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Das Verb. Die grammatische Kategorie des Tempus

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Das Tempussystem im Deutschen. Darstellung des Tempussystems, Interpretation einzelner Tempusformen. Synonymie der Tempusformen.

Das Verb. Die grammatische Kategorie des Tempus

Die verbalen Formen, die die zeitliche Einordnung eines Geschehens bezeichnen, werden traditionell Tempusformen genannt und in ihrer Gesamt­heit als Kategorie des Tempus angesehen. Die zeitliche Einordnung eines Geschehens erfolgt durch sein Beziehen auf eine Bezugssituation oder auf einen Bezugszeitpunkt. Als solche kann entweder der Redemoment (ich schreibe Vorlesung mit)oder ein anderes Geschehen in Frage kommen (Nachdem er alles erfährt/erfahren wird, beruhigt er sich). Der Bezug auf den Redemoment wird als absolute Zeitbedeu­tung und der Bezug auf ein anderes Geschehen als relative Zeitbedeu­tung bezeichnet.

In beiden Fällen gibt es drei Varianten des zeitlichen Verhältnisses: Gleich­zeitigkeit, Vorzeitigkeit und Nachzeitigkeit.

Man betrachtet die Kategorie des Tempus als binere Opposition in einem System aus 3 temporalen Bedeutungen. O.I. MOSKALSKAJA stellt dieses System aus drei temporalen Bedeutungen auf dreierlei Weise dar.

 

Das System der verbalen Tempusformen im Indikativ wird als sechsgliedrig dargestellt. Eine eineindeutige Zuordnung der temporalen Bedeutungen und der Tempusformen gibt es in Wirklichkeit nicht, wenn auch in der traditionellen Grammatik Präsens, Präterit und Futur I In­dikativ als absolute Zeitformen und Perfekt, Plusquamperfekt und Futur2 Indikativ als relative Zeitformen bezeichnet wurden. Die Formen des K1 und die Formen des K2 drücken die temporalen Bedeutungen vor dem Hintergrund ihrer primär modalen Bedeutungen aus, vgl. z. B.: die Bedeutungen des Präsens K. im Aufforderungssatz: Man löse das Pulver in lauwarmem Wasser auf, und im abhängigen Satz der indirek­ten Rede: Er sagt, er sei schon gesund; Er sagte, er sei schon gesund.

Die Oppositionsverhältnisse im System der Zeitformen werden allgemein nur für den Indikativ dargestellt. Diese Verhältnisse steht das Dreieckmodell von E.I. SCHENDELS und O.I. MOSKALSKAJA.

 

Im Deutschen gibt es noch 2 Formen, die in das traditionelle System nicht aufgenommen werden, das ist das doppelte Perfekt (ich habe es gesehen gehabt).

Synonyme: F1- Präsens (Zukunft); F2-Perfekt (Vergangenheit)/Prät.

 

DAS PRÄSENS

Die neueren Definitionen des Präsens betonen vor allem zwei Momente: a) Dass das Präsens in die Vergangen­heit und Zukunft hinüberreichen kann; b) dass das Präsens den Moment des Redeaktes miteinbezieht.

H. Glinz kennzeichnet das Präsens als „all­gemein und daher auch jetzt gültig“ gegenüber „vergangen“.

- Das inklusive und das exklusive Präsens unterscheidet Schendels. Das erstere schließt den Redemoment mit ein, das letztere bezieht sich auf Vergangenheit oder Zukunft (schließt also den Redemoment aus).

Paradigmatische Synonyme hat das Präsens nicht. Alle synonymi­schen Beziehungen des Präsens zu den anderen Tempusformen sowie sei­ne synonymischen Beziehungen zum Imperativ sind das Ergebnis sti­listischer Transposition.

- Der Effekt der Transposition des Präsens auf die Zeitebene des Präteritums (Hat berichtende Präsens oder das Präsens historicum) besteht darin, dass die Geschehnisse aus der Vergan­genheit gleichsam in die Gegenwart rücken (движется). Das historische Präsens kennzeichnet den Erzählstil. Man nennt dieses Präsens auch das „Präsens der belebten Erzäh­lung".

- Auch das konstatierende Präsens (Synonym des Per­fekts) betont die Aktualität des Ausgesagten für die Gegenwart, seine „Gültigkeit im Redemoment". (Ich höre, Sie wollen verreisen = Ich habe gehört, Sie wollen verreisen).

