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Wardwick von Hurog 4 страница

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»Du hattest einmal magische Fähigkeiten - du konntest Blumen für deine Mutter zum Blühen bringen.«Oreg schien sich ein wenig zu entspannen. Er hatte sich auf der Bank neben der Tür niedergelassen.

»Ich kann immer noch mithilfe meiner Magie Leute finden. Ciarra hat mich heute fast zu Tode erschreckt, als ich spürte, dass sie plötzlich so weit unter mir war. Ich nehme an, sie ist nicht aus dem unterirdischen Gang gefallen wie ich? Du hast sie einen anderen Weg entlanggeführt?«Er nickte.»Aber darüber hinaus habe ich keine magischen Fähigkeiten mehr. Ich kann Magie wahrnehmen, aber selbst keine ausüben.«

»Doch du bist nicht dumm. Warum hast du so getan als ob?«

»Damit mein Vater mich nicht umbrachte.«Ich versuchte, dieses instinktive Wissen in Begriffe zu fassen, die ein anderer verstehen konnte.»Mein Vater ist - war - der Hurogmeten. Du weißt vielleicht besser als jeder andere, was das bedeutet. Für ihn war Hurogmeten das Wichtigste, was ein Mensch sein konnte, noch besser als Hochkönig, aber der Titel war nur zeitweilig und würde weitergegeben werden wie dieser Ring, wenn er starb.«

»Aber alle Menschen müssen sterben«, stellte Oreg sachlich fest.»Dein Großvater hat Hurog Fen-wick anvertraut. Er hätte durch seine Kinder weitergelebt.«

»Er hat meinen Großvater umgebracht«, sagte ich. Es war das erste Mal, dass ich es laut aussprach.

Oreg schien vollkommen zu erstarren. Dann flüsterte er:»Dein Großvater wurde von Banditen getötet. Dein Vater brachte ihn hierher, damit er hier sterben konnte.«

»Mein Großvater wurde von dem Pfeil meines Vaters in den Rücken getroffen. Vater hat es zugegeben, als er einmal sehr betrunken war.«

Wir waren auf der Jagd gewesen, nur wir beide, als ich neun oder zehn Jahre alt war. Wir schlugen in den Bergen ein Lager auf, und Vater begann zu trinken, sobald wir das Zelt aufgebaut hatten. Ich erinnerte mich nicht mehr daran, was im Einzelnen zu seinem Geständnis führte, aber ich hatte immer noch den Blick vor Augen, den er mir hinterher zuwarf. Er hatte dieses Geheimnis nicht preisgeben wollen, und schon damals wusste ich, dass dieses Wissen gefährlich war. Ich tat so, als hätte ich ihn nicht verstanden, als wäre seine Stimme zu schleppend gewesen.

Vielleicht war es dieses betrunkene Geständnis gewesen, das ihn endgültig gegen mich aufgebracht hatte, aber ich glaubte, dass seine Feindseligkeit noch tiefer gereicht hatte.

»Er betrachtete mich als Rivalen um Hurog. Die Zeit war sein Feind, und ich war ihr Standartenträger.«Das war ein Satz, wie ihn mein Held Seleg in sein Tagebuch hätte schreiben können. Es hätte auf Papier auch besser gewirkt als laut ausgesprochen, also versuchte ich es ein bisschen weniger dramatisch.»Mein Vater verlor nicht gern im Kampf.«

Ich stand auf und ging zu dem polierten Metallrechteck, das an der Wand hing. Ich sah meinem Vater ähnlich - das Gesamtbild war ohne die Hurog-blauen Augen nicht so aufsehenerregend, aber dennoch eine jüngere Version von ihm. Die Größe kam von der Seite seiner Mutter, aber die Züge waren Hurog.»Ich war sein Nachfolger, eine stete Erinnerung daran, dass er Hurog eines Tages verlieren würde. Ich bin nicht einmal sicher, ob er es sich jemals bewusst gemacht hat, aber von dem Tag an, als ich zum ersten Mal ein Schwert in der Hand hielt, betrachtete er mich als Gefahr. Wenn du aufgepasst hast, wirst du dich vielleicht daran erinnern, dass die Prügel, die für meine >Veränderung< verantwortlich waren, nicht der erste Anlass waren, zu dem er mich bewusstlos schlug. Wenn er damit weitergemacht hätte, hätte er mich umgebracht, bevor ich alt genug gewesen wäre, um mich zu verteidigen. Und ich hatte das Beispiel meiner Mutter vor Augen, dem ich folgen konnte.«

»Wenn sie in ihren Träumen versank, hat er sie nicht so oft geschlagen wie sonst. Oder ihr Bett aufgesucht«, stimmte der Junge ernst zu.

