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Das mittelalterliche Deutsch (Mittelhochdeutsch)

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Vorlesung 3

DEUTSCHE SPRACH­GESCHICHTE IN EPOCHEN

 

3.1. Frühgeschichte der deutschen Sprache (Althochdeutsch)

3.1.1. Kennzeichnung des althochdeutschen Sprachtypus

3.1.2. Historische, soziale und kulturelle Voraussetzungen

3.1.3. Wichtige sprachliche Neuerungen und Besonderheiten

3.2. Das mittelalterliche Deutsch (Mittelhochdeutsch)

3.2.1. Allgemeine Charakteristik und Einordnung

3.2.2. Politisch-gesellschaftliche und kulturelle

Rahmenbedingungen

3.2.3. Sprachliche Grundstrukturen

des Mittelhochdeutschen

3.3. Die frühneuhochdeutsche Periode (Frühneuhochdeutsch)

3.3.1. Abgrenzung und Datierung

3.3.2. Sprachexterne Kriterien

3.3.3. Sprachinterne Kriterien

3.4. Die neuhochdeutsche Zeit (Neuhochdeutsch)

3.4.1. Allgemeine Kennzeichnung und Abgrenzung

3.4.2. Sprachliche Entwicklungen im Überblick

 

3.1. Frühgeschichte der deutschen Sprache (Althochdeutsch)

Kennzeichnung des althochdeutschen Sprachtypus

Der folgende Punkt ist dem Althochdeutschen – dem Deutschen des Frühmittelalters, dem Frühdeutschen – der ersten und ältesten schriftlich überlieferten Stufe deutscher Sprache gewidmet.

Der von Jacob Grimm (1819) eingeführte Terminus “Althoch­deutsch” enthält verschiedenartige Elemente. Dabei liegt der Raumkomponente, zur Einteilung der deutschen Mund­arten oder Stammesdialekte, das Begriffspaar Hochdeutsch – Nieder­deutsch zugrunde, das in rein geographischer Bedeutung seit dem 15. Jh. nachweisbar ist (zit. nach [Wolff 2009, S. 58]) und dessen Hauptkriterium die 2. oder “hochdeutsche” Lautverschiebung (ukr. пересув приголос­них) darstellt: sie ist nur im hochdeutschen Süden durchgeführt. Die Grenzlinie zwischen dem Hochdeutschen und dem Niederdeutschen bildet die soge­nan­nte mittlere Linie der Isoglossen (die ik / ich- bzw. maken / machen-Linie). Innerhalb des Hochdeutschenwerden unterschieden, wiederum nach phonologischen Merkmalen:

1. Oberdeutsche Dialekte

2. Mitteldeutsche Dialekte

Es gibt in althochdeutscher Zeit weder eine einheitliche Schreib- oder Schriftsprache noch klar abgrenzbare Dialekträume. J. Grimm erfasst mit seiner Bezeichnung “Althochdeutsch” allein die sogenannten “hoch­deutschen” Stammesdialekte, welche die 2. Lautver­schiebung mitgemacht haben [Ders., S. 52].

Wir schließen uns hier dem neueren Vorschlag von St. Sonderegger [Ders., S. 52] an, unter Althochdeutsch “das frühmittel­alterliche Deutsch von den Anfängen einer schriftlichen Überlieferung im 6./7. Jh. inschrift­lich und im 8. Jh. handschriftlich bis gegen das Ende des 11. Jhs.” zu ver­stehen. Mit anderen Worten: erste Zeugnisse der althochdeutschen Sprache treten vereinzelt im 6. / 7. Jh. auf. der Beginn umfangreicherer Schriftlichkeit liegt im 8. Jh. Die obere zeitliche Grenze markiert das Übersetzungswerk Notkers III. St. Sonderegger [Ders., S. 55] bezeichnet Althochdeutsch als

§ Übersetzungssprache;

§ Übergangssprache;

§ Experimentiersprache;

§ Entlehnungssprache;

§ überregionale Volkssprache.

