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IV. Metaphysik. 1 страница

Ausstoßung. | I. Zur Psychologie. | II. Zur Physik. | III. Zur Aesthetik. | IV. Zur Ethik. | V. Zur Politik. | VI. Zur Metaphysik. | Eine naturwissenschaftliche Satire. | Zwölfter Essay. Kritik der Hartmann’schen Philosophie des Unbewußten. | I. Einleitung. |


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ii595u

C. Metaphysik des Unbewußten.

I. Die Unterschiede von bewußter und unbewußter Geistesthätigkeit und die Einheit von Wille und Vorstellung im Unbewußten.

Diese Ueberschrift kritisirt sich von selbst und füge ich nur hinzu, daß der individuelle unbewußte Wille (Dämon) und die bewußte Geistesthätigkeit zwei getrennte Principien sind, – obgleich die letztere sekundär und abhängig ist, – welche nur cooperiren und nicht identisch sind. Der Geist ist Function eines Organs des Dämons, ein Bewegungsfactor – nichts weiter. Sie sind ein Identitäts- Confusionarius – nichts weiter, und Schelling erscheint neben Ihnen wie ein Zwerg neben einem Riesen. Sie gießen Alles, das Heterogenste und Homogenste,»in Einen Brei«(Schopenhauer), werfen Alles in die Nacht des Unbewußten, was selbstverständlich das bequemste Philosophiren ist. Aber ungestraft können Sie es nicht thun. Zu Ihren Gewissensbissen, zu Ihrer brennenden Reue muß die Scham über das Brandmal treten:»Unredliche Methode«, welches die redlichen Wahrheitsfreunde Ihrer Philosophie aufdrücken mußten.

 

1. Grundsatz des Abschnitts.

Das Unbewußte erkrankt nicht, aber die bewußte Geistesthätigkeit kann erkranken.

(373.)

Das Unbewußte, wovon Sie hier sprechen, muß auf den Dämon eingeschränkt werden.

 

2. Grundsatz.

Das Unbewußte ermüdet nicht, aber jede bewußte Geistesthätigkeit ermüdet.

(ib.)

ii596 Hier muß dieselbe Einschränkung stattfinden; ferner darf unter Ermüdung der Geistesthätigkeit nicht Aufhören der bewußten Geistesthätigkeit verstanden werden: der Geist functionirt immer, so lange der Mensch lebt und zwar immer bewußt; aber bald schwächer, bald stärker, bald im wachen, bald im betäubten Zustande, wie ich oben auseinandergesetzt habe.

 

3. Grundsatz.

Alle bewußte Vorstellung hat die Form der Sinnlichkeit, das unbewußte Denken kann nur von unsinnlicher Art sein.

(374.)

An diesen Grundsatz knüpfen Sie folgende Erklärung:

Da das Bewußtsein schlechterdings gar nichts vorstellen kann, es sei denn in Form der Sinnlichkeit, so folgt, daß das Bewußtsein nun und nimmermehr sich eine direkte Vorstellung machen kann von der Art und Weise, wie die unbewußte Vorstellung vorgestellt wird; es kann nur negativ wissen, daß jene auf keine Weise vorgestellt wird, von der es sich eine Vorstellung machen kann. Höchstens kann man noch die sehr wahrscheinliche Vermuthung äußern, daß in der unbewußten Vorstellung die Dinge vorgestellt werden, wie sie an sich sind.

(375.)

Herr von Hartmann! Mit dieser Stelle, die Sie dem geduldigen Papier aufbürdeten, haben Sie dem Philosophen in Ihnen das Todesurtheil gefällt. Das Unbewußte in Ihnen muß doch außerordentlich unbewußt sein, sonst hätte es Sie in einer mystischen Aufwallung vom Abgrund zurückreißen müssen.