»Mein Sprachproblem ließ meinen Vater ohnehin denken, dass ich zum Idioten geworden war, also beschloss ich, das auszunutzen.«

»Und warum machst du jetzt, nachdem er tot ist, damit weiter?«

Ich musste mir meine Antwort selbst ertasten.»In den nächsten beiden Jahren wird mein Onkel hier herrschen. Wie mein Vater wurde auch er dazu erzogen zu denken, dass die Stellung des Hurogmeten das Größte ist, was ein Mann erreichen kann. Ich bin nicht sicher, ob er die Herrschaft freiwillig abtreten wird.«

»Bist du so überzeugt, dass er ein Schurke ist? Er war ein netter Junge...«Oregs Stimme verklang zu einem Flüstern.»Zumindest glaube ich, dass es Duraugh war, aber manchmal kann ich mich nicht mehr so gut erinnern.«

Ich schloss die Augen.»Ich kenne ihn nicht besonders gut; ich weiß nur, dass er wenig Geduld mit Idioten hat. Die Götter allein wissen, dass ich auch nicht wollte, dass ein Idiot für Hurog verantwortlich ist. Dazu ist es zu schwierig, hier zu überleben.«Ich zuckte die Achseln und sah Oreg an, der irgendwie nun zu meinen Füßen hockte.»Ich traue ihm nicht.«

Ich hatte mit Oreg mehr gesprochen als je zuvor mit einer anderen Person, wenn man von Ciarra einmal absah. Reden fiel mir immer noch schwer, und es machte mich müde. Ironischerweise fühlte sich Ehrlichkeit erheblich merkwürdiger an als das Lügen.

»Vertrau deinen Instinkten«, sagte Oreg schließlich.»Es wird niemandem wehtun, wenn du noch eine Weile vorsichtig bleibst.«

Dann ging er, aber nicht durch den Geheimgang oder die Tür, sondern er verschwand einfach und ließ mich mit meinen Erinnerungen allein.

Meine Instinkte, wie? Vater war tot, und ich wusste nicht einmal, ob es Freude oder Trauer war, was ich empfand. Hurog gehörte endlich mir, und doch wieder nicht. Sollte ich mich den anderen offenbaren? Sagen:»Es wird euch vielleicht interessieren zu hören, dass ich nicht wirklich ein Idiot bin«? Ich war mir nicht einmal sicher, ob noch irgendetwas anderes von mir übrig war außer dem dummen Gesicht und der ununterbrochenen Wachsamkeit dahinter. Ich würde abwarten.

Ich stützte die verschränkten Arme auf den Zaun und atmete die frische Morgenluft ein, als Harron, einer der Stallknechte, mir von der Aufregung der vergangenen Nacht erzählte.

Jemand hatte das Tor zur Koppel der Stuten offen gelassen, und Blümchen war schnaubend und stampfend auf der Koppel mit der besten Stute meines Vaters gefunden worden...»Die auch noch gerade ros-sig war, so ein Unglück«, sagte Harron vergnügt. Die anderen Stuten standen sicher in ihren Boxen, aber Motte war ruhelos gewesen. Penrod hatte angenommen, eine Nacht auf der Koppel könnte sie beruhigen. Das hatte er auch meinem Onkel gegenüber erwähnt.

Während Harron mir das erzählte, sahen wir zu, wie eine Gruppe von Stallknechten zusammen mit meinem Onkel Blümchen mit Halftern, Seilen und Eimern voller Hafer jagten. Blümchen entzog sich seinen Verfolgern mit hoch erhobenem Schweif und einem Schütteln des hinreißenden Kopfes. Onkel Duraugh erspähte mich und überließ es den anderen Männern, die Arbeit zu beenden. Als er durch den Zaun kletterte, schickte ich Harron aus, um mir Hafer und ein Halfter zu holen.