Historische, soziale und kulturelle Voraussetzungen

Geschichtlich gesehen, fällt das Frühdeutsch in die Epoche des soge­nan­nten Frühmittelalters.In dieser Zeit vollzieht sich zunächst nach der Völkerwanderung die Konsolidierung der Stammesverbände. Parallel zu diesem Prozess verläuft die Ablösung der lockeren Sippen- und Gentil­ver­bände durch festere Stammeseinheiten.

Die politisch-sozialen und kulturell-sprachlichen Verhältnisse im 9./10. Jh. werden vor allem durch drei Faktoren bestimmt: die Christiani ­ sie ­ rung, die Reichsorganisation der Karolinger (die sogenannte “karlische Epoche”) und die Ostkolonisation.

Die Christianisierung im Frankenreich bereitet den Boden für die geschichtsträchtige Synthese von Germanentum, Christentum und Antike. Die Missionierung wird von irischen und angelsächsischen Mönchen getragen. Sie führt zur Gründung zahlreicher Klöster, in denen eine hohe Schreib- und Lesekultur ausgebildet wird. Die Schreiborte, d. h. die Pro­duk­tions­stätten von Texten, waren in fast immer Klöster und Bischofs­sitze. Das liegt natürlich daran, dass Mönche und Geistliche der christli­chen Mission fast die einzigen Menschen waren, die zu jener Zeit schrei­ben konnten. Vermittelt wurde ihnen diese Fähigkeit am Beispiel des Lateini­schen und zu dem Zweck, religiöse Texte zu schreiben bzw. zu vervielfältigen, da die Druckmaschine noch lange nicht erfunden war.

Die Reichs- und Kulturpolitik Karls des Grossen (768–814), beruhend auf einem theokratischen Amtsgedanken, war abgestellt auf Ord­nung und Einheitlichkeitim weltlichen wie im kirchlichen Bereich. Karl regelte die Pflichten der Geistlichen, die volkssprachliche Bildung und das christliche Verhalten der Untertanen im Alltag. Hier zeichnet sich der Rahmen ab für eine abendländische Kulturgemeinschaft (auf christlich-germanisch-römischer Basis), ebenso aber auch für das entstehende Deutschtum und ein nationales Selbstbewusstsein der Deutschen.

Die sogenannte Ostkolonisation führt zu einer erheblichen Auswei­tung des fränkischen Macht- und Einflussbereiches sowie zu einer Stär­kung der Zentralgewalt.

Wichtige sprachliche Neuerungen und Besonderheiten

Es ist für die dargestellte Epoche recht charakteristisch, dass die sprach­liche Selbstbezeichnung „deutsch“ zunächst nur in latinisierter Form und in lateinischen Quellen auftaucht. Die althochdeutsche Form „diutisc“ gebraucht erst Notker d. Deutsche (955-1022). Dabei ist lat. theodiscus zweifellos eine Entlehnung vom german. theudo = “Volk” und diente zunächst nur zur Kennzeichnung der Volkssprache (= lingua vulgaris), später im romanischen Grenzland (vielleicht unter dem Einfluss von “teutonicus”) auch als Benennung der germanischen Nachbarn überhaupt.

Die etymologische Ausgangslage zeigt demnach eine eingeschränkte Bedeutung und Verwendung des Wortes, bezogen auf mündliche und schriftliche Sprachäußerungen. Eine qualitative und quantitative Erweite­rung ist erst erkennbar im frühmittelhochdeutschen “Annolied”aus dem Kloster Siegburg (um 1090, vgl. [Wolff 2009, S. 89 f.]); dort ist die Rede von diutischin sprechen, diutischi liute, diutischi man, so dass ein ausge­prägtes deutsches Sprach- und Kulturbewusstsein wohl frühestens hier angesetzt werden kann. In der bekannten “Kaiserchronik” (Mitte 12. Jh.) hat sich das Wort schließlich als Volksbegriff und zugleich als geographi­sche Bezeichnung durchgesetzt (dûtisc volch, in dûtiscem riche). Von “Teutschland” im nationalen Sinne wird aber erst in frühneuhoch­deutscher Zeit, also im Spätmittelalter, gesprochen.

