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Analytik des Erkenntnißvermögens. 10 страница

Schopenhauer. 15 страница | Lehren Kant’s und Schopenhauer’s. | Analytik des Erkenntnißvermögens. 1 страница | Analytik des Erkenntnißvermögens. 2 страница | Analytik des Erkenntnißvermögens. 3 страница | Analytik des Erkenntnißvermögens. 4 страница | Analytik des Erkenntnißvermögens. 5 страница | Analytik des Erkenntnißvermögens. 6 страница | Analytik des Erkenntnißvermögens. 7 страница | Analytik des Erkenntnißvermögens. 8 страница |


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als Motive, welche auf ein Wesen wirken, von welchem sie nicht erkannt werden.

(W. a. W. u. V. II. 379.)

Die wirkende Ursache (causa efficiens) ist die, wodurch Etwas ist, die Endursache (causa finalis) die, weshalb es ist.

(ib. 378.)

In der That können wir eine Endursache uns nicht anders deutlich denken, denn als einen beabsichtigten Zweck, d.i. ein Motiv.

(379.)

Hiergegen lege ich Verwahrung ein. Nur der Mensch kann nach Endursachen, die Kant sehr hübsch ideale Ursachen genannt hat, handeln, und diese sind, im Grunde genommen, wieder nur wirkende Ursachen, kurz, in der Welt giebt es nur wirkende Ursachen. Jede Bewegung ist nur eine Folge einer vorhergegangenen Bewegung und sämmtliche Bewegungen sind somit auf eine erste Bewegung, die wir nicht zu begreifen im Stande sind (Zerfall der Einheit in Individuen, erster Impuls) zurückzuführen. Als regulatives Princip, wie Kant vortrefflich sagte, ist die Teleologie von großem Nutzen; aber man darf sich dieses Princips nur mit äußerster Behutsamkeit bedienen.

Es giebt – ich wiederhole es – nur wirkende Ursachen in der Welt und zwar wirkt Ding an sich direkt auf Ding an sich.

Den Begriff Gelegenheitsursache lasse ich nur für Das gelten, was man im gewöhnlichen Leben unschuldige Ursache nennt.

—————

Ich habe ferner zu rügen, daß Schopenhauer nicht die Willensqualitäten (Charaktereigenschaften, Charakterzüge) von den Zuständen des Willens sonderte. Wie Spinoza (Ethices pars III) warf er beides kunterbunt durcheinander. Zorn, Furcht, Haß, Liebe, Trauer, Freude, Schadenfreude u.s.w. stehen neben Grausamkeit, Neid, Hartherzigkeit, Ungerechtigkeit u.s.w.

Diese Unterlassungssünde hatte üble Folgen, die namentlich in der Aesthetik, bei Behandlung der Musik, hervortraten; denn |

i485 die Musik beruht lediglich auf den Zuständen des menschlichen Willens.

—————

Schopenhauer’s Eintheilung der Natur ist, wie ich gezeigt habe, durch und durch fehlerhaft, weil er den Erscheinungen keine Realität zusprechen durfte. Die Erscheinungen sind ausgedehnt, entstehen, vergehen, bewegen sich, wirken auf einander, ganz so, wie die Beobachtung es täglich lehrt, – aber sie sind nur das Produkt des Subjekts, aus eigenen Mitteln, mit Hülfe seiner zwei Zauber-Linsen Raum und Zeit. Hinter den Erscheinungen thront, in ewiger Ruhe, der Eine und untheilbare Wille, welcher ein bewegungsloser Punkt ist, aber dennoch, auf völlig unbegreifliche Weise, das in der Welt Wirkende, sich in ihr Manifestirende sein soll!

Wie mußten den großen Mann diese selbstgeschmiedeten Ketten beengen und drücken. Kein Wunder, daß sein Geist sie oft abschüttelte, um frei athmen zu können. Aber welchen Anblick bietet uns dann Schopenhauer! Vergessen ist die Idealität des Raumes und der Zeit, vergessen ist, daß das Individuum und die Objektivation den Einen Willen nicht treffen, vergessen ist, daß die Ursachen nur Gelegenheitsursachen sind, vergessen ist die Kritik der reinen Vernunft und die Welt als Vorstellung: er nimmt die Erscheinungen einfach für Dinge an sich, ausgebreitet im realen Raume und in der realen Zeit.

