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Wardwick in Hurog 6 страница

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»Es tut mir leid«, sagte Oreg und schaute von Tosten zu Beckram. Das hier war nicht der reservierte, ein wenig einschüchternde junge Mann, den Tisala aus Hurog kannte. Dieser Oreg war erschüttert und besorgt - und er entschuldigte sich dafür, dass er in der Verkleidung als Drache mitten im Lager erschienen war.

Nein, keine Verkleidung, dachte sie und erinnerte sich an Tostens Reaktion. Oreg war ein Drache. Ein Drache, der auf Ward aufpassen sollte.

Tisala stieg vom Pferd und schnaubte angewidert, als sie zu den beiden Hurogs und dem Zauberer trat.»Oreg, du hast mir gerade das Schönste gezeigt, was ich in meinem ganzen Leben gesehen habe, aber wenn du uns nicht sofort sagst, was Ward zugestoßen ist, werde ich dich persönlich umbringen.«

Oreg hob beide Hände und sagte schlicht:»Ich kann ihn nicht finden! Er war da, als ich letzte Nacht eingeschlafen bin, aber als ich versucht habe, ihn heute Früh zu finden, war er weg. Ihr Lager war abgebrochen, und die Spuren führten in die Stadt. Ich habe das Asyl und die Burg des Königs überprüft, aber ich konnte ihn nicht finden. Ich kann ihn spüren, aber ich weiß nicht, wo er ist. Ich weiß sonst immer, wo Ward steckt!«

»Der König hat seine Zauberer einen Bereich im Asyl errichten lassen, in dem er Magier gefangen hält. Könnte so etwas verhindern, dass du Ward findest?«, fragte Tisala.

Oreg starrte sie an.»Das wäre möglich.«

»Der König sagte, er werde Ward ins Asyl bringen«, sagte sie.»Wir haben keinen wirklichen Grund, das zu bezweifeln. Ich kenne Leute in Estian, die mich nach drinnen bringen werden, damit ich dort nach ihm suchen kann.«

»Er hat Angst«, sagte Oreg, die Augen beinahe leer.»Ich kann seine Angst spüren. Und er ist niemand, der sich schnell fürchten würde.«

»Noch mehr Grund anzunehmen, dass er im Asyl ist. Wir werden ihn finden«, versprach sie. Sie warf einen Blick zu Tosten und Beckram.»Machen wir uns auf den Weg. Je eher wir nach Estian kommen, desto schneller werden wir Ward finden.«

»Ihr habt alle vollkommen falsche Vorstellungen von dieser Sache«, sagte Tisala zu Tosten, der an diesem Tag neben ihr ritt.

»Wie meinst du das?«, fragte er.

»Ich bin nicht Wards Frau, und das werde ich auch nie sein.«Sie hatte es unglücklich ausgedrückt, aber ihr fiel keine andere Möglichkeit ein, sich den Spekulationen von Wards Leuten zu widersetzen. Wards Stute zu reiten machte das Problem nur noch größer.

»Hm«, erwiderte Tosten ernst, obwohl ein dünnes Lächeln seine Mundwinkel umspielte.»Magst du meinen Bruder nicht?«

Sie wusste nicht, wie sie die Frage beantworten sollte, ohne zu lügen oder einen falschen Eindruck zu vermitteln, also drückte sie die Waden an Feders Seiten, und die große Stute wurde schneller und ließ Tosten hinter sich.

Er wartete beinahe eine Stunde, bevor er wieder näher kam.

»Ich weiß nicht, wie viel du über unseren Vater gehört hast«, sagte er, als er nahe genug war, um sich mit ihr zu unterhalten.»Aber als Oransteinerin weißt du wahrscheinlich das Schlimmste. Wenn Ward von ihm spricht, wird er dir sagen, dass er verrückt war. Aber ich fand immer, er war durch und durch böse.«

Er ritt schweigend weiter, bis sie schon glaubte, er habe alles gesagt. Aber dann fuhr er doch fort.»Als ich ein Junge war, hatten wir ein Küchenmädchen, die Tochter eines der Stallknechte, in die alle verliebt waren. Ich war dreizehn und hielt sie für die schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Es ging um mehr als um ihr Gesicht und ihre Gestalt - obwohl die bemerkenswert waren -, es war... Freude ist wohl das richtige Wort, obwohl Glück auch stimmen würde.«Tosten brachte seinen Wallach sanft davon ab, Gras abzurupfen.»Ich glaube nicht, dass sie und Ward Geliebte wurden bis zu dem Abend, als mein Vater versuchte, sie zu vergewaltigen.«

»Ward hat ihn aufgehalten?«, fragte sie.