- Beim imperativischen Präsens handelt es sich um Überführung (передача) einer Indikativ form in den Bereich des Imperativs. Das Präsens verleiht der Aufforderung den Klang eines nachdrücklichen herrischen Befehls („Sie können gehen, Leutnant", Sie bleiben)

- Im Alltagsstill ist das futurische Präsens bis heute vorherrschend. (Ich komme sofort. In einer Stunde geht mein Zug). Das Präsens kann die Zukunft nur im günstigen Kontext bezeichnen, d. h. in Verbindung mit einem Adverbiale der Zeit (sofort, in einer Stunde), in futurischer Umgebung u. ä. Im neutralen Kontext dagegen dient als Ausdrucksform der Zukunft regelmäßig das Futur.

 

DAS 1.FUTUR

- Das 1. Futur ist die einzige paradigmatische Aus­drucksform der Zukunft, die Zukunft im neutralen Kontext bezeichnen kann (Ich lese.Ich werde lesen).

Das 1. Futur zeigt, dass von einem Geschehen gesprochen wird, das im Moment des Redeaktes noch ausbleibt und erst nach dem Redemoment eintreten wird.

- Das 1.Futur kann in den Bereich des Imperativs transponiert werden und gleich dem imperativischen Präsens zum Ausdruck eines nachdrücklichen, herrischen Befehls dient („Sie werden pünktlich sein!").

Die imperativische Bedeutung des 1.Futurs ist eine synta gmatische Bedeutung. Sie wird durch die Intonation der Aufforderung geprägt und eignet der 2.Person Sg/PI. und der Höflichkeitsform.

- Eine andere svntagmatische Bedeutung des 1. Futurs ist das hypotetische Futur (Ein väterlicher Rat vermag bei der Tochter viel, und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller).

Beim hypothetischen Futur handelt es sich um eine zweifache Trans­position: a) Eine modale Transposition aus dem Bereich des Indikativs als Realitätsform in den Bereich der Formen mit hypothetischer Be­deutung (Er muss zu Hause sein; Sie mag 25 sein); b) Eine zeitliche Transposition in den Bereich des Präsens (Gegenwartsbezug).

Der hypothetische Charakter des Futurs kann durch die Modal­wörter wohl, hoffentlich, vielleicht unterstrichen werden.

 

DAS 2.FUTUR

1. Die Grundbedeutung des 2. Futurs ist also der Ausdruck der Vorzeitigkeit in der Zukunft. Es erscheint meistens in Verbindung mit dem 1.Futur (Du wirst mich bedauern, wenn du alles gehört haben wirst)

Das 2.Futur wird auch in Verbindung mit einem Zeitadverbiale gebraucht und bedeutet, daß ein Geschehnis vor einem ausstehenden und ins Auge gefassten Zeitpunkt eintreten wird (In ein paar Tagen wirst du mich vielleicht wieder vergessen haben).

Ein Synonym des 2. Futurs als Ausdrucksmittel der Vorzeitigkeit in der Zukunft ist das Perfekt. Es handelt sich auch hier um paradigmatisch-syntagmatische Synonymie.

- Das hypothetische 2.Futur dient zum Aus­druck einer Vermutung, die auf die Vergangenheit bezogen ist, und bildet ein korrelatives Gegenglied zum hypothetischen 1.Futur: (1. Futur: Er wird krank sein - die Vermutung ist auf die Gegenwart bezogen; 2. Futur: Er wird krank gewesen sein - die Vermutung ist auf die Ver­gangenheit bezogen ).

Kennzeichen des hypothetischen 2. Futurs ist nicht nur die Trans­position auf die Ebene der Vergangenheit, sondern vor allem der Wechsel der Perspektive. Das hypothetische 2. Futur setzt keinen zeitlichen Bezug auf ein anderes Geschehen voraus, sondern bezieht die Aussage unmit­telbar auf den Moment des Redeaktes.

a) Wenn du dir alles überlegt haben wirst, werden wir weiter darüber reden (relatives 2. Futur; indirekte zeitliche Perspektive, Bezug auf ein anderes künftiges Geschehen = Vorzeitigkeit in der Zukunft);

b) Du wirst dir alles überlegt haben (hypothetisches 2. Futur; direkte zeitliche Perspektive, Bezug auf den Moment des Redeaktes = auf die Vergangenheit bezogene Vermutung).

 

DAS PRÄTERITUM

Das Präteritum ist ein vorzugsweise direktes Vergangenheitstempus, der relative Gebrauch ist ihm gänzlich (совершенно) fremd. Sein Anwendungsbereich als direktes Vergangenheitstempus ist aber dadurch eingeengt, dass auch das Perfekt neben dem relativen Gebrauch als ein direktes Vergangenheitstempus, das heißt als Synonym des Präteritums fungiert.