Welche Dreistigkeit und zugleich welche Schmach! Nachdem alle bisherigen Capitel Ihres Werks auf dem Grunde der Vorstellung, welche doch ein ganz bestimmter Begriff ist, aufgebaut worden sind, erklären Sie mit einem Male: die unbewußte Vorstellung sei toto genere von der bewußten verschieden! Aber dadurch werden ja sämmtliche Resultate der vorhergehenden Capitel hinfällig. Sehen Sie denn Dieses nicht ein? Es ist so klar wie Sonnenlicht. Es ist dasselbe, als ob ich die herrlichsten Gebäude, Brücken mit weiten Bogen u.s.w. auf der Tragkraft des Eisens berechnete, auch Jeden von der Ausführbarkeit auf Grund des Eisens überzeugte, und dann mit einem Male sagte: Ja, Eisen |

ii597 werde ich aber nicht verwenden, sondern – Etwas, was in der ganzen Natur nicht vorkommt, was aber doch wie Eisen trägt.

Was soll man zu einer solchen philosophischen Taschenspielerkunst, zu einer solchen Narrethei sagen? Das Mildeste wäre: Ihnen zu rathen, Locke’s»Untersuchung über den menschlichen Verstand«fünf Jahre lang unausgesetzt, Wort für Wort, zu studieren, damit Sie endlich einsähen, daß man einen bestimmten Begriff nur dann in einem anderen als dem gewöhnlichen Sinne gebrauchen darf, wenn man seinem neuen Inhalt eine ganz präcise, klare Fassung gegeben hat.

Weder ist ein Gedanke, noch ein Gefühl eine Vorstellung. Eine Vorstellung ist im Munde des Volks ein realer Gegenstand, ein Objekt, das Bild eines Dinges an sich. In philosophischer Sprache ist eine Vorstellung: ein Ding an sich, welches in die subjektiven Formen Raum und Materie (Substanz) eingegangen ist.

Eine unbewußte Vorstellung ist und bleibt eine contradictio in adjecto: silbernes Gold.

Hier ernten Sie den Wind, den Sie in der Erkenntnißtheorie gesäet haben, als Sturm. Eine Vorstellung ist ohne Bewußtsein gar Nichts. Was einer Vorstellung, einem Objekt, zu Grunde liegt, d.h. das vom Subjekt Unabhängige in ihr, ist eben das Ding an sich. Diesem Ding an sich entspricht überall der Wille, und zwar der individuelle Wille, dessen einziges Prädicat die Bewegung ist. Diese ist auch vorhanden ohne ein erkennendes Subjekt.

Wollen wir uns faßlich machen, was unsere Gedanken, Gefühle, Vorstellungen ohne das Bewußtsein wären, so müssen wir gleichfalls zu diesem einzigen Prädicat unsere Zuflucht nehmen. Sie sind Bewegungen des Gehirns. Man kann also nur von unbewußten Bewegungen des Gehirns, nie darf man von unbewußten Vorstellungen, Gedanken, Gefühlen sprechen. Eine bewußte Vorstellung ist, wie ich Ihnen sattsam bewiesen habe, eine Tautologie. Jede Vorstellung ist eo ipso eine bewußte Vorstellung. Ist sie nicht bewußt, so büßt sie den Charakter einer Vorstellung vollständig ein, wie ein Objekt ohne ein Subjekt den Charakter eines Objekts einbüßt, und es verbleibt nur Das, was dem Ding an sich wesentlich ist: innere Vibration, innere Schwingung, Entwicklung, Bewegung.

ii598 Sie dagegen werfen Alles in Einen Topf: Objektives, Subjektives, Ding-an-sich- Eigenthümliches. Aber, wie ich schon sagte, Ihre Philosophie trägt eben deshalb auch durchweg das Gepräge der Vieldeutigkeit, Oberflächlichkeit, Verworrenheit, Unbestimmtheit: sie ist ein»Brei«, ein Kauderwälsch; sie ist nebelhaft, verschwommen, das reine Chaos in der Nacht des Unbewußten. Sie sind auf dem Gebiete der Philosophie ein Taschenspieler, ein Gaukler, ein Jongleur, eine männliche Louise Lateau, eine männliche Madame de Guion.

