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Zum Valenzbegriff in der Linguistik. Die ebenen der Valenz. Die Valenz und die Wortarten



VORLESUNG 8

ZUM VALENZBEGRIFF IN DER LINGUISTIK. DIE EBENEN DER VALENZ. DIE VALENZ UND DIE WORTARTEN

Zwischen sprachlichen Einheiten bestehen sowohl paradigmatische, als auch syntagmatische Beziehungen, d.h. im konkreten Redeakt, im Satz. Die Verbindungsmöglichkeiten einer sprachlichen Einheit mit anderen Wörtern unterliegen bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die man in der Linguistik unter dem Begriff Valenz (auch: Wertigkeit, Fügewert, Fügungspotenz) zusammenfasse Der Begriff Valenz (lat. valere = gelten, wert sein) ist von L. Terniere in die Linguistik eingeführt worden, der die Wertigkeit des Verbs mit der Wertigkeit eines Atoms in der Chemie verglich. In der Linguistik wird der Valenzbegriff verschieden gedeutet. Das Lexikon sprachwissenschaftlicher Termini fasst den Valenzbegriff weit auf, als „Fähigkeit von Wörtern oder Satzgliedern, andere Wörter oder Satzglieder an sich zu binden" (Lexikon sprachwissenschaftlicher Termini 1985, 261).

Ansätze zur Entwicklung des Valenzbegriffs finden wir schon in den Grammatiken des 18. - 19. Jahrhunderts. J.W. Meiner unterschied 3 Gruppen von Prädikaten, die durch Verben oder Adjektive mit der Kopula ausgedrückt werden:

1) einseitig-unselbständige (absolute) Prädikate: rot sein, glücklich sein, sich freuen, sich ärgern;

2) zweiseitig-unselbständige (relativische) Prädikate: arm sein, reich sein, setzen, legen, kranken;

3) dreiseitig-unselbständige Prädikate: beschuldigen, anklagen, überführen, Konstruktionen mit dem Verb lassen.

Vom Standpunkt der Entwicklung der Valenztheorie sind von besonderem Interesse transitive und intransitive Verben, die die Bezogenheit/Nichtbezogenheit der Handlung auf ein Objekt bezeichnen und mit oder ohne Ergänzung gebraucht werden. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verwendete K.F. Becker die Begriffe subjektive/objektive Verben. Diese Einteilung ist im Unterschied zu transitiven/intransitiven Verben auf die Semantik orientiert. Die subjektiven Verben bezeichnen die Tätigkeit, die auf ein Subjekt gerichtet ist, die objektiven Verben bezeichnen die Tätigkeit, die auf ein Objekt gerichtet ist. Die transitiven Verben betrachtet K.F. Becker als eine besondere Art der objektiven Verben. Die Unterscheidung in absolute bzw. subjektive (d.h. außer dem Subjekt keine Ergänzung fordernde) und relative bzw. objektive (d.h. außer dem Subjekt mindestens noch eine Ergänzung fordernde) Verben findet sich bei O. Behaghel und J.C.A. Hey- se. K. Bühler hat in seinem Werk „Sprachtheorie" geschrieben, dass "die Wörter einer bestimmten Wortklasse eine oder mehrere Leerstellen eröffnen, die durch Wörter bestimmter anderer Klassen ausgefüllt werden müssen" (Bühler, 1934 173).

