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thrillerSchaetzingSchwarmFischer verschwindet vor Peru, spurlos. Цlbohrexperten stoЯen in der norwegischen See auf merkwьrdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz 15 страница



»Es funktioniert nicht«, sagte Lund im selben Moment.Atemzug lang, auf der Kippe zwischen Kapitulation und trotzigem Beharren, fühlte sich Johanson, als sei er in eiskaltes Wasser gefallen. Dann verging der kurze Schmerz. Etwas erlosch. Der Rest von Glut verflüchtigte sich in der klaren Luft über dem See und machte ungeheurer Erleichterung Platz.

»Du hast Recht«, sagte er.lösten sich voneinander, langsam, widerstrebend, als hätten ihre Körper noch nicht begriffen, was die Köpfe längst ausgehandelt hatten. Johanson sah die Frage in ihren Augen, die sie wahrscheinlich auch in seinen las: Wie viel haben wir vermasselt? Kaputtgemacht? Für immer versaut?

»Alles okay?«, fragte er.antwortete nicht. Er setzte sich vor sie hin, mit dem Rücken zur Bootswand. Dann fiel ihm auf, dass er die Flasche noch umklammert hielt, und er reichte sie ihr.

»Offenbar«, sagte er,»ist unsere Freundschaft zu stark für die Liebe.«wusste, dass es platt und pathetisch klang, aber es verfehlte seine Wirkung nicht. Sie begann zu kichern, nervös zuerst, dann offensichtlich erleichtert. Griff nach der Flasche, nahm einen langen Schluck und lachte laut auf. Fuhr sich durchs Gesicht, als wollte sie dieses laute, unpassende Lachen wegwischen, aber es drang weiterhin dumpf zwischen ihren Fingern hindurch, und Johanson lachte schließlich mit.

»Puh«, machte sie.schwiegen sie eine ganze Weile.

»Bist du sauer?«, fragte sie schließlich leise.

»Nein. Du?«

»Ich … nein, ich bin nicht sauer. Überhaupt nicht. Es ist nur …«Sie stockte.»Es ist alles so wirr. Auf der Thorvaldson, weißt du, der Abend in deiner Kabine. Eine Minute länger, und … ich meine, es hätte passieren können, aber heute …«nahm ihr die Flasche aus der Hand und trank.

»Nein«, sagte er.»Seien wir ehrlich, es wäre ebenso ausgegangen. Ganz genauso wie gerade.«

»Woran liegt’s?«

»Du liebst ihn.«schlang die Arme um ihre Knie.»Kare?«

»Wen sonst?«starrte vor sich hin, eine ganze Zeit lang, und Johanson formte die Lippen wieder um den Flaschenhals, weil es nicht seine Aufgabe war, Tina Lund ihre Gefühle zu erklären.

»Ich dachte, ich kann dem entkommen, Sigur.«. Wenn sie eine Antwort erwartet, dachte er, wird sie lange warten müssen. Sie wird es von selber kapieren müssen.

»Wir waren immer mal wieder so weit, du und ich«, sagte sie nach einer Weile.»Keiner von uns wollte sich binden, eigentlich ideale Voraussetzungen. — Aber wir haben die Option nie eingelöst. — Ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, es muss jetzt unbedingt sein, ich … ich war nie in dich verliebt. Ich wollte nie verliebt sein. Aber die Vorstellung, dass es irgendwann passiert, hatte ihren Reiz. Jeder lebt weiter sein Leben, keine Verpflichtung, keine Bindung. Ich war sogar überzeugt, dass es bald passieren würde, ich fand, dass es fällig war! — Und plötzlich kommt Kare daher, und ich denke: Mein Gott, das ist verbindlich! Alles oder nichts. Liebe ist verbindlich, und das hier ist …«

»Das ist Liebe.«

»Ich dachte eher, es ist was anderes. Wie Grippe. Ich konnte mich nicht mehr vernünftig auf meinen Job konzentrieren, ich war in Gedanken ständig woanders, ich hatte einfach das Gefühl, mir wird der Boden unter den Füßen weggezogen, und das passt nicht in mein Leben, das bin nicht ich.«

»Und da hast du gedacht, bevor du die Kontrolle verlierst, löst du endlich die Option ein.«

