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thrillerSchaetzingSchwarmFischer verschwindet vor Peru, spurlos. Цlbohrexperten stoЯen in der norwegischen See auf merkwьrdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz 10 страница



»Warum versucht man es denn überhaupt zu fördern?«, fragte ein anderer Schüler.»Warum lässt man es nicht einfach unten?«

»Weil es die Energieprobleme lösen könnte«, rief das Mädchen und schob sich ein weiteres Stück nach vorn.»Das haben sie über die Japaner geschrieben. Die Japaner haben keine eigenen Rohstoffe, sie müssen alles importieren. Methan würde ihre Probleme lösen.«

»Das ist Blödsinn«, erwiderte der Junge.»Wenn es mehr Probleme macht, als welche aus der Welt zu schaffen, löst es gar nichts.«begann zu grinsen.

»Ihr habt beide Recht.«Bohrmann hob die Hände.»Es könnte die Energieprobleme lösen. Das Ganze ist darum auch kein rein wissenschaftliches Thema mehr. Die Energiekonzerne haben die Forschung mit in die Hand genommen. Wir schätzen, dass in marinen Gashydraten doppelt so viel Methan-Kohlenstoff gebunden ist wie in allen bekannten Erdgas-, Erdöl— und Kohlevorkommen der Erde zusammen. Alleine auf dem Hydratrücken vor Amerika, einem Areal von immerhin 26000 Quadratkilometern, lagern 35 Gigatonnen davon. Das ist das Hundertfache dessen, was die kompletten Vereinigten Staaten im Jahr an Erdgas verbrauchen!«

»Klingt eindrucksvoll«, sagte Johanson leise zu Sahling.»Ich wusste gar nicht, dass es so viel ist.«

»Es ist noch viel mehr«, antwortete der Biologe.»Ich kann mir die Zahlen nie merken, aber er kennt sie genau.«hätte Bohrmann zugehört, sagte er:»Möglicherweise — wir können nur schätzen — lagern über zehntausend Gigatonnen eingefrorenes Methan im Meer. Hinzu kommen Reservoirs an Land, tief in den Permafrostböden Alaskas und Sibiriens. Nur um euch ein Gefühl für Mengen zu geben: Sämtliche heute verfügbaren Lagerstätten von Kohle, Erdöl und Erdgas machen zusammen gerade mal fünftausend Gigatonnen aus, rund die Hälfte. Kein Wunder, dass sich die Energiewirtschaft den Kopf darüber zerbricht, wie sie das Hydrat abbauen kann. Ein einziges Prozent davon würde auf einen Schlag die Brennstoffreserven der USA verdoppeln, und die verbrauchen weltweit mit Abstand das meiste. Aber es ist wie immer und überall: Die Industrie sieht eine riesige Energiereserve, die Wissenschaft eine Zeitbombe, also versuchen wir uns partnerschaftlich zu einigen, natürlich immer im Interesse der Menschheit. — Tja. Damit sind wir am Ende unserer Expedition angelangt. Danke, dass ihr da wart.«Er schmunzelte.»Will sagen, dass ihr zugehört habt.«

»Und dass ihr was begriffen habt«, murmelte Johanson.

»Hoffentlich«, ergänzte Sahling.

»Ich hatte Sie anders in Erinnerung«, sagte Johanson wenige Minuten später, als er Bohrmann die Hand schüttelte.»Im Internet trugen Sie einen Schnurrbart.«

»Abrasiert.«Bohrmann fasste an seine Oberlippe.»Im Grunde ist es sogar Ihre Schuld.«

»Wie das?«

»Ich habe über Ihre Würmer nachgedacht. Heute morgen noch. Ich stand vor dem Spiegel, und der Wurm kroch vor meinem geistigen Auge dahin und vollzog in der Körpermitte eine Drehung, der meine Hand mit dem Rasierer aus unerfindlichen Gründen folgte. Eine Ecke war ab, da habe ich auch den Rest der Wissenschaft geopfert.«

»Ich habe also Ihren Schnurrbart auf dem Gewissen.«Johanson hob die Brauen.»Mal ganz was Neues.«