L. Tesniere, der als Begründer der Valenzgrammatik gilt, wandte sich dem Valenzbegriff in den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts zu, aber erst in den 50-er Jahren begann sich die Valenztheorie intensiv zu entwickeln. L. Tesniere und seine Nachfolger fassten den Valenzbegriff eng auf und betrachteten die Valenz als eine Eigenschaft, die nur dem Verb zukommt. Bei der strukturellen Satzanalyse, die L. Tesniere im Rahmen seiner Abhängigkeitsgrammatik dur-chführte, ging der Sprachwissenschaftler vom Verb aus, wobei das Subjekt als Teil der verbalen Gruppe angesehen wurde. Dem Verb sind die „actants" (Vorgangsbeteiligte) und „circontants" (Umstände) untergeordnet. Die Fähigkeit der Verben eine bestimmte Zahl der „actants" (Aktanten) zu sich zu nehmen und zu binden, bezeichnet L.Tesniere als Valenz. Die Verben wurden von L. Terniere nur hinsichtlich der Zahl der Aktanten klassifiziert. Nach der Zahl der Aktanten unterscheidet der Sprachwissenschaftler avalente Verben, die keinen Aktanten fordern, monovalente Verben, die einen Aktanten fordern, divalente Verben (meist transitive Verben), die zwei Aktanten fordern, und trivalente Verben, die außer dem Akkusativobjekt ein Dativobjekt zulassen und als dreiwertig auftreten. In der frühen Etappe der Entwicklung der Valenztheorie wurde die Valenz als eine syntaktische Erscheinung betrachtet.



Das verbozentrische Herangehen an den Valenzbegriff wurde in der deutschen Grammatik weiterentwickelt. H. Brinkmann nennt die Valenz die Fähigkeit des Verbums, weitere Stellen im Satz zu fordern, die Aktanten bezeichnet er als Mitspieler (Brinkmann 1971). In ähnlicher Weise betrachtet J. Erben die Valenz, die für ihn Basis für die Aufstellung der Satzmodelle ist. Die Aktanten nennt der Sprachwissenschaftler Ergänzungsbestimmungen (Erben 1962).

Helbig/Schenkel verstehen unter der syntaktischen Valenz „die Fähigkeit des Verbs, bestimmte Leerstellen um sich herum zu öffnen, die durch obligatorische und fakultative Mitspieler zu besetzen sind (Helbig/Schenkel 1973, 49). Obligatorische (sinnnotwendige) Aktanten bilden ein syntaktisches Minimum des Satzes, ohne sie ist der Satzgrammatisch, z.B. Er wohnt in Erfurt (die beiden Aktanten sind für den Bestand des Satzes obligatorisch). Ohne fakultative Aktanten bleibt der Satz grammatisch richtig, z.B. Er isst Brot (das letzte Glied ist weglassbar). Man versucht deutsche Verben nach der Valenz einzuteilen und auf deren Basis syntaktische Satzmodelle zu konstituieren:

1) Verben ohne Aktanten

Es blitzt.

2) Verben mit keinem obligatorischen und einem fakultativen Aktanten

Es regnet (Blüten).

3) Verben mit einem obligatorischen Aktanten

Die Pflanze geht ein.

4) Verben mit einem obligatorischen und einem fakultativen Aktanten

Die Mutter kauft (Milch) ein.

5) Verben mit einem obligatorischen und 2 fakultativen Aktanten

Der Lehrer dankt (dem Schüler) (für die Hilfe).

6) Verben mit einem obligatorischen und 3 fakultativen Aktanten

Der Schriftsteller übersetzt (das Buch) (aus dem Russischen) (in das Deutsche).

7) Verben mit 2 obligatorischen Aktanten Der Direktor erwartet die Gäste.

8) Verben mit 2 obligatorischen und einem fakultativen Aktanten

Der Schüler beantwortet (dem Lehrer) die Fragen.

9) Verben mit 2 obligatorischen und 2 fakultativen Aktanten

Der Schüler entgegnete (dem Lehrer) (auf dessen Fragen), dass er aufgepasst habe.

10) Verben mit 3 obligatorischen Aktanten

Der Meister nannte die Frau eine gute Arbeiterin. Das Verb kann im Satz vierstellig sein, z.B. Sie nimmt ihm das Heft aus der Hand.