»Du bist ja doch sauer!«

»Ich bin nicht sauer. Ich verstehe dich. Ich war auch nie in dich verliebt.«Er überlegte.»Begehrt habe ich dich. Übrigens erst richtig, seit du mit Kare zusammen bist. Aber ich bin ein alter Jäger, ich glaube, es war einfach ärgerlich, dass mir da einer die Beute streitig machte, es hat mich gefuchst und in meiner Eitelkeit gekränkt …«Er lachte leise.»Kennst du diesen wunderbaren Film mit Cher und Nicolas Cage? Mondsüchtig. Jemand fragt, warum wollen Männer mit Frauen schlafen? Und die Antwort ist: Weil sie Angst vor dem Tod haben. Mhm. Wie komme ich jetzt darauf?«



»Weil alles mit Angst zu tun hat. Angst vor dem Alleinsein, Angst davor, nicht gefragt zu sein — aber schlimmer ist die Angst, wählen zu können und dich falsch zu entscheiden. So, dass du aus der Nummer nicht mehr rauskommst. Du und ich, wir würden nie etwas anderes als ein Verhältnis haben, und mit Kare … mit Kare könnte ich nie etwas anderes haben als eine Beziehung. Es brauchte nicht viel, dass mir das klar wurde. Du willst jemanden, den du eigentlich gar nicht kennst, du willst ihn um jeden Preis. Du bekommst ihn aber nur, wenn du sein Leben mitkaufst. Und plötzlich wirst du misstrauisch.«

»Es könnte sich als Fehler herausstellen.«nickte.

»Warst du eigentlich je mit einem zusammen?«, fragte er.»So richtig, meine ich.«

»Einmal«, erwiderte sie.»Ist schon was her.«

»Dein Erster?«

»Mhm.«

»Was ist passiert?«

»Es ist unoriginell, was passierte. Wirklich. Ich würde gerne mit was Wuchtigem aufwarten, aber Tatsache ist, dass er irgendwann Schluss machte und ich das heulende Elend bekam.«

»Und danach?«stützte das Kinn auf. Wie sie dort im Mondlicht saß, eine kleine, steile Falte zwischen den Brauen, sah sie wunderbar aus. Dennoch empfand Johanson nicht die Spur des Bedauerns. Weder, dass sie es versucht hatten, noch, wie es ausgegangen war.

»Danach war ich jedes Mal diejenige, die es beendet hat.«

»Racheengel.«

»Quatsch. Nein, manchmal gingen mir die Kerle einfach auf die Nerven. Zu langsam, zu lieb, zu begriffsstutzig. Manchmal bin ich auch einfach weggelaufen, um mich in Sicherheit zu bringen, bevor … Du weißt ja, ich bin schnell.«

»Lass uns kein schönes Haus bauen, denn es könnte ein Sturm kommen und es zerstören.«verzog die Mundwinkel.»Ist mir zu elegisch.«

»Mag sein. Aber es passt.«

»Ja, passen tut’s schon.«Sie runzelte die Stirn.»Es gibt auch noch die andere Möglichkeit. Du baust das Haus, und bevor es jemand zerstören kann, zerstörst du es selber.«

»Kare, das Haus.«

»Ja. Kare, das Haus.«begann eine Grille zu zirpen. Ein ganzes Stück entfernt antwortete eine zweite.

»Beinahe wäre es dir gelungen«, sagte Johanson.»Wenn wir heute miteinander geschlafen hätten, hättest du Grund genug gehabt, Kare den Laufpass zu geben.«erwiderte nichts.

»Glaubst du, du hättest dich selber dermaßen übertölpeln können?«

»Ich hätte mir halt gesagt, dass es weit mehr meinem Lebensstil entspricht, mit dir ein Verhältnis zu haben, als eine Beziehung einzugehen, die mich auf Dauer lahm legt.dir ins Bett zu gehen hätte das irgendwie … bestätigt.«

»Du hättest dir die Bestätigung sozusagen ervögelt.«

»Nein.«Sie funkelte ihn zornig an.»Ich war scharf auf dich, ob du’s glaubst oder nicht.«

»Schon gut.«

»Du bist kein Fluchthelfer, wenn du das meinst. Ich habe dich nicht einfach so …«

»Schon gut, schon gut!«Johanson hob die Hände.»Du bist eben verliebt.«

»Ja«, sagte sie mürrisch.

