länger leben würde. Sie wünschte sich, sie könnte ihn retten, aber man hatte sie schon vor langer Zeit eines Besseren belehrt. Also würde sie es genießen, so lange es dauerte, und versuchen, sich nicht zu sehr an ihn zu gewöhnen. Es half, dass er immer nur Unsinn redete. Der Liebhaber vor Onev war gern gesegelt. Es war ihr gelungen, nach seinem Verschwinden sogar seinen Namen zu vergessen, aber daran erinnerte sie sich noch.
»Meine Liebe, Ihr lasst selbst den SommersüßBusch erröten, weil Ihr ihn so überstrahlt«, sagte er und deutete auf ihren Lieblingsbusch.
»So heißt er?«, fragte sie, erstaunt, weil sie gerade daran gedacht und er ihre unausgesprochene Frage beantwortet hatte. Nun würde sie sich an ihn erinnern, dachte sie, jedes Mal, wenn sie den Busch sah.
Er lachte.»Ich glaube schon, aber mein Bruder wäre der richtige Mann für diese Frage. Oh, und was habt Ihr ihm angetan? Er war heute Früh wirklich nervös.«
Sie musste sich anstrengen, um weiterhin die Fassade zu wahren.»Gestern Abend standen wir nebeneinander - ich dachte, Ihr wäret es. Ich...«Wie lächerlich, deshalb verlegen zu sein! Aber sie spielte ihre Rolle, und das hatte sie schon länger getan, als dieses Kind am Leben war. Also gelang es ihr, sich weiterhin nach außen ungerührt zu geben.»Ich habe ihn in den Hintern gekniffen. Ich dachte, er würde ohnmächtig werden.«Sie verdrehte die Augen. Obwohl sie von so viel Unschuld gerührt gewesen war.
Wieder lachte Beckram und ließ sich mit der Geschmeidigkeit der Jugend zu ihren Füßen nieder.»Er sieht alles zu ernst.«Er nahm einen ihrer Füße in die Hände und rieb ihn sanft, mit gerade genug Druck, dass es nicht kitzelte.
»Mhm«, sagte sie.»Das fühlt sich gut an. Wo habt Ihr das denn gelernt?«
Er zögerte kurz und verlor in einem Augenblick verblüfften Erkennens seine Maske.»Von meinem
Vetter Ward«, brachte er schließlich heraus.»Ich war zwölf, und mein Lieblingspferd hatte sich das Bein verrenkt.«
Nein, dachte sie. Sie wollte nichts von seiner Familie hören. Sie wollte nicht, dass er zu einer Person wurde. Aber es war zu spät, sein Gesicht war nun ernst, beinahe finster.
»Mein Bruder möchte Bauer werden«, sagte er.
»Oh?«Erdrick war vielleicht ein sichereres Thema. Es gab wohl nicht viele Leute, die sicherer waren als Erdrick, dachte sie.
»Und wenn ich den Besitz meines Vaters erbe, werden wir uns die Aufgaben teilen. Er wird das Land bebauen, und ich werde mich um das Kämpfen und um die Politik kümmern.«Beckram blinzelte gegen das helle Sonnenlicht an. Er wirkte hier draußen wie zu Hause, dachte sie hilflos. Er ist ein Kind der Sonne, und ich bin die schwarze Witwe, die ihn gefangen hat. Sie gab ein neutrales Geräusch von sich.
»Das Problem ist, im Augenblick sieht es so aus, als würde nichts daraus.«
Er wirkte nicht besonders bedrückt, also erwartete sie eine weitere vergnügte Bemerkung darüber, dass ihre Schönheit ihn veranlasste, am Hof zu bleiben, sodass er kein guter Krieger mehr sein würde. Sie stieß einen ermutigenden Seufzer aus.
»Der König hat meinen Vetter Ward für untauglich erklärt, Hurogmeten zu sein. Wenn sie ihn finden, wird er gefangen genommen und ins Asyl gebracht werden.«
»Sie können ihn nicht finden?«Sie erinnerte sich an Ward. Er mochte einfältig sein, aber er war sanftmütig, ein Charakterzug, den sie bei Männern selten fand. Er tanzte immer mit den hässlichsten Mädchen. Sie konnte ihn sich nicht in dem Kerker vorstellen, den ihr Mann eingerichtet hatte, um die Personen aufzunehmen, die zu wichtig waren, um sie zu töten -wie seinen jüngeren Bruder. Schrecklich, schrecklich, dachte sie. Sie hatte immer befürchtet, dort selbst einmal zu landen. Aber sie hatte auch viel Zeit gehabt zu lernen, wie man die Fassade aufrechterhielt. Ihr Lächeln versagte nie, und in ihrer Frage lag nichts als höfliches Interesse.