Von einigen Sprachwissenschaftlern wird der Valenzbegriff weit aufgefasst. Man betrachtet die Valenz als eine Eigenschaft, die nicht nur dem Verb, sondern allen Wortarten zukommt. Diese Konzeption wurde von K. Bühler vorbereitet. W. Admoni schreibt: „Jeder Redeteil enthält also in sich eine ganze Reihe von Fügungspotenzen, die bei seiner Einschaltung in den Satz als Ausdruck der vom Redenden beabsichtigten Bedeutungsfüllung des Satzes und unter dem Einfluss von Kontext und Situation zum Teil aktualisiert werden. Diese Potenzen schlummern im Redeteil und werden erst durch Berührung mit dem konkreten Redeprozess zum Leben erweckt." (Admoni 1986, 89). Der Sprachwissenschaftler unterscheidet obligatorische Fügungspotenz (z.B. die Beziehung des Adjektivs als Attribut zum Substantiv) und fakultative Fügungspotenz (z.B. die Beziehung des Substantivs zum attributiven Adjektiv). Im ähnlichen Sinne behandelt S.D. Katznelson den Valenzbegriff, der unter der Valenz die Eigenschaft des Wortes versteht, sich auf bestimmte Weise zu realisieren und bestimmte Kombinationen mit anderen Wörtern einzugehen (Кацнельсон 1987). В.A. Abramov spricht die Fügungspotenz zwar allen Wortarten zu, aber er betont die wichtigste Rolle des Verbs, das ein strukturelles Zentrum des Satzes bildet. Der Linguist unterscheidet:

1) zentrifugale (aktive) Potenz, d.h. die vom übergeordneten Glied ausgehende Potenz (die Fähigkeit, andere Glieder an sich zu binden);

2) zentripetale (passive) Potenz, d.h. die vom untergeordneten Glied ausgehende Potenz (die Fähigkeit, sich an ein übergeordnetes Glied anzuschließen).

Das Verb verfügt nur über zentrifugale Potenz, andere Wortarten können sowohl zentrifugale, als auch zentripetale syntaktische Potenzen haben (Abramov 1967). Wörter, die aktive Valenz haben, heißen Valenzträger. Wörter, die passive Valenzbeziehungen eingehen, werden als Valenzpartner bezeichnet.

Der Valenzbegriff im Sinne Verknüpfbarkeit von sprachlichen Einheiten wird von einigen Sprachwissenschaftlern in Bezug auf alle sprachlichen Elemente an-gewendet. So hat M. D. Stepanova den Valenzbegriff auf die Wortbildung übertragen. Sie unterscheidet äußere Valenz (d.h. zwischen Wörtern) und innere Valenz (d.h. zwischen Konstituenten des Wortes) (Stepanova 1971). Die Sprachwissenschaftlerin definiert innere Valenz „als Gesamtheit von Gesetzmäßigkeiten der Zusammenfügung von Wortelementen miteinander" (Stepanova 1971, 134). Sie unterscheidet innere morphologische Valenz und innere semantische Valenz. Die morphologische Valenz liegt in der Zugehörigkeit des sprachlichen Elements zu der einen oder zu der anderen Wortart. Zum Beispiel treten die nominalen Präfixe un-, ur-, erz- an substantivische oder adjektivische Stämme, je nach dem ob das zu bindende Wort ein Substantiv oder ein Adjektiv ist, vgl. Unglück, unschön, Urwald, uralt, Erzfeind, erzdumm. Präfixe miss- und ge- verbinden sich bei verbaler Ableitung nur mit verbalen Stämmen, vgl. missverstehen, gehorchen, bei nominaler Ableitung tritt miss- nur an nominale, ge- sowohl an nominale als auch verbale Stämme, vgl. Missernte, missmutig, getreu, Gebell. Die semantische Valenz besteht in der Feststellung der Gesetzmäßigkeiten der semantischen Kongruenz, die die Zusammenstellung von Wortelementen bedingen. Als Beispiel kann das verbale Präfix ent- gelten, das sowohl an verbale, als auch an nominale Stämme tritt. Im ersten Fall erfüllt es folgende Grundfunktionen:

a) Es bildet Antonyme zu Verben, die eine entgegengesetzte Handlung vermuten lassen: enthüllen - hüllen; entladen - laden; entschädigen - schädigen.

b) Es verleiht den Verben der Bewegung die Bedeutung der Entfernung: entlaufen, entfliegen, entkommen.

c) Es tritt an einige Verben, die Naturerscheinungen und physische Prozesse zum Ausdruck bringen, und bezeichnet den Anfang oder die Endung des Prozesses: ensprudeln, entströmen, entglimmen.