»Nicht so widerwillig. Sag’s nochmal.«

»Ja. Jaha!«

»Schon besser.«Er grinste.»Und jetzt, wo wir dich von innen nach außen gekrempelt und gesehen haben, was du für ein Angsthase bist, sollten wir vielleicht den Rest der Flasche auf Kare leeren.«grinste schiefmäulig zurück.»Ich weiß es nicht.«

»Du bist dir immer noch nicht sicher?«

»Mal mehr, mal weniger. Ich bin … durcheinander.«ließ die Flasche abwechselnd von einer Hand in die andere wandern. Dann sagte er:

»Ich habe auch mal ein Haus niedergerissen, Tina. Ist Jahre her. Die Bewohner waren noch drin. Sie haben einigen Schaden genommen, aber später sind sie drüber weggekommen. — Einer von beiden jedenfalls. Ich weiß bis heute nicht, ob es richtig war.«

»Wer war der andere Bewohner?«, fragte Lund.

»Meine Frau.«zog die Brauen hoch.»Du warst verheiratet?«

»Ja.«

»Davon hast du nie was erzählt.«

»Ich habe manches nicht erzählt. Ich finde es ganz erquicklich, Dinge nicht zu erzählen.«

»Was ist passiert?«

»Was halt passiert.«Er zuckte die Achseln.»Du lässt dich wieder scheiden.«

»Warum?«

»Das ist es ja. Es gab keinen besonderen Grund. Keine bühnenreifen Dramen, keine fliegenden Teller. Nur das Gefühl, es könnte zu eng werden. Und in Wahrheit die Angst, es könnte … mich abhängig machen. Ich sah eine Familie auf mich zukommen, Kinder und einen sabbernden Köter im Vorgarten, ich sah mich Verantwortung übernehmen, und die Kinder und der Hund und die Verantwortung machten die Liebe Stück für Stück zunichte … Ich hielt es damals für sehr vernünftig, mich zu trennen.«

»Und heute?«

»Heute denke ich manchmal, dass es der vielleicht einzige Fehler war, den ich in meinem Leben gemacht habe.«Er sah versonnen aufs Wasser hinaus. Dann straffte er sich und hob die Flasche.»In diesem Sinne: Cheerio!immer du tun willst, tu es.«

»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, flüsterte sie.

»Lass dich nicht von der Angst einholen. Du hast Recht, du bist schnell. Sei schneller als die Angst.«Er sah sie an.»Ich war es damals nicht Alles, was du ohne Angst entscheidest, entscheidest du richtig.«lächelte. Dann beugte sie sich vor und griff nach der Flasche., wie Johanson fand, blieben sie dann doch das ganze Wochenende zusammen am See. In der Nacht ihrer verpatzten Romanze hatte er vermutet, sie werde tags drauf zurück nach Trondheim fahren wollen, aber so war es nicht. Etwas hatte sich geklärt. Dem ewigen Flirt war die Grundlage entzogen. Sie unternahmen Spaziergänge, schwatzten und lachten, verbannten die Welt samt allen Universitäten, Bohrinseln und Würmern aus ihren Köpfen, und Johanson kochte die besten Spaghetti Bolognese seines Lebens.war eines der schönsten Wochenenden am See, an die er sich erinnern konnte.Sonntagabend fuhren sie zurück. Johanson setzte Lund vor ihrer Haustür ab. Sie gaben sich einen Kuss im Schutz der Stadt, flüchtig und freundschaftlich. Für die Dauer einiger Herzschläge, als Johanson wenig später sein Haus in der Kirkegata betrat, empfand er zum ersten Mal seit Jahren wieder den Unterschied zwischen allein und einsam. Er ließ das Gefühl in der Diele zurück. Bis dorthin durften Selbstzweifel und Schwermut mitkommen. Keinen Schritt weiter.brachte den Koffer ins Schlafzimmer. Auch hier stand ein Fernseher, ebenso wie im Wohnraum. Johanson schaltete ihn ein und zappte so lange durch alle Kanäle, bis er die Aufzeichnung eines Konzerts aus der Royal Albert Hall erwischte. Kiri Te Kanawa sang Arien aus La Traviata. Johanson begann auszupacken, summte leise mit und machte sich unentschlossene Gedanken über die Natur seines obligatorischen Gutenachtdrinks.einer Weile erklang keine Musik mehr.