»Ich dachte anfangs, es wäre Stala gewesen«, antwortete er.»Aber seitdem habe ich öfter darüber nachgedacht, und ich glaube, Ward hat Stala zu Vater geschickt. Das Mädchen trug ein Tablett aus dem Zimmer meiner Mutter, als Vater vorbeikam. Ich versteckte mich vor ihm - unter einem Möbelstück im Flur -, und als er stehen blieb, dachte ich, er hätte mich gefunden. Jedenfalls bis sie schrie.

Sie wehrte sich mit aller Kraft - und er ließ es zu. Wenn er gewollt hätte, hätte er dem leicht ein Ende machen können. Er war beinahe so groß wie Ward.«Tosten hörte wieder auf zu erzählen.

Sie aßen ihre Mittagsmahlzeit im Sattel, und Tisala versuchte nicht, Tosten zu drängen. Als er seine Geschichte fortsetzte, tat er es, als hätte es nie eine Unterbrechung in ihrem Gespräch gegeben.

»Tante Stala kam angerannt.«Tosten schloss die Augen.»Ich glaubte, sie hätte die Schreie gehört. Niemand sonst in der Burg wäre einer Frau zur Hilfe gekommen, die mein Vater in die Enge getrieben hatte. Stala stieß ihn von dem Mädchen weg, und dann hat sie ihr, glaube ich, eine Ohrfeige verpasst, denn sie hörte auf zu schreien. Ich bin nicht sicher, da mein Blickfeld von dem Flurtisch eingeschränkt wurde, unter dem ich mich versteckte.

Stala half dem Mädchen hoch und schickte sie ins Zimmer meines Bruders.«Tosten stieß ein Schnauben aus, das vielleicht ein Lachen war.»Ich glaube jetzt, dass das die erste Nacht war, die sie im Bett meines Bruders verbrachte. Damals kam ich mir wirklich verraten vor: wegen meiner Unfähigkeit, mich meinem Vater zu stellen und das Mädchen zu retten, und auch wegen der Beziehung meines Bruders zu der Frau, in die ich, ein Dreizehnjähriger, glaubte verliebt zu sein. Ich konnte mit meinen eigenen Mängeln nicht leben, also gab ich Ward an allem die Schuld. Ich hörte, wie Vater und Stala sich stritten - verbal und körperlich -, und dann hatten sie mitten im Flur Sex - und ich dachte die ganze Zeit daran, dass das Mädchen und mein Bruder das Gleiche taten, und hasste sie alle.«

Tosten hatte ein Lächeln auf den Lippen, als er Tisala ansah, aber seine Augen waren ausdruckslos.»Als die ganze Burg über die Ergebenheit meines dummen Bruders an seine kleine Dienerin lachte, lachte ich daher ebenfalls. Er folgte ihr den ganzen Tag, bei all ihren Arbeiten, trug die Wäschekörbe oder die Serviertabletts für sie, und nachts schlief sie in seinem Bett.«

Tisala wollte nicht über jemanden nachdenken, der Wards Bett geteilt hatte, aber sie schob das Gefühl beiseite und hörte weiter zu.

»Ward war zu dieser Zeit fünfzehn oder sechzehn und schon groß und stark. Vater hatte begonnen, ihm aus dem Weg zu gehen - ich glaube, er hatte Angst vor dem, was Ward tun könnte. Also unternahm er nichts gegen die unangemessene Anhänglichkeit meines Bruders, die etwas über ein Jahr andauerte, bevor das Mädchen einen anderen heiratete.«