»Kein Problem. Er wächst nach, sobald wir wieder auf Expedition gehen. Auf See wachsen alle mehr oder weniger zu. Ich weiß auch nicht, warum. Vielleicht brauchen wir die Vorstellung, wie Abenteurer auszusehen, um nicht seekrank zu werden. Kommen Sie, wir gehen ins Labor. Möchten Sie vorher eine Tasse Kaffee? Wir könnten einen Abstecher in die Kantine machen.«

»Nein, ich bin neugierig. Kaffee kann warten. Sie gehen wieder auf Expedition?«

»Im Herbst«, nickte Bohrmann, während sie gläserne Übergänge und Flure durchquerten.»Wir wollen zu den Subduktionszonen der Aleuten und kalte Quellen untersuchen. Sie haben Glück, mich in Kiel zu erwischen. Ich bin vor vierzehn Tagen aus der Antarktis zurückgekehrt, nach fast acht Monaten auf See. Einen Tag später kam Ihr Anruf.«



»Was haben Sie acht Monate in der Antarktis getrieben, wenn ich fragen darf?«

»Üwis ins Eis gebracht.«

»Üwis?«lachte.

»Überwinterer. Wissenschaftler und Techniker. Sie haben im Dezember ihre Arbeit in den Stationen aufgenommen. Die Truppe, die augenblicklich unten ist, holt Eisbohrkerne aus vierhundertfünfzig Metern Tiefe. Ist das nicht unglaublich? Dieses alte Eis enthält die Klimageschichte der letzten siebentausend Jahre!«dachte an den Taxifahrer.

»Die meisten Menschen werden davon nicht sonderlich beeindruckt sein«, sagte er.»Sie werden nicht begreifen, wie die Klimageschichte helfen soll, Hungersnöte zu überwinden oder die nächste Fußballweltmeisterschaft zu gewinnen.«

»Daran sind wir nicht ganz unschuldig. Die Wissenschaft hat sich die meiste Zeit in ihrem Universum eingekapselt.«

»Finden Sie? Ihr kleiner Vortrag eben war alles andere als eingekapselt.«

»Ich weiß aber nicht, ob das ganze Öffentlichkeitstheater viel nützt«, sagte Bohrmann, während sie eine Treppe hinunterschritten.»Am allgemeinen Desinteresse ändern auch Tage der offenen Tür nicht viel. Kürzlich hatten wir einen. Es war rappelvoll, aber wenn Sie anschließend jemanden gefragt hätten, ob man uns weitere zehn Millionen bewilligen sollte …«schwieg eine Weile. Dann sagte er:»Ich glaube, das Problem sind eher die Universen, die uns Wissenschaftler voneinander trennen. Was meinen Sie?«

»Weil wir zu wenig miteinander reden?«

»Ja. Oder meinethalben Wissenschaft und Industrie, oder Wissenschaft und Militär. Alle reden zu wenig miteinander.«

»Oder Wissenschaft und Ölkonzerne?«Bohrmann musterte ihn mit einem langen Blick.lächelte.»Ich bin hier, weil jemand eine Antwort braucht«, sagte er.»Nicht, um eine zu erzwingen.«

»Industrie und Militär sind auf die Wissenschaftler angewiesen, ob es ihnen passt oder nicht«, meinte Sahling.»Wir reden durchaus miteinander. Das Problem scheint mir eher zu sein, dass wir einander unsere Sichtweisen nicht vermitteln können.«

»Und es im Übrigen nicht wollen!«

»Richtig. Was die Leute im Eis tun, kann helfen, eine Hungersnot zu verhindern. Ebenso gut kann es zum Bau einer neuen Waffe führen. Wir schauen auf das Gleiche, aber jeder sieht etwas anderes.«

»Und übersieht alles Übrige.«nickte.»Diese Tiere, die Sie uns geschickt haben, Dr. Johanson, sind ein gutes Beispiel. Ich weiß nicht, ob man ihretwegen das Vorhaben am Kontinentalhang in Frage stellen sollte. Aber ich bin in dubio geneigt, es anzunehmen und vorsorglich abzuraten. Vielleicht ist das der grundlegende Unterschied zwischen Wissenschaft und Industrie. Wir sagen: Solange nicht hinreichend bewiesen ist, welche Rolle dieser Wurm spielt, können wir eine Bohrung nicht empfehlen. Die Industrie geht von derselben Prämisse aus, gelangt aber zu einem anderen Resultat.«