»Nein. Aber er wird schon wieder auftauchen.«Beckram zögerte und sah sie ernst an, nun ganz junger Mann und kein schmeichelnder Liebhaber mehr.»Könntet Ihr den König vielleicht bitten, ihm Hurog zurückzugeben? Ward ist einfältig, aber nicht verrückt. Verrückt war mein Onkel.«
Sie ertappte sich dabei, wie sie zustimmend nickte, denn sie erinnerte sich an die berüchtigten Wutanfälle des alten Hurogmeten. Sie nahm an, ihr Gemahl hatte ihn mehr als nur ein wenig gefürchtet.
Beckram fuhr fort:»Weder mein Vater noch ich wollen Hurog haben. Es ist eine nette Kuriosität, solange es anderen in der Familie gehört, aber es ist verdammt unbequem. Ich hätte viel lieber den derzeitigen Besitz meines Vaters, und Erdrick wäre viel lieber mein Verwalter.«
Sie spürte, wie die Hand ihrer Zofe an ihrem Haar zögerte. Entsetzen erfasste sie. Ihr Gemahl würde neugierig werden, wenn sie ihn wegen so etwas behelligte; er würde wissen wollen, wieso Beckram um eine solch merkwürdige Gunst bat. Sie selbst konnte auch nach all diesen Jahren am Hof immer noch glauben, dass der Junge es ehrlich meinte. Aber Jakoven würde das niemals tun.
»Ach, kommt schon«, sagte sie und lächelte neckisch in einem Versuch, ihm dabei zu helfen, sich zu retten.»Es muss doch noch einen besseren Grund geben. Ihr müsst dabei doch auch etwas zu gewinnen haben.«Sie konnte es für ihn tun, dachte sie, wenn er nur einen besseren Grund anbringen würde. Der König hatte stets dafür gesorgt, dass ihre Geliebten für ihre Dienste gut entlohnt wurden.
Beckram schüttelte den Kopf.»Ich hasse einfach den Gedanken, dass er in einem Raum eingesperrt sein wird. Er gehört nach Hurog.«Er lächelte schüchtern, und das ließ ihn Jahre jünger wirken.»Er ist groß und träge - aber zäh.«Er berührte leicht sein Auge, ohne für sie ersichtlichen Grund.»Er kennt jeden Stein auf Hurog-Land, weiß, wie jedes Tier dort gezüchtet wurde. Es ist sein Zuhause. Ich denke, nachdem er mit Onkel Fenwick leben musste, hat er es verdient.«
O du armer Junge, dachte sie und berührte sanft sein Haar. Das wird der König niemals glauben -dass du persönlichen Nutzen aufgibst, weil du deinen Vetter magst. Er wird einen Plan zu seinem Sturz wittern. Hurog hatte zwar kein Geld, aber politische
Macht, und wenn sogar sie sich daran erinnerte, würde Jakoven es ganz bestimmt tun. Wenn Shavig noch einen eigenen König hätte, wäre es einer aus der Hu-rog-Familie, eine Tatsache, welche die Adligen von Shavig ganz bestimmt nicht vergessen hatten.
Aber sie war schon sehr lange Jakovens Gemahlin. Also lächelte sie nur.»Ich werde ihn selbstverständlich darum bitten. Aber macht Euch keine großen Hoffnungen. Er ändert selten seine Meinung, nur weil ich ihn um etwas bitte. Und jetzt geht und holt mir etwas zu trinken.«
Er sprang auf und verbeugte sich tief.»Königin meines Herzens, das wird sofort geschehen.«
Sheira, ihre Zofe, kämmte sie weiter, nachdem er gegangen war, und Tehedra musste sich anstrengen, um sich ihr nicht zu entziehen. Es war nicht die Schuld des Mädchens, dass sie alles dem König berichten musste. Verflucht sollte der Junge sein, weil er so dumm war, sich in den Tod zu reden!
Garranon musste sich anstrengen, um nicht die Augen zu verdrehen. Selbst wenn die Leute aus Oranstein ein Jahr lang gesucht hätten, hätten sie keine ungeeignetere Person finden können, um ihren Fall vorzutragen, als den alten Haverness. Die Audienzen am Morgen waren selten angenehm für Garranon, aber diese hier würde quälender werden als sonst.
»Wir gehören Euch, mein König. Wir haben uns Euch bei unserem Lebensblut angeschworen«, sagte Haverness.
Diesen Schwur nehmt Ihr erheblich ernster als der König, dachte Garranon traurig. Haverness musste doch wissen, worauf er sich hier einließ! Garranon hatte der Delegation aus Oranstein bereits erklärt, dass der König ihnen nicht helfen würde. Er hatte versucht, ihnen darzulegen, dass sie alles noch schlimmer machen würden, wenn sie ihn bedrängten. Aber sie hatten ihn ignoriert.
Haverness von Callis sah aus wie der alte Krieger, der er war. Er war der einzige Oransteiner bei Hof, der den Mut hatte, sein Haar noch so zu tragen, wie es vor der Rebellion in Oranstein Mode gewesen war: rasiert von der Schläfe bis zum Ohr, und überall sonst kurz geschnitten. Garranon wusste, dass Jakoven Haverness für einen geschlagenen Mann, für einen Versager hielt. Wenn Garranon stattdessen einen Helden vor sich sah, behielt er das lieber für sich.
