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Willi van Hengel

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  1. WRITTEN IN MARCH (by William Wordsworth)

Geboren am 13.05.1963 in Heinsberg

Am Birnbaum 13
52525 Heinsberg
Tel: 02452 – 93 06 85
E-Mail: vanhengel@t-online.de
www.vanhengel.de

Studium: 1983 – 1995 in Bonn
Philosophie, Germanistik, Politikwissenschaft
Abschluss zum M.A. („Dekonstruktion im Blick auf Nietzsche“)

Beruf: – Korrektor im Deutschen Bundestag in Bonn (bis 1999) – Korrektor in der Satz- und Werbefirma ProSatz GmbH, Mönchengladbach (2001 – 2004) – Scanning-Mitarbeiter im Kaufland Düsseldorf-Derendorf (2004 – 2005) – Korrektor bei der Druckvorstufenfirma LSD Düsseldorf (2005– 2006)

Bibliographie:
Erster veröffentlichter Roman: – “Lucile” (erschienen 2006; edition LIThaus Berlin; Verleger: Heinz Trautvetter)

Fernsehporträt: in der Sendung „west.art“ (WDR) am 13. Juli 2006, 22.15 Uhr
(anzuschauen auf meiner Homepage: www.vanhengel.de)

Zahlreiche veröffentlichte Zeitungsartikel.

Kurzgeschichten: – „Leckerchen“ in: Kult 20, Dezember 2005 – “die weisheit der schlange“ in: Die Brücke. Forum für antirassistische Politik und Kultur, Heft 1/2005 – “Ayla“ in: Die Brücke, Heft 2/2005 – „Und gespült zurück“ in: kunstlabor.de (Erkelenz) und litrum.de (Hamburg) – “auf meinem schreibtisch“ in: Kult 20/2004 – „Mias Erkenntnis“ in: Asphaltspuren, Nr.4/2005 – “Über den Versuch, das Dasein ästhetisch zu rechtfertigen“ (Essay über Schiller)

in: Die Brücke, Heft 4/2005 (dazu noch ein Gedicht) – “Der Tod und die Freiheit“ in: opinio.de. Literatur-Internetseite der „Rheinischen Post“ – „Die Kunst, ihr zeitloses Empfinden und der Tod“ (Essay) in: opinio.de. Literatur-Internetseite der „Rheinischen Post“, Düsseldorf – „Vico“ (erzählender Aphorismus) in: litrum.de, Hamburg („Meine Literatur. Texte“) – „Moral und Geschmack bei Nietzsche“ (Essay; noch nicht veröffentlicht) – „Frau (bei) Nietzsche“ (Essay; noch nicht veröffentlicht) – „Autist und Chirurg“ (Essay, in Vorbereitung)

Ferner:
„Interview mit Willi van Hengel“

in: litrum.de, Hamburg (unter: „Unsere Autoren“ – geführt mit Torsten Schubert)

„ALLES STIMMT“, SAGTE ER NACHHER. von Willi van Hengel (copyright)