Am auffälligsten tritt dieses Verfahren in den Abschnitten: Zur Philosophie und Wissenschaft der Natur (Parerga II. 109-189) und Vergleichende Anatomie (Wille in der Natur) hervor. Im ersteren beginnt Schopenhauer mit dem leuchtenden Urnebel der Laplace’schen Kosmogonie und endigt mit der heutigen Welt. Es wird ausführlich dargethan, wie der Wille zum Leben sich»allmählich«,»nach und nach«,»nach angemessenen Pausen«objektivirte, eine Stufe nach der anderen aus sich hervorbrachte, bis der Mensch die große Kette der gewaltigen Revolutionen abschloß und auf die Bühne trat. Hie und da regt sich zwar sein Gewissen und es wird nebenbei bemerkt, im Grunde genommen sei die ganze Ausführung nur Spaß, es sei ja kein erkennendes Subjekt dagewesen, um die Vorgänge wahrzunehmen, – die Wahrheit jedoch behält den Sieg und der idealistische Philosoph muß zugeben:

i486 daß alle geschilderten physischen, kosmogonischen, chemischen und geologischen Vorgänge, da sie nothwendig, als Bedingungen, dem Eintritt eines Bewußtseins lange vorher gehen mußten, auch vor diesem Eintritt, also außerhalb eines Bewußtseins, existirten.

(Seite 150.)

Aber wie beredt ist dieser Kampf des Kant’schen Idealisten mit der realen Entwicklung. Wie erbarmenerregend windet sich der große Mann, um die reale Entwicklung, die er zugestehen muß, mit der idealen Zeit, an die er sich mit Recht klammert, in Einklang zu bringen. Aber es ging nicht, weil er glaubte, daß die Zeit eine reine unendliche Anschauung a priori sei.

Der andere Abschnitt ist noch interessanter, weil Schopenhauer darin die großartige Descendenztheorie de Lamarck’s angreift, aus welcher bekanntlich der Darwinismus hervorgegangen ist.

Natürlich findet sie keine Gnade vor seinen Augen. Er belächelt mitleidig die Annahme de Lamarck’s, daß die Arten allmählich, im Laufe der Zeit und durch die fortgesetzte Generation entstanden seien und legt den»genialen, absurden Irrthum«dem zurückgebliebenen Zustand der Metaphysik in Frankreich zur Last:

Daher konnte de Lamarck seine Konstruktion der Wesen nicht anders denken, als in der Zeit, durch Succession.

(S. 42.)

Man würde übrigens auch hier irren, wenn man glaubte, Schopenhauer sei bei seiner Ansicht stehen geblieben. Schon oben haben wir gesehen, daß er die reale Entwicklung anerkennen mußte. S. 163 des betreffenden Abschnitts beschäftigt er sich nun ganz ernstlich mit einer Entstehung der Arten durch reale Succession.

Ihre Entstehung (nämlich der Arten der höheren Thiere) kann nur gedacht werden als generatio in utero heterogeneo, folglich so, daß aus dem Uterus, oder vielmehr dem Ei, eines besonders begünstigten thierischen Paares, nachdem die durch irgend etwas gehemmte Lebenskraft seiner Species gerade in ihm sich angehäuft und abnorm erhöht hatte, nunmehr ein Mal, zur glücklichen Stunde, beim rechten Stande der Planeten und dem Zusammentreffen aller günstigen atmosphärischen, tellurischen und astralischen Einflüsse, ausnahmsweise nicht mehr seines Gleichen, sondern die ihm zunächst verwandte, jedoch eine Stufe höher stehende Gestalt |

i487 hervorgegangen wäre; so daß dieses Paar, dieses Mal, nicht ein bloßes Individuum, sondern eine Species erzeugt hätte.

Die entgegengesetztesten Ansichten liegen, wie Lämmer auf der Weide, friedlich neben einander in den Werken Schopenhauer’s: oft trennt sie nur ein Raum von wenigen Seiten.