»Solange nicht bewiesen ist, welche Rolle der Wurm spielt, spielt er keine.«Johanson sah ihn an.»Und was glauben Sie? Spielt er eine Rolle?«

»Das kann ich noch nicht sagen. Was Sie uns da geschickt haben, ist … na ja, gelinde gesagt, es ist recht ungewöhnlich. Ich möchte Sie nicht enttäuschen, was wir bis jetzt herausgefunden haben, hätte ich Ihnen ebenso gut am Telefon erzählen können, aber … nun ja, ich dachte, Sie würden gerne mehr darüber erfahren. Und wir können Ihnen hier Verschiedenes zeigen.«erreichten eine schwere Stahltür. Bohrmann betätigte einen Wandschalter, und sie glitt geräuschlos auf. Im Zentrum der dahinter liegenden Halle ruhte ein gewaltiger Kasten, hoch wie ein zweistöckiges Haus. In regelmäßigen Abständen waren Bullaugen eingelassen. Stählerne Steigleitern führten zu Rundläufen und vorbei an Apparaturen, die über Rohrleitungen mit dem Kasten verbunden waren.trat näher heran.hatte Bilder von dem Ding im Internet gesehen, aber auf die Ausmaße war er nicht vorbereitet gewesen. Ein eigentümliches Gefühl beschlich ihn beim Gedanken, welch ungeheurer Druck im Innern des wassergefüllten Tanks herrschte. Kein Mensch würde auch nur eine Minute darin überleben. Dieser Kasten war der eigentliche Grund, warum Johanson ein Dutzend Würmer an das Kieler Institut geschickt hatte. Es war ein Tiefseesimulator. Er barg eine künstlich geschaffene Welt mitsamt Meeresboden, Kontinentalhang und Schelf.ließ die Stahltür hinter ihnen zugleiten.

»Es gibt Leute, die den Sinn und Zweck der Anlage bezweifeln«, sagte er.»Auch der Simulator kann nur ein ungefähres Bild der tatsächlichen Gegebenheiten vermitteln, aber es ist besser, als jedes Mal hinauszufahren. Das Problem meeresgeologischer Forschung ist nach wie vor, dass wir nur winzige Ausschnitte der Wirklichkeit zu sehen bekommen. Zumindest ansatzweise sind wir hier in der Lage, allgemein gültige Thesen aufzustellen. Wir können zum Beispiel die Dynamik von Methanhydraten unter wechselnden Bedingungen besser erforschen.«

»Sie haben Methanhydrate da drin?«

»Etwa fünf Zentner. Neuerdings ist es uns gelungen, welches herzustellen, aber wir reden nicht so gern darüber. Die Industrie hätte gerne, dass wir den Simulator vollständig in ihren Dienst stellen. Und wir hätten zugegebenermaßen gerne das Geld von der Industrie. Aber nicht, um uns die freie Forschung damit abkaufen zu lassen.«legte den Kopf in den Nacken und sah an dem Kasten empor. Hoch über ihm hatte sich eine Gruppe Wissenschaftler auf dem obersten Rundlauf versammelt. Die Szenerie mutete seltsam unwirklich an, wie aus einem James-Bond-Film der Achtziger.

»Druck und Temperatur im Tank sind stufenlos regelbar«, fuhr Bohrmann fort.»Augenblicklich entsprechen sie einer Meerestiefe von rund achthundert Metern. Im Boden selber lagert eine Schicht stabiler Hydrate, zwei Meter dick, was dem Zwanzig— bis Dreißigfachen in freier Natur entspricht. Unterhalb der Schicht simulieren wir Wärme aus dem Erdinnern und haben es mit freiem Gas zu tun. Also ein kompletter Meeresboden im Modellformat.«

»Faszinierend«, sagte Johanson.»Aber was genau tun Sie hier? Ich meine, Sie können die Entwicklung Ihrer Hydrate fortgesetzt beobachten, aber …«Er rang nach Worten.kam ihm zur Hilfe.»Was genau wir hier tun außer zuschauen?«