Über einigen Schwierigkeiten beim Falten eines Hemdes registrierte er nicht gleich, dass das Konzert zu Ende gegangen war. Er kämpfte mit einem widerspenstigen Ärmel, während im Hintergrund Nachrichten liefen.

»… aus Chile bekannt geworden. Ob das Verschwinden der norwegischen Familie in Zusammenhang mit ähnlichen Vorfällen steht, die sich offenbar zur gleichen Zeit an den Küsten Perus und Argentiniens ereignet haben, wurde nicht bestätigt. Auch dort waren in den vergangenen Wochen mehrfach Fischerboote verschwunden oder später treibend gesichtet worden. Von den Besatzungen fehlt bis zur Stunde jede Spur. Die fünfköpfige Familie war bei ruhiger See und schönem Wetter an Bord eines Fischtrawlers zum Hochseeangeln hinausgefahren.«

Ärmel rechts falten, nach innen klappen. Was war das da gerade gewesen im Fernsehen?

»Costa Rica verzeichnet derweil eine Qualleninvasion ungewohnten Ausmaßes. Tausende sogenannter Staatsquallen der Gattung Portugiesische Galeere sind unter anderem dicht in Küstennähe aufgetaucht. Wie verlautet, kamen inzwischen vierzehn Menschen durch Begegnungen mit den hochgiftigen Tieren ums Leben, zahlreiche wurden verletzt, darunter auch zwei Engländer und ein Deutscher. Eine nicht bekannte Anzahl von Personen wird noch vermisst. Das costaricanische Fremdenverkehrsamt kündigte Krisensitzungen an, wies jedoch Meldungen, wonach die Strände für Touristen geschlossen werden sollen, zurück. Im Augenblick bestehe keine unmittelbare Gefahr für den Badebetrieb.«stand reglos da, den Ärmel in der Hand.

»Diese Arschlöcher«, murmelte er.»Vierzehn Tote. Sie hätten längst alles abriegeln müssen.«

»Auch vor der australischen Küste haben Schwärme von Quallen für Beunruhigung gesorgt. Insbesondere soll es sich dabei um Seewespen handeln, die ebenfalls als hochgiftig gelten. Die örtlichen Behörden warnen eindringlich davor, schwimmen zu gehen. In den letzten einhundert Jahren starben in Australien siebzig Menschen an den Folgen von Seewespengift, das sind mehr Tote als durch Haiattacken. — Schwere Unglücksfälle auf See mit Todesfolge sind unterdessen aus Westkanada bekannt geworden. Die genaue Ursache für den Untergang mehrerer Touristenschiffe ist bislang nicht bekannt. Möglicherweise fuhren die Schiffe aufgrund eines Navigationsversagens ineinander.«drehte sich um. Die Nachrichtensprecherin legte soeben ein Blatt aus der Hand und sah mit leerem Lächeln auf.

