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II. Geschichte der Satire

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Deutsche Satire und antike Tradition

 

Der Begriff „Satire kommt vom lateinischen Wort satura = bunte Mischung, ein Allerlei (von Zutaten oder Früchten u.ä.), das sich seinerseits vom Adjektiv satur, uris = voll, satt herleitet.; satura lanx = die mit verschiedenen Früchten gefüllte Schale. Weitere Herleitungen, besonders während der Spätantike und der Renaissance, nahmen den griechischen Satyr (ein legendäres Mischwesen aus Mensch und Bock) bzw. das griechische Satyrspiel als Quelle für den Begriff an, was angesichts der humoristischen und parodistischen Züge dieses Vorläufers der antiken Tragödie auch durchaus berechtigt erscheint, allerdings seit der Aufklärung als widerlegt gilt. Der Rhetoriklehrer Qunitilian behauptet (Institutio oratria 10,1,9), die Satire sei „ganz unser“, d.h. eine römische Erfindung: satura quidem tota nostra est.

Bis in die frühe Neuzeit hinein war “Satire“ die Bezeichnung einer speziellen literarischen Gattung, nämlich der Römischen Verssatire. Um 200 v.Chr. wurde der Begriff “Satura“ von Ennius für sein “Allerlei“ gemischter Gedichte (ohne eigentlichen satirischen Inhalt) verwandt und von Lucilian der als Erfinder der Satire gilt, übernommen. Erst nach und nach begann sich der Begriff aufzuweichen und bezeichnet heute vor allem eine die Gattungen und Einzelkünste übergreifende Verfahrensweise, die genauer zu definieren sich die Philologie bisher jedoch sträubt. Im weitesten Sinne wird Satire als Spott oder humoristische Kritik eines bestimmten Sachverhaltes aufgefasst; zu den wichtigsten satirischen Gestaltungsmitteln gehören Negativität, Ironie, Nachahmung und Wiederholung, Verfremdung und Indirektheit. Gegenstände der Satire waren von Anfang an das Zeitgeschehen, das gesellschaftliche Leben, die Literatur und individuelle Schwächen, welche dieSatire gutmütig, beißend oder moralisierend kommentierte.

II. Geschichte der Satire

Die Literaturgeschichte unterscheidet einen griechischen und einen römischen Zweig der antiken Satire. Zwar fanden sich satirische Elemente bereits in der griechischen Literatur, so vor allem in den Komödien des Aristophanes und in den Diatriben kynischer und stoischer Wanderprediger (wie z.B. bei Menippos von Gadara), doch erst die Römer entwickelten die Satire zu einer eigenständigen literarischen Gattung mit einer großen Vielfalt an Themen und Formen.

Begründer des ersten, der menippeischen oder varronischen Satire ist der Kyniker Menippos (3.Jh. v.Chr.), dessen mit Versen vermischte Form der Prosasatire im 1.Jh. v.Chr. von dem römischen Gelehrten Varro aufgegriffen wurde. Lukian (2.Jh. n.Chr.), der zu ihrem einflussreichsten Meister wurde, Seneca und Petron stehen ebenfalls in der Tradition der Menippea. Weitaus bedeutsamer und bekannter war in Antike und Mittelalter jedoch die auf Lucilian (2.Jh. v.Chr.) zurückgehende Verssatire, auch lucilische Satire genannt. Deren bedeutendste Vetreter im alten Rom waren Horaz (1.Jh. v.Chr.), Persius (1.Jh. n.Chr.) und Iuvenal (um 100 n.Chr.) Sie gelten als die drei Klassiker der Satire und waren durch das ganze Mittelalter hindurch bekannt, wobei Horaz einen gemäßigten, humorvollen Stil vertritt, zu dem Iuvenals beißende Gesellschaftskritik, die am ehesten der heutigen Vorstellung von Satire entspricht, oft in Opposition gesetzt wurde. Satirische Elemente finden sich auch in den Tierfabeln des Phaedrus und den Epigrammen Martials (beide 1.Jh. n.Chr.)

Das Mittelalter hat in seinen großen höfischen Epen keinen Platz für satirische Elemente. Diese finden sich vor allem im Tierepos (Heinrich von Glîchesaere: “Fvchs Reinhart“, um 1200), in der hauptsächlich an Iuvenal orientierten Ständesatire Heinrich von Melks, Heinrich Wittenwîlwers (um 1400) u.a., in der Sangspruchdichtung Walthers von der Vogelweide (um 1200) und den Liedern Neidharts von Reuental (Zeitgenosse Walthers). Offenkundig ist jedoch, dass Satire im MA sehr viel vermittelter als in der römischen Antike auftritt und ein historisches Gattungsbewusstsein als Satire weitgehend fehlt.

 

Die Satiren des Humanismus gehören meist zur Gattung der Narrenliteratur. Fast bruchlos stehen Sebastian Brants Narrenschiff (1494) und Erasmus von Rotterdams Lob der Torheit (1509) und Julius vor der verschlossenen Himmelstür (1514) in der Tradition des Mittelalters; sie sind hauptsächlich auf die humanistische Kritik von Sitten und Untugenden der Zeitgenossen gerichtet, die sie mit didaktischer Strenge zu verbessern trachten. Besonders das Narrenschiff fand in lateinischer Übersetzung[4] in ganz Europa Leser und Nachahmer.

 

Die Volksbücher Till Eulenspiegel (ca. 1510) und Die Schiltbürger (1598) folgten einer anderen Tradition: der des Hofnarren oder Schelmen, der Streiche spielt. Auf Bühnen und bei Volksfesten findet sich politischer Spott gegen Herrschende und Beherrschte in Fastnachtsspielen und Burlesken. Auch einige satirische Passionsspiele sind erhalten.

 

Mittelalterliche Moraldidaktik, exemplarische Begebenheiten aus der antiken Geschichte und Sage, Rationalisierung der Wertvorstellungen des Humanismus als Voraussetzungen der Narrenliteratur.

 

2.1. Das „Narrenschiff' von S. Brant als moralische Satire in Reimform.


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