—————

Die in der Erkenntnißtheorie verleugnete reale Bewegung und die verworfene Individualität traten, wie beleidigte Geister, von denen unsere Märchen erzählen, in Schopenhauer’s Welt als Wille und machten die geniale, unsterbliche Conception, daß Alles, was Leben hat, Wille sei, in der Ausführung zu einer Karikatur und Fratze. Vergebens suchte Schopenhauer die Geister zu beschwören: das Zauberwort, daß der Raum ein Punkt, die Zeit eine Verbindung a posteriori der Vernunft sei, war ihm versagt.

Und weiter zogen die unversöhnten Geister, um seine Aesthetik und seine Ethik zu vergiften.

 

—————

 

Aesthetik.

i489

—————

Eine gefaßte Hypothese giebt uns Luchsaugen für alles sie

Bestätigende und macht uns blind für alles ihr

Widersprechende.

Schopenhauer.

i491

Schopenhauer’s Aesthetik ist begründet:

1) auf den transscendenten Objektivationen des Willens zum Leben,

2) auf dem vom Willen gänzlich gesonderten Intellekt (reines, willenloses Subjekt des Erkennens),

3) auf die Eintheilung der Natur in physikalische Kräfte und Gattungen,

und erhellt schon hieraus hinlänglich, daß sie fehlerhaft ist. Wir werden indessen sehen, daß er sehr oft diese Grundlegung vergißt und sich auf realen Boden stellt, wo er dann meistens das Richtige erkennt. Ueber alles Lob erhaben, jeden Freund der Natur und Kunst tief ergreifend, sind aber seine Schilderungen der aesthetischen Freude, die laut verkündigen, daß er die überwältigende Macht des Schönen voll und ganz und oft an sich erfahren hat und ein hochbegnadeter Geist gewesen ist.

—————

Die uns bekannten Objektivationen des Einen Willens zum Leben nehmen, in der Aesthetik Schopenhauer’s, den Namen Ideen an, und zwar sollen sie die Ideen Plato’s sein, was wir später untersuchen werden. Schon in der Welt als Wille heißt es:

Die Stufen der Objektivation des Willens sind nichts Anderes als Platon’s Ideen.

(W. a. W. u. V. I. 154.)

Durch die Kritik der Objektivationen könnte ich mich nun der Ideenlehre für überhoben halten; ich will sie jedoch nicht unterlassen, da Schopenhauer in der Aesthetik genöthigt ist, auf die Natur der Objektivation viel spezieller einzugehen als in seiner Physik. Er sagt:

Die Platon’sche Idee ist nothwendig Objekt, ein Erkanntes, eine Vorstellung, und eben dadurch, aber auch nur dadurch, vom Ding an sich verschieden. Sie hat bloß die untergeordneten |

i492 Formen der Erscheinungen, welche alle wir unter dem Satz vom Grunde begreifen, abgelegt, oder vielmehr ist noch nicht in sie eingegangen; aber die erste und allgemeinste Form hat sie beibehalten, die der Vorstellung überhaupt, des Objektseins für ein Subjekt. Die dieser untergeordneten Formen (deren allgemeiner Ausdruck der Satz vom Grunde ist), sind es, welche die Idee zu einzelnen und vergänglichen Individuen vervielfältigen, deren Fahl, in Beziehung auf die Idee, völlig gleichgültig ist.

(W. a. W. u. V. I. 206.)

Was ist diese erste Form der Erscheinungen, die der Vorstellung überhaupt, des Objektseins für ein Subjekt? Hat sich Schopenhauer wirklich Etwas dabei gedacht? Oder haben wir nur eine völlig sinnlose Phrase vor uns, eine verwegene Zusammenstellung von bloßen Worten? So ist es in der That:

Denn eben wo Begriffe fehlen,

Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.

(Goethe.)