Ich hatte oben noch für möglich gehalten, daß ich mich, im Fortgang der Kritik Ihres trüben Gedankenschaums, ärgern und zornig werden könnte; dies ist aber nicht mehr möglich. Das Wort Schopenhauer’s ist mir vor wenigen Minuten eingefallen:

Wenn die Absurditäten eines Gesprächs, welches wir anzuhören im Falle sind, anfangen uns zu ärgern, müssen wir uns denken, es wäre eine Komödienscene zwischen zwei Narren, Probatum est.

(Parerga I. 493.)

So denke ich denn von jetzt ab mutatis mutandis: Sie recitirten auf einer Bühne (Scene: Zimmer in einem Tollhause) geistreiche Monologe und ich säße mutterseelenallein im Parquet.

Ich bitte Sie, Herr von Hartmann, weiter zu declamiren.

 

4. Grundsatz.

Das Unbewußte schwankt und zweifelt nicht... Das Denken des Unbewußten ist zeitlos.

(375. 376.)

»Das Denken des Unbewußten ist zeitlos!«–
Sie reden hier von Etwas,

von dessen Dasein man erwiesenstermaßen keine Kenntniß und von dessen Wesen man gar keinen Begriff hat.

wie Schopenhauer sagt (Parerga I. 202). Er fügt hinzu: es lasse sich nichts Unphilosophischeres denken als ein solches Verfahren. Ich halte Ihnen diesen Spiegel unseres Meisters vor, und vor dem Bilde, das Sie darin erblicken, werden Sie zurückschrecken.

 

5. Grundsatz.

Das Unbewußte irrt nicht.

Die vermeintlichen (!) Irrthümer des Instinkts lassen sich auf folgende vier Fälle zurückführen:

ii599 a) Wo gar kein besonderer Instinkt existirt, sondern bloß eine Organisation, welche durch eine besondere Stärke gewisser Muskeln den allgemeinen Bewegungstrieb vorzugsweise auf diese Muskeln hinlenkt. So z.B. das unzweckmäßige Stoßen junger Rinder, die noch keine Hörner haben.

b) Wo der Instinkt durch naturwidrige Gewohnheit ertödtet ist, ein Fall, der vielfach beim Menschen und seinen Hausthieren eintritt.

c) Wo der Instinkt aus zufälligen (!!) Gründen nicht functionirt, z.B. wenn ein Thier seinen natürlichen Feind nicht scheut und ihm dadurch zum Opfer fällt.

d) Wo der Instinkt zwar auf die bewußte Vorstellung, auf welche er functioniren soll, richtig functionirt, aber diese bewußte Vorstellung einen Irrthum enthält; wenn z.B. eine Henne auf einem untergelegten eirunden Stück Kreide brütet.

(377. 378.)

Sie nannten den Instinkt ein unfehlbares Hellsehen. Sehen Sie denn nicht, daß die von Ihnen angeführten vermeintlichen (!) Irrthümer Ihre ganze Theorie des Instinkts vernichten? Entweder ist der Instinkt ein unfehlbares Hellsehen oder er ist einfacher Faktor einer cooperativen Thätigkeit: non datur tertium. Im letzteren Falle sind die von Ihnen angeführten Irrthümer ganz natürliche und sehr leicht erklärliche Vorfälle, im ersteren Falle dagegen wird die von Ihnen aufgestellte Regel durch die massenhaften Ausnahmen einfach erwürgt.

 

6. Grundsatz.

Das Bewußtsein erhält seinen Werth erst durch das Gedächtniß.... Dem Unbewußten dagegen können wir kein Gedächtniß zuschreiben.

(379.)

Das Unbewußte ist hier gleichfalls auf den unbewußten Dämon, resp. auf den Instinkt der Thiere einzuschränken.

 

7. Grundsatz.

Im Unbewußten ist Wille und Vorstellung in untrennbarer Einheit verbunden, es kann Nichts gewollt werden, was nicht vorgestellt wird, und Nichts vorgestellt werden, was nicht gewollt wird. Im Bewußtsein da|gegen

ii600 kann zwar auch Nichts gewollt werden, was nicht vorgestellt wird, aber es kann Etwas vorgestellt werden, ohne daß es gewollt würde: das Bewußtsein ist die Möglichkeit der Emancipation des Intellektes vom Willen.