Im zweiten Fall verbindet sich das Präfix ent- mit den nominalen Stämmen: entgasen zu Gas, entwässern zu Wasser, entkräften zu Kraft.

In den 70-er Jahren zeichnet sich die Tendenz ab, den Valenzbegriff nicht nur als eine syntaktische sondern auch als eine semantische Erscheinung zu betrachten. Man begründet das damit, dass die Valenz ohne semantische Basis nur unzureichend und oberflächlich beschrieben werden kann. Die syntaktische Valenz ist in vielen Fällen durch semantische Faktoren bedingt. Die lexikalische Bedeutung des Wortes setzt in bedeutendem Maße seine syntaktischen Potenzen und seine syntaktisch-semantische Umgebung voraus. Es geht um Selektions-beschränkungen unter semantischem Aspekt: Das Wort als Valenzträger fordert Valenzpartner mit bestimmten Bedeutungsmerkmalen. Dabei werden andere Valenzpartner mit bestimmten Bedeutungsmerkmalen ausgeschlossen. Die semantische Richtung in der Valenztheorie vertreten W. Bondzio (Bondzio 1971), K.-E. Sommerfeldt, H. Schreiber (Sommerfeldt, Schreiber 1974; 1977), S.D. Katznelson (Кацнельсон 1987), S.M. Kibardina (Кибардина 1983; 1985) u.a.

In der modernen Linguistik unterscheidet man folgende Valenzebenen:

 logische Valenz ist eine Erscheinung der begrifflich-universalen Ebene. Unter logischer Valenz versteht man Valenzbeziehungen in logischen Aussagenstrukturen, d.h. zwischen logischen Prädikaten und deren Argumenten. Im Unterschied zu Aktanten, die als Glieder syntaktisch vom Verb abhängen, sind Argumente vom logischen Prädikat abhängig. Zum Beispiel dem Satz Peter liebt Angela entspricht eine logische Aussagestruktur R (x, y), wobei R ein zweistelliges Prädikat und x, у zwei Argumente darstellen. Dieser logischen Struktur entspricht auf semantischer Ebene eine semantische Valenzstruktur;

 semantische Valenz regelt die Besetzung der Leerstellen von Aktanten, die semantisch durch bestimmte Bedeutungsmerkmale festgelegt sind. Zum Beispiel der Satz Peter liebt Angela stellt die Struktur Verb lieben + zwei Aktanten Agens {Peter) und Patiens (Angela) dar. Das Verb lieben fordert in der Regel ein menschliches Wesen (Hum), Abstr. (Hum) als Handlungsträger, als Patiens kann ein Aktant auftreten, der keine Selektionsbeschränkungen hat;

 syntaktische Valenz regelt die obligatorische und fakultative Besetzung von Leerstellen durch Aktanten, ihre Zahl und Art. Das Verb lieben z.B. verlangt zwei obligatorische Aktanten: Substantiv im Nominativ (Peter) und Substantiv im Akkusativ (Angela). Im Unterschied zur logischen und semantischen Valenz ist die syntaktische Valenz sprachspezifisch.

Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Valenz und Kommunikation unterscheiden einige Sprachwissenschaftler zusätzlich pragmatische Valenz. Man verweist darauf, dass der Sprecher in Abhängigkeit von der Kom-munikationsabsicht und der Kommunikationssituation die freie Wahl hat, einige Aktanten zu realisieren oder nicht zu realisieren. In erster Linie handelt es sich um Reduzierung von obligatorischen Aktanten in Texten bzw. in bestimmten Textsorten (Schwitalla 1985). So können in Alltagsdialogen die obligatorischen Aktanten oft wegfallen, vgl.:

Hast du die Großmutter besucht? - (1) Ich habe die Großmutter besucht. (2) Habe ich gemacht. (3) Das habe ich. (4) Hab ich.