Es giebt nur reale Dinge an sich; sie werden zu Objekten, wenn sie durch die Formen eines Subjekts gegangen sind. Diese ihre Spiegelung in einem Subjekt ist ihr Objektsein für ein Subjekt: das Objektsein von den subjektiven Formen, Raum, Zeit und Materie, trennen wollen, ist einfach nicht möglich. Versuche ich es dennoch in Gedanken, so komme ich zu keinem anderen Resultate, als daß ich, als Individuum, nicht identisch bin mit den Objekten, oder mit anderen Worten, ich erkenne einfach, daß es vom Subjekt unabhängige Dinge an sich giebt.

Objektsein für ein Subjekt besagt also nichts Anderes, als Eingegangensein in die Formen eines Subjekts, und ein Objektsein für ein Subjekt ohne die untergeordneten Formen der Erscheinung ist sinnlos. Q. e. d.

Hören wir jetzt, wie Schopenhauer das Objektsein für ein Subjekt an Beispielen erläutert.

Wann die Wolken ziehen, sind die Figuren, welche sie bilden, ihnen nicht wesentlich, sind für sie gleichgültig: aber daß sie als elastischer Dunst, vom Stoß des Windes zusammengepreßt, weggetrieben, ausgedehnt, zerrissen werden: dies ist ihre Natur, ist |

i493 das Wesen der Kräfte, die sich in ihnen objektiviren, ist die Idee: nur für den individuellen Beobachter sind die jedesmaligen Figuren. – – – –

Dem Bach, der über Steine abwärts rollt, sind die Strudel, Wellen, Schaumgebilde, die er sehen läßt, gleichgültig und unwesentlich: daß er der Schwere folgt, sich als unelastische, gänzlich verschiebbare, formlose, durchsichtige Flüssigkeit verhält, dies ist sein Wesen.

(W. a. W. u. V. I. 214.)

Die Beispiele sind insofern glücklich gewählt, als zum Wesen der Dünste und Flüssigkeiten eine bestimmte Form nicht gehört. Aber beweisen sie irgendwie das fragliche Objektsein für ein Subjekt? Durchaus nicht. Ich kann den elastischen Dunst und die durchsichtige Flüssigkeit überhaupt nur wahrnehmen, wenn sie in die Formen des Subjekts eingegangen, d.i. wenn sie irgend wie ausgedehnt und irgend wie materiell sind. Durch das bloße dürftige Bewußtsein des Künstlers, daß er nicht die Wolke, nicht der Bach ist, erkennt er doch nie und nimmer das Wesen des Wassers und des Dunstes. Er erkennt es immer nur in Formen und giebt es wieder in Formen.

Ich frage im Allgemeinen jeden denkenden Menschen, ob ein Ding anders für ihn vorstellbar ist, denn als Objekt, d.h. als räumlich und materiell, und frage im Besonderen jeden Landschaftsmaler, ob er, bei der Darstellung einer Eiche z.B., von dem, etwa durch wunderbare Eingebung erkannten raumlosen und immateriellen Wesen der Idee Eiche ausgeht, oder ob er lediglich beabsichtigt, die wahrgenommene Form und Farbe des Stammes, der Blätter, der Zweige, in gewisser Weise wiederzugeben? Den Unterschied im innersten Wesen zwischen einer Buche und einer Eiche hat noch Niemand erfaßt; dieser Unterschied aber, wie er sich im Aeußeren ausdrückt, also in Raum und Materie, ist der Anhaltspunkt für die Phantasie des Künstlers.

Die erste und allgemeinste Form der Vorstellung, die des Objektseins für ein Subjekt, ist also, ich wiederhole es, nichts Anderes, als das Eingegangensein in die Formen des Subjekts, nichts von ihnen Getrenntes und Selbständiges.

Schopenhauer konnte auch bei der grundlosen Behauptung |

i494 nicht stehen bleiben. Schon das angeführte Beispiel des Bachs schließt mit den Worten:

dies ist sein Wesen, dies ist, wenn anschaulich erkannt, die Idee.

woran ich noch folgende Stellen knüpfe:

Die Erkenntniß der Idee ist nothwendig anschaulich, nicht abstrakt.

(W. a. W. u. V. I. 219.)

Die Idee des Menschen vollständig ausgedrückt in der angeschauten Form.

(ib. 260.)

Die Ideen sind wesentlich ein Anschauliches.

