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Belarussische Literatur

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Vor allem in der Postsowjetzeit hat die belarussische Literatur mit dem Klischee zu kämpfen, dass sie sich nur mit zwei Themen befasse - mit dem belarussischen Bauern und dem Leben auf dem Dorf einerseits, und anderer­seits mit dem so genannten Großen Vaterländischen Krieg, wie der Kampf der Roten Armee gegen die deutsche Besatzung (1941-1945) bis heute genannt wird. Wie ist diese begrenzte Themenwahl zu erklären?

Die belarussische Literatur hat sich vor allem im 19. Jahrhundert nicht so ent­wickeln können wie andere Nationalliteraturen. Mit den drei Teilungen Polens schien ab Ende des 18. Jahrhunderts auch das Schicksal der belarussischen Literatur besiegelt. Es erfolgte eine Russifizierung der im Westen neu hinzugekommenen Regionen des russischen Imperiums. Die Bezeichnung Belarus verschwand aus dem offiziellen Sprachgebrauch und wurde ersetzt durch „Nordwestliches Randge­biet" („Severo-zapadnyj kraj"). Belarussische Schulen wurden geschlossen, das Verlegen belarussischer Bücher immer mehr eingeschränkt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschten vor allem humoristisch-satirische Burlesken vor, die nicht selten anonym herausgegeben wurden. Hierzu gehörte auch das Poem „Taras na Parnase" („Taras auf dem Parnas", ca. 1850). Obwohl die Urheberschaft nie richtig geklärt wurde, gilt Kanstancin Vieranicyn (1834-1904) heute als Autor. In leicht humoristischer Form wurde hier der Förster Taras beschrieben, der nach getaner Arbeit einschläft und im Traum auf dem Berg Parnas bedeutenden Schrift­stellern seiner Zeit (Puskin, Lermontov, Gogol' u. a.) begegnet und schließlich in den Palast, in dem die Götter wie belarussische Bauern wohnen, gelangt. Obwohl relativ einfach geschrieben, gilt es als eines der ersten der modernen belarussischen Literatur. Der Verfasser schien den Literaturbetrieb seiner Zeit sehr gut gekannt zu haben, zumal das Ziel seiner Kritik die offiziell propagierte Literatur und die ideali­sierte Schilderung des belarussischen Dorfes war.

Zahlreichen kleineren gegen das Zarenregime gerichteten Aufständen und Befreiungsversuchen in Polen, Litauen und Belarus folgte 1863/64 der polnisch­litauische Aufstand, der in Belarus von Kastus' Kalinouski (1838-1864) angeführt wurde. Im Zuge dieses Aufstandes kam es zu zahlreichen Hinrichtungen oder Verbannungen nach Sibirien. Daneben hatte er ein über 40 Jahre währendes Verbot des gesamten belarussischen Schriftgutes zur Folge. Dies erklärt unter anderem, warum die belarussische Literaturgeschichte eine Epoche des Klassi­zismus nicht kennt und Romantik und Realismus nur in Ansätzen - vorwiegend bei Schriftstellern des 20. Jahrhunderts - vorhanden sind. In die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts fällt auch die Herausgabe der Zeitung „Muzyckaja prauda" („Bauernwahrheit"), welche den des Schreibens und Lesens meist unkundigen Bauern vorgelesen wurde.

Als erster Nationaldichter von Belarus gilt der ebenfalls am polnisch-litauischen Aufstand beteiligte Francisak Bahusevic (1840 - 1900), der sich als Schöpfer der belarussischen Literatursprache von volkstümlichen Quellen inspirieren ließ. Sein ganzes Leben hindurch schrieb er Belarussisch mit lateinischen Buch­staben, so dass auf orthografischer Ebene eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Polnischen entstand. Da seine eigentlich verbotenen Texte im selben Gericht in Vilnius verhandelt wurden, in dem er ab 1883 als Anwalt tätig war, schrieb er unter verschiedenen Synonymen. Seine Gedichtbände „Dudka belaruskaja" („Belarussische Schalmei", 1891) und „Smyk belaruski" („Belarussischer Fiedel­bogen", 1894) entlarven die Ungerechtigkeiten des zaristischen Manifestes von 1861. Der Held ist ein armer Bauer, der sich stets auf der Suche nach Wahrheit befindet - ein Plädoyer für die sozialen und nationalen Rechte des Bauern, das nur wenige Jahrzehnte später von Kupala, Kolas, Bahdanovic, Cetka, Jadvihin S. (Pseudonym für Anton Lavicki) u. a. wieder aufgenommen wird. In seinen letzten Lebensjahren arbeitete Bahusevic an einem belarussischen Wörterbuch.