Entschlossen wandte er seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zu. Der König ging seinen morgendlichen Pflichten in einem der größeren Empfangsräume nach. Die Tamerlain war an diesem Morgen hier, wie so oft; sie behauptete, es helfe gegen ihre Langeweile, nun, da Menogue verlassen war. Ihr golden und gelb gefleckter Körper wirkte beinahe schockierend in seinem Kontrast zu den dunklen Farben, in die die Adligen gekleidet waren. Sie war in Größe und Gestalt einem Bären ähnlich, aber graziler, wie eine riesige Waldkatze. Ihr Kopf war ebenfalls katzenhafter, mit beweglichen Zügen und scharfen weißen Reißzähnen. Sie wirkte so beeindruckend und gefährlich, wie man es von der Hüterin eines Tempels erwartete, und das Einzige, was nicht in dieses Bild zu passen schien, war der überlange flauschige Schwanz. Garranon fragte sich, wieso in diesen überfüllten Räumen noch nie jemand darauf getreten war - immerhin hatte sie ihm schon vor Jahren versichert, dass er der Einzige war, der sie sehen konnte.
Ihr herrischer Blick traf den seinen über die Menge hinweg.
»Callis ist in arger Bedrängnis, Euer Majestät. Ihr müsst doch wissen, dass das keine gewöhnlichen Räuberbanden sind. Wenn sie Oranstein genommen haben, werden sie als Nächstes Tallven und Seefurt angreifen.«In Haverness’ Stimme lag eine leidenschaftliche Intensität, die Garranon zwang, seine Aufmerksamkeit einen Augenblick wieder dem alten General zuzuwenden. Als er erneut die Tamerlain beobachten wollte, war sie verschwunden.
»Wir sind vertraut mit den Ereignissen im Süden«, erklärte der König freundlich.»Aber wir sind auch vertraut mit den großartigen Fähigkeiten der Kämpfer von Oranstein. Ich wette...«Die vorgebliche Ehrlichkeit des Königs ließ Garranon einen Schauder über den Rücken laufen. Er achtete darauf, weiterhin eine ausdruckslose Miene zu wahren, denn es gab hier zu viele, die Jakovens zahmen Oransteiner sorgfältig beobachteten.»Ich wette, mit hundert Männern könntet Ihr die Banditen selbst vertreiben.«
Haverness kannte den König. Er verbeugte sich tief und wollte etwas sagen, als er unterbrochen wurde.
»Diese Wette nehme ich an«, sagte eine Stimme, die Garranon überraschte, denn er hatte den unehelichen Halbbruder des Königs zuvor nicht bei der Audienz bemerkt. Alizon Tallven schlenderte auf Haverness zu und tätschelte ihm den Rücken.»Obwohl ich lieber auf der Seite von Haverness stünde. Ich habe nämlich im letzten Krieg gegen ihn gekämpft.«Alizon mochte aussehen wie ein Geck, aber er war schon mit zweiundzwanzig militärischer Berater und General seines Vaters gewesen.
Der König lehnte sich zurück. Der Kontrast zwischen den beiden Männern war verblüffend, besonders, da ihre Mütter Schwestern gewesen waren. Der König sah aus, wie ein Herrscher aussehen sollte: ausgeprägte Züge, graue Augen mit kühlem, abschätzendem Ausdruck. Er sah nicht besonders gut aus - nein, das wäre zu gewöhnlich gewesen. Er hatte eine schmale, aristokratische Nase, mit einem leichten Hubbel, wo sie einmal gebrochen war. Das lockige Haar - nun vollkommen grau - war, obwohl Garranon sich an Zeiten erinnern konnte, als es noch schokoladenbraun gewesen war - trug er militärisch kurz.
Alizon, der älteste der drei Söhne des letzten Königs, färbte sein Haar. Heute war es kastanienbraun, und es fiel ihm bis auf die Schultern. Er war hochgewachsen und wolfsschlank und bewegte sich mit seltsamer Anmut. Es war schwer, ihn sich an der Spitze eines Heeres vorzustellen. Er war von seinem offiziellen Posten zurückgetreten, als sein Halbbruder den Thron bestieg. Garranon nahm an, dass er aus diesem Grund dem Schicksal von Jakovens jüngerem Bruder entgehen konnte, der sich im Asyl des Königs befand.
»Ihr wollt wetten, dass Haverness und hundert Soldaten die Banditen vertreiben können?«, fragte Jakoven amüsiert.
»Mithilfe der Bewohner von Oranstein selbstverständlich«, stimmte Alizon zu.»Und ich denke, er allein sollte diese hundert auswählen.«
Der König lachte leise, und Garranon glaubte beinahe, dass er ehrlich amüsiert war.»Und was setzt Ihr bei dieser Wette?«
»Mein Streitross gegen Großvaters Schwert.«
Дата добавления: 2015-11-14; просмотров: 81 | Нарушение авторских прав
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