(ib. II. 464.)

Die Platonischen Ideen lassen sich allenfalls beschreiben als Normal-Anschauungen, die nicht nur, wie die mathematischen, für das Formale, sondern auch für das Materiale der vollständigen Vorstellungen gültig wären, also vollständige Vorstellungen.

(4fache W. 127.)

und die außerordentlich charakteristische Stelle:

Die Idee ist der Wurzelpunkt aller dieser Relationen und dadurch die vollständige und vollkommene Erscheinung.... Sogar Form und Farbe, welche, in der anschauenden Auffassung der Idee, das Unmittelbare sind, gehören im Grunde (!) nicht dieser an, sondern sind nur das Medium ihres Ausdrucks; da ihr, genau genommen (!) der Raum so fremd ist, wie die Zeit.

(W. a. W. u. V. II. 415.)

Ich habe hierzu Nichts zu bemerken!

—————

Jetzt wollen wir Schopenhauer auf anderen, ebenso seltsamen Schleichwegen begleiten.

Die Vielheit der Individuen ist durch Zeit und Raum, das Entstehen und Vergehen durch Causalität allein vorstellbar, in welchen Formen allen wir nur die verschiedenen Gestaltungen des Satzes vom Grunde erkennen, der das letzte Princip aller Endlichkeit, aller Individuation und die allgemeine Form der Vorstellung, wie sie in die Erkenntniß des Individuums als solchen |

i495 fällt, ist. Die Idee geht hingegen in dieses Prinzip nicht ein: daher ihr weder Vielheit, noch Wechsel zukommt.

(W. a. W. u. V. I. 199.)

Wie fein führt er hier nur die Vielheit und den Wechsel auf Zeit und Raum zurück und läßt die Gestalt aus dem Spiele. Ferner:

Das reine Subjekt der Erkenntniß und sein Correlat, die Idee, sind aus allen jenen Formen des Satzes vom Grunde herausgetreten: die Zeit, der Ort, das Individuum, welches erkennt, und das Individuum, welches erkannt wird, haben für sie keine Bedeutung.

(ib. 211.)

Der Ort, wie fein! Von der Gestalt ist nicht die Rede. Es ist allerdings einerlei, ob ich einen und denselben Chinesen in Hongkong oder in Paris oder in London sehe, aber die immaterielle gestaltlose Idee eines Chinesen kann ich weder in Hongkong, noch irgendwo in der Welt erblicken.

Die Auffassung einer Idee erfordert, daß ich bei Betrachtung eines Objekts, wirklich von seiner Stelle, in Raum und Zeit, und dadurch von seiner Individualität, abstrahire.

(Parerga II. 449.)

Im ersten Theile dieses Satzes spielt Schopenhauer geradezu mit Raum und Zeit. Die Idee, als Aeußeres, muß räumlich sein, die Idee, als tiefstes Inneres, insofern es zugänglich ist, kann sich nur durch Succession offenbaren. Hierauf beruht ja der große Unterschied zwischen den bildenden Künsten und der Musik und Poesie. Er klammert sich an die Stelle in Raum und Zeit, wo doch nur von Gestalt und realer Succession die Rede sein kann. – Der zweite Theil der Stelle ist dagegen völlig falsch und absurd. Die Individualität, die wir als etwas durch und durch Reales kennen lernten, zu dessen Erkenntniß uns ja nur die subjektiven Formen gegeben wurden, soll von der Stelle in Raum und Zeit abhängen. Unverzeihliche Logik!

—————

Gehen wir weiter!

Nicht allein der Zeit, sondern auch dem Raum ist die Idee enthoben: denn nicht die mir vorschwebende räumliche Gestalt, |

i496 sondern der Ausdruck, die reine Bedeutung, ihr innerstes Wesen, das sich mir aufschließt und mich anspricht ist eigentlich (!) die Idee und kann ganz das Selbe sein, bei großem Unterschied der räumlichen Verhältnisse der Gestalt.

(W. a. W. u. V. I. 247.)