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts begann aus sowjetischer (und bis heu­te auch russischer) Sicht eine Periode der Umstürze, die ihre Auswirkungen auch auf die belarussische Literatur hatte. Das Zarenregime war in Folge der Revolu­tion von 1905 stark angeschlagen, was eine Wiederbelebung des kulturellen, aber auch des politischen Lebens in Belarus zur Folge hatte. Die Belarussen wurden sich ihrer nationalen wie auch kulturellen Eigenständigkeit bewusst, streb­ten nach Freiheit und Unabhängigkeit und forderten für ihr Volk soziale Gerech­tigkeit ein. Somit standen sie in einer Tradition, die andere kleinere Staaten Ost- und Südosteuropas bereits im 19. Jahrhundert eingeleitet hatten. 1902 wurde die erste politische Partei von Belarus, die Belarussische Sozialistische Gemeinschaft, gegründet. Die Jahre von 1905 bis 1934, d. h. die Zeit bis zum ersten Kongress des sowjetischen Schriftstellerverbandes und der offiziellen Proklamation der Ästhetik des sozialistischen Realismus, werden als Renaissance oder Wiederge­burt der belarussischen Literatur bezeichnet. In dieser Periode begann sich die belarussische Sprache zu etablieren; im kulturellen Bereich entwickelte sich eine relativ unabhängige Tätigkeit. Es handelte sich zugleich um die Zeit, in der die drei Klassiker der belarussischen Literatur - Janka Kupala, Jakub Kolas und Maksim Bahdanovic-wirkten.

Janka Kupala hieß eigentlich Ivan Lucevic und lebte von 1882 bis 1942. Sein Pseudonym, das er aufgrund der strengen Zensur gewählt hatte, geht auf sein Geburtsdatum am 25. Juni zurück, an dem das Kupala-Fest gefeiert wird.,Janka', russisch,lvan', entspricht dem deutschen Johannes' und,Kupala' ist das russi­sche Wort für,Johannisfeuer', das zum Kupala-Fest auch heute noch angezün­det wird (siehe Kap. 4.10.7). Bei diesem Fest gehen um Mitternacht alle in den Wald, um die Glücksblume zu suchen. Wer das Farnkraut, das nur in dieser Nacht blüht, findet, der wird sein Leben lang glücklich sein, so der Mythos. Die Symbolik des Festes wurde Kupala zur Lebensaufgabe. Er strebte danach, diese Blume für das belarussische Volk zu finden, damit es ewig glücklich leben könnte.

Janka Kupala war Lyriker, Dramatiker, Publizist und Übersetzer. Er thematisierte die Geschichte der Nation und poetisierte das Leben auf dem Dorf und den Kampf des belarussischen Volkes für Freiheit und Menschenrechte. Selbst aus einer armen Bauernfamilie stammend, kannte er die Nöte der von den Großgrundbesitzern unterdrückten und ausgebeuteten Landbevölkerung. In sei­nem Debütwerk, dem programmatischen Gedicht „Muzyk" („Der Bauer", 1905), das seiner Zeit weit voraus war, wird der Bauer als Analphabet beschrieben, als sturer, zugleich aber auch mutiger, aktiver und liebenswerter Mensch, der sich selbst und andere respektiert.