»Irgendein Idiot hat das Tor zur Stutenkoppel offen gelassen«, knurrte mein Onkel.

Es war eine Gelegenheit, die ich nicht verpassen sollte.

»Ich habe es gestern Abend überprüft«, log ich.»Blümchen war in der Hengstkoppel.«

Mein Onkel starrte mich an.

»Ich habe auch nach der Stute gesehen«, erklärte ich ernst. Ich würde lernen müssen, vorsichtiger zu sein. Vater sah nur, was er sehen wollte, aber mein Onkel litt vielleicht nicht an der gleichen Schwäche.

Wenn ich jede Gelegenheit nutzte, die er mir gab, würde ihm womöglich auffallen, was ich tat.

»Hier, Ward!«, schnaufte Harron und schob einen Hafereimer in meine Richtung - nach oben. Auf dem Eimer lag das Halfter, um das ich gebeten hatte.

Ich griff nach dem Eimer und stieg über den Zaun.

»Sie haben es bereits mit Hafer versucht«, sagte mein Onkel.»Sie werden ihn schon erwischen. Lass die Leute ihre Arbeit tun.«

Ich ging weiter, sagte aber über die Schulter:»Ich dachte, ich könnte die Stute einfangen.«

Motte zeigte sich, anders als der von seinem Trieb geleitete Hengst, sehr interessiert an dem Futter. Außerdem kannte und mochte sie mich - und mein Vater ritt keine Stuten. Als sie roch, was ich mitgebracht hatte, trabte sie zu mir, tänzelte ein wenig vor Freude und schüttelte die silbergraue Mähne.

»Das hat dir gefallen, wie?«, fragte ich sie verschwörerisch. Wir ignorierten beide die Stallknechte, die auf der anderen Seite der Weide vergeblich hinter dem Hengst herjagten.»Ich würde annehmen, dass er ein wenig rau zu den Damen ist, da er sich so wenig auskennt. Aber du hast mehr Erfahrung. Sieht aus, als hättest du ihm gezeigt, wie man es macht.«Sie freute sich sichtlich über die Bewunderung in meiner Stimme und nahm die Leckerei, die ich ihr gebracht hatte, ebenso zierlich wie gierig entgegen.

Sie ließ zu, dass ich ihr das Halfter anlegte. Es war zu groß, aber bei ihr spielte das keine Rolle. Ich betrachtete sie forschend, aber abgesehen von einem rauen, trockenen Fleck Fell an ihrem Nacken, wo er sie offenbar gepackt hatte, war sie unverletzt.

Ich führte sie auf die Hengstkoppel, und das launische Geschöpf achtete nicht einmal mehr auf Blümchen, dem endlich aufgefallen war, dass ich seine Stute stahl, und der nun laut wieherte. Harron, der sah, was ich plante, wartete an dem Tor zwischen Weide und Koppel und schloss es, nachdem der Hengst auf die kleinere Koppel gestürmt war. Inzwischen hatte ich die Stute durch das gegenüberliegende Tor wieder hinausgeführt und schloss es hinter uns, bevor der wütende Hengst anfing, es mit den Hufen zu traktieren.

Grinsend kam Harron angerannt und nahm mir Motte ab. Sie warf Blümchen noch einen Blick zu, dann folgte sie dem Stallknecht ruhig zurück zum Stutenstall.

»Woher wusstest du das?«, fragte Duraugh.

»Was?«, fragte ich und starrte ihn blinzelnd an.

»Wie du den Hengst einfangen solltest.«

Ich schnaubte.»Hast du je versucht, ein Pferd einzuholen? Ich schon. Ich habe den größten Teil des Tages gebraucht, um festzustellen, dass es schneller war als ich.«Ich beugte mich näher zu ihm und fuhr verschwörerisch fort:»Pferde sind schneller und stärker, aber ich bin schlauer.«Sein Gesicht wurde bei diesen meinen Worten ausdruckslos, und ich lachte innerlich.

Penrod war durch den Zaun geklettert und näher gekommen.