Phonematik

Die bemerkenswerteste Innovation im System des althochdeutschen Konsonantismus war die sog. zweite oder hochdeutsche Lautverschie ­ bung. Sie gehört zum Kernbestand der traditionellen Geschichts­schrei­bung der deutschen Sprache (vgl. [Schmidt 1996, § 2.3.3]).

Mit dem Stichwort “zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung”meint man ein Lautwandelereignis, das zwischen dem 5. und dem 8. Jahrhundert n. Chr. stattgefunden haben muss (zeitlicher Befunf). Das Lautwandelereignis fand statt im ober- oder süddeutschen Raum, abgeschwächt im mitteldeutschen Raum, nicht jedoch im nieder- oder norddeutschen Raum und im übrigen germanischen Sprachgebiet (geografischer Befund).

Man nennt dieses Lautwandelereignis zweite Lautverschiebung im Unterschied zur sog. ersten oder germanischen Lautverschiebung im 1. Jahr­tausend v. Chr., die ein gesamtgermanisches Phänomen ist, d. h. sämt­liche germanischen Sprachen (im Unterschied zu den romanischen, slawischen etc. Sprachen) erfasst hat. Es ist die hochdeutsche Lautver­schie­bung, weil sie ursprünglich nur die oberdeutschen Dialekte betraf, die historisch gesehen für die Ausbildung der heutigen Norm der deutschen Standardsprache grundlegend waren.

Die zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung führt durch Veränderungen im Konsonantismus zur Ausgliederung des Deutschen bzw. seiner “hochdeutschen” Dialekte aus den übrigen germanischen Sprachen.

Diese Lautverschiebung betrifft eine Reihe von Konsonanten des Germanischen, die im Verlaufe dieses Wandels in der besagten Zeit und dem besagten Gebiet durch andere Konsonanten ersetzt worden sind. Dazu gehören die durch die erste Lautverschiebubg entstandenen germanischen Tenues /p, t, k/ und germanischen Medien /b, d, g/. Man spricht daher von der Tenues- und Medienverschiebung (linguistischer Befund).

Die Aufstellung in Abbildung 3.1 (s. S. 56–57) zeigt die Laut-Ersetzung, wobei deutlich wird, dass diese gemäss der Vorkommensweise des Lautes (An- oder Inlaut? Einfach oder geminiert, d. h. verdoppelt? nach Vokal oder Konsonant?) zwei Varianten hat. Entweder wird aus dem Verschluss- ein Reibelaut (aus /p/ wird /f/), oder aus dem Verschlusslaut wird eine sogenannte Affrikate (aus /p/ wird /pf/).

 

Abb. 3.2

Zweite (hochdeutsche) Lautverschiebung

 

Ausgangspunkt Ergebnis
Anlaut Inlaut Anlaut Inlaut
/p/ plum /p/ open /pf/ Pflaume /f/ offen
  /pp/ oder K + /p/ apple stump   /pf/ Apfel stumpf
/t/ tongue /t/ eat /ts/ Zunge /s/ essen
  /tt/ oder K + /t/ sit salt   /ts/ sitzen Salz
/k/ can, können /k/ make /kx/ oder /x/ (k)chöne /x/ machen
  /kk/ oder K + /k/ acre, Acker think, denken   /kx/ oder /x/ A(k)cher dän(k)che

 

In der folgenden vereinfachenden Übersicht repräsentieren altsächsi­sche Beispiele den (elb)germanischen Lautstand (vgl. auch die ent­sprechen­den deutschen Formen heute):

Schema 3.1

Der Lautwandel im Überblick

Lautbestand Beispiele
germ. ahd. altsächs. ahd. nhd.
1. Tenues a) Affrikatae plëgan hërta korn thorp pflëgan hërze chorn dorp dorf pflegen Herz Korn Dorf
p / t / k → pf / ts / kch
  (Anlaut sowie Inlaut und Auslaut nach Konsonant)
  b) Spiranten opan etan brëkan offen ezzan brëhhan offen essen brechen
  ff / zz / hh (ch)
  (Inlaut und Auslaut nach Vokal)
2. Mediae b / d / g → Tenues p / t / k bindan dag gëban obd. pintan tag obd. këpan binden Tag geben