Er stand auf und ging zu dem großen Bücherregal, das die ganze Wand des Zimmers ausfüllte. Die meisten Namen auf den Buchrücken sagten ihm nichts. Er kippte mit dem Zeigefinger eines heraus, schlug eine Seite auf und las: „er war ein schwermütiger Idealist, der die leere Geschäftigkeit des Tages mit einem Müßiggang verachtete, die großes Unverständnis entfachte. Seine Kraft schöpfte er aus einer Genügsamkeit, die sein Handeln fast zur Parodie machte. Die Befriedigung seiner Bedürfnisse war allein geistiger Natur. Daher – und das wusste nur er – bestand seine Zukunft aus einer zunehmenden Vereinsamung…”
Ines’ Stimme aus dem Nebenzimmer hörte er nicht mehr; dann und wann nur ein ungläubiges Nein oder ein fragendes Wirklich oder einfach nur Gelächter. Er stellte das Buch ins Regal zurück und zog ein kleines leuchtend-gelbes Reclambüchlein raus, aus dem ein gefalteter Zettel ragte. Die Schönheit eines buckligen Denkers stand auf dem oberen Rand und darunter in Gänsefüßchen: „ein Dritter findet in sich ein Talent, welches vermittelst einiger Kultur ihn zu einem in allerlei Absicht brauchbaren Menschen machen könnte. Er sieht sich aber in bequemen Umständen und zieht vor, lieber dem Vergnügen nachzuhängen, als sich mit Erweiterung und Verbesserung seiner glücklichen Naturanlagen zu bemühen…“ Auch dieses Büchlein klappte er schnell wieder zu und schob es in die Lücke, die er mit gespreiztem Daumen und Zeigefinger auftat, zwischen die vielen anderen Reclamheftchen. Er glaubte gehört zu haben, dass Ines den Telefonhörer eingehängt hatte. Doch ein weiteres, sehr rasch in sich verstummendes Gelächter beruhigte ihn wieder. Am Ende des Regals, neben einem grauen Lexikon der Antike, entdeckte er zwei Agfa-Umschläge mit Bildern. Auf dem einen, dickeren, las er die mit Tinte geschriebene und mit Zacken umrandete Jahreszahl 1992, die Geburtstagsfotos, dachte er und nahm die Bilder, im Glauben, nichts Ungewöhnliches zu entdecken heraus. Und er freute sich, als er Ines gleich auf dem ersten Foto nur mit einer Badehose bekleidet in der Abenddämmerung eines roten Sonnenunterganges im Schneidersitz vor einem Strohzelt sitzen sah. Es roch nach heißem Sand und salzigem Meerwasser. Das sanfte Lächeln eines gebräunten Teint erzählte von einem weiten Strand irgendwo im Süden. Fotos von ihrem letzten Urlaub, den sie alleine verbrachte, um in aller Ruhe über sie beide nachdenken zu können. Die klare Luft des Südens wird mir gut tun, sagte sie damals beinahe versöhnlich, und dir auch. Nie wieder werde er vergessen, wie sie vor ihm stand und es sagte. Sie sah ihn an, ohne in seine Augen zu sehen. Ihren Blick legte sie lediglich auf seine Schläfe. Verwundert darüber hatte er sich nichts weiter gedacht. Er schob das obere Bild unter den Stapel und… traute plötzlich seinen Augen nicht. Kurt, der nicht im geringsten mit uns beiden etwas zu tun hat, wie sie immer betonte, stand da, ein Bein angewinkelt gegen eine alte Dorfmauer gelehnt, erhaben und siegesbewusst, Kurt, so kurz wie sein Name, dachte er kopfschüttelnd, Kurt, über den er sich immer nur lustig gemacht hat, weil er so klein war und Ines mit kleinen Männern überhaupt nichts anfangen konnte, was soll daran erotisch sein, sagte sie immer, wenn ein kleines Männlein an dir hochklettert, um dir einen Kuss zu geben. Er konnte es nicht glauben. Vielleicht ist dieses Bild nur dazwischengerutscht, dachte er, wahrscheinlich gehört es gar nicht zu diesem Film, ein Foto von einer anderen Reise, ein Relikt aus einer fremden, früheren Zeit? Doch es war nicht so. Natürlich war es nicht so. Er wehrte sich gegen seinen Instinkt, gegen alles in ihm. Die vielen anderen Bilder, die er mit zitternden Händen durchblätterte, immer schneller und verwundeter, immer sprachloser und entsetzter, sangen ein Requiem mit einem hämischen Lachen obendrein.