Ich nickte dem Stallmeister zu und sagte sachlicher:»Außerdem hat Penrod auf diese Weise immer den alten Kriegstreiber eingefangen, wenn er aus seiner Koppel verschwand - was er ungefähr einmal an Tag tat. Futter funktionierte nicht, aber wenn man eine rossige Stute vorbeiführte, war er ihr Sklave.«Kriegstreiber, der letzte Hengst meines Großvaters, war in seiner Intelligenz und seiner Ausgelassenheit beinahe wie ein Mensch gewesen.

Penrod nickte grinsend.»Das verdammte Vieh konnte jeden Verschluss öffnen, den wir uns ausdachten. Und er war schnell! Es gab nur eine einzige Möglichkeit, ihn wieder einzufangen - eine Stute. Am Ende haben wir sein Tor hinter ihm zugenagelt.«

Ich erwiderte das Grinsen.»Und dann ist er einfach rausgesprungen.«

Also hatte Vater ihn getötet. Ich konnte immer noch sehen, wie zufrieden er gewesen war, als der letzte Rest der Herrschaft seines Vaters sterbend am Boden lag. Penrods gute Laune wich schnell wieder seiner professionellen Maske. Er erinnerte sich zweifellos an das Gleiche wie ich.

Mein Onkel war unseren Gedanken nicht gefolgt und lächelte immer noch.»Kriegstreiber hatte ich ganz vergessen. Er war ein großer alter Kämpfer. Mein eigener Hengst stammt aus seiner Linie.«

Wäre es wirklich so dumm, Duraugh von der Scharade zu erzählen, die ich aufgeführt hatte? Wenn er mich kannte, wirklich kannte, würde er mich vielleicht mögen. Vielleicht könnte er mich bei der Aufgabe anleiten, über Hurog zu herrschen. Trotz der mitternächtlichen Streifzüge in der Bibliothek und der unauffälligen, besessenen Aufmerksamkeit für die Herrschaftsmethoden meines Vaters kam ich mir unwissend vor. Mein Onkel hatte die letzten zwei Jahrzehnte erfolgreich seinen eigenen Besitz verwaltet.

Ich öffnete den Mund, aber er kam mir zuvor.

»Die Beisetzung findet heute Nachmittag statt. Ich habe Axiel gesagt, er soll dir etwas Angemessenes aus der Garderobe deines Vaters herauslegen. Mir ist gestern aufgefallen, dass du aus deiner Hofkleidung herausgewachsen bist, und Axiel sagte mir, dass du nichts anderes hast. Ich wäre dir dankbar, wenn du nach drinnen gehen und dich umziehen würdest. Es gibt wohl keine Möglichkeit, Tosten rechtzeitig zur Beisetzung nach Hause zu bringen, aber sag mir, wo ich ihn finden kann, und ich werde noch heute nach ihm schicken.«

Diese Erwähnung meines Bruders hatte er vollkommen lässig eingeflochten.

»Axiel ist der Diener meines Vaters«, sagte ich.

Tosten und ich waren alles, was zwischen meinem Onkel und Hurog stand.

»Er ist einverstanden, sich jetzt um dich zu kümmern«, erklärte Duraugh mit offensichtlicher Ungeduld.»Ward, wo ist dein Bruder?«

Iftahar, der Besitz meines Onkels in Tallven, mochte größer und reicher sein als diese Burg, aber es war nicht Hurog. Keine Drachenklauen hatten die

Steine der Wachtürme zerkratzt. Meiner Ansicht nach würde selbst ein Mann, der bereits einen wohlhabenderen Besitz hatte, Hurog haben wollen.

»Ward?«

»Weiß ich nicht«, sagte ich.

»Aber du hast Fen doch gesagt.«

»Oh, er ist in Sicherheit«, erwiderte ich.»Ich weiß nur nicht, wo.«

Axiel, der Kammerdiener meines Vaters, erwartete mich vor meinem Zimmer, gekleidet in die Hurog-Farben Blau und Gold. Er war ein kleiner Mann, aber zäh wie gekochtes Leder. Meine Mutter hatte mir, als ich danach fragte, erzählt, der Hurogmeten habe ihn nach einer Schlacht mit zurückgebracht.