»Ja.«

»Aktuell versuchen wir, eine erdgeschichtliche Periode nachzustellen, die 55 Millionen Jahre zurückliegt. Irgendwann an der Grenze von Paläozän zu Eozän scheint es auf der Erde eine Klimakatastrophe größeren Ausmaßes gegeben zu haben. Der Ozean kippte regelrecht um. Siebzig Prozent aller Lebewesen am Meeresboden starben, vornehmlich Einzeller. Ganze Bereiche der Tiefsee verwandelten sich vorübergehend in lebensfeindliche Zonen. Auf den Kontinenten kam es umgekehrt zu einer biologischen Revolution. In der Arktis tauchten Krokodile auf, und aus subtropischen Breiten wanderten Primaten und moderne Säugetiere nach Nordamerika ein. Ein phänomenales Durcheinander.«

»Woher wissen Sie das alles?«

»Bohrkerne. Das ganze Wissen um die Klimakatastrophe verdanken wir einem Bohrkern aus zwei Kilometer Meerestiefe.«

»Verrät der Kern auch etwas über die Ursachen?«

»Methan«, sagte Bohrmann.»Das Meer muss sich zu dieser Zeit erwärmt haben, sodass größere Mengen Methanhydrat instabil wurden. Als Folge rutschten die Kontinentalhänge ab und legten weitere Methanvorkommen frei. Innerhalb weniger Jahrtausende, vielleicht Jahrhunderte entwichen Milliarden Tonnen Gas in Ozean und Atmosphäre. Ein Teufelskreis. Methan fördert den Treibhauseffekt dreißig Mal stärker als CO2. Es heizte die Atmosphäre auf, dadurch erhitzten sich wiederum die Ozeane, noch mehr Hydrate zerfielen, das Ganze setzte sich endlos fort. Die Erde verwandelte sich in einen Backofen.«Bohrmann sah ihn an.»Fünfzehn Grad warmes Tiefenwasser anstelle unserer heutigen zwei bis vier Grad, das ist schon was.«

»Für die einen desaströs, für die anderen … na ja, ein Warmstart gewissermaßen. Verstehe. Im nächsten Kapitel unserer gepflegten kleinen Unterhaltung werden wir dann wohl den Untergang der Menschheit verinhaltlichen, richtig?«lächelte.»So schnell steht der nicht bevor. Aber es gibt tatsächlich Anzeichen, dass wir uns in einer Phase empfindlicher Gleichgewichtsschwankungen befinden. Die Hydratreserven in den Ozeanen sind äußerst labil. Das ist der Grund, warum wir Ihrem Wurm so viel Beachtung schenken.«»Was kann ein Wurm an den Stabilitätsverhältnissen von Methanhydraten ändern?«»Eigentlich nichts. Der Eiswurm bevölkert die Oberfläche mehrere hundert Meter dicker Eisschichten. Er schmilzt ein paar Zentimeter ein und begnügt sich mit Bakterien.«

»Aber dieser Wurm hat Kiefer.«

»Dieser Wurm ist ein Geschöpf, das keinen Sinn ergibt. Am besten, Sie schauen es sich an.«traten zu einem halbrunden Steuerpult am Ende der Halle. Es erinnerte Johanson an die Kommandozentrale des Victor, nur um einiges größer. Die meisten der rund zwei Dutzend Monitore waren eingeschaltet und zeigten Aufnahmen aus dem Innern des Tanks. Ein diensthabender Techniker grüßte sie.

»Wir beobachten das Geschehen simultan mit zweiundzwanzig Kameras, außerdem wird jeder Kubikzentimeter pausenlosen Messungen unterworfen«, erklärte Bohrmann.»Die weißen Flächen auf den Monitoren der oberen Reihe sind Hydrate. Sehen Sie? Hier links ist das Feld, auf dem wir zwei der Polychäten abgesetzt haben. Das war gestern Vormittag.«kniff die Augen zusammen.

»Ich sehe nur das Eis«, sagte er.

»Schauen Sie genauer hin.«studierte jede Einzelheit des Bildes. Plötzlich fielen ihm zwei dunkle Flecken auf. Er zeigte darauf.»Was ist das? Vertiefungen?«wechselte ein paar Worte mit dem Techniker. Das Bild veränderte sich. Plötzlich waren die beiden Würmer zu sehen.

»Die Flecken sind Löcher«, sagte Sahling.»Wir spielen den Film im Zeitraffer ab.«sah zu, wie sich die Würmer zuckend über das Eis wanden. Eine Weile krochen sie hin und her, als versuchten sie, die Quelle eines Dufts zu erwittern. In der beschleunigten Darstellung wirkten ihre Bewegungen fremdartig und bizarr. Die borstigen Büschel beiderseits der rosa Körper zitterten wie elektrisiert.