Tostens Atemzüge waren unregelmäßig, und Tisala erkannte, dass es ihm nicht leicht fiel, diese Geschichte zu erzählen.»Eines Tages kam ich am Zimmer meines Bruders vorbei und blieb stehen, weil die Tür von selbst aufging. Es gab Gespenster in Hurog, also war es nicht ungewöhnlich, dass Türen sich von selbst bewegten. Ich hatte keine Angst, aber dann hörte ich Ward weinen. Er hätte sie geheiratet, glaube ich, wenn sie ihn hätte haben wollen. Aber sie kannte ihren Platz, selbst wenn er das nicht tat. Sie ging nach Tyrfannig und heiratete dort einen Kaufmann, einen Mann aus dem Bekanntenkreis ihres Vaters.«Tosten rieb den Hals des Wallachs.»Ein paar Wochen später hatte sie eine Fehlgeburt - es war dieser Tag, an dem ich Ward in seinem Zimmer weinen hörte. Ich glaube, es war Wards Kind. Ich wünschte, ich wäre zu ihm gegangen, als ich ihn hörte, statt nur die Tür zu schließen.

Ich wusste nicht, ob ich dir die ganze Geschichte erzählen sollte oder nicht«, sagte er.»Aber es scheint das Richtige zu sein. Keiner von uns hat Ward seitdem so gesehen. Er hat keine beiläufigen Beziehungen. Er tändelt nicht, er lebt nicht auf, wenn eine bestimmte Frau ins Zimmer kommt - das passiert nur bei dir.«Er grinste sie an.»Ich wollte dich wissen lassen, dass ich dich nicht nur als - wie hast du es ausgedrückt? Ah ja, als Wards Frau sehe. Ich glaube, es ist etwas viel Ernsteres.«

WARDWICK

 

Ciarra hatte eine Kinderfrau, die ihr Geschichten von schrecklichen Ungeheuern erzählte, die im Abflusssystem von Hurog lebten und unartige Kinder fraßen. Ciarra war alles andere als erschrocken und spielte selbst gern Ungeheuer. Einmal sprang sie hinter einer Tür hervor und erschreckte die Kinderfrau. Als Tante Stala davon hörte, sagte sie, die Ungeheuer, die uns die meiste Angst machten, seien jene, die wir selbst schufen. Zwei Wachen kamen und holten mich aus meiner Zuflucht aus Stroh. In ihren Augen stand ein seltsames Glitzern, und Schlangenzungen aus Feuer züngelten aus ihren Körpern. Ich verstand nicht, was sie sagten, aber es genügte, dass sie mich an den Armen packten und versuchten, mich aus meiner Sicherheit herauszuzerren.

»Töte sie nicht«, riet die leise Stimme in meinem Hinterkopf, wo sich ein kleiner Teil von mir vor Drogen und Magie verbarg.

Ich ließ die Männer, wo sie lagen, und rollte mich wieder in meinem Nest zusammen, den kalten Stein tröstlich fest in meinem Rücken.

Mehr Wachen kamen und holten ihre schlaffen Kameraden ab. Nach einer Weile brachte Jadeauge

ein kleines metallenes Kohlebecken und verbrannte darin Kräuter.

»Etwas im Rauch«, sagte die Stimme. Aber es war nicht möglich, mich aus meiner sicheren Nische zu bewegen, um das Feuer zu löschen. Schließlich ließ die Stimme mich in Ruhe.

Der Rauch war beißend und stach mir in die Nase. Aber nach ein paar Minuten schien die schreckliche Angst sich aufzulösen. Das Stroh wurde zu einer warmen Decke.

Als sie mich diesmal holen kamen, erlaubte ich ihnen, mich auf die Beine zu ziehen und mich zu stützen, als der Boden wackelte und bockte.

Sie brachten mich in einen großen Raum, an dessen Wänden sich Regale mit Steinguttiegeln befanden. In der Mitte des Raums stand ein seltsames Möbelstück, taillenhoch und flach wie ein Tisch, aber dick gepolstert und mit Riemen, die daran befestigt waren.

Jadeauge unterhielt sich ruhig mit Arten, dem Erzmagier des Königs. Ich kannte ihn nicht persönlich, aber jeder, der schon einmal am Hof gewesen war, wusste, wer er war. Um ehrlich zu sein, brauchte ich einen Augenblick, um ihn zu erkennen, denn er trug jetzt ebenso wie Jadeauge schlichtes Schwarz statt des bunten, glitzernden Hofgewands.

