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Kulinarisches Allerlei

 

Leipziger Allerlei

Feine Traditionsgerichte in historischen Wirtsstuben. In Leipzig kann man Geschichte hören, sehen und schmecken.

 

Die Stadt platzt geradezu vor Geschichte und Kultur. Das größte Denkmal Europas steht hier und erinnert an die Völkerschlacht bei Leipzig 1813. Neben Frankfurt am Main ist Leipzig das zweite Zentrum des Buchdrucks in Deutschland. Johann Sebastian Bach lebte und komponierte hier die meiste Zeit seines Lebens, und in der jüngeren Geschichte wurde Leipzig durch die sogenannten Montagsdemonstrationen berühmten, die 1989 den Anfang vom Ende der DDR einleiteten. Und dann gab es natürlich noch Dichterfürst Goethe, durch dessen Werk "Faust" ein Leipziger Gasthaus zu einem der berühmtesten gastronomischen Orte der Welt wurde: Auerbachs Keller. Wir wollen hier aber ein ganz anderes Kapitel der Stadtgeschichte und -gegenwart aufschlagen, nämlich das kulinarische.

Fünf Klassiker

Kennt alles in Leipzig: Stadtführerin Christa Schwarz

"Das bekannteste Gericht ist natürlich das Leipziger Allerlei, dann kommt die Leipziger Lerche, es gibt auch die Leipziger Räbchen und als typische Getränke die Goose, ein obergäriges Weißbier, und den echten Leipziger Allasch, ein 38-prozentiger Kümmellikör. Das sind die fünf klassischen Spezialitäten Leipzigs." Hotelfachfrau und Touristenführerin Christa Schwarz zählt sie Besuchern so oft auf wie niemand sonst in der Stadt. Und sie kennt die Lokale, wo das frische Original und nicht die ordinäre Dosen- oder Tütenvariante auf den Teller kommt.

Hier herrscht die Tradition

Leipziger Räbchen

Im historischen "Zills Tunnel" werden die Leipziger Räbchen jeden Tag von Konditor Gerd Zerenner frisch zubereitet. "Das sind gefüllte Pflaumen mit Marzipan, die in Bierteig ausgebacken und dann mit Vanilleschaum serviert werden", erklärt der Räbchenmeister Zerenner. Ein regionales Bier gibt’s natürlich auch in Zills Tunnel. Dem deutschen Reinheitsgebot würde die "Goose" allerdings nicht standhalten, weil das Spezialbier traditionell mit Salz und Koriander versetzt wird. Da es eine Art Markenzeichen ist, wird das berühmteste Gericht der Stadt, das Leipziger Allerlei, im "Zills" das ganze Jahr über serviert. Sorgfältig zubereitet, aber im Winter mit Spargel aus dem Tiefkühlfach.

Ursprünglich war es ein Steuerbetrug

Feldfrischer Spargel

Beim Kollegen Peter Steffen einige Meter weiter kommt die Gemüseplatte dagegen nur im Frühling auf die Karte – dann, wenn der Spargel wächst. Der muss unbedingt dabei sein, genauso wie frische Morcheln und Flusskrebse. Wie die Legende will, ist das Leipziger Allerlei im Grunde durch einen Steuerbetrug entstanden, erklärt Peter Steffen: "Man hat früher bei der Besteuerung der einzelnen Häuser berücksichtigt, wie gut die Leute essen. Und um die Steuereintreiber hinters Licht zu führen, hat man das Leipziger Allerlei auf den Tisch gebracht. Das war eine sehr große Menge an Gemüse. Das Fleisch hat man weggelassen. Dadurch war die Besteuerung nicht so hoch, weil man angenommen hat, dieser Haushalt ist nicht so vermögend." Neben dem obligatorischen Spargel und Morcheln gehören auch noch Karotten, Blumenkohl, Zuckerschoten und Flusskrebse in das bekannteste Leipziger Gericht.

Morcheln und Flusskrebse kommen heute meist aus dem Ausland. Früher wuchsen die edlen Zutaten vor der Tür, sagt Peter Steffen: "Um Leipzig waren einmal die dichtesten Auenwälder von Europa. In diesen Auenwäldern gab es kleine Rinnsale, und in diesen kleinen Rinnsalen lebten die Flusskrebse, und in diesen Niederungen wuchsen dann auch die Morcheln."

Das älteste Café Deutschlands

Ältestes Café Deutschlands: der Coffeebaum

Peter Steffen serviert den kulinarischen Klassiker in Leipzigs wohl spektakulärstem Restaurant, im "Arabischen Coffeebaum", dem zweitältesten Caféhaus Europas und ältesten Deutschlands. Ein komplexes vierstöckiges Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, das Kneipe, Restaurant und ein eigenes Museum beherbergt. Auch während der DDR-Zeit wurde hier Kaffee ausgeschenkt im sogenannten Künstlercafé. Darüber im zweiten Stock saß die Staatssicherheit und hörte die Gäste ab.