»Jetzt passen Sie auf!«der Würmer war zum Stillstand gekommen.Wellen durchliefen seinen Körper.verschwand er im Eis.pfiff leise durch die Zähne.»Alle Wetter. Er bohrt sich hinein.«zweite Tier lag immer noch ein Stück entfernt. Der Kopf bewegte sich wie im Takt zu einer unhörbaren Musik. Plötzlich schoss der Rüssel mit den Chitinkiefern hervor.

»Sie fressen sich ins Eis«, rief Johanson.starrte wie paralysiert auf das Videobild. Was wunderst du dich, dachte er im selben Moment. Sie leben in Symbiose mit Bakterien, die Methanhydrat abbauen, und dennoch haben sie Kiefer zum Bohren.Ganze ließ nur einen Schluss zu. Die Würmer wollten an Bakterien, die tiefer im Eis saßen. Gespannt sah er zu, wie sich die borstigen Körper ins Hydrat wühlten. Im Zeitraffer zitterten ihre Hinterleiber.ötzlich waren sie verschwunden. Nur die Löcher blieben als dunkle Flecken im Eis.Grund zur Beunruhigung, dachte er. Auch andere Würmer bohren. Sie bohren gerne. Manche bohren Schiffe in Grund und Boden.warum bohren sie Hydrate an?

»Wo sind die Tiere jetzt?«, fragte er.sah auf den Monitor.

»Sie sind tot.«

»Tot?«

»Verreckt. Sie sind erstickt. Würmer brauchen Sauerstoff.«

»Ich weiß. Es ist der Sinn der ganzen Symbiose. Die Bakterien ernähren den Wurm, und der Wurm versorgt sie durch sein Strudeln mit Sauerstoff. Aber was ist hier geschehen?«

»Hier ist geschehen, dass die Würmer sich in ihren eigenen Tod gebohrt haben. Sie haben Löcher ins Eis gefressen, als sei es der süße Brei, bis sie in der Gasblase landeten, wo sie erstickten.«

»Kamikaze«, murmelte Johanson.

»Es kommt einem in der Tat wie Selbstmord vor.«überlegte.»Oder aber sie werden von irgendetwas fehlgeleitet.«»Möglich. Aber von was? Im Innern der Hydrate ist nichts, was ein solches Verhalten auslösen könnte.«

»Vielleicht das freie Gas darunter?«rieb sich das Kinn.

»Daran dachten wir auch schon. Aber das erklärt immer noch nicht, warum sie Selbstmord begehen.«sah vor seinem geistigen Auge das Gewimmel auf dem Meeresgrund. Sein Unbehagen wuchs. Wenn sich Millionen Würmer ins Eis bohrten, was wären die Folgen?schien seine Gedanken zu erraten.

»Die Tiere können das Eis nicht destabilisieren«, sagte er.»Im Meer sind die Hydratfelder ungleich dicker als hier. Diese verrückten Viecher kratzen allenfalls die Oberfläche an, maximal ein Zehntel der Eisschicht. Dann gehen sie unweigerlich ein.«

»Was nun? Werden Sie weitere Würmer testen?«

»Ja. Wir haben noch ein paar. Vielleicht nutzen wir auch die Gelegenheit, uns vor Ort umzusehen. Ich denke, Statoil wird das begrüßen. Die Sonne soll in den nächsten Wochen hoch nach Grönland fahren. Wir könnten den Start der Expedition vorziehen und der Stelle einen Besuch abstatten, wo Sie die Polychäten gefunden haben.«Bohrmann hob die Hände.»Aber diese Entscheidung treffe nicht ich. Das müssen andere bestimmen. Heiko und ich hatten einfach spontan die Idee.«sah über die Schulter zu dem riesigen Tank. Er dachte an die toten Würmer im Innern.