Drei Wochen auf einer griechischen Insel, schwankend und torkelnd im Mittelmeer, verschwiegen und heimlich, weiche Berührungen aus Sand, Wind und erregten Fingerspitzen, Sonnenhaut, und aus jeder Pore atmet eine Lüge, eine Lüge wie eine Hure, die nicht von dir ablässt, weckt eingeschlafene Gedärme, als ob ein Engel mir von hoch oben aufs Haar scheißt… Die Erkenntnis ist kein Vernunftakt, sie schlüpft aus anderen Öffnungen und verwandelt, wie in diesem Moment, als er am Bücherregal stand und sich anlehnen musste, manchen Mund in einen Anus… Ein tiefer Stich und dennoch nicht tot. Ein Augenblick lang gaukelte er sich vor, er wäre selbst eine griechische Insel, schwankend und torkelnd im Schmerz, doch weit am seinem Herz rauscht das salzige Wasser vorbei… Sie hatte ihr Zepter verloren, an dessen Ende die Worte Liebe und Folter eingeritzt waren. Ihre Macht, ihm weh zu tun, so lange nun schon, lag niedergestreckt und ausgetrocknet zwischen ihnen, ein tiefer unüberbrückbarer Graben, ein verschmutztes Rinnsal, auf dessen Oberfläche Erinnerungsreste und Kot schwammen, also Wörter, die kein Gesicht mehr hatten. Plötzlich stand Ines neben ihm. Er hatte sie nicht gehört. Sie sah auf seine Hände, sah die Bilder. Und ihr schlechtes Gewissen schoss wie eine Blutlache in ihr Gesicht. Blut, in dem sich nun sein Vertrauen waschen konnte. Er hielt ihr, nun nicht mehr zitternd, das vorletzte Bild hin und sagte, dass das eine ihm am besten von allen gefiele. Es zeigte sie nackt aus dem Meer kommend, ein strahlend blauer Himmel wie ein großer Hut auf ihrem Kopf, herzhaft lachend, ein schöner Körper, von weiten runden Linien geformt, schokoladenbraun ihre Haut, in die man hineinbeißen mochte… Wütend riss sie ihm die Bilder aus der Hand. Sie wusste, sie fühlten es beide, dass jedes Wort, das sie nun sagen würde, umsonst war. Hilflos tappste sie umher, torkelnd ihre Worte, die sie dennoch sich abring: dass sie nicht gut fände, was er da gemacht hätte, und was ihm einfiele, einfach in ihren Sachen herumzustöbern… Er sah sie an, dachte nur sommerfrisch gebräunte Tomatenrübe und prustete ein mitleidendes Gelächter aus. In jedem Schmerz verbirgt sich ein Keim von Anarchie, sagte er nur und wunderte sich immer noch darüber, dass er so ruhig blieb. Ob sie es ihm schenke, fragte er sie… keine Reaktion… dann eben, ob noch etwas Kaffee in der Kanne sei… Doch sie sah ihn nur mit einem bösen Blick an. Auf dem Heimweg, langsamen Schrittes durch eine angenehme Dunkelheit, überfiel ihn der Gedanke und mit ihm die Freude, es geschafft zu haben, endlich. Mit einem Mal merkte er, dass er die Kraft hatte, ihr das Recht auf seine Gefühle abzusprechen; keine zerstörende Eifersucht, keine vage Vermutung, nichts mehr, nicht einmal mehr die Hoffnung, dass sie zu ihm irgendwann zurückkehren würde, einfach so vor der Tür stehen und um Verzeihung bitten: sie habe weder ein noch aus gewusst und sich an Kurt festhalten müssen wie an einem Rettungsanker, aus Angst, das dünne Eis unter ihren Füßen könne jederzeit zerbrechen, Gefühle, die sie selber nicht erklären könne, ein ständiges Hinundher-gerissensein und Nachdenken-müssen und Nichtnachdenken-können mit dem marternden Gefühl, nicht mehr weiter zu wissen, also ganz anders als früher, warum konnte es nicht so wie früher sein, unser blindes Einvernehmen, unser reines Vertrauen, egal was der andere macht, warum nicht mehr, immer wieder diese unerbittliche Frage, diese