In diesem Satze spiegelt sich ein confuses Denken. Das Aeußere der Idee muß vom Innern derselben, wie ich bereits sagte, gesondert werden. Der individuelle Wille, die Idee, geht in die Verstandesformen Raum und Materie ein und wird zum Objekt. Nehmen wir einen Menschen zum Beispiel, so steht jetzt ein Objekt von bestimmter Gestalt, bestimmter Haut-, Haar- und Augenfarbe vor mir – mit einem Worte: ich habe sein Aeußeres. In dieses Aeußere scheint das innere Wesen des Menschen in bestimmter Weise herein. Es offenbart sich an der Gestalt. Die Gestalt ist seine nicht von ihm zu trennende Grundlage. Denken wir uns zwei Menschen von gleicher Herzensgüte, so ist allerdings gleichgültig, ob»der Unterschied der räumlichen Verhältnisse«ein großer oder kleiner ist, ob der Eine ein Vollmonds-, der Andere ein reines griechisches Gesicht hat. Die Gesichtszüge Beider werden wohlwollend sein, in den Augen Beider wird das milde Licht freundlicher Güte strahlen. Aber kann ich denn ihren Leib wegdenken und das Wohlwollen und die Herzensgüte allein anschauen? Immer sind es die Augen, die strahlen, immer die Gesichtszüge, in denen sich das Wohlwollen ausdrückt.

Von diesem Aeußern und Hereinscheinen des Innern ist nun das reine Innere total verschieden. Es giebt nur ein Versenken des Menschen in das Innere, nämlich in sein eigenes. Taucht der Mensch in die eigene Tiefe hinab, so wird, wie wir wissen, der Verstand ausgehängt. Von einem Objektsein für ein Subjekt kann jetzt gar nicht mehr die Rede sein. Wir haben den innersten Kern unseres Wesens unmittelbar im Selbstbewußtsein. Hier erfaßt der Mensch unmittelbar Bosheit, Verruchtheit, Edelmuth, Tapferkeit, Neid, Barmherzigkeit u.s.w., die Willensqualitäten, und Freude, Trauer, Liebe, Haß, Frieden etc., die Zustände des Willens. Diesen Weg in’s Innere schlagen Dichter und Tonkünstler ein, und da der Kern ihres Wesens Wille zum Leben ist, wie der aller anderen Menschen, so haben sie, unterstützt von ihren objektiven Beobachtungen in der Welt, die Fähigkeit, ihrem Willen vorüber|gehend

i497 die individuelle Qualität eines von ihnen verschiedenen Charakters zu geben und dessen Zustände zu empfinden. Shakespeare’s Herz hat gewiß, beim Dichten des Richard III., so düster frohlockt, wie das Herz des lebenden Bösewichtes, und hat alle Qualen der Desdemona gleichfalls empfunden.

Und trotzdem ist die Macht der anschaulichen Erkenntniß so groß, daß geniale Poeten und Tonkünstler, die es also mit dem gestaltlosen innersten Wesen des Willens zu thun haben, stets umwogt sind von Gestalten und Bildern. Der echte dramatische Dichter sieht seinen Helden, unter irgend einem Phantasiebilde, leibhaftig jubeln, oder unter der Wucht der Schicksalsschläge zusammenbrechen, ebenso wie dem Componisten Gruppen seliger oder verzweifelter Menschen, unschuldige Kinderschaaren, sonnige und sturmbewegte Landschaftsbilder in selten unterbrochener Reihe, auf den Tonwellen dahingleiten.

—————

Das Resultat dieser Untersuchung ist, daß die Ideen so unhaltbar sind, wie die Objektivationen. Ich habe die Unmöglichkeit einer ersten Form der Vorstellung, des Objektseins für ein Subjekt unabhängig von den unteren subjektiven Formen, nachgewiesen und gezeigt, daß Schopenhauer selbst schließlich bekennen mußte, die Idee sei wesentlich ein Anschauliches. Jedes Anschauliche ist eingegangen in die subjektiven Formen, ist Objekt. Die Idee ist also gleichbedeutend mit der Erscheinung des individuellen Willens und deshalb sind die Schopenhauer’sche Idee und Objekt Wechselbegriffe.