(380.)

Diesen Unsinn habe ich bereits oben kritisirt.

 

II. Gehirn und Ganglien als Bedingung des thierischen
Bewußtseins.

Das Gehirn hat für die organischen Functionen des körperlichen Lebens keine unmittelbare Bedeutung.

(389.)

Was soll ich hierzu sagen? Wissen Sie wirklich nicht, daß die Athmung vom Gehirn abhängt? So lesen Sie doch Bichat’s unsterbliches Buch: Sur la vie et la mort, das nie veralten wird.

 

III. Die Entstehung des Bewußtseins.

Ich bitte Sie, sich zu erinnern, daß wir dieses Capitel bereits abgehandelt haben. Ich habe durchaus kein Verlangen darnach, Ihre deßbezügliche Weisheit nochmals anzuhören.

Sie wollen meine Bitte nicht beachten? Sie wollen doch reden? Nun denn, es sei!

Der Wille selbst kann niemals bewußt werden.

(410.)

Si tacuisses... O hätten Sie geschwiegen! Merken Sie sich meine Entgegnung: der Wille ist im wachen Zustand immer in einem seiner Organe (Gehirn) bewußt; er ist es auch im betäubten Zustande, aber das Gedächtniß ist alsdann zu schwach, um die Continuität des Bewußtseins fest zu halten.

Da der Wille an und für sich unter allen Umständen unbewußt ist, so ist nunmehr auch begreiflich, daß zu dem Bewußtwerden der Lust oder Unlust sich der Wille selbst ganz gleich verhält, sei es nun, daß er mit einer bewußten oder einer unbewußten Vorstellung verbunden ist.

(416.)

Risum teneatis amici! – Lacht nicht, Freunde.

Ich bin nicht grausam, Herr von Hartmann; aber ich wünsche von Herzen, daß Ihnen ein Mandarine aus dem himmlischen Reiche einmal eine tüchtige Bastonnade auf irgend einen Theil Ihres Körpers (Ihren bedeutenden Kopf ausgenommen) verabreichen ließe und daß ich sehen könnte, wie sich Ihr unbewußter Wille schon nach dem ersten Streich geberdete.

ii601 Der Wille, welcher in seinem Wesen der Vorstellung völlig heterogen ist.

(417.)

Ihr alter Irrthum, Herr von Hartmann. Er ist auch einer der großen Irrthümer Schopenhauer’s, der indessen, wie Ihnen bekannt ist, seine Ansicht widerrief und lehrte: das Gehirn sei der Wille zu erkennen, wie die Genitalien der Wille zu zeugen u.s.w. Magna est vis veritatis et praevalebit.

Je klarer bei demselben Individuum das gegenständliche Bewußtsein wird, desto mehr verschwindet das Selbstbewußtsein.

(422.)

Ein palpablerer Irrthum ist nicht möglich. Die Klarheit des Selbstbewußtseins steigt in geradem Verhältniß mit der Klarheit des gegenständlichen Bewußtseins. Auch hier sind Sie Nachtreter des irrenden Schopenhauer, der in seiner Aesthetik die mystische Identificirung des contemplativen Subjekts mit dem deutlich, seiner Idee nach, erkannten Objekt lehrte. Gehen Sie, Sie Nachtreterchen im Schlimmen!

Das Bewußtsein läßt seinen Inhalt ganz unbestimmt, es verlangt nur einen Inhalt überhaupt, wenn es zur Erscheinung, zur Wirklichkeit kommen soll; seinem Begriffe nach aber ist es bloße Form.

(423.)

Hier bitte ich Sie nur, zu merken, daß also Ihrer Lehre gemäß auch das Bewußtsein eine absolut leere Form ist. Wir haben mithin bereits zwei absolut leere Formen:

1) den Willen

2) das Bewußtsein.

