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IV. Metaphysik. 4 страница

III. Zur Aesthetik. | IV. Zur Ethik. | V. Zur Politik. | VI. Zur Metaphysik. | Eine naturwissenschaftliche Satire. | Zwölfter Essay. Kritik der Hartmann’schen Philosophie des Unbewußten. | I. Einleitung. | II. Psychologie. | IV. Metaphysik. 1 страница | IV. Metaphysik. 2 страница |


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Die Philosophie ist hart, kalt und fühllos wie Stein.

(736.)

Ihre Philosophie, Herr von Hartmann, die dem Individuum die Erlösung abspricht, ist hart, kalt und fühllos wie Stein: hierin stimme ich Ihnen zu. Die echte Philosophie aber, von der Sie keine Ahnung haben, ist eine göttliche Trösterin: sie ist mild, weich, warm. O Sie kleiner philosophischer Nero! Sie kleiner metaphysischer Caligula! Sie kleiner transscendenter Marat!

 

XIII. Das Ziel des Weltprocesses und die Bedeutung
des Bewußtseins.

Es läßt sich also ein tief eingreifender Antagonismus zwischen dem nach absoluter Befriedigung und Glückseligkeit strebenden Willen und der durch das Bewußtsein vom Triebe mehr und mehr sich emancipirenden Intelligenz nicht verkennen; je |

ii634 höher und vollkommener das Bewußtsein im Verlaufe des Weltprocesses sich entwickelt, desto mehr emancipirt es sich von der blinden Vasallenschaft, mit welcher es anfänglich dem unvernünftigen Wollen folgte, desto mehr durchschaut es die zur Bemäntelung dieser Unvernunft vom Triebe in ihm (!) erweckten Illusionen, desto mehr nimmt es gegenüber dem nach positivem Glück ringenden Willen eine feindselige Stellung ein, in welcher es ihn im historischen Verlauf Schritt für Schritt bekämpft, die Wälle der Illusionen, hinter denen er sich verschanzt, einen nach dem andern durchbricht, und nicht eher seine letzte Consequenz gezogen haben wird, bis es ihn völlig vernichtet hat.

(740.)

Diese haarsträubende Stelle will ich nicht beleuchten. Ich verweise Sie auf den Anfang dieser Kritik, Sie machen die Welt vor dem Auftreten des Bewußtseins fieberkrank und zweckwidrig. Das war sie aber nicht, so wenig als sie es im Jagen nach den Illusionen ist. Handlungen mit und ohne Vernunft, mit und ohne Bewußtsein, mit und ohne Illusion – alle Handlungen greifen in einander und drängen die Welt zur Erlösung. Ein Antagonismus zwischen Bewußtsein und Wille ist nicht möglich: es handelt sich nur um die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Mitteln zum Einen Zweck.

Das Wesen des Bewußtseins ist Emancipation des Intellekts vom Willen, während im Unbewußten die Vorstellung nur als Dienerin des Willens auftritt, weil Nichts als der Wille da ist, dem sie ihre Entstehung verdanken kann, welche sie selber sich nicht zu geben vermag.

(741.)

Nachtreter im Schlimmen!

Im Reiche der Vorstellung waltet das Logische, Vernünftige... woraus zu schließen ist, daß, wenn die Vorstellung erst den nöthigen Grad von Selbstständigkeit erlangt hat, sie allem Widervernünftigen (Antilogischen), was sie etwa in dem unvernünftigen (alogischen) Willen vorfindet, den Stab brechen und es zu vernichten suchen wird.

(741.)

Diese Stelle ist eine echte Giftblüthe auf dem Leichnam der Schelling’schen romantischen Philosophie.

Die Vorstellung ist, Ihrer Lehre gemäß, absolut passiv; der Wille absolut leere Form; das Bewußtsein nur Form. Und nun soll die Vorstellung, die Idee, plötzlich activ werden, soll Anti|pathie

ii635 empfinden, soll wollen! Sie machen einfach die Vorstellung zu Willen. O, Sie Tausendkünstler!

