Читайте также: |
|
Der Begriff Mittelhochdeutsch ist wie Althochdeutsch zu interpretieren. Mittelhochdeutsch im weiteren Sinne bezeichnet die Epoche der deutschen Sprachgeschichte zwischen 1050 und 1350,also die Zeit des sogenannten Hochmittelalters. Im engeren Sinne bezeichnet es das “klassische Mittelhochdeutsch“, die Sprache der klassischen höfischen Ritterliteratur (1150-1250).
Die Bezeichnung “Mittelhochdeutsch“ kann nur als Sammelbegriff für eine Reihe von Territorialdialekten gelten. Das Mittelhochdeutsche umfasst die Sprachräume des Oberdeutschen und des Mitteldeutschen, die von der 2., auch hochdeutschen Lautverschiebung erfasst wurden.
Charakteristisch für das Mittelhochdeutsch ist, dass Deutsch nicht mehr allein im Dienste kirchlicher Verkündigung steht wie noch im Althochdeutschen, sondern zur Literatursprache wird, die gleichberechtigt neben die Kultursprache Latein tritt. Voraussetzung für diese Entwicklung war einerseits die Entstehung eines deutschen Kulturbewusstseins, als dessen Träger zunächst Adelsschichten (Ritter, Ministeriale), später zunehmend das städtische Bürgertumgesehen werden müssen. Andererseits tritt dadurch das Stammesdenken zurück, so dass es zum Abbau der Dialektgrenzen und zu ersten Ausgleichstendenzenin der Schriftsprache kommen kann, die später in frühneuhochdeutscher Zeit unter dem Einfluss der Kanzleien und der Druckerzeugnisse (Bibelübersetzungen, Streitschriften) fortgeführt werden.
Der Beginn der mittelhochdeutschen Epoche um 1050 ist eine ungefähre Festlegung, für die u. a. der Tod Notkers des Deutschen(1022), dessen Werke noch dem Althochdeutschen zugeordnet werden, eine Rolle spielt (vgl. u. a. [Wolff 2009, S. 75]). Für den Ausklang um 1350 sprechen politisch-gesellschaftliche Entwicklungen(Niedergang des deutschen Kaisertums nach Interregnum und Kreuzzugszeit; zunehmende Macht der Städte als Wirtschaftszentren; erste Universitätsgründungen), geistesgeschichtlich-kulturelle Aspekte(Ausklingen der deutschen Mystik) und sprachliche Neuerungen(Entstehen einer überregionalen Schriftsprache).
Politisch-gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen
Das Hochmittelalter ist geprägt durch ein dualistisches Machtgefüge und ein dualistisches Weltbild.Machtpolitisch vollzieht sich in dieser Zeit die Auseinandersetzung zwischen Imperium und Sacerdotium.
Parallel dazu entwickelt sich einmal die innerkirchliche Reformbe we gung, die eine neue Frömmigkeit propagiert und schließlich zur Gründung bekannter Mönchsorden führt (Franziskaner 1208, Dominikaner 1215, Augustiner 1244). Zum anderen bildet sich eine neue Reichsideo lo gie sowie mit dem Rittertumund dem Dienstadel eine neue staatstragende Schicht. Beides führt zu einer eigenständigen Laienkulturmit ausgeprägten Lebensidealen und einer ritterlichen Standesethik. Später stützt sich das Kaisertum mehr und mehr auf sogenannte “freie” Reichsstädte mit Sonderrechten und fördert damit eine korporativ gegliederte Bürgerschicht (Handwerkerzünfte, Kaufmannsgilden).
Aus dieser Übersicht und den angeführten Datierungen ist bereits ablesbar:
1. ein geistesgeschichtlich-kultureller Prozess:
2. ein sozialgeschichtlicher Prozess:
3. ein technischer Prozess:
Sprachliche Grundstrukturen des Mittelhochdeutschen
In solchen, hier vereinfacht skizzierten Entwicklungen offenbaren sich Tendenzen, die sich dann auch bei den sprachlichen Strukturen im einzelnen nachweisen lassen [Wolff 2009, S. 80]:
- eine Umstrukturierungvon Denkinhalten (vgl. Lexematik);
- eine Vereinfachungund zugleich Differenzierungvon grammatischsyntaktischen Formen;
- eine Erweiterung von Textfunktionen und Leserkreisen.