»Die Idee ist gut«, sagte er.äter fuhr Johanson in sein Hotel, um sich umzuziehen. Er versuchte Lund zu erreichen, aber sie ging nicht ran. Vor seinem geistigen Auge sah er sie in Kare Sverdrups Armen liegen, zuckte die Achseln und legte auf.hatte ihn zum Abendessen in ein Bistro eingeladen, das zu den angesagten Adressen Kiels gehörte. Johanson ging ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. Er fand, sein Bart müsse gestutzt werden. Mindestens zwei Millimeter zu lang. Alles andere stimmte. Das immer noch volle Haar, ehemals dunkel und nun zunehmend durchsetzt von grauen Strähnen, fiel üppig nach hinten. Unter den breiten, schwarzen Brauen funkelte der Blick wie eh und je. Mitunter gab es Situationen, da verliebte er sich in sein eigenes Charisma. Dann wieder erkannte er den Charismatiker nicht wieder, besonders in den frühen Morgenstunden. Bis jetzt hatten ein paar Tassen Tee und ein bisschen kosmetische Pflege immer noch ausgereicht, das schnell wieder in Ordnung zu bringen. Eine Studentin hatte ihn unlängst mit dem deutschen Schauspieler Maximilian Schell verglichen, und Johanson hatte sich geschmeichelt gefühlt, bis ihm bewusst wurde, dass Schell über siebzig war. Danach war er auf eine andere Hautcreme umgestiegen.durchstöberte seinen Koffer, wählte einen Pulli mit Reißverschluss, zwängte das Jackett seines Anzugs darüber und wickelte einen Schal um seinen Hals. Gut angezogen war er so nicht, und genau so liebte er es: nicht gut angezogen zu sein. Zu keiner Zeit passte wirklich zusammen, was er trug. Er kultivierte seine Schlampigkeit und genoss es, sich nicht mit Mode abplagen zu müssen. Nur in Momenten großer Einsicht war er bereit zuzugeben, dass sein angegammeltes Outfit eine Mode für sich darstellte, der er ebenso anhing wie andere Menschen dem Diktat der Haute Couture, und dass er mehr Zeit auf den Zustand des Ungekämmtseins verwendete als das Gros der Menschheit auf eine geordnete Frisur.bleckte sein Spiegelbild an, verließ das Hotel und ließ sich mit dem Taxi zu seiner Verabredung fahren.erwartete ihn. Eine Zeit lang plauderten sie über alles Mögliche, tranken Wein und aßen Seezunge, die hervorragend war. Nach einer Weile driftete die Unterhaltung wieder in Richtung Tiefsee.Dessert fragte Bohrmann wie beiläufig:»Sind Sie eigentlich mit den Plänen von Statoil näher vertraut?«

»Nur im Groben«, erwiderte Johanson.»Ich verstehe nicht übermäßig viel vom Ölgeschäft.«

»Was planen die? Eine Plattform werden sie ja kaum bauen so weit draußen.«

»Nein. Keine Plattform.«nippte an seinem Espresso.

»Entschuldigen Sie, ich will nicht in Sie dringen. Ich weiß nicht, wie vertraulich diese Dinge sind, aber …«

»Das geht schon in Ordnung. Ich bin als Plaudertasche bekannt. Wenn mir einer was anvertraut, kann es gar nicht geheim sein.«lachte.»Also, was glauben Sie, bauen die da draußen?«

»Sie machen sich Gedanken über eine Unterwasserlösung. Eine vollautomatische Fabrik.«

»So was wie Subsis?«

»Was ist Subsis?«

»Subsea Separation and Injection System. Eine Unterwasserfabrik. Sie arbeitet seit wenigen Jahren auf dem Trollfeld in der norwegischen Rinne.«»Nie davon gehört.«

»Fragen Sie Ihre Auftraggeber. Subsis ist eine Förderstation. Sie steht in 350 Meter Tiefe auf dem Meeresboden und trennt dort Öl und Gas vom Wasser. Augenblicklich findet dieser Prozess noch auf den Plattformen statt, und das Produktionswasser wird ins Meer geleitet.«

»Ach stimmt!«Lund hatte darauf angespielt.»Produktionswasser. Es gibt dieses Problem, dass die Fische unfruchtbar werden.«

»Eben dieses Problem könnte Subsis lösen. Das schmutzige Wasser wird sofort wieder ins Bohrloch gepresst, drückt weiteres Öl nach oben, wird wieder davon getrennt, wieder nach unten gepresst et cetera. Öl und Gas gelangen durch Pipelines direkt zur Küste — an sich eine feine Sache.«