»Und jetzt weitere Nachrichten vom Tage in unserem Überblick.«Galeeren, dachte Johanson.erinnerte sich an eine Frau auf Bali, die keuchend im Sand gelegen hatte, von Krämpfen geschüttelt. Er selber war mit dem Ding nicht in Berührung gekommen. Auch die Frau hatte die Galeere nicht berührt. Sie hatte beim Strandspaziergang etwas aus dem seichten Uferwasser gefischt mit einem Stock. Etwas, das ihr seltsam und von eigentümlicher Schönheit erschienen war, ein ätherisches, dahintreibendes Segel. Weil sie vorsichtig war, hatte sie darauf geachtet, Abstand zu wahren. Einige Male hatte sie es hin— und hergewendet, bis es mit Sand paniert seine Attraktivität und seinen Reiz verloren hatte, und dann war ihr dieser dumme Fehler unterlaufen …Galeeren gehörten zu den Staatsquallen, einer Spezies die der Wissenschaft immer noch Rätsel aufgab. Genau genommen war die Galeere nicht einmal eine klassische Qualle, sondern eine schwimmende Kolonie aus einer Vielzahl winziger Einzeltiere, Hunderte und Tausende Polypen mit unterschiedlichsten Aufgaben.blau oder purpurn schillerndes Gallertsegel, das gasgefüllt aus dem Wasser ragte, ermöglichte es der Kolonie, wie eine Yacht vor dem Wind zu segeln. Was unterhalb des Segels lag, sah man nicht.man spürte es, sobald man hineingeriet.Galeeren zogen einen Vorhang aus Tentakeln hinter sich her, die bis zu fünfzig Meter lang wurden, bestückt mit hunderttausenden winziger, fühlerbesetzter Nesselzellen. Aufbau und Funktion dieser Zellen stellten eine Meisterleistung der Evolution dar, ein hocheffizientes Waffenarsenal. Jede Zelle barg in ihrem Innern eine Kapsel mit einem zusammengerollten Schlauch, der in einer harpunengleichen Spitze mündete, nach innen gestülpt wie der Finger eines Handschuhs. Die leichteste Berührung setzte einen Vorgang von atemberaubender Präzision in Gang. Im Moment, da der Fühler den Kontakt registrierte, entrollte sich der Schlauch und schoss mit einem Druck von siebzig platzenden Autoreifen hervor. Tausende der widerhakenbesetzten Harpunen durchschlugen die Körperwand des Opfers wie subkutane Spritzen und injizierten ein Gemisch aus verschiedenen Eiweißen und Proteinen, das gleichzeitig Blutkörperchen und Nervenzellen angriff. Die Folge war eine sofortige Kontraktion der Muskulatur. Schmerzen wie von glühendem Metall, das sich ins Fleisch bohrte, Schockzustand, Atemstillstand, dann Herzversagen. Sofern man das Glück hatte, sich in Ufernähe zu befinden und sofort geborgen zu werden, überlebte man den Kontakt. Taucher und Schwimmer, die weiter draußen ins Gewirr der treibenden Tentakel gerieten, hatten kaum eine Chance.Frau auf Bali war nichts weiter geschehen, als dass ihr Zeh den Stock berührt hatte, an dem etwas von dem Nesselgift haftete. Selbst diese geringe Menge hatte ausgereicht, um sie die Begegnung nie wieder vergessen zu lassen. Dennoch war die Portugiesische Galeere harmlos, verglichen mit der Würfelqualle Chironex fleckeri, der australischen Seewespe.Natur hatte sich in der Evolutionsgeschichte zu beeindruckenden Leistungen der Giftmischerei aufgeschwungen. Im Falle der Seewespe hatte sie ihr Meisterstück abgeliefert. Das Gift eines einzigen Tiers reichte aus, um zweihundertfünfzig Menschen zu töten. Der hochwirksame Nervenblocker rief augenblickliche Bewusstlosigkeit hervor. Die meisten Opfer starben gleichzeitig durch Herzversagen und Ertrinken, innerhalb von Minuten und oft nur Sekunden.das schoss Johanson durch den Kopf, als er den Fernseher anstarrte.verkaufte jemand die Leute für dumm. Vierzehn Todesopfer zuzüglich Verletzte in wenigen Wochen, hatte es das je vor einer Küste gegeben? Durch eine einzige Quallenart? Und was hatte diese andere Geschichte zu bedeuten, das Verschwinden von Schiffen?Galeeren vor Südamerika. Seewespen vor Australien. Borstenwurminvasionen vor Norwegen.muss nichts heißen, dachte er. Quallen traten häufig in Schwärmen auf, überall auf der Welt. Kein Hochsommer ohne Quallenplage. Würmer waren etwas völlig anderes.verräumte die letzten Kleidungsstücke, schaltete den Fernseher aus und ging ins Wohnzimmer, um eine CD einzulegen oder zu lesen.Johanson legte keine CD ein, und er griff auch nach keinem Buch. Vielmehr ging er eine Weile hin und her, trat ans Fenster und sah hinaus auf die von Laternen erleuchtete Straße.war so friedlich gewesen am See.war friedlich in der Kirkegata.es zu friedlich wurde, war im Allgemeinen irgendetwas nicht in Ordnung.ödsinn, dachte Johanson. Was hat die Kirkegata mit alldem zu tun?schüttete sich einen Grappa ein, nippte daran und versuchte, an etwas anderes zu denken als an die Nachrichtensendung.fiel ihm ein, den man anrufen könnte.Olsen. Er arbeitete wie Johanson als Biologe an der NTNU. Johanson erinnerte sich, dass er eine Menge von Quallen, Korallen und Seeanemonen verstand. Außerdem konnte er Olsen fragen, was es mit den verschwundenen Booten auf sich hatte.meldete sich nach dem dritten Schellen.