Wenn er genug getrunken hatte, behauptete Axiel, der Sohn des Zwergenkönigs zu sein, und niemand war waghalsig genug, ihm zu widersprechen, denn der kleine Mann war ein hervorragender Kämpfer.

Seine bräunliche Haut und das dunkle Haar hatten, solange ich mich erinnern konnte, gleich ausgesehen. Die meisten in Hurog, ich eingeschlossen, trugen ihr Haar in dem Stil, den die Herrscherfamilie von Tall-ven bevorzugte - schulterlang und offen. Axiel, der kein Shavig-Mann war, trug es im alten Stil von Sha-vig, ungeschnitten und geflochten. Der lange Zopf war beim Kampf ein Nachteil, aber die alten Shavig-Männer hatten dies als eine Art Ehrenzeichen betrachtet: Sie waren so geschickt, dass ein geringer Nachteil nichts änderte.

Axiel war ein Leibdiener im Stil von Tallven -eher Leibwächter als Kammerdiener oder Knappe. Man sah ihm keine Trauer über den Tod meines Vaters an, aber schließlich war er der Diener des Hurogmeten gewesen. Er hatte zweifellos gelernt, seine Gefühle ebenso gut zu verbergen wie ich.

»Axiel?«

»Herr.«Dann fügte er hinzu:»Lord Duraugh hielt es für angemessen, dass Ihr bei Eurem neuen Rang einen Leibdiener habt.«

Ich nickte.

»Ich habe für Euch die Ersatz-Hofkleidung des Hurog..., äh, Eures Vaters vorbereitet.«Er öffnete die Tür zu meinem Zimmer für mich.

Es gab einen kleinen Raum über den höchsten Regalen der Bibliothek, hinter den dekorativen Vorhängen, die sich über den gesamten oberen Bereich der Wände zogen. Ich hatte diese versteckte Nische zufällig gefunden und angenommen, dass mein Vater der Einzige war, der ebenfalls davon wusste - und er benutzte die Bibliothek nie. Von diesem Versteck aus hatte ich viele Nachmittage damit verbracht, Axiel zu beobachten, wenn er mit Messer und Schwert übte. Sein Stil war vollkommen anders als der meiner Tante, und ich stellte fest, dass es mich zu einem besseren Kämpfer machte, hier und da kleine Teile davon in meine eigene Kampftechnik einzuarbeiten.

Wenn Axiel auf meiner Seite stünde, würde ich erheblich sicherer sein, als wenn er meinem Onkel diente. Vor der Feuer stelle blieb ich stehen und schaute in die grauen Überreste des Feuers der vergangenen Nacht. Aber sicher wovor? Vor Vaters Tod hatte ich um mein Leben gekämpft. Wofür kämpfte ich jetzt?

»Wenn Ihr gestattet?«Obwohl es klang, als bäte er um Erlaubnis, begann Axiel sofort, mir mit großer Geschicklichkeit meine Kleidung auszuziehen. Während ich mich wusch, ging er hinüber zu meinem Bett.

»Herr?«

Ich blickte von der Waschschüssel auf und sah, dass er zwei Arten von Kleidungsstücken hochhielt.

»Ich habe diese Kleidungsstücke aus den Gemächern Eures Vaters mitgebracht.«Er hielt die vertrauten grauen Sachen hoch, die mein Vater bevorzugt hatte.»Aber es muss noch jemand hier gewesen sein, denn nun finde ich das hier.«

Ich nahm ihm die anderen Sachen ab. Dunkelblauer Samt, so dunkel, dass er beinahe schwarz aussah, mit einem aufgestickten Hurog-Drachen in Rot, Gold und Grün vorn auf der Schulter. Der Samt allein hätte zehn Goldstücke gekostet, wenn nicht mehr, und von meiner Mutter vielleicht abgesehen, gab es hier niemanden, der gut genug sticken konnte, um die Arbeit an dem Drachen geleistet haben zu können. Das Hemd hatte einen blassen Goldton, und diese Art Stoff war mir noch nie untergekommen.

»Was ist das?«, fragte ich.