Im gesamten Werk Kupalas trat das lyrische Ich für die soziale und nationale Befreiung der Belarussen ein. Seine Lyrik ist durchdrungen von einer passionier­ten Liebe zum Vaterland und zur Natur. Das Streben der Belarussen nach Frei­heit und Glück, ihr Wunsch, sich „Menschen nennen" zu dürfen, wird in dem Gedicht „A chto tarn idze?" („Wer schreitet einher...", 1910) Ausdruck verliehen. Die Komödie „Paulinka" („Paulinchen", 1913) stellt einerseits die Beschränktheit des belarussischen Landadels dar, andererseits werden die positiven Eigenschaf­ten der jüngeren Generation in der Titelfigur und ihrem Bräutigam Jakim thematisiert. Die Landbevölkerung stehtauch in den beiden Dramen „Raskidanaje hnjazdo" („Verstreutes Nest"; 1919) und „Tutejsyja" („Die Hiesigen"; 1922) im Vordergrund. Kupalas Texte, die stets ein unabhängiges Belarus propagieren, wurden ab Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zunehmend pessimistisch. In seinen letzten Lebensjahren widmete sich Kupala als Lyriker und Publizist dem Kampf gegen die faschistischen Besatzer. Bekannt geworden ist vor allem sein Gedicht „Belaruskim partyzanam" („Den belarussischen Partisanen", 1941).

Kanstancin Mickevic, besser bekannt unter dem Pseudonym Jakub Kolas (1882-1956), war der Sohn eines armen Waldhüters, der zuerst Lehrer und spä­ter Publizist wurde. Im Zentrum seiner Lyrik und Prosa steht der hart arbeitende und von den Landbesitzern verachtete belarussische Bauer, der langsam, aber spürbar an Selbstbewusstsein gewinnt und nicht länger gewillt ist, sich mit sei­nem Los abzufinden. Das lyrische Ich tritt als Fürsprecher der unterdrückten Land­bevölkerung auf. Seine Texte sind durch Optimismus und Glauben an das Volk gekennzeichnet. Das Poem „Novaja Zjamlja" („Neues Land", 1910-1923) thematisiert den ewigen Traum des einfachen Bauern von eigener Erde. Der Prot­agonist Michal, der sein ganzes Leben hindurch von diesem Traum beseelt war, scheiterte letzten Endes aber an den Gesetzmäßigkeiten und der Bürokratie sei­ner Zeit. Die rein beschreibenden Passagen vom Alltag in Michals Hütte, von den schweren Arbeiten der Hausfrau, des Försters und Onkel Antos', der sich um die Landwirtschaft kümmert, von den Spielen der Kinder und den Festen werden von philosophischen Überlegungen unterbrochen. Die Bestimmung des Individuums im Kosmos und enzyklopädische Sittenbilder, die ein präzises Bild der Traditio­nen, Riten und Gepflogenheiten der Landbevölkerung am Ende des 19. Jahrhun­derts vermitteln, werden eingeflochten.

Die Romantrilogie „Na rostanjach" („Am Scheideweg", 1923/27/54) weist ein reichhaltiges Inventar an Figuren auf. Im Mittelpunkt des im Palesse in Süd- Belarus spielenden Werkes steht der Dorflehrer Andrej Labanovic, Vertreter der Intelligenz und Fürsprecher der ärmeren Landbevölkerung. Sein ganzes Leben lang macht er sich Gedanken über den richtigen Lebensweg, um am Ende vor einer Weggabelung zu stehen, die die verschiedenen Wege, die sich dem Menschen auftun können, symbolisiert. Auch dieser Text spiegelt das dörf­liche Leben wieder. In dem Poem „Symon-muzyka" („Symon der Musikant", 1923) wird die Künstlerproblematik behandelt. Der einfache Bauernjunge Symon spürt schon früh seine Neigung zur Musik, die vor allem durch den alten Hirten Kiryl gefördert wird. Die Wanderungen des Protagonisten durch die Welt brin­gen den Gedanken zum Ausdruck, dass Kunst und heimatliche Erde untrenn­bar miteinander verbunden sind: Der arme Hirtenjunge zieht, lediglich mit ei­nem „Fiedelbogen" ausgerüstet, los und besingt das einfache Volk, nimmt sen­sibel die Natur in sich auf. Und sein Schicksal ist es gleichermaßen, in Armut sein Leben zu beenden.

