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Es gibt verschiedene Prinzipien, nach denen die zusammengesetzten Wörter klassifiziert werden.
Vorerst kann man sie vom morphologischen Standpunkte aus (d. h. nach den Wortarten) klassifizieren.
Die zusammengesetzten Wörter können einer beliebigen Wortart angehören. Als erstes Element kann eine beliebige Wortart auftreten.
Das zusammengesetzte Substantiv kann z. B. folgende morphologische Struktur haben:
Substantiv + Substantiv —Silbermünze, Hofhund; Adjektiv + Substantiv — Schwarzbrot, Graukopf; Verbalstamm + Substantiv — Schreibtisch,Bindelaut; Zahlwort + Substantiv — Dreieck, Zweikampf; Pronomen + Substantiv — Ichform, Selbstgespräch; Adverb + Substantiv — -Zusammenkunft, Voraussage; Präposition + Substantiv — Fürwort, Umwelt.
Die semantisch-syntaktische Klassifikation. Vom semantisch-syntaktischen Standpunkt aus unterscheiden wir vier Arten von Zusammensetzungen:
a) Attributive Zusammensetzungen (Bestimmungszusammensetzungen). Diese Art der Zusammensetzung ist durch die attributive Verbindung der Komponenten charakterisiert -nämlich die erste Komponente bestimmt die zweite. Attributive Zusammensetzungen können sowohl Substantive als auch Adjektive sein: Schwarzbrot, Tischlampe, Tageslicht, Sonnenstrahl, dunkelrot u. a.
Die attributive Zusammensetzung kann auch aus drei, vier und mehreren Wörtern bestehen; aber man betrachtet jedes zusammengesetzte Wort dieser Art als ein zweigliedriges, wobei jedes Glied seinerseits in zwei Teile zerlegt werden kann, z. B. die Transportschiffeverwertungsgesellschaft (B. Brecht). Gesellschaft ist das Grundwort, Transportschiffeverwertung ist das Bestimmungswort, das seinerseits auch eine attributive Zusammensetzung ist, wo Verwertung schon als Grundwort und Transportschiffe als Bestimmungswort auftreten; die letzte Komponente ist eigentlich auch ein zusammengesetztes Wort mit Transport als Bestimmungswort und Schiffe als Grundwort. Die ganze Zusammensetzung aber ist ein neues Wort, welches einen neuen Begriff ausdrückt. Solche mehrgliedrige attributive Zusammensetzungen sind in der deutschen Sprache sehr verbreitet: Dampfschiffahrtsgesellschaftsdirektorsstellvertretersgemahlin.
Betrachten wir die Zusammensetzung, deren Teile zwei unflektierte Stämme sind. Die syntaktische Rolle der Komponenten solcher Wörter wird nur durch die Wortstellung bestimmt. Solch ein Typus der Zusammensetzung wird eigentliche (oder echte) Zusammensetzung genannt. Dieser Typus ist auch jetzt noch produktiv, und nach der Analogie mit diesem Modell werden neue Wörter gebildet, die neue Begriffe ausdrücken: Henneckearbeiter, Fünfjahrplan, Fernstudent, Parteischule, Neubauer, Bodenreform, Wanderfahne.
Die Entwicklung der Flexion bewirkt auch die Entstehung des zweiten Typus der attributiven Zusammensetzung, in dem der erste Teil eine flektierte Form hat: Tageslicht, Sonnenschein, lebensgroß, sirgenkrank. Die attributive Funktion wird im ersten Element nicht nur durch die Wortstellung, sondern auch durch die Genitivendung ausgedrückt. Die Zusammensetzungen dieser Art werden uneigentliche (oder unechte) Zusammensetzungen genannt. Im modernen Deutsch haben die Flexionen s, n ihre Funktion eingebüßt und sind zu einem Formelement (Bindelaut) geworden. Davon zeugt die Tatsache, dass s auch nach Substantiven weiblichen Geschlechts steht: Arbeitsplan, Bestimmungswort, obwohl s als Flexion der Feminina nie auftritt.
Attributive Zusammensetzungen gehören zur älteren Art der Zusammensetzung. Dieser Typus entstand auf Grund der früheren Undifferenziertheit des Nomens.
Eine Abart der attributiven Zusammensetzungen bilden die sogenannten Bahuvrihi, wo das erste Element das zweite bestimmt. Sie sind nach demselben Prinzip zusammengesetzt und unterscheiden sich von anderen attributiven Zusammensetzungen nur dadurch, dass sie die charakteristische Eigenschaft eines Lebewesens ausdrücken. Sie treten als Benennung des ganzen Lebewesens auf, das sie bezeichnen. Also der Unterschied hat einen rein semantischen Charakter. Rotkäppchen bedeutet buchstäblich das rote Käppchen, bezeichnet aber das Mädchen, das dieses Käppchen trägt.