»Hast du schon geschlafen?«, fragte Johanson.

»Die Kinder haben mich wach gehalten«, sagte Olsen.»Marie hatte Geburtstag, sie ist fünf geworden. Wie war’s am See?«war ein stets gut gelaunter Familienmensch, der ein bürgerlich dermaßen korrektes Leben führte, dass es Johanson grauste. Sie unternahmen privat nie etwas zusammen, sah man von Mittagspausen ab. Aber Olsen war ein guter Kerl und hatte Humor. Er musste Humor haben. Anders konnte es Johansons Ansicht nach kaum zu ertragen in mit fünf Kindern und Dutzenden omnipräsenter Verwandter.

»Du solltest endlich mal mitkommen«, schlug er vor. Es war eine Floskel. Ebenso gut hätte er sagen können, du solltest endlich mal deinen Wagen in die Luft sprengen oder zwei deiner Kinder verkaufen.

»Klar«, sagte Olsen.»Irgendwann gerne.«

»Hast du die Nachrichten gesehen?«kurze Pause entstand.

»Du meinst wegen der Quallen?«

»Bingo! Ich dachte mir, dass es dich beschäftigt. Was ist da los?«

»Was soll los sein? Invasionen kommen immer vor. Frösche, Heuschrecken, Quallen …«

»Ich meine speziell Portugiesische Galeeren und Seewespen.«

»Das ist ungewöhnlich.«

»Bist du sicher?«

»Es ist ungewöhnlich, dass es die beiden gefährlichsten Quallenarten der Welt betrifft. Und das, was sie in den Nachrichten erzählen, klingt einfach sonderbar.«

»Siebzig Tote in einhundert Jahren«, warf Johanson ein.

»Blödsinn.«Olsen schnaubte geringschätzig.

»Weniger?«

»Mehr! Viel mehr, an die neunzig, wenn du den Golf von Bengalen und die Philippinen hinzurechnest, und von der Dunkelziffer wollen wir gar nicht erst reden. Natürlich hat Australien seit ewigen Zeiten Probleme mit dem Schleimzeug, gerade mit Seewespen. Sie laichen nördlich von Rockhampton in Flussmündungen. Fast alle Unfälle passieren im seichten Wasser. Innerhalb von drei Minuten bist du tot.«

»Stimmt die Jahreszeit?«

»Für Australien, ja. Oktober bis Mai. In Europa gehen einem die Biester immer dann auf den Sack, wenn es so heiß wird, dass du am Strand verreckst. Wir waren im vergangenen Jahr auf Menorca, und die Kinder kriegten sich kaum ein, weil tonnenweise Velella rumlag …«

»Was lag rum?«

»Velella velella. Segelquallen. Ganz hübsch, wenn sie nicht gerade in der Sonne vor sich hinstinken. Violette kleine Dinger. Der ganze Strand war lila, die haben sie mit Schaufeln und Harken in hunderte von Säcken gepackt, du machst dir keine Vorstellung, und im Meer schwammen ständig neue. Du weißt, ich bin ein Quallenfan, aber selbst mir war’s irgendwann zu viel. Ich hatte von morgens bis abends das Geplärre in den Ohren. Jedenfalls, in Europa haben wir die Quallenplage im August oder September, aber down under ist es natürlich umgekehrt. Was da vor Australien passiert, ist schon seltsam.«

»Was genau ist seltsam?«

»Seewespen kommen in Strandnähe vor, da, wo es flach ist. Weit draußen vor der Küste findest du sie kaum. Schon gar nicht an den vorgelagerten Inseln des Great Barrier Reef. Ich hörte aber, da sind sie auch. Bei Velella ist es genau andersrum. Sie gehören normalerweise auf hohe See. Wir wissen bis heute nicht, was sie alle paar Jahrzehnte an die Strände treibt, wir wissen ohnehin wenig über Quallen.«

