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Erschien Helga Schütz' Roman In Annas Namen. Im folgenden Textaus­zug besucht Anna, die im Osten lebt, aus beruflichen Gründen ein Archiv im Westen.

a. Beschreiben Sie Annas Situation und ihre Stimmung, ihre Gefühle. Cha­rakterisieren Sie die Sprache.

b. Welches Bild entwirft Helga Schütz vom Westen?

 

Beklommen schob sich Anna zwischen den Rentnern durch die Passkontrolle im Glaspalast an der Friedrichstraße. Die Rentner schwenkten ihre leeren Beutel, hinkten zielstrebig treppan auf den S-Bahnsteig. Auch Anna machte kleine Schritte und ein vernünftiges Gesicht. Das also war nun fast wieder die andere Welt. Die Aufschriften, die Flaschen und Süßigkeiten und Zigaretten anders. Das Frösteln blieb sich gleich. Auf Lauf­stegen unter der Glaskuppel als Silhouet­ten die bewaffneten Posten, reglos wach­sam. Flüsternde Absprache unter den Alten. Solidarität mit den Newcomers, die den ersten Rentnerausflug wagten. Breite Sicherheit unter den heimfahren­den Jugendlichen, laute Fahrlässigkeit. Annas kalte Füße. Feen-Welt. Ein Warenberg, der ihr die Liebe zugeschüttet hatte. Die bunte Pracht ging sie nichts an. Nichts lockte. Anna wünschte sich Wünsche, wie sie durch die Straße ging. Die Schaufenster. Auch, wenn ich's doch begehrte. Nagellack oder neue Sandalen. Renate war schuld. Ach, wenn ich doch wenigstens stolz sein könnte um meine Bedürfnislosigkeit. Aber ihr blieb nichts als Trauer und gleich auch Mitleid mit den besuchsweise angereisten rechnenden Rentnern, die die Wünsche der Angehörigen zu Hause auf die listigste und sparsamste Art erfüllten. Anna blieb die Arbeit im Archiv. Nach kurzer War­tezeit hatte sie den Karteikasten mit der Aufschrift Fontane auf dem Tisch. Sie vertiefte sich, genoss die Perfektion, den Drehsessel, das Kopiergerät, den Kaffeeautomaten, die bunten Regale und die freundlichen Sachbearbeiter, das fleißige Surren der Telefone. Drei Stun­den, und schon hielt Anna alles für nor­mal. Selbstverständlich, daß die ausge­wählten Dokumente sofort kopiert wurden, selbstverständlich die durchsichtige Mappe, selbstverständlich die freund­liche Einladung zum Abendessen. Aber Anna hatte ja etwas anderes vor. Was hatte sie vor? Können wir Ihnen behilflich sein?

Die deutliche blaue Filzstiftschrift, der Absender. Anna wollte zum Grünewald. Ich bringe Sie hin. Der Mitarbeiterin machte der kleine Umweg überhaupt nichts aus. Fürchten Sie sich nicht, mein Auto sieht leider etwas gebraucht aus. Prospekte lagen auf der Fußmatte, regio­nale Atlanten, Zigarettenschachteln, et­liche Feuerzeuge und Sonnenbrillen, Kamm und Mückenspray. Die Frau war laut Aufkleber Energiesparerin und bezog ihre Lebenskraft aus Ovomaltine. Zu diesen Häusern muss man Villa sa­gen, hörte Anna sie reden. Anna stieg aus. Eilig, wie jemand, der ein ganz genaues Ziel hat, so lief Anna an dem Haus vorbei. Sie kannte es ja von den Fotos. ein hohes Gebäude mit asymmetrischer Fenstergliederung, Balkone und Erker maßvoll verteilt, frisches Weiß, frisches Grün, frisch der Geruch nach abge­brannten Streichhölzern. So roch die Hölle. Glut unter den Füßen. Am soli­den Gartenzaun das Schild der Jalousie­fabrik. Das Firmenschild der Bewohnerin. Anna wusste ja auch, wie es drin aussah: Die marmorne Toilette zum Bei­spiel kannte sie in Farbe und Form, auch das Ölbild über den Sitzelementen, den Jägersmann, die ruhende Flinte in der rechten Armbeuge, sie kannte seinen Standpunkt und suchenden Blick. Die getigerte Katze buckelte auf der Lehne des Lederfauteuils. Sie kannte das Auto der Bewohnerin von mehreren Seiten, aber deren Wesen und Gesicht kannte sie nur im Dunklen.

Christoph Heins Stück Die Ritter der Tafelrunde nimmt die Artus-Sage auf und handelt von der vergeblichen Suche nach dem Gral. Dieses Stück, 1989 erschienen, wurde vielfach als Schlüsseltext der untergehenden DDR gele­sen.

a. Was bedeutet der Gral für diejenigen, die nach ihm suchen?

b. Vergleichen Sie die verschiedenen Erfahrungen bei der Gralssuche.

c. Erläutern Sie, inwiefern man diese Äußerungen auf das Ende eines politischen Systems beziehen kann.

 

parzival: „Orilus, wie du bin ich mein Leben lang auf der Suche nach dem Gral gewesen. Ich bin durch die ganze Welt gekommen, es gibt ihn nicht. Und wenn überhaupt, dann müssen wir ihn hier su­chen. Wir müssen ihn in uns selbst su­chen." [...]

keie: „Der Gral ist das menschliche Glück, ein Paradies auf Erden. Wir sind alle mehr unglücklich als glücklich. Aber für eine kurze Zeit und sei es nur für einen Moment, war jeder von uns einmal glücklich. Und dieser winzige Moment unseres Glücks bedeutet, dass es den Gral gibt, dass er auf der Erde ist. Wir werden ihn vielleicht nicht finden, vielleicht werden wir ihn nie entdecken. Aber wenn wir aufgeben ihn zu suchen, werden wir beständig unglücklich sein.'" [...]

artus: „Ja, Parzival, wir sind geschei­tert. Aber wenn der Gral für uns uner­reichbar wurde, müssen wir nach ande­ren, nie gesehenen Wegen suchen, um zu ihm zu gelangen." [...]

lancelot: „Wenn ich ihnen vom Gral erzählen wollte, spuckten sie aus. Wenn ich vom Artusreich sprach, beschimpften sie mich und warfen mit Steinen nach mir. Sie glauben nicht mehr an unsere Gerechtigkeit und unseren Traum. Verschwinde, riefen sie nur, wir wollen nichts mehr davon hören, das Leben ist schwer genug. Für das Volk sind die Ritter der Tafelrunde ein Haufen von Narren, Idioten und Verbrechern. Weißt du das, Artus?"

 


Дата добавления: 2015-11-16; просмотров: 133 | Нарушение авторских прав


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