Ich werde später hierauf zurückkommen.

 

IV. Das Unbewußte und das Bewußtsein im Pflanzenreich.

Wir müssen hier auf das schon mehrfach zurückgewiesene Vorurtheil zurückkommen, als ob die Nerven die conditio sine qua non der Empfindung wären.

(456.)

Zur Bekräftigung dieser Zurückweisung führen Sie schmerzhaftes junges Fleisch an, das doch keine Nerven habe. Ganz mit Unrecht. Der Zustand des jungen Fleisches beruht auf seinem inneren Leben, also auf Schwingungen, auf Bewegung. Diese Schwingungen theilen sich den umliegenden Nerven mit, und diese schwingen dann in einer Weise, welche wir als Schmerz empfinden. |

ii602 Ohne diese Nerven hätten wir keinen Schmerz. Die Nerven sind und bleiben conditio sine qua non der Empfindung.

Es wird nach dem Vorhergehenden nicht mehr befremden, wenn wir den Pflanzen eine Empfindung (und selbstverständlich (!) bewußte (!!) Empfindung) von den Reizen beilegen, auf welche sie, sei es nun reflectorisch oder instinktiv, reagiren.

(460.)

Ich erlaube mir, trotz Ihrer geistvollen Auseinandersetzung, sehr, sehr erstaunt und befremdet zu sein. Die Pflanzen haben lediglich Bewegung, inneren Trieb, blinden Trieb, sind reiner unbewußter Wille zum Tode, der auf äußere Reize reagirt. Das, was wir»Empfindung«nennen, ist ihnen unter allen Umständen abzusprechen.

 

V. Die Materie als Wille und Vorstellung.

Ich habe Ihnen schon oben nachgewiesen, daß Sie ein Cartesianer, ein Leibnizianer u.s.w., d.h. ein Romantiker sind. Sie verehren Spinoza’s Philosophie so sehr und preisen dieselbe unablässig; warum ließen Sie sich aber nicht von ihr belehren, daß

mens et corpus una eademque res sit, quae jam sub cogitationis, jam sub extensionis attributo concipitur?

Die Antwort hierauf ist: Weil Sie eben nur für das Falsche Ihrer großen Vorbilder einen unfehlbaren unbewußten Instinkt haben.

Ich habe Ihnen ferner gezeigt, daß die Materie nicht nur ideal, sondern sogar apriorisch sei und zum Wesen des Dinges an sich gar nicht gehöre: sie ist toto genere von demselben verschieden. Ich könnte mithin den Gegenstand fallen lassen; aber der falsche Weg der modernen Naturwissenschaften zwingt mich, ausführlicher zu sein.

Ich fordere also zunächst an diesem Ort mit geradezu feierlichem Ernste alle redlichen Naturforscher auf: endlich von der frevelhaften Uebertragung idealer Erkenntnißformen und ihres Wesens auf das Ding an sich abzulassen. Eine Ergründung der Natur ist nur möglich, wenn man mit dem Zauberstabe des individuellen, sich bewegenden Willens, den jeder Mensch in seiner Brust als unmittelbar Gegebenes findet, an die Natur herantritt. Man darf weder die Unendlichkeit subjektiver Functionen und Formen, noch die unendliche Theilbarkeit |

ii603 des Raumes und der Zeit, noch das dieser unendlichen Theilbarkeit widersprechende Atom, noch die unterschiedslose Einheit der idealen Substanz, kurz, Nichts, was aus der Natur idealer Formen fließt, auf das Ding an sich übertragen, das toto genere von allem Subjektiven verschieden ist. Das Ding an sich ist lediglich Trieb und zwar von einer ganz bestimmten Intensität: Nichts Anderes giebt es auf dem Gebiete des Dinges an sich.

Ferner: die physikalischen Naturkräfte, wie Schwere, Undurchdringlichkeit, Elasticität, Wärme, Licht, Electricität, Magnetismus u.s.w. sind keine unabhängig von den Dingen existirenden metaphysischen Wesenheiten, sondern lediglich Erscheinungen des individuellen Willens: entweder gehören sie zum Individuum an sich, oder sie sind Modificationen eines normalen Zustandes des Individuums.

