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Schlußwort.

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  1. Schlußwort.

i621

Schopenhauer setzte über seine Kritik der Kantischen Philosophie den Voltaire’schen Ausspruch:

C’est le privilège du vrai génie, et surtout du génie qui ouvre une carrière, de faire impunément de grandes fautes.

Dieses Wort muß auch auf ihn selbst angewandt werden: denn er war nicht nur ein echtes, sondern auch ein bahnbrechendes Genie, dessen Leistungen niemals vergessen werden können, und durfte, ja, er mußte als solches große Fehler machen. Ich habe mich bemüht, dieselben aufzudecken (es war keine leichte Arbeit), getragen von aufrichtiger Verehrung und unaussprechlicher Dankbarkeit gegen den Meister, von dessen Einfluß auf mich ich nicht reden will. Denn wie konnte ich besser meine Dankbarkeit gegen den großen Todten beweisen, als dadurch, daß ich seine Lehre, durch Befreiung von Auswüchsen und Absurditäten, für Jeden, wie ich hoffe, zündend machte? Schopenhauer’s Werke sind fast noch gar nicht bekannt. Von den Wenigen, die sie kennen, schütten die Meisten, von den Fehlern abgestoßen, das Kind mit dem Bade aus. Da galt es zu handeln! Die schönste Frucht alles philosophischen Denkens: die Verneinung des individuellen Willens zum Leben mußte gerettet, auf einen unerschütterlichen Grund gebracht und für Alle sichtbar aufgestellt werden. Möge das neue Kreuz alle Diejenigen zur Erlösung führen, welche erlöst sein wollen und doch nicht glauben können. Vier Namen werden alle Stürme und Umwälzungen der kommenden Zeiten überdauern und erst mit der Menschheit untergehen, die Namen Budha, Christus, Kant und Schopenhauer. –

Ich kann nicht schließen, ohne einige Worte über den Stil Schopenhauer’s gesagt zu haben. Er ist durchweg deutlich, klar und durchsichtig, auch da, wo transscendente Fragen abgehandelt |

i622 werden, und man kann ihn den philosophischen Musterstil nennen. La clarté est la bonne foi des philosophes.

Eine große Zierde der Werke Schopenhauer’s sind die immer treffenden Gleichnisse, von oft zauberhafter Wirkung. Sie bekunden die Lebhaftigkeit seines Geistes, die überaus große Combinationsfähigkeit desselben und den künstlerischen Blick in die anschauliche Welt. So vergleicht er Willen und Intellekt mit dem sehenden Lahmen, getragen vom starken Blinden; den, vom sich fürchtenden oder hoffnungsvollen Willen beeinflußten Intellekt mit einer Fackel, bei der man lesen soll, während der Nachtwind sie heftig bewegt; Schriften, welche Zeitfragen behandeln und über die der Strom der Entwicklung weggegangen ist, mit alten Kalendern; Den, welcher sich selbst genügt, mit der hellen, warmen, lustigen Weihnachtsstube mitten im Schnee und Eise der Decembernacht (echt deutsch!); die Genüsse einer schlechten Individualität mit köstlichen Weinen in einem mit Galle tingirten Munde; den Reichthum und den Ruhm mit Seewasser: je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man; die normalen Reflexbewegungen mit der legitimen Autokratie untergeordneter Beamten u.s.w. u.s.w.

Hierher gehören auch die treffenden Ausdrücke wie: das Gehirn muß anbeißen; den bürgerlichen Personen im Drama fehlt es an Fallhöhe; der Morgen ist die Jugend des Tages; die Meisten schreiben nicht wie der Architekt baut, nach einem Plane, sondern wie man Domino spielt; das Schicksal mischt die Karten und wir spielen; alle Krämpfe sind eine Rebellion der Nerven der Gliede gegen die Souveränität des Gehirns; alle Dinge sind herrlich zu sehen, aber schrecklich zu sein u.s.w.

Seine Aphorismen zur Lebensweisheit, seine Paränesen und Maximen strotzen von prägnanten Bildern, und jede Seite bekundet den feinen Kopf, den reichen, genialen, überlegenen Geist.

Ich erwähne ferner seine witzige und sarkastische Ader. Wie beißend nennt er in der Einleitung zur Schrift:»Ueber den Willen in der Natur«(1835) das Kantische System das neueste aller bisherigen!

Auch will ich noch auf Schopenhauer’s Ausfälle gegen die»drei Sophisten nach Kant«und die Philosophie- Professoren hinweisen. Ihr Ton ist giftig und grob zugleich; doch sind sie im Grunde harmloser als sie sich geben. Wenn ich sie las, schwebte |

i623 mir immer sein Kopf vor mit lächelndem Munde und heiteren Augen. So wird er wohl auch ausgesehen haben, als er dem geduldigen Papier die galligen Worte anvertraute und – – mit Behagen schimpfte.

Und nun frage ich zum Schlusse: wann wird die deutsche Nation den»unverschämten Vers«ihres zweitgrößten Denkers:

»Ein Denkmal wird die Nachwelt mir errichten!«

verwirklichen?

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Дата добавления: 2015-11-14; просмотров: 52 | Нарушение авторских прав


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