»Werden die Strände nicht durch Netze geschützt?«lachte laut auf.»Ja, darauf bilden sie sich mächtig was ein, aber es bringt nichts. Die Quallen bleiben in den Netzen hängen, aber die Tentakel lösen sich ab und treiben durch die Maschen. Dann siehst du sie überhaupt nicht mehr.«Er machte eine Pause.»Warum bist du eigentlich so scharf darauf, das alles zu erfahren? Du weißt doch selber schon eine Menge.«

»Ja, aber du weißt mehr darüber. Mich interessiert, ob wir es tatsächlich mit Anomalien zu tun haben.«

»Darauf kannst du wetten«, knurrte Olsen.»Schau mal, das Auftreten von Quallen ist immer an hohe Wassertemperaturen und die Entwicklung des Planktons gebunden. Du weißt ja, wenn es hübsch warm wird, gedeiht Plankton umso besser, und Quallen fressen Plankton, also da hast du dein Einmaleins. Darum treten die Viecher im Spätsommer scharenweise auf und verschwinden ein paar Wochen später wieder. Das ist der Lauf der Dinge. — Warte mal eben.«Hintergrund war lautes Gebrüll zu hören. Johanson fragte sich, wann Olsens Kinder ins Bett gingen und ob sie es überhaupt jemals taten. Wann immer er in der Vergangenheit mit Olsen telefoniert hatte, war es dort hoch hergegangen.rief etwas von Streit beilegen und vertragen. Es wurde kurzzeitig noch lauter, dann war er wieder am Telefon.

»Entschuldige. Geschenke. Sie streiten sich drum. Also, wenn du meine Meinung hören willst, entstehen solche Quallenplagen durch die Überdüngung der Meere. Wir sind schuld. Die Überdüngung fördert das Planktonwachstum, und so weiter, und so fort. Wenn dann die Winde westlich oder nordwestlich stehen, haben wir sie hier oben vor der Haustür.«

»Ja, aber das sind die normalen Invasionen. Wir reden hier von …«

»Warte. Du wolltest wissen, ob wir es mit einer Anomalie zu tun haben. Die Antwort lautet: ja! Und zwar mit einer, die wir wahrscheinlich nicht als solche erkennen. Hast du Pflanzen zu Hause?«

»Was? Äh, ja.«

»Eine Yuccapalme?«

»Ja. Zwei.«

»Anomalien. Verstehst du? Die Yuccapalme wurde eingeschleppt, und rate mal, von wem.«verdrehte die Augen.

»Du fängst jetzt hoffentlich nicht an, von einer Yuccapalmeninvasion zu sprechen. Meine Palmen verhalten sich gemeinhin friedlich.«

»Das meine ich nicht. Ich meine, wir sind einfach nicht mehr in der Lage zu beurteilen, was natürlich ist und was nicht. 2000 war ich im Golf von Mexiko zu Untersuchungen über Quallenplagen. Riesige Schwärme von dem Gewabbel bedrohten die lokalen Fischbestände. Sie waren in die Laichgründe von Louisiana, Mississippi und Alabama eingefallen und fraßen die Eier und Larven der Fische, und das Plankton fraßen sie ihnen sowieso weg. Den meisten Schaden hat eine Spezies angerichtet, die da überhaupt nichts zu suchen hat: eine australische Qualle aus dem Pazifik. Eingeschleppt.«

»Invasionsbiologie.«

»Genau. Sie zerstörten die Nahrungskette und beeinträchtigten den Fischfang. Eine Katastrophe. Ein paar Jahre zuvor drohte im Schwarzen Meer ein ökologisches Desaster, weil während der Achtziger irgendein Handelsschiff in seinem Ballastwasser Lappenrippenquallen eingeschleppt hatte. Auch die gehörten da nicht hin, und das Schwarze Meer war ziemlich konsterniert und wenig später im Arsch. Von jetzt auf gleich tummelten sich da über achttausend Quallen pro Quadratmeter, weißt du, was das heißt?«redete sich in Rage.