Ausweglosigkeit und Ohnmacht; also sei sie einfach losgezogen, abgehauen, es wäre eine Flucht nach vorne gewesen, ja, so hätte sie es genannt, um mit aller Macht den Gordischen Knoten durchschlagen zu können, mit einer langen Reise, auf eine Insel, eine griechische… Zuerst habe sie sich überlegt, alleine zu fahren; doch sehr schnell habe sie dann davon abgelassen; in diesem Zustand alleine zu verreisen, wäre die Hölle gewesen, nein, das wäre überhaupt nicht möglich gewesen. Also habe sie – da sie ihre Hand dafür ins Feuer hätte legen können, dass er nicht mitfahren würde, nicht in diesem Zustand, nicht jetzt, hätte er sicherlich gesagt und irgendwie ja auch recht damit gehabt – Kurt gefragt; drei Wochen mit ihm, Tag für Tag, das müsse einfach zu einem Ergebnis führen… Und er hätte sie, so stellte er sich, nun fast zu Hause angekommen, vor, in den Arm genommen und aufmerksam auf seine Gefühle geachtet. Wie eine Fahne hätte er sich zwischen sich und ihren Tränen gehängt und darauf gewartet, ob der Wind ihrer Liebe sie noch einmal zu den Göttern trägt, ob er die Buchstaben ihrer Reue in eine Höhe pustet, die alles klein und unbedeutend erscheinen lässt. Aber dazu wird es nun nicht mehr kommen, sagte er sich, während er den Haustürschlüssel aus der Tasche zog. Die Hoffnung gebiert kein Verzeihen mehr. Sie ist geplatzt wie ein Ballon in den Händen… Er fühlte sich leicht. Aber dennoch ärgerte er sich über eines maßlos. Und das sollte ihn sein Leben lang nicht mehr loslassen. Nämlich, dass er sie damals, auf ihrem Weg auf die Insel, zum Bahnhof gebracht und dabei auch noch ihr Gepäck getragen habe, einen kleinen Koffer und einen Rucksack. Noch rasender machte ihn jedoch die Vorstellung, dass Kurt in seiner Lederhose eine Station später eingestiegen ist und sie ihm als allererstes gesagt hatte, dass alles genau so aufgegangen sei, wie sie es sich vorgestellt hätten: sogar die etwas gefährliche Frage, ob er mit ihr fahren würde in den Süden, mit ihr? jetzt? in Urlaub? nein! habe nicht nur die gewünschte, sondern auch die vorhergesagte Reaktion, vielleicht sogar in einem Moment, in dem sie in seinen Armen lag, gebracht, so, dass sie nachher immer sagen könne, dass letzten Endes nicht es gewesen sei, die nichts für die Rettung ihrer Beziehung getan habe, nicht einmal in einer derart tiefen Krise mit ihr in Urlaub zu fahren… Außerdem, so stellte er sich vor, hätte sie ihm, dem Spargelkurt, aus freudigem Übermut heraus, sogar noch ins Ohr geflüstert, dass sie alle drei ohne weiteres und eigentlich zusammen zum Bahnhof hätten gehen können, darauf wettend, dass er auch noch seine, also Kurts Koffer, getragen hätte… Keine Frau hat ihn je so betrogen wie Ines es getan hat. Nicht einmal seine Mutter bei seiner Geburt. Erstaunlicherweise aber mochte er beiden verzieihen, ohne jede Anstrengung, ohne Wenn und Aber, wie es nun einmal so bei Menschen ist, die einem ans Herz gewachsen sind, weil er fühlte, dass die beiden nie glücklich werden würden, niemals! Mit der Verwunderung beginnt das Leben und damit das Gefühl der Ungerechtigkeit. Und er drehte den Schlüssel um und drückte, tief durchatmend, die Wohnungstür hinter sich zu, mit der großen Lust, alleine sein und nur noch sich selbst umarmen und nur noch für sich sein zu wollen, als ein ganz anderer Mensch… denn der Tod einer Leidenschaft hinterlässt entweder Tote oder gänzlich Veränderte. Eingabe 27 Januar 2007 | 18:23 in Prosa