»Seide, Herr. Ihr habt diese Sachen auch noch nie gesehen? Sie stammen nicht aus der Garderobe Eures

Vaters, und nach allem, was ich weiß, gehören sie auch nicht zur Kleidung Eures Onkels.«

»Ich werde sie anziehen«, sagte ich und fuhr mit dem Finger über das Hemd.»Wenn sie passen.«

»Angemessen für die Beisetzung des Hurogmeten«, musste Axiel zugeben.»Aber wo kommen sie her?«

»Vielleicht war es das Familiengespenst«, sagte ich nach einem Augenblick des Nachdenkens vollkommen ernst.

»Das Gespenst?«

»Du weißt doch sicher von dem Gespenst?«, fragte ich und zog das Hemd über den Kopf. Es passte, als wäre es für mich angefertigt worden. Und vielleicht stimmte das ja auch. Sein Vater hatte keine anderen Diener gewollt, hatte er gesagt.

»Ja, selbstverständlich, Herr. Aber warum sollte es so etwas tun?«

Ich zuckte die Achseln und zog die Samttunika über die Seide.»Frag ihn doch.«Dann tauschte ich meine Hose gegen die weite Seidenhose aus, die zum Hemd passte.

Ich warf einen Blick in das polierte Metall, das ich als Spiegel benutzte, und bemerkte, dass die ungewohnte Eleganz meiner Kleidung mich schneidig und heroisch wirken ließ. Also achtete ich besonders darauf, dass ich außerdem auch dumm aussah, bevor ich das Zimmer verließ.

Die Beisetzung war eine großartige Angelegenheit; mein Vater hätte es gehasst. Aber er war nicht da, um Einspruch zu erheben. Meine Mutter trug grauen Samt - ihr Hochzeitskleid - und sah ätherisch und schön aus. Mein Onkel neben ihr wirkte stark und loyal - der ideale Mann, um Hurog zu schützen.

Meine Schwester sah aus wie eine erwachsene Dame. Sie war inzwischen beinahe so groß wie Mutter. Ich stellte ein paar schnelle Berechnungen an und erkannte, dass Mutter in Ciarras Alter bereits verheiratet gewesen war. Ciarra trug ebenso wie ich blauen Samt, aber ihr Drache war ein kleines Stickmuster rund um den Halsausschnitt. Oreg hatte eine arbeitsreiche Nacht hinter sich.

Als ich dort auf meinem Platz am offenen Grab gegenüber der Burg wartete, hatte ich einen guten Blick auf die Begräbnisprozession, und sie hatten einen ebenso guten Blick auf mich, ihren neuen (und derzeit machtlosen) Herrn.

Ich war auf einem fügsamen grauen Wallach, der sich in Hurog-Blau besonders gut machte, hierhergeritten. Alle anderen kamen zu Fuß den Hügel herauf. Stala, in Blau gekleidet, führte die Sargträger hinter Erdrick und Beckram an, die die Nachhut der Familiengruppe darstellten.

Von uns allen war Stala vielleicht die Einzige, die wirklich um meinen Vater trauerte. Ihr Gesicht war jedoch, wie ich bemerkte, gefasst und tränenlos.

Ein wenig abseits vom Rest der Zeremonie, sah ich zu, wie die Träger ihn vorsichtig in die dunkle Erde senkten, so wie mein Vater zugesehen hatte, wie man seinen eigenen Vater zur Ruhe gebettet hatte. Zweifellos hatte er so etwas wie Zufriedenheit empfunden, als der hölzerne Kasten den Boden berührt hatte.

Ich schaute über das Grab hinweg Mutter an und erkannte an der angespannten Miene meines Onkels, dass sie wieder summte. Meine Erinnerung an Zeiten, als meine Mutter fröhlich war und lachte, stundenlang mit mir gespielt und Türme aus Bauklötzen gebaut hatte, während mein Vater in den Kriegen des Königs focht, waren nur noch vage.

Meine Schwester sah zu, wie der Sarg mit dem Hurogmeten in die weiche Erde gesenkt wurde. Sie zuckte zusammen, als mein Onkel ihr die Hand auf die Schulter legte. Ich musste an meinen Bruder denken, der alles aufgegeben hatte, um von meinem Vater wegzukommen.