»Sei vorsichtig«, sagte meine geheime Stimme. Obwohl ich keine Angst mehr hatte, war ich froh, dass sie mich nicht verlassen hatte.

»Ward«, grüßte Jadeauge mich,»wie geht es Euch?«

Ich lächelte und spreizte die Finger.»Besser.«

»Ich werde Euch helfen, damit es so bleibt, in Ordnung?«

»Vorsicht!«, murmelte die Stimme, aber keine Spur von Sorge oder Angst konnte mich berühren, während ich unter dem Einfluss der Kräuter stand, die sie in meiner Zelle verbrannt hatten.

Jadeauge führte mich zum Tisch und bedeutete mir, mich daraufzulegen. Etwas an den Riemen machte meiner kleinen Stimme Angst, aber ich wollte unbedingt dem Mann, der mir geholfen hatte, eine Freude bereiten, also ignorierte ich sie. Ich lag still, während man mir eine Art Halsband umlegte. Sie zupften und schubsten und banden mich fest, bis ich mich überhaupt nicht mehr bewegen konnte.

»Ward«, sagte Jadeauge schließlich.»Ich werde Euch helfen - aber erst brauche ich Eure Hilfe.«

Das war vollkommen in Ordnung. Ich versuchte zu nicken, aber ich musste sprechen.

»Ja«, sagte ich. Es war schwierig, das Wort herauszubekommen, genau wie damals, nachdem Vater mir so sehr wehgetan hatte. Angst zog mir bei dieser Erinnerung den Bauch zusammen. Aber der Mann hatte gesagt, er werde mir helfen. Ich erinnerte mich daran und entspannte mich wieder - obwohl ich nicht wusste, wieso ich eigentlich Hilfe brauchte.

»Ich dachte, wir wollten ihn brechen und nicht erst eine Untersuchung anstellen«, sagte Arten. Seine Stimme war harsch, und sie bewirkte, dass sich mein Bauch wieder zusammenzog.

»Der Zauberer des Königs.«Meine lautlose Stimme lieferte die Identifikation, und ich erinnerte mich, dass ich Grund hatte, den König zu fürchten.

»Jakoven sagte, wir haben zwei Wochen. Ich möchte erst herausfinden, wie er dafür gesorgt hat, dass die Magie ihn die ganze Nacht bewachte. So etwas habe ich noch nie gehört.«

»Seid Ihr sicher, dass er es war?«, fragte Arten.»Ich habe gehört, er sei nur imstande, auf magische Weise Dinge zu finden.«

»Er hat eine gesamte Burg zerstört«, verteidigte mich Jadeauge vor der Verachtung in der Stimme des älteren Magiers.»Ziemlich beeindruckend für einen Finder. Und ja, ich bin sicher, dass er für den magischen Schutz gesorgt hat. Die Magie hatte einen bestimmten Geschmack an sich - eine Signatur, und seine Aura fühlt sich genauso an. Ich würde Euch zeigen, was ich meine, wenn Ihr Auren deuten könntet.«

Jadeauge kam in mein Blickfeld. In einer Hand hielt er einen Stab, der vor Gold und kostbaren Edelsteinen glitzerte. Oben auf dem Stab war eine zerschlagene Klaue von der Größe meiner Hand befestigt, die irgendwie fehl am Platz wirkte.

»Drache«, sagte ich. Es kam leichter heraus, und das half gegen das kranke Gefühl in meinem Bauch, das darauf bestand, dass etwas nicht stimmte.

Jadeauge lächelte.»Ja, es ist eine Drachenklaue. Es heißt, Seleg selbst habe sie seinem König gegeben, und mein König gab sie mir.«

»Dazu hatte Seleg kein Recht!«Die Stimme war so laut, dass ich befürchtete, Jadeauge würde sie hören.»Es war seine Pflicht, die Drachen zu beschützen. Verräter.«

»Hurogmeten«, sagte ich. Die Kraft der Stimme half mir dabei. Aber ich vergaß, was ich sagen musste, und daher schwieg ich wieder.