Von den möglichen Repliken gilt nur die erste Replik als standardsprachlich (zwei obligatorische Aktanten sind vorhanden), aber diese Form ist im Alltagsgespräch unüblich. Die anderen Repliken (2, 3, 4) mit reduzierten obliga-torischen Aktanten sind nicht standardsprachlich, aber werden im Alltagsgespräch als normal angesehen. Ähnliche Erscheinungen kommen in Telegrammelipsen vor, z.B. Komme morgen früh an. H. Nikula verwendet den Termin implizite Besetzung von Lehrstellen (Nikula 1986). Der Sprachwissenschaftler verweist darauf, dass die Leerstellen der Valenzträger nie in dem Sinne leer sein können, dass sie keine Funktion hätten. Wenn ein Aktant ausgelassen wird, wird die Leerstelle durch Bezug auf den Kontext, d.h. implizit besetzt, z.B. in den Sätzen: Peter kann das Wörterbuch nicht finden (1). Er suchte lange und energisch, aber ohne Ergebnis ß). Im Beispiel (2) gibt es einen Hinweis darauf, dass der zweite obligatorische Aktant ausgelassen ist, er kann durch den Bezug auf (1) explizit besetzt werden (nach dem Wörterbuch/ nach ihm).

L.I. Grischaeva, die in den 90-er Jahren den Valenzbegriff aus kognitiver Sicht untersuchte, meint, dass die Valenz des Verbs die Beziehungen der objektiven Welt widerspiegelt und als Mechanismus der Verbalisierung des Weltbildes betrachtet werden kann. Die Sprachwissenschaftlerin schreibt über textgrammatische Potenzen des Verbs, die auf seiner Fähigkeit beruhen, die Zahl der Aktanten, deren morphologische Form, syntaktische Funktion sowie semantisch-relationelle Besonderheiten vorzubestimmen (Гришаева 1999; 2006). Texte bestehen aus Wörtern, die durch die Verwendung verschiedener Regeln zu größeren Einheiten verknüpft werden. Die Valenzregeln gehören unter anderen zu Regeln der Textbildung. Es wird anhand der Verben gezeigt, dass das Verb als Valenzträger einige Sätze zu einem transphrastischen Ganzen verbindet und dadurch zur Textkohärenz beiträgt. Das textgrammatische Relationsbündel veranschaulicht folgendes Beispiel.

Durch den Vorhang und Wohnungstür hindurch hörte er dann und wann Schritte im Treppenhaus, immer wieder stand er auf, schlich zur Tür und sah durch das Guckloch. So lernte er die Bewohner des Hauses kennen, die nachts noch unterwegs waren. Dann genügte ihm das nicht mehr, er beobachtete auch tagsüber, er stellte einen Tisch an die Tür und legte mehrere Kissen darauf, um bei Beschäftigung bequem sitzen zu können... Dann eines Tages sah Aron sich so sitzen, auf dem Tisch, auf drei Kissen, die Beine übers Kreuz wie ein Schneider, versteckt hinter der Tür, auf dem dunklen Flur am helligsten Tag. Er sei erschrocken, sagt er, er habe gedacht, mein Gott, wer benimmt sich so, ein Verrückter benimmt sich so, ein Kretin, ein Glück, dass dich niemand so sieht. (Zitiert nach Grischaeva: Grischaeva 2006.)

Wie oben gezeigt worden ist, lassen sich die Vertextungsmöglichkeiten und Vertextungsrichtung vor allem durch die Verben und ihre Aktanten realisieren. Die Verben bilden eine verbale Kette, die im Vergleich zur nominativen Kette als hierarchisch höhere interpretiert wird, da Substantive bzw. Adjektive und Pronomen die zweit - und drittgenannten beim Besetzen der durch das Verb eröffneten Leerstellen sind. Eine besondere Beachtung verdient das Verb sich benehmen, das mit den anderen Verben anaphorisch verbunden ist und von dem Rezipienten als Schluss von dem Gesagten wahrgenommen wird.