Möge dich die Bestie aus der Unterwelt dafür verschlingen, was du aus deiner Familie gemacht hast, dachte ich. Aber vielleicht genügte es als Rechtfertigung für die Götter, dass einer ein Hurog war, denn trotz aller Befürchtungen meines Onkels erhob sich kein finsteres Ungeheuer aus dem Schatten des Grabs, um die Leiche meines Vaters zu rauben.

Ich stieg vom Pferd, nahm eine Handvoll Erde und warf sie ins Grab. Bleib, wo du bist, dachte ich. Bittere Wellen fruchtlosen Zorns drohten, meine Fassung zu untergraben. Wenn Vater ein anderer Mann gewesen wäre, hätte jetzt mein Bruder neben mir gestanden und mir bei der überwältigenden Aufgabe, Hu-rog am Leben zu halten, helfen können. Ich hätte eine Mutter gehabt, die imstande war, die Last der alltäglichen Aufgaben in der Burg zu übernehmen, damit ich frei wäre, die Banditen zu jagen, die unsere Felder verwüsteten. Ich hätte hier nicht gestanden, wütend und mit Tränen, die mir über die Wangen liefen, während die Sargträger, Männer der Blauen Garde, Erde in das Grab meines Vaters schaufelten.

Am Ende war ich wohl der Einzige, der weinte. Vielleicht war ich auch der Einzige, der trauerte. Aber meine Trauer galt nicht dem Mann, der dort im Grab lag.

»Weiß mein Onkel von dir?«, fragte ich Oreg, der sich am Ende meines Betts ausgestreckt hatte. Von meinem Hocker vor der Feuerstelle aus beobachtete ich ihn, während ich mein Stiefelmesser schliff. Die Kleidung, die ich zur Beerdigung meines Vaters getragen hatte, hing im Schrank. Stattdessen trug ich die schweißfleckigen Sachen, die ich an diesem Abend bei den Übungskämpfen mit der Blauen Garde angehabt hatte. Nicht einmal die Beisetzung des Hurogmeten war ein Grund, diese Kämpfe zu unterbrechen.

»Nein.«Oreg schloss die Augen, die Züge entspannt.»Dein Vater verriet niemandem mehr, als er musste.«

Ich hielt das Messer so, dass das Licht es besser traf. Zwar konnte ich es nicht sehen, aber ich wusste, dass es eine leicht gekrümmte Schneide entwickelt hatte, sonst wäre es nach all der Zeit, die ich an ihm gearbeitet hatte, schärfer gewesen. Also bückte ich mich, nahm den Lederriemen aus meinem Schleifkasten und machte mich an die Arbeit.

Oreg rollte sich herum, damit er mich besser sehen konnte.»Heute Abend ist ein Mann gekommen, um mit deinem Onkel zu sprechen.«

»Der Aufseher des Feldes mit der Salzlawine«, sagte ich und zog das Messer über den Riemen.

»Der Zauberer deines Onkels hatte nicht mehr Glück als der alte Knasterbart.«Ich wusste inzwischen, dass Oreg Licleng nicht ausstehen konnte - er bezeichnete ihn als >aufgeblasenen Schreiber«»In diesem Winter werden Menschen hungern.«

Ich fuhr noch ein paarmal mit dem Stein über die Schneide. Dann leckte ich meinen Arm und zog das Messer über den nassen Bereich. Diesmal schnitt das Messer das Haar sauber ab.

»Ja, aber Hurog wird überleben.«Ich beschloss, das Thema zu wechseln. Es gab nichts, was ich an der Ernte ändern konnte.»Danke für die Kleidung. Ich nehme an, du warst auch für Ciarras Kleid verantwortlich.«

Er nickte.»Solche Dinge kann ich sehr gut.«

»Hast du die Sachen selbst bestickt?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf.»Das war Magie. Aber manchmal, wenn ich Zeit habe, sticke ich auch. Ich...«Er schloss die Augen.»Ich habe oft zu viel Zeit.«

Ich streckte mich und warf noch ein Scheit ins

Feuer, das schon ziemlich heruntergebrannt war. Selbst im Sommer war es abends in dem alten Steingebäude kühl.