»Ja, er war Hurogmeten. Genau wie Ihr.«Jadeauge beugte sich dichter zu mir.»Seleg war ein Magier, Ward. Seid Ihr auch ein Magier?«

Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Jeder kannte diese Geschichte.»Ich war es einmal, aber mein Vater hat mich gebrochen.«

»Könnt Ihr jetzt Magie wirken?«

Ich konnte mich nicht erinnern, also versuchte ich

es.

»O ja«, sagte meine Stimme eifrig.»Feuer ist einfach, beinahe so einfach wie Dinge oder Leute zu finden. Ich kann Feuer machen, sogar ohne dass die Magie von Hurog mir hilft.«

Sobald die Stimme das sagte, wusste ich, dass es leicht sein würde. Es gab hier so vieles, was brennen würde. Ich konnte die Öle in den Steinguttiegeln spüren. Sie brannten als Erste, gingen in heftigen Explosionen in Flammen auf, die irdene Scherben aus allen Richtungen durchs Zimmer fliegen ließen. Es machte Spaß.

Vage hörte ich Schreie, gemischt mit dem scharfen Knacken der Tiegel, aber überwiegend war ich versunken in meiner Freude an der Magie. Kerzen brannten zu Stummeln nieder, ölgetränktes Holz suchte meine Magie eher, als dass sie es suchte. Macht begann, den Zugriff von Rauch und Drogen zu lockern, und ich hätte beinahe anfangen können zu planen.

Kalte Hände berührten meine Stirn mit weiß glühender Wut. Es gab keine Vorwarnung, es wurde nicht nach und nach schlimmer, ich spürte sofort schaudernde Bänder von Schmerzen, die meinen Körper schüttelten und mich hilflos zucken ließen, gefangen zwischen den Schmerzen und dem ledernen Halsband, das nicht zuließ, dass ich mich wegbewegte.

Aber ich wusste alles über Schmerzen.

Ich wusste, wenn die Schmerzen aufhörten, schloss man die Augen und stellte sich tot, denn manchmal hatte mein Vater aufgehört, wenn ich aufgehört hatte, mich zu bewegen.

Also lag ich schlaff da, während Jadeauge seinen Zorn über den Schaden austobte, den ich in seinem Labor angerichtet hatte. Kostbare Gegenstände, die zu beschaffen er Jahre gebraucht hatte, waren in einem Augenblick zu Asche verbrannt.

Als er sah, was ich mit seiner Drachenklaue gemacht hatte, tat er mir wieder weh. Er tat mir weh, bis Arten ihn wegriss.»Er ist bewusstlos. Verdammt, Mann, lasst ihn in Ruhe.«

Ich war zufrieden, dass sie mich für bewusstlos hielten. Es hatte mich schon zuvor gerettet. Aber es war die Schmerzen wert gewesen. Die Drachenklaue war zerstört, ihre Magie ungenutzt verstreut (obwohl ich mit ihrer Kraft das Gebäude hätte zum Einsturz bringen können), und niemand mehr würde Nutzen aus Selegs Verrat ziehen können. Ohne die Magie, die mich durchfloss, konnte ich mich nicht mehr erinnern, wieso das wichtig war, nur, dass es so war. Schweiß lief mir in die Augen, und zunächst dachte ich, es wäre Blut.

Jadeauge fauchte den anderen Magier an.»Sagt dem König, er wird bekommen, was er will. Sagt ihm, ich kann es in einer Woche machen.«Dann tat er mir wieder weh.

Schließlich kamen Männer, um mich in die Zelle zurückzubringen. Sie brachen mir Essen und Wasser und stellten es neben mich. Als sie weg waren und nicht sehen würden, dass ich wach war, griff ich nach der Karaffe und trank, bis ich merkte, dass der Welt in den Schatten Augen wuchsen. Ich stellte den Krug zurück, obwohl ich immer noch Durst hatte. Das Essen konnte ich leichter ignorieren. Ich wunderte mich eine Minute, wieso meine Haut ungezeichnet und nicht aufgerissen war von diesen alles verschlingenden Schmerzen, aber dann begannen die Schattendinge aus den Ecken zu kriechen, und ich versteckte mich in dem Loch im Stroh.