Die Leistungsfähigkeit der Valenztheorie wurde in Deutschland an empirischem Material erprobt. Lexikografische Darstellung bekam die Valenz in einer Reihe von Wörterbüchern neuen Typs, die vor allem aus den praktischen Belangen des Ausländerunterrichts entstanden. In der 60-er - 80-er Jahren des 20. Jahrhunderts erschienen „Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben" von G.Heibig und W.Schenkel (1969, 1973), „Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Adjektive" von K.-E. Sommerfeldt und H.Schreiber (1974), „Wörterbuch zur Valenz und Distribution der Substantive" von K.-E. Sommerfeldt und H.Schreiber (1977), „ Verben in Feldern. Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik" (Hrsg. H. Schumacher, 1986).

Helbig/Schenkel arbeiteten in ihrem Wörterbuch ein dreistufiges Valenzmodell aus, das zunächst von der Wortart der Verben ausging und dann auf andere Wortarten übertragen wurde (Helbig/Schenkel, Wörterbuch der Valenz und Distribution deutscher Verben 1973). Die Valenzpotenzen der Verben werden in folgender Weise interpretiert.

1) A u f Stufe 1 wird für jedes Verb die quantitative Anzahl der Mitspieler festgelegt. Es entsteht ein Verzeichnis, dass nur Zahlen enthält.

2) Auf Stufe 2 werden die Mitspieler qualitativ durch die Angabe syntaktischer Umgebungen festgelegt. Die syntaktischen Umgebungen werden mit Begriffen umschrieben wie:

Sn, Sg, Sd, Sa (Substantiv im Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ),

pS (Präposition, Präposition mit Substantiv),

NS (Nebensatz), I (Infinitiv ohne „zu"),

Inf. (Infinitiv mit „zu"),

Act (Handlung) usw.

Auf Stufe 3 werden die Mitspieler qualitativ in semantischer Sicht festgelegt. Die semantischen Umgebungen werden mit folgenden Termini festgehalten:

Hum (= menschlich),

+ Anim (= belebt),

- Anim (= unbelebt),

Abstr (= abstrakt),

Loc (=Ort),

Temp (= Zeit) usw.

Das Valenzmodell kann anhand des Verbs warten veranschaulicht werden:

I.warten 1+ (1) = 2 (V. = harren, erwarten)

II.warten - Sn, Sa (pS/NS dass, ob, w (wer, was/Inf)

III.

1. +Anim (Der Freund, der Hund wartet.)

2. Ab st (als Hum) (Das Ministerium wartet.)

3. Anim (Fahrzeug) (Das Auto wartet)

4. Abst (Die Arbeit wartet auf uns.)

p = auf

pSa keine Selektionsbeschränkungen (Er wartet auf den Freund, auf den Hund, auf ein neues Institut, auf das Ende usw.)

NS Act (Er wartet [darauf], dass ich komme,

ob ich komme, wer kommt)

Inf Act (Er wartet [darauf], gefragt zu

werden.)

Die Valenz des Adjektivs hat viel Gemeinsames mit der Valenz des Verbs. So wie Verben haben Adjektive obligatorische und fakultative Aktanten. Sie können ein-, zwei- und dreiwertig sein. Die Aktanten der Adjektive erscheinen in verschiedener syntaktisch-morphologischer Repräsentation und unterliegen bestimmten Selektionsbeschränkungen. Im Gegensatz zum Verb, das an eine syntaktische Rolle (des Prädikats) im Satz gebunden ist, kann das Adjektiv an verschiedenen Positionen erscheinen. Die überwiegende Mehrheit der Adjektive ist einwertig. Das Adjektiv hat in der Regel einen obligatorischen Aktanten: das substantivische Bezugswort, wobei das Adjektiv in attributiver oder in prädikativer Funktion auftritt, vgl. Das schöne Mädchen. Das Mädchen ist schön.