Wenn man einen chemisch homogenen Körper, z.B. kohlensauren Kalk, sich fortgesetzt getheilt denkt, so kommt man an Theile von gewisser Größe, die sich nicht mehr theilen lassen, wenn sie kohlensaurer Kalk bleiben sollen; gelingt es, sie zu spalten, so erhält man als Trennstücke einen Theil Kohlensäure und einen Theil Kalk. Diese kleinsten Theile eines Körpers nennt man Molecüle.

(465.)

Ganz abgesehen davon, daß der kohlensaure Kalk durch und durch kohlensaurer Kalk ist, also in der Theilung nie, nie die Kohlensäure vom Kalk getrennt werden könnte, so ist die Stelle schon deshalb ganz widersinnig, weil man fragen kann: Warum theilen Sie die einzelnen Trennstücke nicht weiter? also das Trennstück Kohlensäure und das Trennstück Kalk? Wer giebt Ihnen das Recht, die Theilung plötzlich zu unterbrechen?

Redliche Naturforscher! Nehmen Sie sich ein warnendes Beispiel an Herrn von Hartmann! Er überträgt zunächst freventlich die unendliche Theilbarkeit der subjektiven, idealen Form Raum auf das Ding an sich, und dann macht er, trotz der unendlichen Theilbarkeit, plötzlich Halt und postulirt das Molecül.

Die einfachen Zahlenverhältnisse der Atomgewichte lassen darauf schließen, daß alle diese Theilstücke der Materie letzten Endes nur verschiedene Lagerungsformen einer verschiedenen Anzahl gleichartiger Grundelemente oder Uratome sind.... Diese gleichartigen Uratome, die ich hinfort schlechtweg Körper-Atome nennen werde, müssen nach allen Richtungen mit gleicher Kraft wirken, |

ii604 können also, wenn sie stofflich gedacht werden sollen, nur kugelförmig gedacht werden.

(466.)

Redliche Naturforscher! Nehmen Sie sich ein warnendes Beispiel an Herrn von Hartmann.

Außer diesen Körper-Atomen giebt es noch Aether-Atome, welche sowohl in jedem Körper zwischen den Körpermolecülen, als auch (!) zwischen den Himmelskörpern vertheilt sind.

(466.)

Redliche Naturforscher! Nehmen Sie sich ein warnendes Beispiel an Herrn von Hartmann.

Körper und Körper-Atome ziehen sich an, und zwar im umgekehrt quadratischen Verhältnisse der Entfernung.

(466.)

Aether und Aether-Atome stoßen sich ab, und zwar im umgekehrten Verhältnisse einer höheren, als der zweiten Potenz der Entfernung, mindestens der dritten.

(467.)

Zwei Aether-Atome können nie zusammenstoßen, weil ihre Abstoßung auf unendlich (!!) kleine Entfernungen unendlich (!!) groß wird.

(ib.)

Redliche Naturforscher! Nehmen Sie sich ein warnendes Beispiel an Herrn von Hartmann.

Körper- und Aether-Atome stoßen sich ab.

(467.)

Wie man also auch die Sache betrachten mag, in jeder Beziehung empfiehlt sich die einfachste Annahme am meisten, daß das Körper-Atom nur Anziehungskraft, das Aether-Atom nur Abstoßungskraft hat, die sich gegen beide Gattungen von Atomen gleichmäßig äußert.

(470.)

Redliche Naturforscher! Nehmen Sie sich ein warnendes Beispiel an Herrn von Hartmann.

Dächte man sich je ein Körper-Atom und je ein Aether-Atom verschmolzen, so würde plötzlich alle Kraft aus der Welt verschwinden, denn die Gegensätze hätten sich neutralisirt. So sehen wir hier das Auseinandergehen in einen polarischen Dualismus als das die materielle Welt erzeugende Princip.