Phonematik
Die hauptsächlichen Veränderungen im phonematischen System des Mittelhochdeutschen betreffen den Vokalismus. Diese Veränderungen waren die folgenden Erscheinungen:
1) Den Hauptton trägt stets die Stammsilbe, bei Komposita die des ersten Glieds: kǘnec, klágen, erlóuben. Einen Nebenton erhalten in Nominalkomposita die Stammsilben des zweiten Glieds sowie die Ableitungssuffixe: hôchgezî̀̀t ‘ Fest ’, ‘ Hochzeit ’(seit dem 13. Jh.).
2) Die Stammsilbenbetonung führt bis zur Mitte des 11. Jhs. zur Reduktion (Abschwächungder früher vollen Auslautvokale in offener Silbe (zu tonlosem e)): ahd. tagâ ‘ Tage ’ > mhd. tage, ahd. nāmo ‘ Name ’ > mhd. nâme.
Eine ähnliche Abschwächung trifft auch Präfixe: ahd. gibirgi > mhd. gebirge. Seit dem 13. Jh. beobachtet man in der Folge die Ausstoßung solcher e -Vokale:
- Synkope (Ausstoßung im Wortinnern): mhd. klagete > nhd. klagte; mhd. arebeit > nhd. arbeit;
- Apokope (Abstoßung am Wortende): mhd. gelücke > nhd. glück; mhd. herre > nhd. herr.
3) Das Mittelhochdeutsche enthält bereits alle uns heute geläufigen kurzen und langen Vokale, ferner eine Reihe von Diphthongen, die jedoch teilweise bereits monophthongiert werden.
Die Diphthonge ie, uo und üe werden im md. Gebiet, vor allem im Osten, bereits seit dem 11. Jh. monophthongiert, d. h. zu langem i, u und ü vereinfacht (Palatalisierung): lībe gūte brǖder.
4) Der schon im Althochdeutschen einsetzende i-Umlaut,als Auswirkung des germanischen Akzentwandels, wird jetzt allgemein durchgeführt:
ahd. māri ‘ berühmt ’ > mhd. maere
ahd. skōni ‘ schön ’ > mhd. schoene
ahd. hūti ‘ Häute ’ > mhd. hiute (gesprochen: hüte)
ahd. liuti ‘ Leute ’ > mhd. liute (gesprochen: lüte)
ahd. niuwi ‘ neu ’ > mhd. niuwe (gesprochen: nüwe)
5) Der so entstandene Umlaut ü (geschrieben iu) wird, zusammen mit den aus dem Althochdeutschen ererbten langen Vokalen î und û, später diphthongiert: mhd. mîn niuwes hûs > nhd. mein neues haus.
Im System des Konsonantismus entwickelt sich das neue Phonem [∫] (sk > sch: ahd. skōni > mhd. schoene); am Ende der mittelhochdeutschen Periode schwindet das intervokalische h, das in althochdeutscher Zeit noch gesprochen wurde. Doch wird es in der Schreibung bis unsere Zeit beibehalten: mhd. hoehe – nhd. ‘ Höhe ’, mhd. sehen / sên – nhd. ‘ sehen ’.
Grammatischer Wechsel(= Wechsel verwandter Konsonanten in wurzelverwandten Wörtern, „Vernersches Gesetz“; beginnend im Althochdeutschen) ist vor allem bei starken Verben zu beobachten:
h – g: ziehen – gezogen
d – t: snîden – gesniten
f – b: dürfen – darben, verderben
s – r (Rhotazismus): verliesen – verlorn
Auslautverhärtungliegt dann vor, wenn stimmhafte Verschlusslaute (die Mediae b, d, g) im Auslaut zu stimmlosen Verschlußlauten (Tenues p, t, k) werden, z. B. bei der Deklination: tages — tac. Die neuhochdeutsche Rechtschreibung hat diese Erscheinung bekanntermaßen eingeebnet.
Morphematik
Als Folge der Reduktion der Vokale in den Flexionsendungen und Suffixen kommt es in mittelhochdeutscher Zeit zum Umbau des morphologischen Systems des Substantivs. Anstelle des alten Deklinationsystems auf Grund der Zugehörigkeit der Substantiva zu einer der morphologischen Stammklassen wird in der mittelhochdeutschen Periode ein neues System nach dem Genus geschaffen [Левицький 2010, с. 169].
