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Wörterbuchteile

WISSENSORGANISATION UND WISSENSERMITTLUNG

Informationsdichte

Die Abgrenzung eines bestimmten Ausschnittes aus einem Lexikon und die Festlegung der Ausschnitte des Lexikonwissens, die im Wörterbuch berücksichtigt werden sollen, formen einen lexikographischen Objektbereich. Unter dem Blickwinkel der Wissensermittlung und Wissensorganisation muss entschieden werden, in welcher Dichte der Objektbereich abgebildet wird. Vorentscheidungen über diese Frage ergeben sich sowohl aus äußeren Bedingungen wie dem zur Verfügung stehenden Druckraum oder dem verfügbaren Finanzrahmen als auch aus dem Umfang des zu bearbeitenden Materials und bestimmten Benutzungsprojektionen.

Die Aussage, ein Wörterbuch sei vollständig, kann sich darauf beziehen, dass es Stichwörter von A-Z enthält und nicht als Torso vorliegt, wie zahlreiche noch in Bearbeitung befindliche wissenschaftliche Großwörterbücher oder auch Ph. Dietz' WÖRTERBUCH ZU DR. MARTIN LUTHERS DEUTSCHEN SCHRIFTEN [Dietz (l870/72)], das bei H endet. Die Aussage kann auch darauf bezogen sein, dass ein bestimmter Objektbereich nach dem Thesaurusprinzip im Lexembestand und allen Lexemvorkommen vollständig lexikographisch abgebildet wird wie z. B. im ALTHOCHDEUTSCHEN WÖRTERBUCH.

Im Unterschied zu solchen Thesaurusansätzen bezieht sich der Vollständigkeitsbegriff bei der Mehrzahl der Wörterbücher auf exemplarische Vollständigkeit. Auswahlgesichtspunkte können z. B. auf die Vorstellung von einem Grundwortschatz als dem kommunikativen Minimum bezogen sein. Ein anderes Auswahlprinzip beruht auf der Feststellung der Sprachüblichkeit oder Vorkommenshäufigkeit der Wörter und Wortverwendungen innerhalb des Gebrauchswortschatzes. In diesem Fall wird das Seltene, Zufällige zugunsten des Üblichen ausgeklammert. Solche Überlegungen münden in wörterbuchpraktische Entscheidungen über die „ Artikelfähigkeit " von Stichwörtern aufgrund ihrer Bezeugung. Im Göttinger Archiv für die Neubearbeitung des Grimmschen Wörterbuchs [2DWB] zeigen die 482 Komposita mit Eigen- als Erstkonstituente wie Eigenbesitz, Eigendasein, Eigengewicht usw. eine signifikantes Belegbild. Mehr als 50% dieser Stichwörter sind nur einmal belegt, wahrend nur 2% der Stichwörter mehr als 60 Belege aufweisen. Die folgende Tabelle lässt er­kennen, dass mehr als 70% der bezeugten Stichwörter mit Eigen- in einer Belegung vorliegen, die kaum tragfähige Aussagen über den geschichtlich üblichen Wortgebrauch erlaubt. Nicht selten erweisen sich die wenigen vorhandenen Belege zudem als so bedeutungsverschieden, dass sie im Artikel separat anzusprechen waren. Im Ergebnis entstünden Bedeutungsangaben, deren „Konventionalität" mit einem oder zwei Belegen aus einem Zeitraum von mehreren hundert Jahren begründet würde. Vergleichbare Beobachtungen zur Verteilung der Belegmengen auf die Stichwörter gelten für den gesamten Bestand des Göttinger 2DWB-Archivs und darüber hinaus auch für andere große Wörterbucharchive.