Maksim Bahdanovic lebte von 1891 bis 1917 und war hauptsächlich Lyriker, aber auch Übersetzer und Publizist. Er verbrachte lediglich seine ersten fünf Le­bensjahre und später als junger Mann noch einige Monate in seiner Heimat. Er wuchs als Sohn eines Lehrers und Ethnographen in Niznij Novgorod und Jaroslavl' (Russland) auf, wo er autodidaktisch das Belarussische erlernte. Ebenso wie Kupala und Kolas fühlte er sich dem belarussischen Bauern verpflichtet. Er befasste sich intensiv mit belarussischer Folklore und der Natur und setzte sich für ein freies Belarus ein, so z. B. in dem Gedicht „Pahonja" über die gleichnamige Reitertruppe, die das litauisch-belarussische Wappen ziert. Doch in seinen Wer­ken findet auch die Stadt als Topos der Jahrhundertwende Platz. Vor allem Vil'njus, die damals noch zu Belarus gehörende, heutige Hauptstadt Litauens taucht im­mer wieder in seinen Werken auf.

In einer Reihe von Essays setzte sich Bahdanovic intensiv mit anderen sla­wischen Völkern, ihrem kulturellen und nationalen Erbe auseinander. Auf diese Weise versuchte er, den Standort der belarussischen Kultur im Vergleich zu den anderen slawischen Völkern zu bestimmen. Er rezensierte und übersetzte russi­sche und ukrainische Literatur, so z.B. den ukrainischen Nationaldichter Taras Sevcenko, ins Belarussische und die belarussischen Dichter Kupala und Kolas ins Russische. In seinem Debüt-Werk „Muzyka" („Der Musikant"; 1905), einer Kurzgeschichte, setzte er sich mit der Künstlerthematik und der Rolle des Künst­lers in einem diktatorischen Staat auseinander. Zu Lebzeiten hat er nur einen Gedichtband veröffentlicht (Vjanok, „Der Kranz"; 1913). Seine Bedeutung als Ly­riker liegt vor allem darin, dass er klassische Gedichtformen der westeuropäi­schen Literatur wie das Sonett, die Oktave, die Terzine, das Pentameter und das Rondell in die belarussische Literatur einführte.

Die belarussische Literatur erlebte in dieser Zeit ihren Höhepunkt. Sie war geprägt von mannigfaltigen Entwicklungen, die in ihrer Gesamtwirkung die Idee eines unabhängigen Nationalstaates fördern. Zeitschriften, wie z.B. Polymja, („Die Flamme", 1927) und Zeitungen Nasa Dolja („Unser Schicksal") und Nasa Niva („Unsere Flur") wurden gegründet. Letztere vor allem waren es, welche die Idee eines unabhängigen Belarus auch in die entlegenen Ecken des Landes trugen. Des Weiteren entstanden Verlage und Verlagsgesellschaften. Das erste belarussische Nationaltheater wurde 1907 eröffnet, 1920 der Verlag „Belarus" und das Belarussische Staatstheater (das heutige Janka-Kupala-Theater) ge­gründet und 1921 wurde die erste Universität auf belarussischem Territorium er­öffnet - die belarussische Staatsuniversität in Minsk. Davor standen den Belarussen nur Hochschulen auf dem Territorium Litauens und Polens zur Verfü- gung. 1923 wurde die belarussische Schriftstellervereinigung Maladnjak („Jungholz") gegründet, die unter anderen Kupala, Kolas und Bahdanovic gegen­über teilweise sehr negativ eingestellt war. Dies führte zum Austritt einiger Schrift­steller, die ihrerseits 1928 eine neue Vereinigung, die „Uzvyssa" („Erhebung"), gründeten. „Uzvyssa" orientiert sich an klassischen Literaturvorbildern. In der Folge näherte sich „Maladnjak" stark der offiziellen sowjetischen Kulturpolitik an und benannte sich schließlich in „Belarussische Assoziation der proletarischen Schrift­steller" um.