Wir haben gesehen, daß in der bestehenden Welt Alles auf das Weiseste und Beste eingerichtet ist, und daß sie als die beste von allen möglichen angesehen werden darf, daß sie aber trotzdem durchweg elend, und schlechter als gar keine sei. Dies war nur so zu begreifen, daß, wenn auch das»Was und Wie«in der Welt (ihre Essenz) von einer allweisen Vernunft bestimmt würde, doch das»Daß«der Welt (ihre Existenz) von etwas schlechthin Unvernünftigem gesetzt sein müsse, und dies konnte nur der Wille sein.

(742.)

Ganz unbegreiflich, Herr von Hartmann! Wenn der Wille nur das»Daß«setzt, die Vorstellung aber gar nichts Anderes als Vernunft kennt, hat und ist, so kann auch die Welt jederzeit nichts Anderes als realisirtes Vernünftiges, Gutes, Schönes, Wahres, Herrliches, Glückliches, Liebliches, Köstliches, Bezauberndes, Himmlisches u.s.w. sein.

Hier sehen Sie wieder, daß der Wille mehr als absolut leere Form und unabhängig von der Vorstellung sein muß, d.h. er muß furchtbare blinde Energie, muß eine Kraft sein, die Etwas will, die aber dieses Gewollte, eben durch sich selbst gehindert, nicht sofort erreichen kann; und dieses eine Einzige ist der absolute Tod. Alles Andere könnte die Kraft sofort erlangen, nur nicht die Vernichtung ihrer selbst.

Deshalb muß diese Kraft durch den Weltproceß abgetödtet werden. Diese Energie, d.h. die ihr Ziel in sich, ohne Vorstellung, tragende Kraft (Richtung der Wirksamkeit), dieser Wille zum Tode kommt seinem Ziele immer näher, je mehr er sich schwächt.

Sehen Sie, nun ist auf einmal Sinn in der Welt; aber in Ihrem Buche kann kein Sinn, sondern nur ein ohnmächtiges Herumwürgen mit der Wahrheit liegen, weil Sie den Willen zu einer absolut leeren Form machten, die ohne die Vorstellung Nichts vermag. Deshalb mußten Sie auch eine Welt construiren, in welcher die Pflanzen erkennen und fühlen, und die Pflastersteine denken. Was mögen wohl die»hellsehenden«Berliner Trottoir-Platten von Ihnen denken, wenn Sie – großer Denker! – sich über sie hinbewegen? O Sie sind groß! Sie sind sehr groß!

ii636 Die unbewußte Vorstellung hat zunächst und als solche keine Macht über den Willen, weil sie keine Selbstständigkeit gegen ihn hat; darum muß sie sich eines Kunstgriffes bedienen, die Blindheit des Willens benutzen und ihm an ihr einen solchen Inhalt geben, daß er durch eigenthümliche Umbiegung in sich selbst in der Individuation in einen Conflict mit sich selbst geräth, dessen Resultat das Bewußtsein, d.h. die Schaffung einer dem Willen gegenüber selbstständigen (!) Macht ist, in welcher sie nun den Kampf (!) mit dem Willen beginnen kann.

(743.)

Dieser blühende Unsinn bedarf keiner Verurtheilung: er richtet sich selbst.

Der All-Einige Wille fährt nach wie vor fort, das Leben zu packen, wo er dasselbe findet und packen kann.

(745.)

Darum ist das Streben nach individueller Willensverneinung eben so thöricht und nutzlos, ja noch thörichter als der Selbstmord, weil es langsamer und qualvoller doch nur dasselbe erreicht: Aufhebung dieser Erscheinung ohne das Wesen zu alteriren. Hiermit ist alle Askese und alles Streben nach individueller Willensverneinung als Verirrung erkannt und bewiesen (!), freilich als eine Verirrung nur im Wege, nicht im Ziele.

(ib.)

Was hälfe es z.B., wenn die Menschheit durch geschlechtliche Enthaltsamkeit ausstürbe? Die arme Welt bestände weiter, ja sogar das Unbewußte würde die nächste Gelegenheit benutzen müssen, einen neuen Menschen oder einen ähnlichen Typus zu schaffen, und der ganze Jammer ginge von vorne an.

(ib.)