(471.)

Wir haben die Masse eines Dings nunmehr zu definiren als die Anzahl seiner Atome.

(472.)

Unsere Auffassung der Materie hebt die beiden bisher getrennten Parteien der Atomisten und Dynamisten in sich auf.

(481.)

ii605 Die Materie ist also ein System von atomistischen Kräften in einem gewissen (!) Gleichgewichtszustande. Aus diesen Atomkräften in den verschiedenartigsten Combinationen und Reactionen entstehen alle sogenannten Kräfte der Materie, wie Gravitation, Schwere, Expansion, Elasticität u.s.w.

(484.)

Redliche Naturforscher! Nehmen Sie sich ein warnendes Beispiel an Herrn von Hartmann. –

Und nun wieder zu Ihnen, Erzromantiker.

Die Aeußerungen der Atomkräfte sind also individuelle Willensacte, deren Inhalt in unbewußter Vorstellung des zu Leistenden besteht. So ist die Materie in der That in Wille und Vorstellung aufgelöst.

(486.)

Die unorganischen Individuen, einfache homogene Kräfte, wie Kohlenstoff, Gold, Phosphorsäure, salpetersaures Kupferoxyd u.s.w., welche, wie die sogenannte organisirte Materie, Wille sind – angeschauter, objectiver Wille – haben lediglich blinden Trieb von einer bestimmten Intensität. Die festen Körper streben nach einem idealen, außerhalb ihrer Sphäre gelegenen Punkt; die Flüssigkeiten haben dasselbe Streben und zugleich das Streben horizontal nach allen Richtungen auseinanderzufließen; die Gase dagegen streben nach allen Seiten aus idealen Punkten heraus. Diese Triebe sind auch nicht resultirende aus verschiedenen Kräften, sondern einheitliche Triebe.

Merken Sie sich Das recht genau, Herr von Hartmann.

Das, was der Wille erst schafft, kann nicht vor vollendetem Wollen schon vorhanden sein, der Wille als solcher kann also nicht realräumlich sein.

(488.)

Kurz und gut (!), Wille und Vorstellung sind beide unräumlicher Natur, da erst die Vorstellung den idealen Raum, erst der Wille durch Realisation der Vorstellung den realen Raum schafft.

(ib.)

»Kurz und gut!«– So ist’s Recht. Dieses»Kurz und gut«ist außerordentlich charakteristisch für Sie und die Blüthe Ihres Geistes: die Philosophie des Unbewußten.

Im Weiteren ergiebt sich dann, daß die Kraft an sich unräumlich und nur ihre Aeußerungen realräumlich sein sollen. Die Aeußerungen sollen nie den gemeinschaftlichen Durchschnittspunkt erreichen, der ideal bleibt und der Sitz der Kraft wird.

ii606 Sie unbesonnener Nachtreter im Schlimmen! Sie trennen, wie Schopenhauer, die Kraft von der Aeußerung der Kraft, den Sitz der Kraft vom Sitz ihrer Wirksamkeit; oder mit anderen Worten: Sie lehren unverschleiert actio in distans. Soll ich dieses»dogmatische Gewäsche«(Kant) kritisiren? Ach nein! Ich will mich nicht unnützer Weise wiederholen und verweise Sie auf meine Kritik der Schopenhauer’schen Philosophie.

Ich will nur noch sagen, daß alle Irrthümer aller Philosophen und aller Naturforscher in Ihrer Philosophie des Unbewußten sich ein Stelldichein gegeben haben und Saturnalien feiern, die in unserem Zeitalter unerhört sind: es ist der reine Hexensabbath.

In unorganischen Körpern können höchstens die Atome jedes für sich ein Bewußtsein (!) haben. Natürlich würde dieses Atombewußtsein an Armuth des Inhalts die denkbarst letzte Stufe einnehmen.

(490.)

So hätten Sie denn glücklich festgestellt, daß Ihre Philosophie des Unbewußten, als gedrucktes Buch, Bewußtsein habe, daß die Steine, aus denen Ihr Haus gebaut ist, bewußt sind!