 

Also die zweite Lautverschiebung betraf vor allem die durch die erste Lautverschiebubg entstandenen p, t, k (ie. b, d, g), die im Anlaut, in der Gemination (Verdoppelung) und nach Konsonant wie folgt verschoben wurden:

p → [pf]

t → [ts]

k → [kch]

Die Beispiele unten stellen jeweils eine englische und schwedische (den unverschobenen germanischen Lautstand bewahrende) gegen eine hochdeutsche (verschobene) Wortform:

 

Germ. Ahd. Nhd. Engl. Schwedisch
p lōg- pf luoe Pf lug p lough p log
ha t iz ha z, hazzes Ha ss ha t e ha t
spre k an sprë hh an spre ch en spea k spra k a

 

Auch im Vokalismus gab es zahlreiche Neuerungen, von denen hier nur die wesentlichsten genannt werden können (vgl. Schmidt 1996, § 2.3.2).

Die Diphthongierung von germanischem ê zu althochdeutschen ea, ia > ie und von germanischem ô zu althochdeutschem uo breitet sich im 8./9. Jh. Ich möchte Ihnen hier zwei Beispiele geben:

got. hêr – as. hêr – ahd. hiar, hierhier

got. fôtus – as. fôt – ahd. fuozFuß

Wie Sie sehr gut sehen können, bleiben die alten Längen im Altsächsi­schen meist erhalten.

Morphematik

Auch im Formenbestand gab es zahlreiche Neuerungen (vgl. [Schmidt 1996, § 2.4]).

Hier ist vor allem die Entstehung des Artikels zu nennen:

- des bestimmten Artikels aus dem Demonstrativum ahd. dër, diu, daz;

- des unbestimmten Artikels aus dem Numerale ein.

Aus dem Substantiv man, das als Substantiv weiterexistiert, wird ein Indefinitpronomen man entwickelt, das meist die Grundbedeutung ‘Mensch, Mann’ noch erkennen lässt.

Zunehmend wird das Personalpronomenverwendet sowie die Umschreibung.

Beim Verbzeigt sich eine ähnliche Tendenz zu analytischenUmschreibungen:

- beim Perfekt und Plusquamperfekt mit wësansein ’ und habênhaben ’ (dies erst im späten Althochdeutschen);

- beim Passiv mit wësansein ’ oder wërdanwerden ’ + Part. Prät.;

- beim Futur mit sculansollen, wellenwollen, ‘ müssen: ih scal lësanich werde lesen ’ (noch nicht mit werden; mit werden dagegen erst im Mittelhochdeutschen);

- beim Imperativ mit muozmuss ’, scalsoll ’ oder wilwill ’ + Inf.

Das althochdeutsche Verb kennt folgende Formen:

· ein Genus verbi (Aktiv; das Passiv wird mit Hilfe der obengenannten Umschreibungen gebildet);

· zwei Tempora (Präsens und Präteritum);

· zwei Modi (Indikativ und Konjunktiv);

· zwei Numeri (Singular und Plural mit je drei Personen);

· drei Verbalnomina (Infinitiv des Präsens, Partizip Präsens und Partizip Präteritum).

Zur Unterscheidung der ererbten Tempora und Numeri wird weiterhin der Ablaut verwendet (in insgesamt 7 Klassen).

Das althochdeutsche Substantiv weist wie das neuhochdeutsche drei Kategorien auf: Kasus (fünf Kasus – Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Instrumentalis (seit dem 11. Jh. wird der Instrumentalis durch präpositionale Fügungenmit durch, mit, von ersetzt)), Numerus (zwei Numeri – Singular und Plural) und Genus (drei Genera – Maskulinum, Femininum, Neutrum).

Die Deklination des Substantivs richet sich nach der Bildung des Flexionsstammes, das ist die Wurzel des Wortes und das Thema (Bindelaut oder Bindelautgruppe). Bei vokalischem Thema sprechen wir von vokalischer oder starker Deklination, bei konsonantischem Thema von konsonantischer oder schwacher Deklination.