Welche oberflächliche Naturbetrachtung! Welche»halbe Philosophie und ganze Verworrenheit«!

Ich habe in meinem Werke mit Recht constatirt, daß das Phänomen der Heiligkeit das allerbedeutsamste empirische Factum sei, an dem nur ein Rasender verächtlich vorbeisausen könne.

Ich habe ferner mit Recht constatirt, daß die herrlichste und schönste Erscheinung in der Menschheit der weise Held sei. Durch was unterscheidet er sich aber vom Heiligen? Nur durch den Wiedereintritt in die Welt, welcher er jedoch keine einzige Concession macht. Im Übrigen ist er ein Heiliger, d.h. er übt die Tugenden der Menschenliebe und Keuschheit in absoluter Weise aus.

ii637 Ich habe endlich nachgewiesen, daß die Verneinung des Willens zum Leben nicht der Gegensatz der Bejahung, sondern nur ein besseres Mittel zum Zwecke aller Wesen sei.

Thun Sie Buße, Herr von Hartmann. Ihre philosophische Sündenlast ist Schrecken und Mitleid erregend. –

Die Erlösung, die Umwandlung des Wollens in’s Nichtwollen ist auch nur als All-Einiger Act, nicht als individuelle, sondern nur als kosmisch- universale Willensverneinung zu denken.

(746.)

Die praktische Philosophie und das Leben brauchen einen positiven Standpunkt und dies ist die volle Hingabe der Persönlichkeit an den Weltproceß um seines Zieles, der allgemeinen Welterlösung willen.

(748.)

Der Instinkt wird noch weit kräftiger als im dritten Stadium der Illusion durch die bloße Aufhebung des Egoismus wieder in seine Rechte eingesetzt und die Bejahung des Willens zum Leben als das vorläufig allein Richtige proclamirt; denn nur in der vollen Hingabe an das Leben und seine Schmerzen, nicht in feiger persönlicher Entsagung und Zurückziehung ist etwas für den Weltproceß zu leisten.

(748.)

Und wie denken Sie sich diese Hingabe an das Allgemeine? Sie denken sich dieselbe, wie Sie schon oben unverblümt angedeutet haben, in folgender Weise: Wähle irgend einen Beruf, lerne irgend ein Handwerk, erwirb Geld, Gut, Ruhm, Macht, Ehre u.s.w., heirathe und zeuge Kinder; oder mit anderen Worten: Sie zerstören mit eigener Hand das einzige Verdienstvolle in Ihrem Werke: die Zergliederung der Illusion. Sie rathen urplötzlich Dem, der alle Illusion durchschaut hat:»Jage nach Illusionen«, als ob eine durchschaute Illusion noch eine Illusion sei und wirken könne. Der große geniale Herakleitos hatte ausgerufen:»Wehe euch Unglücklichen, die ihr nach dem Magen und den Schamtheilen messet das Glück!«und Sie sagen: Überwinde deinen Ekel, begatte dich, zeuge Kinder um der allgemeinen Welterlösung willen; miß»nach dem Magen und den Schamtheilen«dein Opfer für die Welterlösung.

Herr von Hartmann! Schon wieder erfaßt mich die Wehmuth.

Die von Ihnen geforderte Hingabe an das Allgemeine, welche man als den edelsten Kern Ihrer Philosophie gepriesen hat, ist |

ii638 also durchaus nicht edel: sie ist die Concession eines Talents an den Geist seines Zeitalters, nicht die kühne, freie, muthige Wahrheit, welche ein Genialer, sich als Bürger der Zukunft fühlend, allen seinen Zeitgenossen als Gesetz entgegenwirft. Die edle Hingabe an das Allgemeine ist die vom düsteren Herakleitos und von mir gelehrte, d.h. der entsagende Mensch tritt aus seinem äußeren Frieden (aus dem inneren kann er nicht gedrängt werden) heraus und blutet für die Menschheit, läßt sich von den Blinden, die er sowohl in den höchsten, als auch in den tiefsten gesellschaftlichen Schichten erlösen will, treten, schlagen, bespeien und an’s Kreuz schlagen.