Im Verbalsystem kommt es zur Zunahme schwach flektierter Verben, zur vermehrten Verwendung von Personalpronomina und zur Unterscheidung der Modi (Indikativ und Konjunktiv) sowie der Aktionsarten (Aktiv und Passiv) mittels Umschreibung:die Entwicklung vom synthetischen zum analytischen Sprachbauschreitet fort. Auch Konstruktionen mit den Hilfsverben sein und haben finden sich häufiger als im Althochdeutschen. Erhalten bleibt jedoch, später weiter vereinfacht, der Ablaut (= regelmäßiger Vokalwechsel) in den Stammformen der starken Verben [Wolff 2009, S. 84]:
Bei der Wortbildung fallen vor allem die zahlreichen Suffigierungen auf, die sich folgenden Erscheinungs- und Erklärungstypen zuordnen lassen:
a) Endungen auf - heit: als Folge der Abschwächung von Endsilbenvokalen: ahd. skôni ‘ Schönheit ’ > mhd. schoene > schoenheit;
b) Abstraktbildungen auf - heit, - keit, - unge im späten Mittelhochdeutschen: Bezeichnungsbedarf in Texten der Mystiker: gewordenheit, geistekeit, ichheit;
c) Endungen auf - ie und - ieren: Einfluss der französischen Rittersprache: mhd. loschieren ‘ wohnen ’, mhd. parlieren ‘ sprechen ’, mhd. melodîe ‘ Melodie ’.
Die hier zum Ausdruck kommende Neigung, wortschöpferisch tätig zu werden, zeigt sich auch in der Fülle neuer Komposita, vor allem in der hovesprache (höfische Dichtung): herzeleid, hôchgezît.
Syntagmatik
Bei der Untersuchung der Syntax muss berücksichtigt werden, dass mittelhochdeutsche Texte im Original innerhalb der Abschnitte keine Interpunktion aufweisen. So fällt die Abgrenzung von Sätzen oft schwer.
Der Ausbau schriftsprachlicher Ausdrucksformen äußert sich zum einen in Koordination und Subordination. Er führt unter dem Einfluss lateinischer Vorbilder und der Rhetorik zu einem komplizierteren Satzbau (vgl. [Wolff 2009, S. 85]):
Swaz kriuchet unde vliuget und bein zer erde biuget (Walther)
Ich kam gegangen zuo der ouwe: dô was mîn friedel komen ê (Walther)
Ein ritter sô gelêret was daz er an den buochen las (Hartmann)
Er ist aber auch ablesbar an den festen Formeln(z. B. beim Anreden und Grüßen), die wohl aus der gesprochenen Sprache stammen, diese aber in Wechselwirkung weiter standardisieren:
Dô sprach diu maget edele: „vil lieber bruoder mîn...“
„Sit willekomen, ir herren, und ouch iuwer man...“
„Nû lôn dir got, Rüedeger“, sprach der künec dô. (Nibelungenlied)
Ins Konzept einer Standessprache passen ebenfalls die zahlreichen verallgemeinernden Sätze mit „man“ sowie umschreibende oder untertreibende Formeln:
Gedaehte man ir ze guote niht... (Gottfried v. Straßburg)
Dô was lützel trûren
Beachtung hat in der sprachgeschichtlichen Literatur noch die Behandlung der Verneinunggefunden. Schon im Althochdeutschen tritt neben die Verneinungspartikel ni oder en das Objekt niht (= ne iht, d. h. nicht etwas), das schließlich alleine verbleibt: ahd. ich en weiz > ich en weiz niht > mhd. ich enweiz niht > ich weiz niht. Doppelte Verneinungen wie hier im späten Althochdeutschen und im frühen Mittelhochdeutschen haben sich noch in einigen Dialekten erhalten.
Дата добавления: 2015-10-24; просмотров: 321 | Нарушение авторских прав
<== предыдущая страница | | | следующая страница ==> |
Das mittelalterliche Deutsch (Mittelhochdeutsch) | | | Allgemeine Kennzeichnung und Abgrenzung |