Wie bei den Substantiven unterscheiden wir auch bei den Adjektiven starke und schwache Flexion.

Im Althochdeutschen gab es zwei Möglichkeiten der Steigerung:

a) den Komparativ mit der Endung -iro, den Superlativ mit -isto;

b) den Komparativ mit der Endung -ôro, den Superlativ mit -ôsto.

In der Wortbildung werden im Althochdeutschen Komposition, Präfigierung und Suffigierung weiterentwickelt.

Innerhalb der Komposita stehen solche ohne Fugenvokal (vgl. chunincrîcheKönigreich ’) neben solchen mit Fugenlaut (spil-o-manSpielmann ’).

Die Wortbildungoffenbart besonders deutlich den Experimentier­charakterdes Althochdeutschen bei Übersetzungsversuchen christlich-kirchlicher Begriffe, für die im Germanentum kein Äquivalent existierte. Neben die germ. Suffixe treten lat. Lehnsuffixe, vor allem das aus dem lat. - arius entwickelte -âri zur Bildung von Nomina agentis: z. B. scribâriSchreiber ’. Dieses Suffix wurde zunehmend auch bei Berufs­bezeichnungen verwendet und verdrängt hier ältere Bildungen auf -eo und -e (erst später entwickeln sich hieraus neue Suffixe auf -1er und -ner: Tischler, Künstler; Schaffner).

Sehr zahlreich sind bei Verben Präfixbildungender verschiedensten Art: begrifanumfassen ’.

Syntagmatik

Die dem “Hildebrandlied” entnommenen Beispiele verdeutlichen, dass das Grundsystem der Satztypen, Satzarten und Satzglieder bereits im Germanischen vorhanden waren. Auf diesen Voraussetzungen baut das Althochdeutsche auf und entwickelt sie in vielfältiger Weise weiter.

In der Syntax (vgl. [Schmidt 1996, § 2.5]) dominierte noch im frühen Althochdeutschen die unverbundene Nebenordnung (asyndetische Parataxe) von Aussagesätzen, auch für Übersetzungen kausaler Hypotaxen aus dem Lateinischen. Daneben tritt bald der Relativsatz,bei dem der Anschluss durch Relativpronomen ther, thiu, thaz gebildet wird; ferner der thaz/daz- Satznach Verba declarandi et sentiendi (mit Wiederholung des schon im Hauptsatz vorhandenen daz): „ Ik gihorta dat seggen / dat sih urhettun aenon muotin “ (Hildebrandslied).

Ein reicher gegliedertes Konjunktionensystem entwickelt sich erst im 10. und 11. Jh.; ursprünglich temporale Konjunktionen erhalten nun kausal-finale und konsekutive Bedeutung.

Lexematik

Der Wortschatz des Althochdeutschen integriert die lateinisch-christliche Tradition in den Bestand der alten Mundarten. Wir können uns dafür allein an schriftlichen Quellen orientieren.

Üblicherweise wird der Wortschatz eingeteilt in Erbgut, germanisch-deutsches Sprachgut und Lehngut (vgl. [Wolff 2009, § 3.3.3]).

Zum Erbgutzählen Wörter mit ie. Wurzel, z. B. bestimmte Tierna­men, Waldbäume, Verwandtschaftsbezeichnungen, einfache Tätigkeiten und Eigenschaften, die uns ein lebendiges Bild der damaligen Kultur vermitteln.

Germanisch-deutsches Sprachgutentsteht nach der Ausgliederung des Germanischen aus dem Ie. und des Deutschen aus dem Germanischen. Nachweisbar sind nur etwa 500 eigenständige, noch erhaltene Bildungen. Zahlreiche Wörter aus dem kultischen Bereich sterben in althochdeutscher Zeit unter christlichem Einfluss ab: harugOpferstätte ’; bluostar, gelstarOpfer ’.