Sie dagegen meinen, daß jeder Schuster und Schneider, der sich eine Familie gründet, jeder Börsenjobber, der um das goldene Kalb herumtanzt, kurz, Jeder, welcher lebt wie die allermeisten Menschen jetzt leben, ein weiser Held sei, ein weiser Held, der sich dem Weltproceß hingiebt. Sie setzen gleichsam eine Prämie auf Kindererzeugung und Unmoralität; denn Derjenige muß doch, nach Ihrer Lehre, der Verdienstvollste sein, welcher den Kampf und Streit in der Welt vermehrt.

Das Unvernünft’ge zu verbreiten,

Bemüht man sich nach allen Seiten;

Es täuschet eine kleine Frist,

Man sieht doch bald, wie schlecht es ist.

(Goethe.)

Die erste Bedingung zum Gelingen des Werkes (der Welterlösung) ist die, daß der bei Weitem größte Theil des in der bestehenden Welt sich manifestirenden Geistes in der Menschheit befindlich sei; denn nur dann kann die menschheitliche Willensverneinung den gesammten actuellen Weltwillen ohne Rest vernichten.

(750.)

Die zweite Bedingung für die Möglichkeit des Sieges ist, daß das Bewußtsein der Menschheit von der Thorheit des Wollens und dem Elend alles Daseins durchdrungen sei.

(751.)

Wir können diese zweite Bedingung noch dahin modificiren, daß nicht die ganze Menschheit, sondern nur ein so großer Theil derselben von diesem (pessimistischen) Bewußtsein durchdrungen zu sein braucht, daß der in ihr wirksame Geist die größere Hälfte des in der ganzen Welt thätigen Geistes ist.

(753.)

ii639 O glückseliges constitutionelles Zeitalter! Eine Majorität muß die Welt erlösen!

Aber haben Sie denn nicht bedacht, als Sie diese herrliche Phrase dichteten, daß Ihrer eigenen Lehre gemäß, der Wille sofort die Minorität»packen«(S. 745) und sie wahrscheinlich schon in einer einzigen Generation wieder zur Majorität machen mußte? Denn was sind die Individuen der ersten Majorität Anderes, als»aufgehobene Momente«des All-Einen Unbewußten?

Herr von Hartmann! Werden Sie mir übel nehmen, wenn ich Ihnen erkläre, daß mein Sessel im Zuschauerraume anfängt, für mich unbehaglich zu werden? Darf ich mich entfernen?

Sie bitten mich, noch einen Augenblick zu bleiben; Sie seien gleich mit Ihrem Gedicht fertig; es komme zum Schlusse eine prachtvolle Götterdämmerung, dann bengalische Weltbeleuchtung und ein kosmisches Feuerwerk.

Ich stamme von der Eva ab und bin deshalb – neugierig. So will ich denn bleiben. Fahren Sie gefälligst fort.

Es gehört mit zu der Signatur des Alterns der Menschheit, daß dem Wachsthum an intellektueller Klarheit nicht ein Wachsthum, sondern eine Verminderung der Energie des Gefühls und der Leidenschaft gegenüber steht.

(753.)

Ach, Herr von Hartmann, wie Sie die Welt und die Geschichte schlecht kennen!

Was hat Griechenland und Rom zu Fall gebracht? Die mit der gewachsenen Intelligenz auch gewachsene Leidenschaftlichkeit. Was vermehrt sich mit der Sensibilität? Die Irritabilität und das Leiden. Was ist mit jedem Genialen verbunden? Hochgradige Leidenschaftlichkeit.

Nur der ganze Wille, die Lebenskraft des Dämons, wird im Lauf der Menschheit schwächer; aber Sie haben ja nicht vom Dämon, sondern vom Gefühl und der Leidenschaft gesprochen.

Die dritte Bedingung ist eine genügende Communication unter der Erdbevölkerung, um einen gleichzeitigen gemeinsamen Entschluß derselben zu gestatten.

(753.)