Nach dem Schriftstellerkongress von 1934 erfolgte in Belarus wie in der gan­zen Sowjetunion eine Gleichschaltung des gesamten Literaturbetriebs. Proteste wurden erstickt und führten zur Erschießung vieler Intellektueller beispielsweise in Kurapaty, unweit vor den Toren Minsks (1941). Neben zahlreichen Schriftstel­lern sterben hierauch die SprachwissenschaftlerVaclau Lactouski und Branislau Taraskevic, die sich mit dem Verfassen von Wörterbüchern und Grammatiken einen Namen gemacht haben.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg galt Uladzimir Karatkevic (1930- 1984) als ein Musterbeispiel der belarussischen Literatur. Bei ihm ist nur wenig vom bäuerlichen Dorfleben zu spüren, stattdessen berichten seine Kurzgeschich­ten und Erzählungen vom sowjetischen Alltag. Karatkevic gilt als Begründer des belarussischen historischen Romans. Mit „Kalasy päd sjarpom tvaim" („Ähren unter deinen Sicheln", 1960-1962) schuf er ein Epos, das den belarussisch-li- tauischen Freiheitskampf von 1863/64 zum Gegenstand literarischer Reflexion erhebt und dabei die Nöte, Wünsche und Träume der handelnden Figuren nicht außer Acht lässt. Im Mittelpunkt steht der junge Ales' Zahorski, eine fiktive Per­son und Sohn eines Landadeligen. Er wuchs, entsprechend einer alten belarussischen Tradition, in einer Bauernfamilie auf und kennt daher die Nöte und Sorgen der einfachen Landbevölkerung. Seite an Seite mit Kastus' Kalinouski, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verbindet, kämpft er während des Aufstan­des für die Freiheit des ganzen Volkes. Der Roman ist reich an lyrischen Passa­gen und historischen Realitäten aus dem Leben der Belarussen. Auch in den meisten anderen Gedichten, Erzählungen und Romanen von Karatkevic werden die Historie und Folklore des Landes idealisiert-romantisch dargestellt. Der Held ist zumeist ein Humanist und Träumer, der der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen will. Hieraus resultiert ein vereinfachtes, moralisches Weltbild, in dem rein positi­ve Figuren rein negativen gegenüberstehen. Dies trifft vor allem auf die beiden Detektivgeschichten „Vjalikae paljavanne karalja Stacha" („König Stachs wilde Jagd"; 1961, ins Deutsche 1984 übersetzt) und „Corny zamak Al'sanski" („Das schwarze Schloss Al'sanski", 1979/80) zu.

Vasil' Bykau (1924-2003), der sich in den Jahren vor seinem Tod überwie­gend in Finnland, Deutschland und der Tschechischen Republik aufhielt, ist durch die so genannte Schützengrabenperspektive seiner Novellen und Romane be­kannt geworden. Der Krieg wird entgegen der offiziellen Sowjetdoktrin nicht zum Schauplatz heroischer Taten stilisiert. Er ist Ort unmenschlicher Qualen. Der Le­ser wird mit den Abgründen der menschlichen Seele, in denen die Gesetze des Alltags außer Kraft gesetzt sind, konfrontiert. Im Mittelpunkt vieler Texte Bykaus, von denen die meisten ins Deutsche übersetzt wurden, stehen Soldaten, die über ihr Tun reflektieren. Sie stehen Extremsituationen gegenüber, über die die zivile Öffentlichkeit nicht informiert ist.

Die Schriftstellerin Svjatlana Aleksievic (geb. 1948), die 1998 mit dem Leip­ziger Buchpreis ausgezeichnet wurde, schreibt vor allem dokumentarische Pro­sa, in deren Mittelpunkt der aussterbende homo sovieticus steht. Sie schreibt über das Leiden und Leben des Einzelnen und bedient sich dabei einer neuen Textsorte, des literarisierten Interviews. Ihre Themen sind unter anderem der Zweite Weltkrieg („Der Krieg hat kein weibliches Gesicht", 1985), der Afghanistankrieg („Zinkjungen", 1989) oder die Havarie im Atomkraftwerk von Camobyl' („Eine Chronik der Zukunft", 1996). Obwohl jedes dieser Bücher in sich geschlossen ist, bezeichnet die Autorin diese als Zyklus. Da sie Themen behandelt, die in Belarus tabuisiert werden, zählt sie nicht nur bei der Staatsführung, sondern auch bei einigen Schriftstellerkollegen zu den eher weniger populären, umstrittenen Auto­ren, Das Gerücht, dass ihre Werke verboten seien, entspricht allerdings nicht der Wirklichkeit. Trotz der Tatsache, dass sie auf Russisch schreibt und in Moskau publiziert, werden ihre Texte ins Belarussische übersetzt und sind, wenn auch eher fragmentarisch, an den Hochschulen Gegenstand des Unterrichtes.

