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Von Ulrich Greiner
In früheren Jahren sei der Konjunktiv vom Aussterben bedroht gewesen, erzählte mir kürzlich ein Sprachkritiker, heute jedoch könne man geradezu von einem (trassieren des Konjunktivs sprechen, obgleich er oft falsch gebraucht werde. Kr grassiere, weil ohne diese Möglichkeitsform vieles nicht möglich wäre. (...)
Heute herrsche der sauerstoffarme, neblige Konjunktiv, der umso nebliger sei, als seine Benutzer dessen Möglichkeiten in der Regel nicht gewachsen seien.
Er müsse, um das zu erklären, ein paar anfängerhalte Bemerkungen machen, sagte der Sprachkritiker. Im Deutschen gebe es nämlich, was den meisten nicht klar sei, zwei Konjunktive. Der Konjunktiv I, wie die Grammatik ihn kurz nenne, werde vom Präsens abgeleitet und diene hauptsächlich der indirekten Rede, wobei in den Fällen, wo der Konjunktiv des Präsens dem Indikativ gleiche, die Konjunktivformen des Präteritums ersatzweise Verwendung fänden um Verwechslungen auszuschließen. Der Konjunktiv II hingegen werde vom Präteritum abgeleitet und sei immer dann zu benutzen, wenn etwas Nicht-Wirkliches oder bloß Vorgestelltes, Vermutetes, Gewünschtes zur Rede stehe.
Der Benutzer des Konjunktivs I also betrachte die mitgeteilte Information in der Regel als zutreffend, aber er müsse für den Wahrheitsgehalt nicht selber geradestehen, sondern er rufe einen wirklichen oder imaginären Sprecher als Gewährsmann auf. Der Benutzer des Konjunktivs II aber gebe zu erkennen, dass die mitgeteilte Information nicht oder nur unter gewissen Bedingungen zutreffend sei. Dies sei, so fuhr der allmählich in Eifer geratene Sprachkritiker, während mir der Kopfschwirrte, fort, ein gewaltiger Unterschied und wenn der endlich zur Kenntnis genommen würde, so hätte es mit dem herrschenden Konjunktiv-Chaos bald ein Ende. Was ihn aber mit Sorge erfülle, sei die Beobachtung, dass sogar bekannte Gegenwartsautoren den Konjunktiv nur unzureichend beherrschten. So habe er etwa in der jüngsten Erzählung „Nachmittag eines Schriftstellers“ des zu Recht für sein Sprachgefühl gerühmten Peter Handke folgenden Satz gefunden: „Während der letzten Stunden im Haus, je lautloser um ihn herum alles geworden war, hatte dem Schriftsteller die Zwangsvorstellung zugesetzt, es gäbe draußen in der Zwischenzeit keine Welt mehr und er in seinem Zimmer sei der letzte Überlebende“.
Hier wechsle Handke völlig grundlos von einem Konjunktiv in den anderen. Entweder habe er sagen wollen, dass diese Zwangsvorstellung völlig irreal gewesen sei, und dann hätte er in beiden Fällen den Konjunktiv II benutzen müssen. Oder er habe zu verstehen gehen wollen, dass für ihn diese Vorstellung dermaßen zwingend gewesen sei, dass er sie für wirklich habe halten müssen, und dann wäre der Konjunktiv I richtig gewesen.
An anderer Stelle schreibe Handke: „... in den Ohren ein Summen, als sei die Schreibmaschine - was nicht der Fall war - elektrisch.“ Dies sei eine eklatante Verwechslung von Konjunktiv I und II, denn weil die Schreibmaschine in der Tat nicht elektrisch gewesen sei, hätte es heißen müssen: „... als wäre sie elektrisch.“ Ähnliche Beispiele ließen sich bei Handke noch viele finden, woraus hervorgehe, dass weder der Lektor noch der Schriftsteller in Dingen des Konjunktivs sonderlich bewandert seien.
DIE ZEIT vom 11.9.1987
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