Ein gleichzeitiger Majoritätsbeschluß! Ich wiederhole: O glückseliges constitutionelles Zeitalter, worin Alles durch Majoritäten geschlichtet und gerichtet wird!

ii640 So lange der vom Bewußtsein motivirte Oppositionswille noch nicht die Stärke des aufzuhebenden Weltwillens erreicht hat, so lange wird der stetig vernichtete Theil sich stetig wieder erneuen, gestützt auf den übrig bleibenden Theil, welcher die positive Richtung des Willens auch fernerhin sichert; sobald aber ersterer die gleiche Stärke wie letzterer erlangt hat, so ist kein Grund abzusehen, warum nicht beide sich vollständig paralysiren und auf Null reduciren, d.h. ohne Rest vernichten sollten.

(755.)

In Ihrem ganzen Werk haben Sie den Einzelwillen, wo Sie es konnten, maltraitirt, ja, Sie haben tausendmal in rasender Tollheit den Dolch auf ihn gezückt; der Dolch ist aber immer an der Hornhaut des Individuums abgeprallt. Endlich, als Sie sahen, daß Sie dem Individuum nicht beikommen konnten, wurden Sie zornig und erklärten es mit einem furchtbaren Wortschwall für ein»aufgehobenes Moment«im All-Einen Unbewußten. Jetzt auf einmal soll eine Majorität aufgehobener Momente, eine Masse von Nullen die Kraft haben, das allmächtige All-Eine Unbewußte zu zwingen, sich in sein»Überall und Nirgends«zurückzuziehen! –

Wie denken Sie sich die Götterdämmerung? –

Sie schweigen? – Gut, da bleibt mir nichts Anderes übrig, als mir dieselbe auszumalen.

Nachdem aus allen Erdtheilen in Berlin telegraphische Meldungen eingelaufen sind, worin die Anzahl Derjenigen, welche die Welt vernichten wollen, angegeben ist, addiren Sie die Willensverneiner und finden, daß die Majorität etwa 10,000 Menschen beträgt. Sie stoßen einen Freudeschrei aus und eilen alsbald in die Französische Straße, wo Sie, sagen wir 10,000 Depeschen aufgeben des Inhalts:

Morgen Mittag um zwölf Uhr präcise findet Welterlösung statt.

Alle haben sich gleichzeitig zu tödten.

Mordinstrument nach Belieben.

Der Mittag kommt und nun ermorden sich x Millionen Menschen. (Ich sage x Millionen, weil ich nicht wissen kann, wie groß die Menschheit sein muß, in welcher»der größte Theil des in der Welt sich manifestirenden Geistes«sich befinden soll. Sie werden |

ii641 dies schon längst auf Grund einer Wahrscheinlichkeitsberechnung gefunden haben; denn wie die in Ihrem Werke befindlichen Probabilitätsberechnungen beweisen, sind Sie ein ganz bedeutender Mathematiker. Vielleicht giebt uns Ihre nächste Schrift eine bestimmte Zahl an.)

Sofort beginnt die Götterdämmerung,

Der Mond nähert sich mehr und mehr der Erde. –

Die Minorität der Menschheit wird durch Feuer, das aus der berstenden Erde dringt, getödtet. –

Endlich stürzt der Mond auf die Erde. –

Beide Weltkörper zerbrechen in Milliarden Stücke. –

Diese Stücke tanzen dann der Sonne entgegen, welcher sich inzwischen die anderen Planeten genähert haben. –

Unser ganzes Sonnensystem ist schließlich ein ungeheures Flammenmeer, welches sich nach der Centralsonne bewegt, u.s.w., u.s.w., bis endlich Ruhe wird. Der All-Eine Wille und die Idee sind wieder überseiend geworden.

Wie schön! Wie erhaben, wie göttlich gedacht!

Wissen Sie, was die beste Illustration zum Entwicklungs- Pantheismus ist? Schwind’s Bildercyclus: die schöne Melusine.

Das erste und das letzte Bild zeigen die schöne Wasserfee im unbewegten Frieden ihres Nixenseins: still, ruhig, traurig aus ihrer Felsengrotte herausblickend. Zwischen diesen beiden Bildern liegt Freude und Trauer, Liebe und Leid, Glück und Unglück, Weh und Wonne, Schmerz und Wollust, Qual und Seligkeit: kurz, das seltsame Gemisch, das man Leben nennt und woran unser Herz so fest hängt.