»Du bist nicht leicht zu finden, Wardwick von Hurog.«

Ich zuckte vor der Stimme zurück, denn es war nicht meine eigene. Mein Kopf tat weh, und die Lippen waren gerissen und trocken. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich nur die seltsame Farbe von Jadeauges Augen sehen.

»Hurogmeten?«

Die Stimme riss mich aus den Erinnerungen. Es war die Stimme einer Frau, aber es lag ein Grollen darin, das keine Frauenstimme jemals haben sollte. Ich öffnete ängstlich die Augen und sah leuchtend geflecktes Fell in Orange und Gelb und strahlende Augen über fingerlangen Reißzähnen. Irgendwie schien das Fell ein wenig Licht abzugeben und trieb die Schatten zurück in die Ecken, wo sie hingehörten.

»Hurogmeten? Wie lange ist es her, seit du etwas gegessen hast?«

Die Tamerlain, Hüterin von Aethervons Tempel, saß vor mir. Noch eine Halluzination, dachte ich, also antwortete ich nicht. Sie lebte auf dem Hügel von Menogue in den Ruinen von Aethervons Tempel vor der Stadt Estian. Sie konnte nicht hier im Asyl sein.

Ich schloss die Augen und wartete darauf, dass sie verschwand. Nach einem Augenblick hörte ich, wie sie die Schale, die sie mir gegeben hatten, über den Boden zog, um sie forschend zu betrachten.

»Guter Junge, du hast heute Abend nicht gegessen«, stellte sie fest.»Garranon glaubt, dass man dir eher Drogen versetzt als dich verzaubert hat, und dagegen ist schwerer anzukommen.«

Das Wasser war das Gefährlichste; ich kam mir sehr schlau vor, weil ich das wusste. Ich hatte zuvor gewaltig geschwitzt und jetzt entsprechend großen Durst, aber ich wusste, dass das Wasser für mich ebenso gefährlich war wie der Zauberer. Ich hielt einen Strohhalm im Mund, und das hatte geholfen, dass mein Mund feucht blieb, aber nun funktionierte es nicht mehr besonders.

»Wardwick«, versuchte sie mich zu verlocken (ich hörte an ihrer Stimme, dass sie näher kam),»sieh mich an, Junge. Du kennst mich.«

Ich wandte den Blick widerstrebend von der Wand ab und starrte dem Ungeheuer ins Gesicht. Sie war so groß wie ein kleinerer Bär aus dem Norden; ihr Kopf hatte auch etwas Bärenhaftes, bis auf die großen goldenen Augen, die besser zu einem Tiger gepasst hätten. Ihr dichtes Fell bedeckte einen Körper, der nicht so kräftig war wie der eines Bären und nicht so geschmeidig wie eine der großen Katzen. Sie hatte den Schwanz um ihre Vorderpfoten drapiert, und sie schnurrte, als ich ihr in die Augen sah. Ich glaube, das Geräusch war beruhigend gemeint.

Die Luft fühlte sich plötzlich klarer an, ebenso wie meine Gedanken, aber ich wusste, dass ich weiter halluzinierte, denn die Hüterin der Ruinen von Menogue hatte in meiner Zelle nichts zu suchen.

Ich setzte mich gerader hin und strich das Stroh von meinen Schultern, um mir ein wenig Zeit zum Nachdenken zu verschaffen. Die Bewegung machte die Schmerzen schlimmer, die nach Jadeauges Zorn zurückgeblieben waren.

»Lass mich allein«, sagte ich. Als ich ihr das letzte

Mal begegnet war, hatte ihr Gott Aethervon den Körper meiner Schwester übernommen und Oreg gequält. Niemand tat meinen Leuten weh, wenn ich etwas dagegen tun konnte.

»Beruhige deinen Zorn«, sagte sie.»Ich komme, um einem Freund einen Gefallen zu tun. Garranon machte sich Sorgen um dich. Er bat mich, zu dir zu gehen, wenn ich es könnte. Also habe ich seine Bitte Aethervon unterbreitet. Mein Herr interessiert sich für dich, seit er erwachte, als du seinen Tempel in Menogue besuchtest.«

»Geht weg«, sagte ich erneut. Wenn es nach mir ginge, hätte Aethervon hängen können. Er hatte meine Schwester ohne ihre Zustimmung benutzt und meinem Freund wehgetan. Zugegeben, die Tamerlain hatte an beidem keinen Anteil gehabt - aber ich verachtete ihren Herrn.