Als Lehrer von Svetlana Aleksievics gilt Ales' Adamovic (1927-1994), der mit Berichten über den Krieg die literaturwissenschaftlich noch wenig erforschte Gattung der Dokumentarprosa für Belarus populär machte. Zu nennen sind hier „Ich bin aus einem verbrannten Dorf" (1975), „Stätten des Schweigens (1972), sowie „Henkersknechte" (1981).

Für die junge, avantgardistische Schriftstellergeneration nimmt Ales' Razanau (geb. 1947) derzeit eine Vorbildfunktion ein. Seine Dichtkunst ist gekennzeichnet durch einen hohen Grad an Experimentalität, das Durchbrechen konventioneller Formen und die Synthese von Prosa und Lyrik. Er ist Schöpfer eigener lyrischer Ausdrucksformen wie der Versette „Versakazy", einer literarischen Darbietungs­form, die inhaltlich lyrisch und strukturell eher episch orientiert ist. Darüber hinaus kreierte er die Punktierungen. Razanau sucht in seinen Texten Begriffe auf ihre Bedeutungen hin zu analysieren und mit Assoziationen zu spielen. Der Dichter dringt in die Tiefen der Sprache ein, der Klang eines Wortes, seine Polyphonie führt zu Wortspielen. Neben dem lyrischen Ich sind die Stimme eines Baumes, eines Steines oder anderer Gegenstände zu vernehmen, denn jede Erscheinung der Gegenwart will selbst zu Wort kommen und hat für das lyrische Ich Bedeu­tung.

Die politische Situation der letzten zehn Jahre in Belarus wirkte sich anre­gend auf den Literaturbetrieb aus und zeugt von der Suche nach einem eigenen Weg. Einerseits will man sich auf die nationale Selbständigkeit besinnen, ande­rerseits sucht man den Kontakt zu westeuropäischen Ländern. So konnten in den letzten Jahren einige literarische Gemeinschaftsprojekte mit Schweden (1996), Bulgarien (eine zweisprachige „Anthologie der belarussischen Dichtung", die Texte der letzten 500 Jahre umfasst; 2000) und Deutschland („Frontlinie", ein Projekt junger deutscher und belarussischer Avantgardisten; 2003) realisiert werden. Es existiert eine rege Kooperation zwischen belarussischen Kulturschaffenden und dem Goethe-Institut Minsk. Literarische Vereinigungen wie Bum-Bam-Lit, Schmerz­werk, Druhi front mastactva („Die zweite Front der Kunst") suchen nach ganz neuen Wegen der literarischen Auseinandersetzung mit der Realität. Die Synthe­se von Literatur und bildender Kunst sowie die Durchführung von Performances genießen zunehmend an Beliebtheit.

Zeitungen wie Nasa Niva und Zeitschriften wie Polymja, Maladosc', „Kalosse" („Ähren"; seit 1993), Fragmenty (Fragmente; seit 1996) oder ARCHE (seit 2000), die sich trotz politischer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten bislang noch be­haupten, fördern das Bewusstsein und die Wahrnehmung der belarussischen Kultur enorm. Hierzu tragen auch die zahlreichen Internetseiten bei, die in den letzten Jahren zunehmend zur belarussischen Literatur und anderen Themen zu finden sind (siehe Liste). Auch deutsche Vereine bemühen sich zunehmend um Künstler und Schriftsteller aus osteuropäischen Ländern. So hat z. B. der Leipzi­ger Verein zur Förderung der Künstler und Schriftsteller Osteuropas Lege Artis für seinen alle zwei Jahre ausgeschriebenen Literaturwettbewerb explizit belarussische Schriftsteller zur Teilnahme aufgefordert.

Deutsche Übersetzungen belarussischer Autoren sind nicht sehr zahlreich. Erhältlich sind vor allem die „Großen" der belarussischen Literatur Bykau, Adamovic, Razanau und Aleksievic. Auch einige wenige Texte von Kupala, Kolas, Janka Bryl" (geb. 1917) und Karatkevic liegen in deutscher Sprache vor. Andere Autoren sind meist nur Auszugsweise in Anthologien auf deutsch zu lesen. Die folgende Literaturauswahl soll den belarussisch-deutschen Kulturkontakt andeu­ten und ist keineswegs abschließend.


Дата добавления: 2015-11-16; просмотров: 151 | Нарушение авторских прав


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