Aber omne simile claudicat. In Schwind’s lieblicher Kunstschöpfung ist wenigstens Ein Mensch erlöst worden: der reuige Gemahl der schönen Nixe, der Ritter von Lusignan, dessen leidensvolle Pilgerfahrt an dem Herzen des geliebten Weibes, das er durch eigene Schuld verlor, ihren versöhnenden Abschluß durch den Tod findet. Und insofern ist allerdings Etwas durch den Proceß erreicht worden. In Ihrem Weltgemälde aber ist der Proceß ganz sinn- und resultatlos.

Ich wiederhole: Nicht für die cäsarische Macht über die ganze Erde möchte ich Ihre Philosophie des Unbewußten auf meinem Gewissen haben.

ii642

XIV. Die letzten Principien.

Wir sind in unseren bisherigen Untersuchungen immer wieder zwei Principien, Wille und Vorstellung, begegnet, ohne deren Annahme überhaupt Nichts zu erklären ist, und welche eben darum Principien, d.h. ursprüngliche Elemente sind, weil uns jeder Versuch, sie in einfachere Elemente zu zerlegen, von vornherein als ein aussichtsloser erscheint.

(757.)

Erinnern Sie sich gefälligst, Herr von Hartmann, daß es nur Ein Princip in der Welt giebt, und das ist der individuelle Wille, die Thatsache der inneren und äußeren Erfahrung. Sein alleiniges Prädicat ist die Bewegung, in welcher die menschlichen Functionen des Gehirns mit eingeschlossen sind.

Ihre Philosophie ist natürlicher Dualismus, der schließlich mit offenbarer Gewalt zu Monismus gemacht wird. Doch was sage ich? Ihre Philosophie ist nicht Dualismus, sondern Principien- Pluralismus, wie ich Ihnen schon oben zeigte. Eigentlich haben Sie nicht weniger als vierzehn, sage vierzehn Principien aufgestellt, welche ich doch noch einmal aufzählen will:

1) Unbewußter Wille

2) Bewußter Wille

3) Unbewußte Vorstellung

4) Bewußte Vorstellung

5) Unbewußtes Denken

6) Bewußtes Denken

7) Unbewußtes Gefühl

8) Bewußtes Gefühl

9) Leib

10) All-Einer unbewußter Wille

11) All-Eine unbewußte Vorstellung

12) All-Eines unbewußtes Denken

13) All-Eines unbewußtes Gefühl

14) All-Einer Geist.

Wir setzten dieselben zunächst in der Weise voraus, wie der natürliche, am Gängelbande der deutschen Sprache gebildete Menschenverstand sie faßt, und veränderten, erweiterten und beschränkten dieselben dann nach Maßgabe, wie |

ii643 es das wissenschaftliche Erklärungsbedürfniß der Thatsachen forderte.

(757.)

Köstliches, naives, unbezahlbares Geständniß! Dieses offene Geständniß versöhnt mich vollkommen mit Ihnen.

Und darum will auch ich nicht müde werden, zur besseren Feststellung der letzten metaphysischen Principien mein Scherflein beizutragen, hoffend, daß recht bald ein Anderer komme, der es weiter bringt als ich.

(758.)

Ich glaube, daß dieser»Andere«schneller gekommen ist, als Sie erwarteten und Ihnen lieb ist.

Doch Dem sei wie ihm wolle, Sie sind nothwendig im Entwicklungsgang der Philosophie gewesen. Ihr mit Ernst festgehaltener pessimistischer Standpunkt sichert Ihnen, wie ich schon oben sagte, einen Ehrenplatz in der deutschen Nation. Ihr Pessimismus ist viel tiefer in’s Volk eingedrungen, als derjenige Schopenhauer’s, weil Sie sich dem Geist Ihres Zeitalters anbequemten, was Schopenhauer, als ein gesetzgebender Genialer, nicht thun konnte. Auch Ihre Schwäche, Ihr romantisches Traumorgan, mit dessen sophistischen Waffen Sie für die verlorenste Sache in der Welt, den Pantheismus kämpften, ist für die Wissenschaft nothwendig gewesen; denn ohne die mächtige Action nicht die mächtige Reaction: der Umschlag in den echten wissenschaftlichen Atheismus.