»Ich kann dir helfen«, sagte sie.

Ich stieß ein kurzes Lachen aus und versuchte zu verbergen, wie sehr selbst diese geringe Bewegung wehtat.

»Du sagst, Garranon sei dein Freund«, sagte ich.

»Garranon ist mein Freund«, bestätigte sie.

Ich starrte sie an, und sie begegnete meinem Blick ruhig. Ich hatte die Tamerlain für nichts anderes als eine Dienerin eines geschwächten, verräterischen Gottes gehalten. Dass Garranon ein Freund von ihr sein sollte, war einfach unglaubwürdig. Wenn er eine solch mächtige Verbündete hätte, hätte sie sich doch sicher schon früher gezeigt - seinen

Bruder gerettet, seine Feinde vernichtet. Irgendetwas. Mein Leben hatte in den Händen meines Vaters gelegen, aber Garranons Leben war noch schlimmer gewesen.

»Wie lange seid ihr schon Freunde?«, fragte ich.

Mein Unglaube schien sie zu kränken, und sie riss den Kopf hoch und knurrte leise.»Er war mein Freund, seit er nach Estian kam, ein verängstigtes, einsames Kind. Er sah mich - niemand sonst an diesem Ort hat mich je gesehen -, und er fürchtete mich nicht. Seit dieser Nacht, als er sich neben mir zusammenrollte und schlief, ein Kind selbst nach euren kurzlebigen Maßstäben, war er mein Freund.«

Ich glaubte ihr plötzlich, aber das verbesserte meine Meinung von ihr nicht.»Eine Freundin, die zugesehen hat, als der König ein Kind vergewaltigte.«

»Es war keine Vergewaltigung - das geschah schon, bevor er herkam. Der König benutzte Kräuter... Magie.«Selbst in ihrem Tiergesicht konnte ich sehen, wie sehr sie das quälte. Sie hatte gewusst, dass Kräuter und Magie nichts an der Tatsache änderten, dass es eine Vergewaltigung war.

Während wir sprachen, hörte die letzte von Jadeauges Drogen auf zu wirken. Ohne ihre Hilfe waren mein Entsetzen vor dem Asyl und mein klaustropho-bischer Zorn über meine Unfähigkeit, wirkungsvoll gegen Jadeauge anzukämpfen, in meinem Bauch gewachsen. Als nun noch unendlich tiefer Zorn über die Schmerzen eines Kindes hinzukam - obwohl er nun ein Erwachsener war und gut auf sich selbst aufpassen konnte -, lockerte das die Fesseln um meine böse Zunge.

»Und jetzt soll ich dir also erlauben, mir zu helfen?«, fragte ich erbost.

Sie sprang auf, als hätte ich sie geschlagen, und einen Augenblick ließ mich der Zorn in ihren Augen denken, dass meine Sorgen wegen meiner derzeitigen Situation ein schnelleres Ende finden würden, als ich für möglich gehalten hätte - obwohl ich doch eher auf Oreg als auf den Tod wartete.

Sie fauchte lautlos, dann ging sie von mir weg. Mit dem Gesicht zur Wand sagte sie:»Du weißt nichts darüber. Ich unterlag Zwängen, ebenso wie mein Herr. Ich musste zusehen und konnte nichts tun.«Die Spannung war verschwand plötzlich, und als sie sich mir wieder zuwandte, sah ich nur noch Kummer in ihren Augen.

»Dem Stoff dieser Welt ist solcher Schaden zugefügt worden, dass mein Herr sie bei all seiner Anstrengung nur mit Mühe zusammenhalten konnte. Glaubst du denn, er hätte seinen Tempel Opfer fremder Heere werden lassen, wenn er sie mit einer einzigen Berührung hätte zerstören können? Aber selbst das hätte genügt, um den Damm brechen zu lassen, der die Menschheit am Leben erhielt. Er... er konnte nicht einmal ein Kind retten.«

Ich hatte mich meiner Worte schon geschämt, sobald ich sie ausgesprochen hatte.»Es tut mir leid«, sagte ich.