Es ist offensichtlich, dass Bahuvrihi eine Art der Metonymie sind, und zwar der metonymischen Übertragung vom Teil auf das Ganze, von dem charakteristischen Merkmal des Lebewesens auf das Lebewesen selbst, z. B. Trotzkopf, Blaustrumpf, Schreihals, Gelbschnabel, Dummkopf.
b) Kopulative Zusammensetzungen, bei denen zwischen den Komponenten syntaktische Gleichberechtigung herrscht. Auf Grund dieser syntaktisch gleichberechtigten beiordnenden Verbindung entwickelt sich ein einheitlicher Komplex, wie Strichpunkt (точка с запятой), taubstumm, dreizehn, zweiundzwanzig u. a.
c) Zusammenrückungen. Das ist eine lockere Verbindung zweier und mehrerer Elemente, manchmal sogar eines ganzen Satzes, dessen Teile im Prozesse des Redens leicht zusammenrücken. Die Komponenten der Zusammenrückung behalten ihre lexikalische Selbständigkeit und sind leicht zu begreifen, obwohl der ganze Komplex manchmal umgedeutet wird: Vergissmeinnicht, Einmaleins, derart, infolge, stehenbleiben usw. Die Zusammenrückungen können verschiedenen Wortarten angehören: es gibt Substantive — Gottseibeiuns, Inzuchthauskommen; Adjektive – allerhöchst; Adverbien —beiseite, heutzutage, mutterseelenallein, ebensowenig; Verben – stehenbleiben, zustandebringen.
Für die Bildung der substantivischen Zusammenrückungen ist der Prozess der Substantivierung sehr typisch. Eine Reihe von Zusammenrückungen ist aus dem Zusammenrücken einzelner Elemente mit der nachfolgenden Substantivierung des ganzen Komplexes gebildet, z. B. Springinsfeld, Einmaleins, Vergissmeinnicht, Gottseibeiuns u. a.
Der morphologische Bestand und die syntaktischen Verhältnisse der Zusammensetzung dieses Typus unterscheiden sich von denen der attributiven. Hier gibt es kein Grundwort, kein Bestimmungswort; die grammatische Kategorie und das Geschlecht dieser Wörter hängen nicht von der letzten Komponente ab, sondern von dem durch diese Zusammenrückung ausgedrückten Begriff. Der Prozess der Zusammenrückung wird oft von dem Übergang in eine andere grammatische Kategorie begleitet.
Der Gernegroß ist ein Substantiv, obwohl die letzte Komponente ein Adjektiv ist, das Einmaleins ist auch ein Substantiv, obwohl eins ein Zahlwort ist, infolge — eine Präposition, das Stelldichein - ein Substantiv, derart — ein Adverb usw.
Man kann die Zusammenrückungen in vollständige und unvollständige teilen. Unter den vollständigen verstehen wir solche, deren Komponenten endgültig zu einer Einheit verschmolzen sind. Ihre semantische Einheitlichkeit bedingt die Einheit der Form. So ist z. B. das Vergissmeinnicht völlig lexikalisiert, drückt einen einheitlichen Begriff aus, bezeichnet eine Blume und wird wie ein gewöhnliches Substantiv betrachtet.
Die unvollständigen Zusammenrückungen sind solche, in denen die völlige Verschmelzung der Komponenten noch nicht stattgefunden hat, was auch ihre graphische Gestaltung widerspiegelt: Alleinzurück-Bleiben, Einander-Verstehen, In-sich-Geschlossenheit, Zur-Ruhe-gehen u. a.
Die unvollständigen Zusammenrückungen sind in der Regel individuelle Wortschöpfungen.
d) Zusammenbildungen. Sie entstehen als Resultat zweier Prozesse: der Zusammensetzung und der Ableitung, denn jede Zusammenbildung wird durch ein Suffix zu einem Wort verbunden, z. B. Frühaufsteher, Inbetriebsetzung, blauäugig.
Als Zusammenbildungen treten Substantive und Adjektive auf.
Das Substantiv der Schuhmacher entwickelte sich aus der Wortgruppe Schuhe machen mit dem Suffix -er, welches die ganze Gruppe zu einem Wort verbindet. Diese Zusammenbildung kann nicht wie attributive Zusammensetzungen in zwei Komponenten zerlegt werden, weil die zweite Komponente (-macher) als selbständiges Wort in der Regel nicht existiert.
Die grammatische Kategorie und das Geschlecht werden nach dem Suffix bestimmt. So sind die Zusammenbildungen Danksagung, Teilnahme Substantive weiblichen Geschlechts, Kopfhänger, Teilnehmer —Substantive männlichen Geschlechts, blauäugig ist ein Adjektiv. Für die Zusammenbildungen sind folgende Suffixe typisch: -er, -ung, -e, -igkeit, -ig, -lich, -erisch.
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