Feinstes Mandelaroma

Leipziger Lerchen

Nur einen Steinwurf entfernt vom Coffeebaum, direkt gegenüber der durch Bach und die DDR-Demonstranten berühmt gewordenen Thomaskirche, backt René Kandler eine weitere Spezialität Leipzigs: die Leipziger Lerche, ein kleines Mürbeteigtörtchen mit feiner Füllung. Der Konditor ist kulinarischer Idealist und schwört auf gute Zutaten. In seine Leipziger Lerchen, ein Mürbegebäck in der Form eines Vogelnestes, kommt nur echtes Marzipan. "Das ist vollmundiger", schwört er. "Der Ersatzstoff Persipan mit Aroma aus Aprikosenkernen ist vom Geschmack anders. Nicht so fein wie Mandeln, sondern immer mit einer gewissen Schärfe. Ein viel gröberes Produkt."

Konditorkunst statt Singvogeljagd

Die Leipziger Lerche ist übrigens auch ein Gericht mit reichlich Geschichte und einer erfolgreichen Verwandlung. Denn im 19. Jahrhundert wurden tatsächlich Singvögel verspeist. Und zwar nicht wenige, sagt Fremdenführerin Christa Schwarz: "Die Leipziger haben früher in manchen Jahren mehr als 400.000 Feldlerchen gefangen, gebraten, gepökelt und als Spezialität durch ganz Europa verschickt. Bis nach Norwegen, nach Russland. Selbst die Franzosen haben gerne Leipziger Lerchen gegessen." Aber dann hatte 1876 der sächsische König ein Fangverbot erlassen. Denn die Lerchen drohten in der Umgebung Leipzig ausgerottet zu werden. Ein pfiffiger Konditor erkannte die Marktlücke und bot den Leipzigern ein Mürbeteigtörtchen an, das die Körbchenform nachahmte, in der die echten Lerchen früher verschickt worden waren. Die neue Tradition war geboren.


Autor: Günther Birkenstock
Redaktion: Ramón García-Ziemsen


SÜDDEUTSCHLAND

Herrgottsbscheißerle und Ofenschlupfer

 

Auflaufform mit Ofenschlupfer

Die regionaltypischen Gerichte in Schwaben haben oft kuriose Namen. Wir wollen etwas kulinarische Aufklärung betreiben und einen kleinen Blick darauf werfen, was es neben den traditionellen Spätzle noch alles gibt.

 

Tübingen am Neckar

Was Schwaben genau ist, lässt sich gar nicht so leicht sagen. Die vorsichtige Annäherung würde lauten: eine Region und Sprachgruppe in Baden-Württemberg und einem Teil Bayerns. Hier geht’s aber nicht um politische oder Dialektgrenzen. Hier geht’s ums Essen und da ist klar: Schwaben ist ohne Spätzle nicht zu denken. Dazu wird Teig aus Mehl, Eiern und etwas Wasser auf ein Holzbrett gegeben und ins heiße Wasser geschabt. Einfacher geht das ganze mit einer Spätzlepresse. Aber es gibt noch einiges mehr an Küchenklassikern. Zum Beispiel so etwas wie Riesenravioli.

 

Herrgottsbscheißerle

 

Helmut Kress

"Maultaschen gibt’s normalerweise am Freitag", klärt Helmut Kress auf. Der Wirt der Tübinger "Weinstube Göhner" bereitet sie seinen Gästen in der Küche noch selbst zu. "Wir sagen hier im Schwäbischen auch Herrgottsbscheißerle, weil man auf dem Karfreitag ja kein Fleisch essen darf. Und da hat man dann das Hackfleisch eingepackt in Nudelteig und somit konnte der Herrgott nicht sehen, was man isst." Kluge Leut', die Schwaben. Verhüllen ihre Fleischeslust einfach in Nudelteig. Aber Maultaschen sind weit mehr als eine listige Art, religiöse Regeln zu durchbrechen. Maultaschen sind eine schwäbische Institution und natürlich der Renner auf der Speisekarte von Helmut Kress.

 

Maultaschen mit Kartoffelsalat

Was reinkommt in die ravioliähnlichen Teigtaschen, verrät der Tübinger Wirt gern: "Zunächst einmal Rinder- und Schweinehack, dann noch Spinat, Brot, und Gewürze, Salz, Pfeffer, Muskat und Petersilie."

 

Soweit das Standartrezept. Helmut Kress nimmt aber lieber feingeschnittenen Lauch statt Spinat: "Dann ist die Maultasche etwas deftiger."

 

Am dritten Tag gibt's Omale

 

"Omale"

Vielleicht sind die gefüllten Teigtaschen in Schwaben auch deshalb besonders beliebt, weil man lange etwas von ihnen hat. Aufwärmen am nächsten Tag ist kein Problem. Und am dritten Tag werden die Reste dann kleingeschnitten und in der Pfanne mit einem Ei überbacken. Diese Version heißt bei Gastronom Herbert Rösch "Omale", weil es das Leibgericht der Großmutter war. "Das gibt es aber nur im Familienkreis", betont er.

 

Denn sein Restaurant, direkt am Tübinger Schloss, ist bekannt für die ausgefallenen und edlen Varianten des schwäbischen Traditionsgerichtes. Hier kommen je nach Jahreszeit Reh- oder Forellenmaultaschen mit Salbeibutter auf die Teller der Gäste.

 


Дата добавления: 2015-10-31; просмотров: 115 | Нарушение авторских прав


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