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Das Narrenschiff gehört zur volkstümlichen Literaturform der Narrengeschichten, einer satirischen Literatur, die die Belehrung über die menschlichen Schwächen und die Kritik des Zeitgeistes zum Inhalt hat; ihre Ausdrucksformen sind die Karikatur und die Übertreibung.
Im Mittelalter war das Wort „Narr“ einerseits die Bezeichnung für einen Spaßmacher, der für Unterhaltung und Belustigung sorgte. Andererseits wurden damit aber auch Menschen bezeichnet, die sich unwissend, dumm oder tollpatschig verhielten.
Etymologisch leitet sich das Wort von mittelhochdt.: narre; althochdt.: narro ab, was wahrscheinlich von dem lat. nario (Nasenrümpfer, Spötter) her stammt. Es wäre aber auch die Ableitung von narrare (erzählen) möglich, denn es gab damals Geschichtenerzähler, die lustige Schwänke darboten, daher wäre die Verbindung zum Narren nicht abwegig.
Narren waren also im mittelalterlichen Leben bekannt – erwähnt seien nur die Hofnarren und Fastnachtsnarren. Brant hat die Figur des Narren also nicht neu erfunden. Aber: Brant hat die Figur des Narren neu gedeutet, er begründete eine neue Literaturgattung mit eigenen Themen und Motiven – die Narrenliteratur.
Das „Narrenschiff“ von Sebastian Brant ist ein moralsatirisches Lehrgedicht. Brant verwendet den Begriff „Narr“ nicht mehr in der bekannten Bedeutung für die Fastnachtswelt, sondern als Oberbegriff für menschliche Unzulänglichkeiten, Fehler und Schwächen. Denn nach seiner Auffassung befindet sich die Menschheit in Gottesferne. Daher nutzt er die Narrenmetapher, um auf satirische Weise Kritik an der Lebensführung seiner Zeitgenossen zu üben.
Mit dem Narr greift er auf eine allseits bekannte Figur zurück, daher konnte er sich der Aufmerksamkeit seiner Zeitgenossen sicher sein. Außerdem gab ihm die Verwendung der Narrenmetapher die Möglichkeit, über seine Intention, nämlich die Belehrung der Menschen, hinwegzutäuschen.
Die Schiffsmetapher steht als herkömmliches Bild für den christlichen Glauben, das Meer als Bild für die Welt mit ihren Gefahren und Versuchungen. Das Schiff der Kirche bietet den Gläubigen Schutz, das Narrenschiff hier allerdings führt - nach Brants Vorstellung - die Seelen in die ewige Verdammnis. Daher befinden sich auch keine gläubigen Menschen, sondern Völler, Prasser, Betrüger und Sittenlose, also Sünder, an Bord.
Brant übt auf diese Weise Kritik am Sittenverfall und der bestehenden Sündhaftigkeit unter Verwendung der sieben Todsünden. Der Begriff „Narr“ symbolisiert die Verkörperung alles Schlechten und dient als Kennzeichnung von Menschen, die sitten- und normwidriges Verhalten vorweisen und sich nicht nach der christlichen Wertethik richten.
Durch diese negative Interpretation stellt Brant Narrheit also regelrecht als Bedrohung dar.
Mit seinem Werk übt er zudem Kritik am Fortschritt, denn Weisheit ist nach seiner Auffassung allein Gott vorbehalten, menschliches Wissen erscheint daher als Narrheit. Nur wer das erkennt, kann vom Narren zum Weisen werden.
Durch Gleichsetzung der Narrheit mit der Sünde möchte er erreichen, dass seine Zeitgenossen sich in den geschilderten Sünden wieder erkennen, dies also zu Selbsterkenntnis führt und diese letztendlich zur Besserung.
Durch Gleichsetzung der Fastnachtswelt mit der wirklichen Welt erreicht Brant eine Identifizierung der gesamten Bevölkerung mit seinem Werk, es bleibt nicht auf einzelne Stände oder gesellschaftliche Gruppen begrenzt. Ebenso folgt daraus, dass die Narrheit nicht - wie zur Fastnacht - ein vorübergehender Zustand ist, sondern dass sich die ganze Welt dauerhaft in Narrheit befindet.
Seine Narren, das waren die Spieler, Studenten, Gecken, Seiltänzer, Kirchenschänder, Wucherer und derlei mehr, die sich mit dem Narrenschiff auf´s offene Meer der Unvollkommenheit und der Zügellosigkeit wagten, und damit ihrer Vernichtung entgegen gingen.
Typische "närrische" Charakteristika waren für Brant Sorglosigkeit und Unbekümmertheit, Zwietrachtstiften, Habsucht, schlechte Sitten, Borgen, unnützes Wünschen, Eigensinn, unfolgsame Kranke. Wolllust, Neid, Hass, Undankbarkeit, törichtes Tauschen und noch viel mehr.
Brant griff auf das überlieferte Wissen vergangener Jahrhunderte zurück, das besagt, daß die Weisheit ein Geschenk Gottes ist und "Tumbheit und Töperhaftigkeit" durch die fehlende Erleuchtung des heiligen Geistes entstehen.
Дата добавления: 2015-10-30; просмотров: 78 | Нарушение авторских прав
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