Belegaufkommen pro Stichwort (2DWB.-Archiv Göttingen):

Anzahl Belege     3-10 11-20 21-30 31-60 über 60
Anzahl Stichwörter 269 (55%) (15%) (20%) (3%) (24) (2%) (2%)

In der Praxis sind Entscheidungen über Gebrauchsüblichkeiten oder den Grad der Lexikalisierung vor allem bei Wortbildungen nur schwer zu treffen. Zufällige Bildungen werden ausgeschlossen. Oft werden jedoch auch lexikalisierte Ableitungen oder Reihenbildungen von Komposita nur auswahlweise berücksichtigt, weil sie als systemhaft gebildet gelten können und im Wörterbuch weitgehend redundante [= überschüssige] Informationen darstellen. Auf diese Weise entstehen exemplarisch „vollständige" Informationsprofile, wenn die abgebildeten Komposita und Ableitungen die maßgeblichen Wortbildungsmuster und Wortbildungstendenzen zu erkennen erlauben.

Bei der Dichte der Stichwortbestände ergibt sich vor allem bei den Allgemeinwörterbüchern ein erhebliches Gefälle.

350.000 300.000 250.000 200.000 250.000 100.000 50.0000

Informationsaufbau

Wörterbuchteile

Von der Anlage her lassen sich Wörterbücher in ihrem Aufbau als Beziehungsgefüge verschiedener, wechselseitig ergänzend wirkender Informationskomplexe beschreiben. Diese Informationskomplexe werden hier als „ Wörter­buchteile " bezeichnet. Der zu den Wörterbuchteilen gehörende „ Artikelteil " bietet das Wissen über Einzelwörter oder Wortgruppen. Er bildet den Informationsschwerpunkt, dessen Gliederung und Zusammenhang sich aus der Setzung einer übergeordneten alphabetischen oder systematischen Gesamtordnung, der „Makrostruktur", ergibt, die den Einzelartikeln eine bestimmte Position innerhalb des Ganzen zuweist.

Dem Artikelteil sind „ komplementäre Wörterbuchteile " gegenüberzustellen. Dabei handelt es sich u. a. um Einleitungen, Benutzungshinweise und Quellenverzeichnisse. In den neueren Allgemeinwörterbüchern finden sich zudem teilweise umfangreichere grammatische Teile. Eine wesentliche Funktion der komplementären Wörterbuchteile besteht darin, dass in den Artikeln wiederholt auftretende Informationssegmente darstellungsökonomisch verkürzt angegeben und an einer zentralen Stelle vollständig geboten werden. Im Artikel stumm des DEUTSCHEN WÖRTERBUCHS von M. Heyne findet sich so bei einem Beleg die Angabe „ Grillparzer 6, 207 ", die positionsbedingt als Quellenangabe zu identifizieren ist. In einem dem Artikelteil im dritten Band des Wörterbuchs komplementär zugeordneten Quellenverzeichnis findet sich unter dem Abschnitt „5) Neuhochdeutsch, 1740-1840" der vollständige bibliographische Nachweis „Grillparzer, sämtliche Werke. 16 Bde. Stuttgart 1887." Der zugehörige Belegtext befindet sich in dieser Angabe im 6. Band auf Seite 207 und kann dort ggf. im weiteren Kontext betrachtet und analysiert werden. Eine analoge Nutzung komplementärer Textteile der Wörterbücher ergibt sich für Abkürzungen, Symbole usw. Seltener finden sich im Ergänzungsteil der Wörter bücher Sachregister zur Erschließung von Namen und Begriffen wie in der 9. und 10. Auflage des Deutschen Wörterbuchs von H. Paul. Andere Komplementärfunktionen als die zusammenhängende Erklärung verkürzter Angaben in den Artikeln sind in den Einleitungen oder Benutzungshinweisen enthalten. Diese Komplementärtexte erschließen selten zufriedenstellend, aber doch oft in Grundzügen die einem Wörterbuch zugrundeliegenden lexikologischen und metalexikographischen Vorstellungen.


Дата добавления: 2015-10-24; просмотров: 132 | Нарушение авторских прав


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