 

KREISLAUF DER ANGST

von Tom Delißen (copyright)

Die weiß schäumenden Wellen rollten schwer an den Strand des Inselgestades. Ich stand in dem vom Nieselregen noch feuchten Kies, sah die Segel der kleinen Brigg am grauen Horizont verschwinden.
Dunkelgrün ragte ein Wald dräuend auf.
Wo befand sich der Führer, der auf mich warten sollte? Soweit ich blicken konnte war niemand zu sehen. Auf meine Rufe antworteten nur die Geräusche der Natur, des Ozeans.. An einer geeigneten Stelle erkletterte Ich den steilen Steinwall, fand bald einen umgestürzten Baum, der meinem Plan entgegenkam, und begann Tee zuzubereiten, während ich auf den Eingeborenen wartete. Er sollte mich durch das Waldgebiet in die Dörfer begleiten.
Mit einem Kanten trocknen Brotes und einem kleinen Stück Handkäse, noch aus dem Kloster, das ich vor vielen Wochen auf Anweisung des Priors verlassen hatte, stillte ich meinen Hunger. Hier, auf dieser unwirtlichen Insel, sollte ich die Missionierung der Bewohner vorbereiten.
Ich kam mir jämmerlich vor. Der Wald, den ich von der kleinen Anhöhe aus, auf der ich lagerte, ein kleines Stück weit im Auge hatte, schien mir bedrohlich, dunkel, von bösen Geistern erfüllt.
Meine rechte Hand griff verkrampft an das silberne Kreuz, das vor meiner Brust baumelte.
Wie oft hatte ich bei meiner Arbeit als Kalligraph in den Gewölben des Jesuitenklosters die entsetzlichsten Darstellungen über die Gefahren, die einsamen Wanderern, vor allem in unbewohnten Wäldern drohten, gelesen. 
Ich schlürfte den heißen Tee, versuchte mich zu beruhigen.
Ich befand mich immerhin auf einer Mission zu Gottes Gnaden. Was konnte mir passieren?
Sollte ich das Feuer löschen? Lenkte es die Aufmerksamkeit der Dämonen auf mich?
Doch die Angst, die schnell näher kommende Nacht im Finstern zu verbringen, behielt Oberhand und ich legte noch etliche Äste auf. 
Der brackig schmeckende, starke Wein aus dem Lederbeutel wirkte als probater Schlaftrunk, erst in den ersten Sonnenstrahlen wachte ich, von harscher Hand geschüttelt, mit einem entsetzten Schrei, dem sicheren Wissen um mein letztes Stündlein auf.
Aus weit aufgerissenen Augen starrte ich das Monster an, das sich mit zotteligen Haaren über mich beugte.
Ein grauer, zerzauster Bart, lederne Jagdkleidung, ein schwarzer Hut mit weiter Krempe. 
“Heho, Reisender!“ Die Gestalt musterte mich mit spöttischem Blick.
Ich war an die Rinde des Baumes zurückgewichen, starrte diesen Teufel an, der nur aus der Hölle kommen konnte, – wer sonst, außer der gefallene Engel konnte solch flammenden Pupillen besitzen, solch krallenförmige Hände?
“Vade retro!“ rief ich und hielt ihm das Kreuz an meiner Brust entgegen.
Das Wesen beachtete mich nicht weiter und begann in der Feuerstelle zu stochern, die Glut neu zu entfachen. 
Geschickt häutete der Mann ein Kaninchen, das er mitgebracht hatte und bald knurrte mein Magen, angeregt durch die verlockenden Düfte des Bratens.
Erst jetzt richtete der Wanderer erneut sein Wort an mich.
“Ihr seid Bruder Martin?“
Es musste mein Führer sein!
Ich nickte hastig. “Ja, ich bin Pater aus dem Kloster St. Vergin, gesandt von seiner Heiligkeit dem Papst, dem Oberhaupt der Kirche und Vertreter Gottes auf dieser Welt. Ihr müsst der Begleiter sein. Warum habt ihr mich die Nacht über allein gelassen? Wo wart Ihr? Was fallt Ihr frühmorgens über mich her? Ihr habt mich zu Tode erschreckt!“
In den nächsten Stunden stellte sich heraus, welch ungewöhnlichen Menschen ich da am Feuer sitzen hatte. Er war keltischer Druide, ein Magier und Heilkundiger. 
Wenn ich heute, nahezu Eintausendfünfhundert Jahre später, an jene Geschichte denke, die er mir irgendwann im Laufe jenes Vormittages erzählte, an nur eine von vielen Geschichten, wobei diese eine jedoch in ihrer erschreckenden Wahrheit tiefen Eindruck auf mich machte, ist die Angst, die mein ständiger Begleiter ist, wenn ich durch die mit den Leichen Influenzakranker gepflasterter Straßen und Gassen der Städte des Jahres 2010 wandere, etwas leichter zu ertragen, das grausame Schicksal der Menschheit ein wenig akzeptabler. 
„Einst, “ so erzählte der Zauberer mit seinem fremden Akzent, „wurde die Erde von Riesen bewohnt. Sie herrschten über die Welt, stellten die Könige, denen alle Ländereien untertan waren.“
Er erging sich in einer begeisterten Lobpreisung dieser vergangenen Epoche und so fragte ich ihn: “Würdest Du es denn gerne sehen, wenn die Riesen das Land wieder beherrschten?“
Er sah mich aus verschmitzten Augen an.
“In dieser Zeit,“ sagte er, schmatzend an einem Knochen saugend, „ging einmal ein Riesenmädchen mit ihrer Mutter spazieren, als ihr Blick auf seltsame kleine Tierlein fiel, die mit einem Ochsengespann winzige Furchen in das Erdreich zogen.“
Er warf den Knochen ins Feuer, sprach weiter. “Lachend setzte sich das Riesenmädchen zu Boden, ergriff mit Daumen und Zeigefinger die lustigen Tiere, mitsamt dem winzigen Ackergerät, ließ sie in eine Falte ihres Hemdes fallen und sah schmunzelnd zu, wie die kleinen Wesen in Panik hin und her rannten. ’Was sind denn das für seltsame Käferlein?’, fragte es die Riesenmutter. Deren Blick war bitter ernst geworden. ’Nicht lange, Kind, und diese Wesen werden an unserer Stelle sein, wenn wir die Welt, unsere Ländereien verlassen müssen. Bald werden diese Geschöpfe uns ersetzen. Das ist der Lauf der Welt.’ Der Druide wischte sich die fettigen Hände an der Hose ab. “Und nun, “ sagte,der Zauberer, mein Führer in jenen Tagen auf der der grünen Insel zu mir, „blicke dir durch ein geschliffenes Glas die Tierwelt in der Matratze deiner Bettstatt an.“ Er spuckte ein zähes Stück Hasenfleisch zur Seite. “Dann wird Dir klar werden, wer heute die Riesen sind und was mit ihnen passieren wird.“

Eingabe 31 Juli 2006 | 16:09 in Prosa


Дата добавления: 2015-12-08; просмотров: 75 | Нарушение авторских прав



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