 

1. Rückblick auf frühere Philosophen.

Schelling’s Romantik hat in Ihnen ihre Auferstehung gefeiert. Es ist mir unbegreiflich, daß Ihnen Ihr guter Geist keine Warnung zugeflüstert hat, als Sie den falschen Weg betraten. Sie mußten sich sagen, daß Sie, wenn Sie dem großen Romantiker nachfolgen, das gleiche Schicksal wie ihn treffen wird. Wer spricht heutzutage noch von Schelling? Sie, ich und einige Gelehrten. Was ist von seiner Lehre als Ferment in die Massen gedrungen? Nichts. O, hätte Ihnen das Schicksal erst die Werke Schelling’s in die Hand gelegt, wann Sie gegen die Sirenentöne derselben gefeit gewesen wären! So aber desorganisirte Schelling Ihr junges Gehirn und Sie»rasten mit Vernunft«. Auf Ihrer Philosophie des Unbewußten sollte sich die verzückte Pythia auf dem Dreifuße, als bildliches Motto, befinden.

ii644

2. Der Wille.

Die Realität des Processes schließt die Endlichkeit desselben nach rückwärts, d.h. seinen Anfang vor einer von jetzt ab gerechneten endlichen Zeit ein. Der Anfangspunkt des Processes (mit und durch welchen erst die Zeit (!) anfängt) ist also der Grenzpunkt zwischen Zeit und zeitloser Ewigkeit.

(772.)

In dieser Stelle rächt sich wieder die in Ihrer Psychologie verleugnete Wahrheit. Nicht die Zeit hat mit der Welt angefangen, sondern die Bewegung. Die Zeit setzt ein denkendes Subjekt voraus; sie ist der subjektive Maßstab der Bewegung. Es muß demnach heißen:

Der Anfangspunkt des Processes ist also der Grenzpunkt zwischen Bewegung und absoluter Ruhe (Ewigkeit).

Die Zeit begann erst mit dem ersten denkenden Menschen.

Die Vorstellung kann von sich selbst nicht existentiell werden, nicht aus dem Nichtsein in’s Sein übergehen, denn sonst wäre sie ja Potenz oder Wille.

(773.)

Sie wollten offenbar sagen:»weltlich- existentiell«und»aus dem Übersein in das Sein«, was ich im Vorbeigehen bemerke.

Hier sind wir aber in einem Zirkel: das Wollen soll erst durch die Vorstellung existentiell werden, und die Vorstellung erst durch das Wollen.

(773.)

Es bleibt also nur die Annahme übrig, daß der Wille in einem zwischen reiner Potenz und wahrem Actus gleichsam in der Mitte stehendem Zustande auf die Vorstellung wirkt, in welchem er zwar bereits aus der latenten Ruhe der reinen Potenzialität herausgetreten ist, also dieser gegenüber sich schon actuell zu verhalten scheint, aber doch noch nicht zur realen Existenz, zur gesättigten Actualität gelangt ist, also von dieser aus betrachtet noch zur Potenzialität gehört. Nicht als ob dieser Zwischenzustand sich als zeitliches Intervall zwischen die vorweltliche Ruhe und den realen Weltproceß einschaltete, sondern er repräsentirt nur den Moment der Initiative.... Für diesen Zustand des Willens in der Initiative sagen wir:»leeres Wollen«.

(773. 774.)

Natürlich!»Denn eben wo Begriffe fehlen,

Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.«

(Goethe.)

ii645 Das leere Wollen ist noch nicht, denn es liegt noch vor jener Actualität und Realität, welche wir allein unter dem Prädicat Sein zu befassen gewohnt sind; es weset aber auch nicht mehr bloß, wie der Wille an sich, als reine Potenz, denn es ist ja schon Folge von dieser, und verhält sich mithin zu ihr als Actus. Wenn wir das richtige Prädicat anwenden wollen, so können wir nur sagen: das leere Wollen wird, – das Werden in jenem eminenten Sinne gebraucht, wo es nicht Übergang aus einer Form in eine andere, sondern aus dem absoluten Nichtsein (!) (reinem Wesen [!]) in’s Sein bedeutet.