Da die Idee ein Anschauliches ist, so kann sie ferner, als solche, dem Dichter nur nebenbei und gar nicht dem Tonkünstler dienen; denn Beide haben es mit dem Willen unmittelbar zu thun. Die Idee reicht demnach für die Begründung der Aesthetik bei Schopenhauer gar nicht einmal aus. Auch habe ich oben von einem Aeußern und Innern der Idee nur im Sinne meiner Philosophie gesprochen; denn bei mir ist die Idee gleichbedeutend mit dem Einzelwillen. Die Idee, von außen aufgefaßt, ist Objekt, von innen erfaßt individueller Wille.

—————

i498 Ehe wir die Ideen verlassen, wollen wir kurz untersuchen, ob sie Schopenhauer mit Recht Platonische Ideen genannt hat.

Das Merkmal der Ideen bei Plato ist nicht die natürliche Ursprünglichkeit; denn auch Artefakte sind Ideen, und Plato spricht von den Ideen des Stuhls, des Tisches u.s.w. Es ist auch nicht die Anschaulichkeit, denn Plato spricht von Ideen des Guten, der Gerechtigkeit u.s.w. Die Ideen sind also zunächst Begriffe. Daneben sind sie auch die Urbilder alles Seienden, die unvergänglichen zeitlosen Urformen, von denen die realen Dinge der Welt nur mangelhafte, vergängliche Nachbilder sind. Hier ist wohl zu merken, daß Plato diese Ideen nur aus der realen Entwicklung gänzlich herausnimmt. Dem Raume enthebt er sie theilweise (Vielheit): die Gestalt, die Form läßt er ihnen.

Ferner erklärt Plato ausdrücklich (De Rep. X), daß das Vorbild der Kunst nicht die Idee, sondern das einzelne Ding sei.

Was hat nun Schopenhauer aus dieser Lehre gemacht? Er beklagt sich über die letztere Erklärung des Plato (W. a. W. u. V. I 250) und über die Begriffs- (Vernunft-) Ideen.

Manche seiner Beispiele von Ideen und seine Erörterungen über dieselben sind bloß auf Begriffe anwendbar.

(ib. 276.)

und hält sich nur an die Urformen, welche immer sind und nie werden, noch vergehen. Indessen läßt er diese Formen nicht wie sie sind, sondern modelt sie nach Bedarf um. Plato nahm sie nicht ganz aus dem Raume. Er sprach ihnen nur Vielheit, sowie Entstehen und Vergehen ab, und ließ ihnen Gestalt. Schopenhauer sagt nun:

In diesen beiden verneinenden Bestimmungen ist aber nothwendig als Voraussetzung enthalten, daß Zeit, Raum und Causalität für sie keine Bedeutung noch Gültigkeit haben, und sie nicht in diesen da sind.

(W. a. W. u. V. I. 202.)

was, in Beziehung auf den Raum, grundfalsch ist. Man sieht klar: Schopenhauer hat sich aus der Ideenlehre Plato’s herausgenommen, was ihm paßte, und diesem Wenigen einen neuen Sinn untergelegt, so daß die Platonischen Ideen Schopenhauer’s nicht Platonische Ideen, sondern Schopenhauer’sche heißen müssen.

Die Platonischen Ideen werden gewöhnlich als Begriffe auf|gefaßt,

i499 und ging jedenfalls Plato bei seinen beiden Erklärungen davon aus, daß Vieles unter eine Einheit zu subsumiren ist. Dies ist jedoch nur bei Begriffen statthaft, denn jedes Einzelwesen hat volle und ganze Realität. Schopenhauer’s Ausspruch:

Die Idee ist die, vermöge der Zeit- und Raumform unserer intuitiven Apprehension, in die Vielheit zerfallene Einheit, hingegen der Begriff ist die, mittelst der Abstraktion unserer Vernunft, aus der Vielheit wiederhergestellte Einheit.

(W. a. W. u. V. I. 277.)

ist nichts weiter, als eine im ersten Augenblicke blendende, aber nicht stichhaltige hohle Phrase.