»Aber?«»Ich weiß nicht, ob’s ein Aber gibt. Angeblich arbeitet Subsis problemlos in fünfzehnhundert Meter Tiefe. Der Hersteller meint, zweitausend wären auch kein Problem, und die Ölkonzerne wünschen sich fünftausend.«»Ist das realistisch?«»Mittelfristig schon. Ich glaube, alles, was im kleinen Maßstab funktioniert, klappt auch im großen, und die Vorteile liegen auf der Hand. Sehr bald schon werden die automatischen Fabriken die Plattformen abgelöst haben.«

»Sie scheinen die allgemeine Euphorie nicht recht zu teilen«, bemerkte Johanson.Pause entstand. Bohrmann kratzte sich am Hinterkopf. Er sah aus, als wisse er nicht recht, wie er darauf antworten solle.

»Was mir Sorgen macht, ist weniger die Fabrik. Es ist die Naivität der ganzen Herangehensweise.«

»Die Station ist ferngesteuert?«

»Komplett. Vom Land aus.«

»Das heißt, etwaige Reparaturen und Wartungsarbeiten übernehmen Roboter.«nickte.

»Verstehe«, sagte Johanson nach einer Weile.

»Die Sache hat ein Für und Wider«, sagte Bohrmann.»Wenn Sie in unbekanntes Gebiet vordringen, ist das immer riskant. Und die Tiefsee ist unbekanntes Gebiet, machen wir uns nichts vor. Insofern ist es richtig, dass wir versuchen, unsere Einsatzmittel zu automatisieren, anstatt Menschenleben zu gefährden. Es ist in Ordnung, wenn wir einen Tauchroboter runterschicken, um Vorgänge zu beobachten oder ein paar Proben zu entnehmen. Aber das hier ist etwas anderes. Wie wollen Sie einen Unfall, bei dem Öl unter Hochdruck aus dem Bohrloch schießt, in fünftausend Meter Tiefe wieder unter Kontrolle bringen? Sie kennen ja nicht mal wirklich das Terrain. Alles, was Sie kennen, sind Messungen. In der Tiefsee sind wir blind. Wir können mit Hilfe von Satelliten, mit Fächersonar oder seismischen Wellen eine Karte der Meeresbodenmorphologie anlegen, die bis auf den halben Meter genau ist. Wir delektieren Gas-und Ölvorkommen mit bodensimulierenden Reflektoren, sodass die Karte hinterher sagt, hier kannst du bohren, hier ist Öl, da sind Hydrate, und da drüben musst du aufpassen … Aber was da unten ist — wirklich ist! —, wissen wir trotzdem nicht.«

»Meine Rede«, murmelte Johanson.

»Wir sehen die Auswirkungen unseres Tuns nicht. Wir können nicht einfach mal runterflitzen, wenn die Fabrik Mist baut. Missverstehen Sie mich nicht, ich bin keineswegs gegen die Rohstoffförderung. Aber ich bin dagegen, Fehler zu wiederholen. Als der Ölboom losging, hat man sich keine Gedanken darüber gemacht, wie man den ganzen Schrott wieder entsorgt bekommt, den man da so lustig ins Meer gestellt hatte, Man hat Abwässer und Chemikalien in die See und in die Flüsse geleitet nach dem Motto, sie werden’s schon schlucken, radioaktives Zeug im Ozean versenkt, Ressourcen und Lebensformen ausgebeutet und vernichtet, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie komplex die Zusammenhänge sind.«

»Aber die automatischen Fabriken werden kommen?«

»Zweifellos. Sie sind wirtschaftlich, sie erschließen Vorkommen, an die menschliche Arbeitskräfte nie rankämen. Und als Nächstes stürzt sich dann alles aufs Methan. Weil es sauberer verbrennt als alle anderen fossilen Brennstoffe.

— Stimmt! — Weil ein Wechsel von Öl und Kohle zu Methan den Treibhauseffekt verlangsamen wird. — Auch richtig. — Es ist alles richtig, solange es sich unter Idealbedingungen abspielt. Aber die Industrie verwechselt den Idealfall gerne mit der Wirklichkeit. Sie will ihn damit verwechseln. Sie wird sich von allen Prognosen immer die sonnigste heraussuchen, damit es schneller losgehen kann, auch wenn man nichts weiß über den Kosmos, in den man da eingreift.«

»Aber wie soll das überhaupt gehen?«, fragte Johanson.»Wie will man Hydrat fördern, wenn es sich auf dem Weg zur Oberfläche zersetzt?«

»Auch da kommen wieder automatische Fabriken ins Spiel. Man schmilzt das Hydrat in großer Tiefe, indem man es zum Beispiel erwärmt, fängt das frei werdende Gas in Trichtern auf und leitet es nach oben. Es klingt prima, aber wer garantiert, dass solche Schmelzaktionen nicht eine Kettenreaktion auslösen und sich die Katastrophe aus dem Paläozän wiederholt?«

»Glauben Sie wirklich, das sei möglich?«breitete die Hände aus.