Das Präteritum kennzeichnet ein Geschehnis als einfach und ausschließlich der Vergangenheit angehö­rend, das Perfekt dagegen, stellt es als Beginn des Zustandes dar, der noch immer fortdauert, dessen Folgen auch in der Gegenwart bestehen.

In der Duden-Grammatik steht dass das Präteritum „ein absolut in der Vergangenheit ablaufendes Geschehen ohne Bezug auf die Gegenwart ausdrückt (im Gegensatz zum umschriebenen Perfekt)". H. Brinkmann betont, dass das Präteritum auf der Sonderung von Gegenwart und Vergangenheit beruht und kennzeichnet es als „das Tempus der Erinnerung": Walter Flämig bestimmt das Präteritum wie folgt: „Der Zeitab­lauf in der Vergangenheit reicht nicht bis in die Gegenwart hinein, das Geschehen erscheint von der Gegenwart losgelöst, wodurch eine objek­tive Darstellung vergangenen Geschehens gewissermaßen als Rück­schau ermöglicht wird".

- Das Tempus der erzählenden berichtenden Darstellung versetzt den Hörer oder Leser in die Vergangenheit und schildert das Nacheinander der Geschehnisse in einem Roman, einer Novelle, einem Märchen oder in einem mündlichen zusammenhängenden Bericht.

Auf der Neutra1isierung der Vergangenheitsbedeu­tung beruht die in der modernen literarischen Prosa sehr beliebte Verwendung des Präte­ritums der erlebten Rede.

Das Präteritum der erlebten Rede ist ein syntagmatischer Sonder­gebrauch des Präteritums. Es ist auf den Stil der literarischen Prosa beschränkt, bekommt hier aber in der neuesten Zeit immer größere Ausdehnung.

Eine syntagmatische Bedeutung des Präteritums ist die relative zeitliche Bedeutung der Gleichzeitigkeit in der Vergan­genheit.

 

DAS PERFEKT

(absolute und relative Verwendung)

Das Perfekt bezeichnet dasselbe Zeitverhältnis zwischen dem Geschehnis und dem Moment des Redeaktes.

Das Präteritum kennzeichnet K. Boost als Ausdrucksform für einen in der Vergangenheit währenden Vorgang, das Perfekt dagegen als Ausdrucksform für einen „in der Gegenwart abgeschlossenen Vorgang“.

Die meisten zeitgenössischen Sprachforscher sehen die Eigenart des Perfekts gegenüber dem Präteritum darin, dass das Perfekt das Ge­schehnis der Vergangenheit mit der Gegenwart ver­knüpft.

Vor allem anderen aber ist das Perfekt das Vergangenheitstempus des Dialogs.

- Die zweite wichtige Bedeutung des Perfekts eignet ihm als einem relativen (indirekten) Tempus: das Perfekt dient zum Ausdruck der Vorzeitigkeit.

Das relative Perfekt dient zum Ausdruck der Vorzeitigkeit eines Geschehens in Bezug auf ein anderes im Redemoment gültiges Gesche­hen, es wird also in Verbindung mit dem Präsens gebraucht.

Das relative Perfekt erscheint auch in Verbindung mit dem 1. Fu­tur als Synonym des 2. Futurs (oder mit dem futurischen Präsens).

 

DAS PLUSQUAMPERFEKT

Es dient zum Ausdruck der sog. Vorvergangen­heit, d. h. der Vorzeitigkeit in der Vergan­genheit und wird nur in Verbindung mit den Vergangenheitstem­pora (Präteritum, seltener Perfekt) gebraucht (Die Gesellschaft rückte aus, nachdem Mahlmann sie abgezählt hatte).

Oft werden in der Erzählung größere Episoden im Plusquamper­fekt eingeschaltet, wenn es sich um Erinnerungen an frühere Zeiten handelt (Rückerinnerung).

Außer dem relativen Gebrauch kann das Plusquamperfekt zuwei­len in Verbindung mit dem Präteritum dieselben absolu­ten Bedeutungen haben, die sonst dem Per­fekt eigen sind, nur dass sie aus dem Bereich des Dialogs auf die Ebene der epischen Erzählung transpo­niert sind.

Gleich dem Perfekt kann das Plusquamperfekt beim Ausdruck einer resultativen Beziehung zwischen zwei Geschehnissen verwendet werden. Doch verbindet es sich mit dem Präteritum.

Ebenfalls gleich dem Perfekt kann das Plusquamperfekt in einer kurzen Mitteilung, einer Festste11ung verwendet werden. Nach Jung: „Direkte, im Dialog im Perfekt gegebene Rede wird als erlebte Rede im Plusquamperfekt wiedergegeben"


Дата добавления: 2015-09-06; просмотров: 632 | Нарушение авторских прав


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