Schließlich mache ich noch auf einen Widerspruch aufmerksam. W. a. W. u. V. II. 414 ist zu lesen:

Eine so aufgefaßte Idee ist nun zwar noch nicht das Wesen des Dinges an sich selbst, eben weil sie aus der Erkenntniß bloßer Relationen hervorgegangen ist; jedoch ist sie, als das Resultat der Summe aller Relationen, der eigentliche Charakter des Dinges, und dadurch der vollständige Ausdruck des sich der Anschauung als Objekt darstellenden Wesens.

Zehn Seiten weiter steht dagegen:

Was wir nun dergestalt erkennen, sind die Ideen der Dinge: aus diesen aber spricht jetzt eine höhere Weisheit, als die, welche von bloßen Relationen weiß.

Welche Confusion!

—————

Wir stehen jetzt vor dem reinen, willenlosen Subjekt der Erkenntniß.

Das Verhältniß, in welches Schopenhauer den Willen zum Intellekt setzt, ist uns bekannt. Der Intellekt ist ein zum Willen Hinzugetretenes, das dem Willen völlig dienstbar ist, um ein»vielfache Bedürfnisse habendes Wesen«zu erhalten.

Der Intellekt ist, von Hause aus, ein saurer Arbeit obliegender Manufakturlöhnling, den sein vielfordernder Herr, der Wille vom Morgen bis in die Nacht beschäftigt hält.

(Parerga II. 72.)

Die Gegenstände der Welt haben nur insofern ein Interesse |

i500 für den Willen, als sie in irgend einer Beziehung zu seinem bestimmten Charakter stehen.

Daher erkennt denn auch die dem Willen dienende Erkenntniß von den Objekten eigentlich nichts weiter, als ihre Relationen, erkennt die Objekte nur, sofern sie zu dieser Zeit, an diesem Ort, unter diesen Umständen, aus diesen Ursachen, mit diesen Wirkungen dasind, mit einem Wort, als einzelne Dinge.

(W. a. W. u. V. I. 208.)

Diese Erkenntniß ist eine wesentlich mangelhafte, oberflächliche. Haben wir einem Objekt diejenige Seite abgewonnen, welche für unsere persönlichen Zwecke förderlich oder hinderlich sein kann, so lassen wir sämmtliche anderen Seiten desselben fallen: sie haben kein Interesse für uns.

Dem Dienste des Willens bleibt nun die Erkenntniß in der Regel immer unterworfen, wie sie ja zu diesem Dienste hervorgegangen, ja dem Willen gleichsam so entsprossen ist, wie der Kopf dem Rumpf. Bei den Thieren ist diese Dienstbarkeit der Erkenntniß gar nie aufzuheben.

(ib. 209.)

Dagegen (ich befinde mich noch immer ganz im Gedankengange Schopenhauer’s) kann bei den Menschen eine solche Aufhebung eintreten, indem die gewöhnliche Betrachtungsart einzelner Dinge verlassen wird und der Intellekt sich zur Erkenntniß der in den einzelnen Dingen sich offenbarenden Ideen erhebt.

Wenn man auf diese Weise die Dinge aus ihren Relationen heraushebt und

die ganze Macht seines Geistes der Anschauung hingiebt, sich ganz in diese versenkt und das ganze Bewußtsein ausfüllen läßt durch die ruhige Contemplation des gerade gegenwärtigen natürlichen Gegenstands, sei es eine Landschaft, ein Fels, ein Gebäude, oder was auch immer; indem man, nach einer sinnvollen deutschen Redensart, sich gänzlich in diesen Gegenstand verliert, d.h. eben sein Individuum, seinen Willen vergißt und nur noch als reines Subjekt, als klarer Spiegel des Objekts bestehend bleibt; – – – dann ist, was also erkannt wird, nicht mehr das einzelne Ding als solches; sondern es ist die Idee, die ewige Form, die unmittelbare Objektität des Willens auf dieser Stufe: und eben dadurch ist zugleich der in dieser Anschauung Begriffene nicht |

i501 mehr Individuum: denn das Individuum hat sich eben in solche Anschauung verloren: sondern es ist reines, willenloses, schmerzloses, zeitloses Subjekt der Erkenntniß.


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