Wer lacht da? – Ich lache nicht, Herr von Hartmann, Das dürfen Sie mir glauben. Wehmuth hat mich ergriffen und tiefe Trauer über die Verirrung eines Talents, das auf einem praktischeren Gebiete als dem der Philosophie vielleicht sehr Bedeutendes geleistet hätte. Können Sie nicht noch umsatteln? Sollte es wirklich schon zu spät sein? Befolgen Sie meinen Rath und Sie werden bestimmt Das finden, was Ihnen jetzt absolut fehlen muß: den inneren Frieden.

 

VI. Der Begriff der Individualität.

Das Individuum ist ein Ding, welches alle fünf möglichen Arten von Einheiten in sich verbindet:

1) räumliche Einheit (der Gestalt);

2) zeitliche Einheit (Continuität des Wirkens);

3) Einheit der (inneren) Ursache;

4) Einheit des Zweckes;

5) Einheit der Wechselwirkung der Theile untereinander (sofern welche vorhanden sind).

(494.)

Sie vermehren die Merkmale ohne Nothwendigkeit, mit offenbarer Gewalt; ja, die Individualität ist überall in der ganzen Natur so augenfällig, daß sie gar kein Merkmal braucht und man mit |

ii607 apodiktischer Gewißheit sagen kann: die Individualität und ihr Merkmal sind Eines und dasselbe. Die räumliche Einheit oder, wie gesagt, besser: die individuelle Kraftsphäre, die Individualität schlechthin, schließt alle anderen von Ihnen aufgeführten Einheiten in sich: die Continuität des Wirkens, weil sich kein Wille mit intermittirender Thätigkeit denken läßt; die Einheit der inneren Ursache, weil jede Individualität eo ipso die einheitliche Quelle ihrer Thaten ist; die Einheit des Zwecks, weil jede Individualität immer strebt; die Einheit der Wechselwirkung der Theile, weil jede Individualität einen einheitlichen Lebensgrund hat.

Ganz falsch wäre es und völlig unhaltbar, wenn man räumliche Besonderung und Abschließung als Bedingung der Individualität behaupten wollte, denn dann würden die nur äußerlich an irgend einer Hautstelle verwachsenen Zwillingsgeburten (man denke an die jetzt über 60 Jahre alten Siamesen) stets als nur Ein Individuum zu betrachten sein; was doch gar zu widersinnig wäre.

(498. 499.)

Ich behaupte, wie ich bereits andeutete, gerade Das, was Sie verpönen. Die räumliche Besonderung ist das einzige äußere Merkmal des Individuums; da aber jedes Objekt (in Raum und Materie eingegangene Ding an sich) auch Ding an sich ist, so ist überall da, wo das äußere Merkmal nicht ausreicht, um das Individuum zu bestimmen, das innere Merkmal, die Kraftsphäre, von innen erfaßt, heranzuziehen. Ich wiederhole jedoch, daß es sich immer nur um Ein Merkmal: die Individualität selbst, handelt, welche sowohl von innen, als von außen erfaßt werden kann.

Die siamesischen Zwillinge sind, mit Absicht auf Das, was gemeinsamer Lebensgrund für sie war, wie zwei Pflanzen anzusehen, welche auf Einem Lande wachsen. Es wird Niemand behaupten, daß eine Eiche und eine Buche, welche nebeneinander stehen, deshalb ein einziges Individuum seien, weil sie einen gemeinschaftlichen Boden haben. Ebenso ist jeder einzelne Polyp eines Polypenstocks ein Individuum. Der Umstand, daß sie einen gemeinsamen Magen haben, fällt gar nicht in’s Gewicht, so wenig wie die Erde bei der Buche und Eiche, wie angeführt, in’s Gewicht fällt. Gehört die Erde, welche an einem entwurzelten Baume hängt, zu seiner Individualität? Hätte der Polyp Selbstbewußtsein, so würde er sich etwa fühlen wie ein Mann, welcher an eine Wand gekettet ist. |


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