(774.)

Wenn der Wille an sich der wollen könnende (folglich auch nicht-wollen könnende oder velle et nolle potens) Wille ist, so ist das leere Wollen der Wille, der sich zum Wollen entschieden hat, (also nicht mehr nichtwollen kann), der wollen wollende, nun aber nicht wollen könnende, genauer: wollen nichtkönnende (velle volens, sed velle non potens) Wille, bis die Vorstellung hinzukommt, welche er wollen kann.

(774.)

Als leere Form kann es (das leere Wollen) erst wirklich existentiell werden, wenn es seine Erfüllung erlangt hat, diese Erfüllung kann es aber an sich selbst nicht finden, weil es eben nur Form und nichts weiter ist.

(775.)

Alle diese erhabenen Stellen richten sich selbst.

Der Zustand des leeren Wollens ist also ein ewiges Schmachten nach einer Erfüllung... d.h. es ist absolute Unseligkeit (?) Qual ohne Lust, selbst ohne Pause.

Auch ohne – – Nerven, Herr Doctor? (601)

Insoweit das leere Wollen nur momentaner Impuls ist, der sogleich die (mit ihm wesensidentische [!] also sich ihm gar nicht entziehen könnende) Idee als Inhalt ergreift, insoweit kommt es nicht zu einer solchen vorweltlichen Unseligkeit. Wohl aber kommt es zu einer außerweltlichen (!) Unseligkeit leeren Wollens neben dem erfüllten Weltwillen. Denn der Wille ist potentiell unendlich (!), und in demselben Sinne ist seine Initiative, das leere Wollen unendlich (!); die Idee aber ist endlich (!) ihrem Begriff nach (wenn schon unendlicher [!] Durchbildung in sich fähig), so daß auch nur ein endlicher Theil des leeren Wollens von ihr erfüllt werden kann (und nur eine endliche Welt entstehen kann).

(775. 776.)

ii646 Das ist nun Ihr Beweis für die Endlichkeit der Welt. Was soll ich aber gar zu Ihrem Durcheinander von»unendlich«und»endlich«auf dem Gebiete des Dinges an sich sagen? Ich sage:

»Redliche Naturforscher! Nehmen Sie sich ein warnendes Beispiel an Herrn von Hartmann.«

Und wieder faßt mich»der Menschheit ganzer Jammer an.«Man höre die folgende Stelle:

Es bleibt also ein unendlicher (!) Überschuß des hungrigen leeren Wollens neben und außer dem erfüllten Weltwillen bestehen, welcher nun in der That bis zur Rückkehr des gesammten Willens zur reinen Potenzialität rettungslos der Unseligkeit verfällt.

(776.)

Großer Herr von Hartmann! Das haben Sie wohl Alles in mystischer Verzückung gesehen? Möge Schopenhauer wieder einmal für mich reden:

Es läßt sich nichts Unphilosophischeres denken, als immerfort von Etwas zu reden, von dessen Dasein man erwiesenstermaßen keine Kenntniß und von dessen Wesen man gar keinen Begriff hat.

(Parerga I. 202.)

Doch fahren Sie fort.

Die Idee liegt dem Willen gleichsam vor der Nase.

(777.)

Wer hat Ihnen den Philosophenmantel gegeben? Glauben Sie wirklich im Ernste, daß auch nur Einer der großen Philosophen: Zoroaster, Budha, Salomo, Christus, Pluto, Herakleitos, Spinoza, Locke, Berkeley, Hume, Kant, Schopenhauer, Ihnen erlaubt haben würde, sein Schleppträger zu sein? Mit namenloser Verachtung würden sie Ihnen einen Wink gegeben haben, zu verschwinden. In so leichtfertiger plumper Weise wie Sie hat noch kein Philosoph über göttliche Dinge geschrieben. Genau so wie Sie philosophirte Bruder Miericke, der bekannte Glückseligkeitsapostel, der vor einigen Jahren mit seinen burlesken Stegreifpredigten das Publikum der Berliner Restaurants allabendlich zur stürmischsten Heiterkeit hinriß. Auch er sagte:


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