»So, und jetzt die Sache mit den Portugiesischen Galeeren. Sie sind vor Argentinien aufgekreuzt, das ist nicht ihr Gebiet. Mittelamerika ja, auch Peru, vielleicht noch Chile, aber weiter unten? Vierzehn Tote auf einen Schlag! Das klingt nach Attacke. Als seien die Leute überrascht worden. Dann Seewespen. So weit draußen vor der Küste, was tun die da? Als hätte sie jemand da hingezaubert.«

»Was mich stutzig macht«, sagte Johanson,»ist, dass es sich ausgerechnet um die zwei gefährlichsten Arten handelt.«

»Ganz recht«, sagte Olsen gedehnt.»Aber jetzt warte mal, wir sind nicht in Amerika, bastel dir keine Verschwörungstheorie zusammen. Es gibt noch eine weitere Erklärung für die Zunahme der Plagen. Einige meinen, El Niño sei schuld, andere sagen, die Erwärmung des Erdklimas. In Malibu haben sie Quallenplagen wie seit Jahrzehnten nicht mehr, vor Tel Aviv sind Riesenapparate aufgetaucht. Erderwärmung, Einschleppung, alles macht Sinn.«hörte kaum noch zu. Olsen hatte etwas gesagt, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging.hätte sie jemand dort hingezaubert.die Würmer?hätte sie jemand dort hingezaubert.

»… kommen zur Paarung in seichte Gewässer«, sagte Olsen gerade.»Und noch was: Wenn die von ungewöhnlich hohen Aufkommen sprechen, meinen sie nicht Tausende, dann reden sie von Abermillionen. Und sie haben gar nichts unter Kontrolle. Da sind nicht vierzehn Menschen gestorben, sondern weit mehr, das garantiere ich dir.«

»Mhm.«

»Hörst du mir überhaupt noch zu?«

»Natürlich. Weit mehr. Ich glaube, jetzt versteigst du dich in Verschwörungstheorien.«Olson lachte.»Quatsch. Aber es sind Anomalien, ja.ächlich betrachtet hat es den Anschein eines zyklisch auftretenden Phänomens, aber ich halte es für etwas anderes.«

»Das sagt dir dein Bauch?«

»Mein Bauch sagt, ich hätte heute Abend Rinderroulade gegessen. Er ist zu nichts anderem mehr in der Lage. Nein, das sagt mein Kopf.«

»Gut. Danke. Ich wollte nur deine Meinung hören.«überlegte. Sollte er Olsen von den Würmern erzählen? Aber das ging ihn nichts an. Wahrscheinlich war Statoil nicht sonderlich erpicht darauf, das Thema zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit wiederzufinden, und Olsen redete ein bisschen viel.

»Sehen wir uns morgen zum Mittagessen?«, fragte Olsen.

»Ja. Gerne.«

»Ich werde mal schauen, ob ich noch mehr über die Sache rauskriegen kann. Man hat so seine Quellen über Quallen.«Er lachte laut, entzückt von seinem eigenen Kalauer.

»Gut«, sagte Johanson.»Bis morgen.«legte auf. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er Olsen auch nach den verschwundenen Schiffen hatte fragen wollen. Aber er mochte kein weiteres Mal anrufen. Morgen würde er genug erfahren.fragte sich, ob ihn die Quallenplagen ebenso elektrisiert hätten ohne das Wissen um diese Würmer.. Wahrscheinlich nicht. Es waren nicht die Quallen. Es waren die Zusammenhänge. Falls es welche gab.nächsten Morgen schaute Olsen in seinem Büro vorbei, kaum dass Johanson eingetroffen war. Auf der Fahrt zur NTNU hatte er Nachrichten gehört und nicht mehr erfahren, als er schon wusste: In verschiedenen Teilen der Welt wurden Menschen und Boote vermisst. Spekulationen gab es zur Genüge, eine echte Erklärung lieferte niemand.erste Vorlesung war um zehn. Reichlich Zeit, neu hereingekommene E-Mails abzufragen und die Post zu sichten. Draußen goss es in Strömen. Der Himmel überzog Trondheim mit bleiernem Grau. Er schaltete die Deckenbeleuchtung ein und verzog sich mit einem Becher Kaffee hinter seinen Schreibtisch, um in Ruhe wach zu werden, als Olsen den Kopf zur Tür reinsteckte.


Дата добавления: 2015-09-29; просмотров: 26 | Нарушение авторских прав







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