WARDWICK

 

Ich saß fest in dem Netz, das ich selbst geknüpft hatte. Statt mich loszureißen, versuchte ich mir einzureden, dass ich dort sicherer war.»Zumindest kann er kämpfen«, hörte ich einen der Männer zu einem anderen murmeln. Ich konnte an der Stimme nicht erkennen, wer es war, und meine Augen waren auf meinen Gegner gerichtet.

»Beim Zweikampf, wenn er sich nicht an Befehle erinnern muss. Aber in zwei Jahren wird er es sein, der die Befehle gibt. Bis dahin bin ich nicht mehr hier.«Den seltsam nasalen Tenor von Stalas Stellvertreter konnte man nicht verwechseln. In den drei Wochen seit dem Tod meines Vaters hatte ich diverse Variationen über dieses Thema gehört.

Ein leiser Fluch meines Gegners brachte meine Aufmerksamkeit zurück zum Kampf. Ilander aus Avinhelle war neu in der Garde, und dies war das erste Mal, dass er mich als Gegner beim Zweikampf gezogen hatte.

In der Blauen Garde dienten Männer aus vieren der Fünf Königreiche: Shavig, Tallven, Avinhelle und Seefurt. Wenn ein Mann es hier ein paar Jahre aushielt, konnte er in jeder Wache Erster oder Zweiter werden. Es gab keine Oransteiner in Hurog, weil

die Blaue Garde unter meinem Vater vor fünfzehn Jahren eine maßgebliche Rolle bei der Niederschlagung der Oransteinischen Rebellion gespielt hatte.

Ilander mochte neu sein, aber er wusste, dass meine Tante mich ausgebildet hatte, seit ich ein Schwert in der Hand halten konnte, also hätte er mich nicht für einen so leichten Gegner halten sollen. Und vorsichtshalber hatte er mich die ganze Woche beim Drill beobachtet, nachdem Stala die Teilnehmer an den wöchentlichen Zweikämpfen angekündigt hatte. Aber Drill war Drill, und Zweikämpfe waren Kampf. Beim Drill >vergaß< ich immer wieder die Muster, besonders, wenn Stala sie oft veränderte. Ich wurde langsamer und weigerte mich, all meine Kraft gegen einen Gegner zu nutzen, der sich nur dafür interessierte, die Bewegungen richtig auszuführen. War es meine Schuld, wenn Ilander mich deshalb für langsam und ungeschickt hielt? Ilander, der es wirklich komisch fand, dem dummen Jungen Streiche zu spielen?

Ich lächelte ihn strahlend an und zuckte ungeschickt mit dem Schwert, in einem schwächlich wirkenden Versuch, seinen tödlichen Vorstoß zu parieren. Danach sah er wirklich schlecht aus, als meine Abwehr funktionierte. Er knurrte und schwang das Schwert in der fehlgeleiteten Annahme, dass ich seinem Körper nicht erst einen mörderischen Schlag versetzen und danach immer noch seine Klinge abfangen könnte, bevor er mir etwas Wichtiges abschnitt - wie zum Beispiel den Kopf.

Stala steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus, als die Spitze meines Schwerts über seine Bauchrüstung glitt, aber es war meine Klinge, die sein Schwert aufhielt. Bei einem ernsthaften Kampf wäre er tot gewesen. Und wenn ich die Klinge nicht aufgehalten hätte, wäre ich tot gewesen, Übungskampf oder nicht. Er wollte weitermachen; ich sah den Zorn in seinem Blick, als ich ihn freundlich anschaute.

»Guter Kampf«, sagte ich ernsthaft, trat zurück und ließ sein Schwert von meinem gleiten.»Es war ein guter Kampf, nicht wahr, Stala?«

Stala schnaubte.»Ilander, du bist kein Junge mehr. Du weißt, dass du nicht zornig auf deinen Gegner werden solltest. Wenn du jemandem gegenüberstehst, der bereits gezeigt hat, dass er stärker ist als du, von schneller nicht zu reden, ist es der Gipfel der Dummheit, einen solch weiten, schwungvollen Schlag zu versuchen. Du hast Glück, dass du nicht ernsthaft verletzt wurdest.«


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