Bei den mehrwertigen Adjektiven tauchen folgende morphologisch-syntaktische Repräsentationsformen der Aktanten auf (Sommerfeldt/Starke, 1992):

1) Adjektiv und Substantiv im Genitiv

Anna ist des Wartens müde. Er ist sich seiner Sache sicher.

2) Adjektiv und Substantiv im Dativ

Der Sohn ist seinem Vater ähnlich. Er ist seinem Chef ergeben.

3) Adjektiv und Substantiv im Akkusativ

Das Zimmer ist 3 m hoch. Er ist den Schnupfen los.

4) Adjektiv mit Präposition

Er ist für seine Genauigkeit bekannt. Sie ist in Florian verliebt. Meine Schwester ist ärgerlich über meine Bemerkung. Er ist blind gegen seine Schwächen.

5) Adjektiv und Adjektiv

Sie ist schlecht gelaunt. Der Kuchen ist gut geraten.

6) Adjektiv und Nebensatz

Er ist würdig, dass man ihn auszeichnet.

7) Adjektiv und Infinitivgruppe

Er ist würdig, ausgezeichnet zu werden.

Das Adjektiv kann je nach seiner lexikalisch-semantischen Variante verschiedenen Valenzklassen angehören, vgl. Er ist müde (einwertig). /Er ist des Wartens müde (zweiwertig); Er ist ledig (einwertig). /Er ist der Sorgen ledig (zweiwertig); Der Hund ist los (einwertig). /Er ist die Sorgen los (zweiwertig); Er ist schuldig (einwertig). /Er ist eines Verbrechens schuldig (zweiwertig)/Er ist mir 5 Euro schuldig (dreiwertig).

Die Aktanten des Adjektivs erscheinen in verschiedener semantischer Füllung. Betrachten wir die syntaktische und semantische Valenz des Adjektivs menschlich, wie sie im „Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Adjektive" von K.-E. Sommerfeldt und H. Schreiber dargestellt wird:

V 1 = dem Menschen zugehörig

1.1.- 1 (Zahl der Aktanten)

1.2.- В (Bezugswort).

1.3.- attr (Attribut) (das menschliche Bein)

Anmerkung: In Ausnahmefällen bei Geschehensbezeichnungen ist prädikativer Gebrauch möglich: Irren ist menschlich.

2. В - Hum/Körperteil, typisch menschliche Tätigkeit (die menschlichen Gliedmaßen, das menschliche Skelett; menschliches Irren/Handeln/ Denken).

V 2 = human, annehmbar

1.1. - 1

1.2.- В

1.3.- attr (ein menschlicher Zug), präd. (Das Verhalten ist menschlich.), adv. (Adverbiale der Art und Weise) (Er verhält sich menschlich.)

2.В - Abst/Act (das menschliche Verhalten, die menschliche Regung, ein menschliches Angebot)

Die Valenz des Substantivs ist schwieriger zu beschreiben. Einige Linguisten meinen, dass über die syntaktische Valenz nur die Substantive verfügen, die von Verben und Adjektiven abgeleitet sind (auf diese Substantive beschränkte sich das Valenzwörterbuch der Substantive von K.-E. Sommerfeldt und H. Schreiber) und dass die Substantive nur fakultative Aktanten besitzen. Diese Meinung scheint nach G. Helbig umstritten zu sein, weil nicht alle Substantive mit Valenz Ableitungen sind (z.B. die Straße nach Rom, der Vorrat an Erdöl) und weil einige Aktanten beim Substantiv obligatorisch sind: Das Meiden des Alkohols war für ihn nötig. Die Feststellung dieses Fehlers war möglich. Durch die Berücksichtigung dieses Tatbestandes hat er Erfolg gehabt (Helbig 1986).