»Mir ebenfalls«, flüsterte sie, aber ich glaube nicht, dass sie von den letzten Minuten sprach.

Sie seufzte und schüttelte sich wie ein nasser Hund.»Das alles ist geschehen. Aber du solltest eins wissen: Ich war nicht die Einzige, die zornig war, weil wir so wenig zu tun vermochten. Aethervon konnte nur Visionen schenken und hoffen, dass sie den Menschen, denen er sie gab, dabei halfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Und dann kamst du nach Menogue.«

»Er gab mir meine Magie zurück«, sagte ich.

»Er sah in dir eine Gelegenheit, einen der größten Brüche zu heilen - also tat er, was er konnte, um dir zu helfen«, erwiderte sie.»Als du das Land von der gewaltigen Untat geläutert hast, die in Hurog geschehen war, hast du einige der Zwänge gebrochen, die ihm auferlegt waren. Es gibt nun zum ersten Mal seit Jahrhunderten wieder Mönche in Menogue. Durch mich kann er ein wenig mehr tun, um dir zu helfen.«

»Ich dachte, Aethervon hätte geschworen, den Königen von Tallven zu helfen«, sagte ich.»Es war ein König von Tallven, der mich hierhergebracht hat.«

»Er hat geschworen, den Tallvens zu dienen, so weit ein Gott Menschen dient«, stimmte sie zu.»Er hat nur einen anderen Tallven erwählt, dem er dienen will.«

Ich zog eine Braue hoch.»Aethervon steht auf Alizons Seite?«

Ihre Augen verschleierten sich vor Freude, und sie schnurrte.»Diese Wendung der Ereignisse erfreut mich! Oh, nicht dass du hier bist, und in diesem Zustand - aber dass Aethervon sich gegen den stellt, der meinem Garranon wehtut. Ja, das erfreut mich. Wenn ich dürfte, würde ich ihm das Fleisch von den Knochen reißen und ihn verfaulen lassen.«

Ihr Schwanz zuckte wie der einer jagenden Katze. Bewusst beruhigte sie ihn und wickelte ihn wieder um die Vorderpfoten.»Aber das wird vielleicht noch kommen. Die Götter müssen es immer noch den Menschen überlassen, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Du solltest dich erinnern, dass Aethervon dazu neigt, eine Gunst zu erweisen, wenn man ihn auf die richtige Art darum bittet.«Sie schnurrte.»Garranon, mein Freund, bat mich, dich aufzusuchen, und ich werde ihm sagen, wie er dich finden kann. Aber es erfreut auch Aethervon, dass ich dir helfe. Der König wartet darauf, dass deine Verwandten kommen, damit er sie und dich seinem Hof vorführen kann. Er hat aus Iftahar gehört, dass dein Onkel in Hurog ist. Also werden sie Zeit brauchen, um hierher zu kommen. Wenn du vor ihnen stehst, werde ich das Gift aus deinem Fleisch entfernen - so gut ich das kann. Es liegt an dir, bis dahin zu verhindern, dass sie dich vernichten.«

Sie ging. Sie verschwand einfach, und ich dachte, ich hätte sie mir vielleicht nur eingebildet, aber meine Gedanken blieben klar.

Aha, dachte ich. Die Tamerlain will mir helfen.

Der König wollte mich gebrochen sehen. Er wollte seinem Hof einen Verrückten vorführen. Hier ging es um mehr als um ein Machtspiel zwischen Jakoven und meinem Onkel, um mehr als nur einen schlichten Angriff gegen mich. Aber mein missbrauchter Geist konnte nichts weiter begreifen, als dass Jakoven sich gegen meine ganze Familie wandte.

Die Tamerlain hatte mir eine Möglichkeit versprochen, mich zu retten. Ich musste nur bei Verstand bleiben, bis mein Onkel kam. Oder bis Oreg mich fand und rettete.

Der Gedanke an Oreg versetzte mich in solche Erleichterung, dass ich zitterte. Er wusste, wohin sie mich bringen wollten - er würde mich herausholen. Ich holte tief Luft und kam zu dem Schluss, dass ich mich dennoch verhalten musste, als werde er nicht kommen. Man musste immer auf das Schlimmste vorbereitet sein, sagte meine Tante.


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