»Jeder unüberlegte Eingriff ist ein Selbstmordkommando. Aber es geht schon los. Indien, Japan und China sind sehr rege.«Er lächelte freudlos.»Und die wissen auch nicht, was da unten ist. Sie wissen gar nichts.«

»Würmer«, murmelte Johanson. Er dachte an die Videoaufnahme, die der Victor von dem Gewimmel am Meeresgrund gemacht hatte. Und von dem ominösen Geschöpf, das so schnell im Dunkeln verschwunden war.ürmer. Monster. Methan. Klimakatastrophe.sollte schnell noch etwas trinken.

. AprilAnblick versetzte Anawak in Wut.

Über zehn Meter maß das Tier vom Kopf bis zur Fluke. Es war einer der größten Transient Orcas, die er je gesehen hatte, ein gewaltiges Männchen. In dem halb geöffneten Rachen schimmerten die typischen dicht gepackten Reihen kleiner kegelförmiger Zähne. Wahrscheinlich war das Tier schon ziemlich alt, dennoch schien es vor Kraft zu strotzen. Nur wenn man genauer hinsah, bemerkte man die Stellen, an denen die schwarzweiße Haut nicht mehr glänzte, sondern stumpf und schorfig wirkte. Das eine Auge war geschlossen, das andere verdeckt.riesig der Orca war, konnte er keinem Lachs mehr gefährlich werden. Er lag auf der Seite im feuchten Sand, und er war tot.hatte das Tier sofort erkannt. In den Registern wurde es unter der Bezeichnung J-19 geführt, aber seine säbelartig gebogene Rückenfinne hatte ihm den Spitznamen Dschinghis eingetragen. Er ging um den Orca herum und fand ein Stück abseits John Ford, den Direktor des Forschungsprogramms für Meeressäuger im Vancouver Aquarium, im Gespräch mit Sue Oliviera, der Laborleiterin in Nanaimo, und einem dritten Mann. Sie standen unter den strandnahen Bäumen. Ford winkte Anawak heran.

»Dr. Ray Fenwick vom Kanadischen Institut für Ozeanische Wissenschaften und Fischerei«, stellte er den Unbekannten vor.war angereist, um die Autopsie vorzunehmen. Nachdem Dschinghis’ Tod bekannt geworden war, hatte Ford vorgeschlagen, die Vivisektion zur Abwechslung nicht hinter verschlossenen Türen, sondern direkt am Strand stattfinden zu lassen. Er wollte einer möglichst großen Gruppe von Presseleuten und Studenten Einblick in die Anatomie eines Orcas gewähren.

»Außerdem wirkt es anders am Strand«, hatte er gesagt.»Nicht so antiseptisch und distanziert. Wir haben einen toten Orca und das Meer direkt vor der Nase. Es ist sein Lebensraum, nicht unserer. Er liegt quasi vor seiner Haustür. Wenn wir die Autopsie hier durchführen, erwecken wir mehr Verständnis, mehr Mitleid, mehr Betroffenheit. Es ist ein Trick, aber er funktioniert.«hatten die Angelegenheit zu viert besprochen, Ford, Fenwick, Anawak und Rod Palm von der marinen Forschungsstation auf Strawberry Isle, einer winzigen Insel in der Bucht von Tofino. Die Strawberry -Leute erforschten von dort aus die Ökosysteme des Clayoquot Sound. Palm selber hatte sich in der Populationskunde von Orcas einen Namen gemacht. Sie waren schnell übereingekommen, die Obduktion öffentlich durchzuführen, weil es für Aufmerksamkeit sorgen würde. Und Aufmerksamkeit hatten die Orcas weiß Gott nötig.


Дата добавления: 2015-09-29; просмотров: 28 | Нарушение авторских прав







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