Beim Lehngut(zusammenfassende Bezeichnung für alle Formen der Beeinflussung einer Sprache durch andere Sprache auf den verschiedenen Ebenen) sind direkte Wortentlehnungen im Althochdeutschen nicht einmal häufig (ca. 3 %). Sie betreffen vor allem Kirche und Kultus:

Kirche,ahd. kirihha ( aus griech. kyrikon)

Bischof,ahd. biscof ( aus lat. episcopus)

Kloster,ahd. klostar ( aus lat. claustrum)

Münster,ahd. munistri ( aus lat. monasterium)

Papst,ahd. bâbes ( aus lat. papa)

Sekundär sind dazu auch Übernahmen aus kulturellen Bereichen zu nennen, die in den Klöstern gepflegt wurden:

- Heilkunde (ahd. fiebarFieber ’ aus lat. febris)

- Schriftwesen und Volksbildung (ahd. briaf ‘Brief’ aus mlat. breve; (ahd. scuola ‘Schule’ aus lat. schōla)

- Back- und Kochkunst (ahd. brezitilla ‘Brezel’ aus lat. bracchiatellum zu lat. bracchium ‘Arm’)

- Obst- und Gartenbau (ahd. colo ‘Kohl’ aus lat. caulis; ahd. petersilia ‘Petersilie’ aus lat. petrosilium; ahd. retik ‘Rettich’ aus lat. radix).

Die Mischung von Erb- und Lehngut kann man ausserdem noch in Teilwortschätzen verfolgen, unter denen die Anfänge von Fachsprachen erwähnenswert sind (vgl. auch Wolff 2009, S. 65):

- Rechtssprache (Leges barbarorum 8./9. Jh.; Übersetzung der Lex salica 9. Jh.)

- Wissenschaftssprache (Notkers Vermittlung der “Septem artes liberales”, um 1000).

Textematik

Als Nächstes will ich die Frageder Überlieferung des Althochdeutschen behandeln. Die aus althochdeutscher Zeit überlieferten Sprachdenkmäler sind oft in Mischdialekten geschrieben (z. B. Hilde­brands­lied, Wessobrunner Gebet). Die Spannweite der Überlieferung reicht außerdem von einzelnen Wörtern über Inschriften bis zu geschlossenen größeren Texten.

Das Schrifttum des Althochdeutschen erscheint an etwa 25 klösterli­chen Überlieferungsorten, die im Gefolge der irischen, angelsächsischen und fränkischen Missionierung entstanden sind. Am Anfang der althochdeutschen Schreibtradition stehen seit dem 7. Jh. Namen und Wörter in urkundlichen und erzählenden Quelle sowie Leges-Texten, sodann Glossen zu lateinischen Texten (besondedrs zur Bibel und zu Schul­autoren) bzw. lateinisch-alhochdeutsche Glossare, insgesamt in über 1300 Handschriften. Neben den Namen machen die Glossen den Hauptan­teil des althochdeutschen Sprachmaterials aus. Außerdem werden aus althochdeutscher Zeit über 70 literarische Texte überliefert. Althoch­deutsche Prosa besteht vorrangig aus Übersetzungen. Zu unterscheiden sind dabei Interlinearversionen (z. B. Benediktinerregel), sodann eng an die lateinische Vorlage angelehnte (z. B. Tatian) und freie Übersetzungen (z. B. Isidor). Die Überrsetzungen umfassen das Alte Testament und Neue Testament, katechetische und hymnische Texte, Rechtsliteratur und einzel­ne Textgattungen der Artes (Übersetzungswerk Notkers III.). Die dichteri­sche Überlieferung des Althochdeutschen besteht aus Stabreimdichtung (z. B. Hildebrandslied) und Endreimdichtung (z. B. otfrid von Weißen­burgs Evangelienharmonie).

Als Standardwerk zum Erlernen des Althochdeutschen gilt tradi­tio­nell die in Gemeinschaftsarbeit des Klosters Fulda (Leitung: Abt Hrabanus Maurus) um 825 entstandene Übersetzung der Evangelienharmonie des Syrers “Tatian”.

 

Das mittelalterliche Deutsch (Mittelhochdeutsch)


Дата добавления: 2015-10-24; просмотров: 472 | Нарушение авторских прав


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