Bei den Substantiven erscheinen folgende morphologisch-syntaktische Repräsentationsformen der Aktanten (Sommerfeldt /Schreiber 1992):

1. Substantiv im Genitiv

Der Schlaf des Mädchens

2. Präpositionales Substantiv

Die Liebe zur Heimat

3. Der Stolz auf die Erfolge

Die Kritik an Missständen

4. Pronomen

Die Reise des Politikers - seine Reise

5. Relative Adjektive

Der Rat des Vaters - der väterliche Rat

Das Leben der Gesellschaft - das gesellschaftliche Leben

6. Infinitivgruppen

Die Schwierigkeit, den Berg zu besteigen.

7. Nebensätze

Sein Versprechen, dass er morgen kommt.

Nach der Zahl der Aktanten unterscheidet man:

1. Substantive ohne Aktanten

Das Donnern, Blitzen

2. Substantive mit einem Aktanten

Die Arbeit des Vaters

Seine Arbeit

Die väterliche Arbeit

3. Substantive mit zwei Aktanten

Das Vertrauen der Schüler zum Lehrer

Die Hilfe des Staates für die Jugend

Die Drohung des Spielers gegenüber dem Schiedsrichter

4. Substantive mit drei Aktanten

Die Lieferung der neuen Ware an die Verkaufsstelle durch den Großhandel

Die Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus durch die Streitkräfte der Antihitlerkoalition.

Die syntaktische und semantische Valenz des Substantivs kann anhand des Substantivs Abbild im „Wörterbuch zur Valenz und Distribution der Substantive" von K.- E. Sommerfeldt und H. Schreiber illustriert werden:

Abbild = genaue Wiedergabe

1.1.- (1) (Zahl der Aktanten)

1.2.Sg. (Substantiv im Genitiv)

1.3. ein Abbild seines Vaters

2. Sg -1. Hum (ein Abbild seines Vaters/ Bruders)

2.- Anim (ein Abbild des Baumes/ Hauses)

3.Abst (ein Abbild der Wirklichkeit/ seines Bemühens)

Die Beschreibung der Valenz und Distribution der Wortarten ermöglicht ein Regelsystem über die Kombinierbarkeit von sprachlichen Elementen darzustellen, einen Mechanismus aufzudecken, nach dem richtige Sätze im Deutschen gebildet werden.

Fragen zur Selbstkontrolle

1. Wer gilt als Begründer der Valenzgrammatik?

2. Womit beschäftigt sich die Valenztheorie?

3. Was wird unter Valenz verstanden?

4. Wo finden sich Ansätze zur Entwicklung des Valenzbegriffs?

5. Wie wurde die Valenz zu Beginn der Entwicklung der Valenztheorie betrachtet?

6. Wer fasste den Valenzbegriff eng als eine verbspezifische Eigenschaft auf?

7. Worin besteht der Unterschied zwischen obligatorischen und fakultativen Aktanten?

8. Welche Arten der syntaktischen Potenzen unterscheidet B.A. Abramov?

9. Wer vertritt die Auffassung, dass allen Wortarten eine Valenz zukommt?

10. Wer hat den Valenzbegriff auf die Wortbildung übertragen?

11. Seit wann zeichnet sich die Tendenz ab, die Valenz als eine semantische Erscheinung zu betrachten?

12. Welche Valenzebenen unterscheidet man in der modernen Linguistik?

13. Wovon hängt die pragmatische Valenz sprachlicher Einheiten ab?

14. Wie wird die Valenz aus kognitiver Sicht aufgefasst?

15. Nennen Sie bekannte Wörterbücher neuen Typs, die die Valenz der Verben, Substantive und Adjektive darstellen.

16. Erläutern Sie das dreistufige Valenzmodell im Wörterbuch von Helbig/Schenkel (1973).

17. Können Adjektive analog zu Verben obligatorische und fakultative Aktanten einbeziehen?

18. Warum besteht keine Einigkeit darüber, dass Substantive über eine Valenz verfügen?


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