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IV. Metaphysik. 2 страница

I. Zur Psychologie. | II. Zur Physik. | III. Zur Aesthetik. | IV. Zur Ethik. | V. Zur Politik. | VI. Zur Metaphysik. | Eine naturwissenschaftliche Satire. | Zwölfter Essay. Kritik der Hartmann’schen Philosophie des Unbewußten. | I. Einleitung. | II. Psychologie. |


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ii608 Warum sollte man sich die einzelnen Polype nicht gerade so denken können, wie die Fische im gemeinsamen Wasser, die Bäume in der gemeinsamen Erde und Luft, die Menschen in der gemeinsamen Luft? Obgleich wir überall ein Continuum von Kräften haben, so fällt es doch Niemanden ein, die Individualität nicht räumlich zu bestimmen.

Auch kann man die Sache, um die es sich handelt, recht klar an den Schmarotzern machen. Rechnet ein Vernünftiger den Pilz, der auf der Wurzel einer Buche sitzt, oder das Moos auf ihrem Stamm zur Individualität der Buche? Jeder wird Pilz und Buche, Moos und Buche als zwei Individualitäten streng gesondert halten, obgleich der Schmarotzer in die Buche hineingewachsen ist.

Alles in der Welt hängt zusammen. Die Ausdehnung, d.h. die abgeschlossene Sphäre, ist das einzige äußere Merkmal der Individualität. Reicht es, wie gesagt, bei fest zusammenhängenden Objekten nicht aus, so ist es durch die Einheit des gedachten Lebensgrundes zu ergänzen, d.h. die äußere Individualität ist durch die innere abzugrenzen. Wie ich mir ganz gut denken kann, daß der Schmarotzer in der Buche eine Sphäre hat, welche nicht zur Individualität der Buche gehört, ebenso kann ich mir denken, daß der einzelne Polyp eine Sphäre im gemeinschaftlichen Magen hat, die nur zu seiner Individualität gehört; und ebenso gut kann ich mir denken, daß Jeder der siamesischen Zwillinge im Knorpel, der sie vereinigte, eine begrenzte, ganz bestimmte, nur zu seiner Individualität gehörige Sphäre hatte.

Sie führen Herrn Virchow in’s Treffen, um Ihren Hirngespinnsten Credit zu verschaffen. Verlorene Mühe. Vor dem Empiriker Virchow, noch mehr vor dem gesinnungstüchtigen Politiker und edlen Menschenfreunde Virchow muß man sich beugen, nicht aber vor dem Philosophen Virchow, wenn es überhaupt einen solchen gäbe; denn Herr Virchow ist viel zu gescheidt, als daß er Philosoph (im theoretischen Sinne) scheinen möchte. Auch sind die von Ihnen citirten Stellen aus Herrn Virchow’s Werken nicht geeignet, Sie kräftig zu unterstützen. Herr Virchow sagt:

Was ist der Organismus? Eine Gesellschaft lebender Zellen, ein kleiner Staat, wohl eingerichtet mit allem Zubehör von Ober- und Unterbeamten, von Dienern und Herren, großen und kleinen.

(Vier Reden, 55.)

ii609 Das ist eine empirische Wahrheit, die Niemand leugnen wird. Der Philosoph erhebt sie aber zu einer philosophischen dadurch, daß er alle diese Ober- und Unterbeamten, Diener und Herren, große und kleine, einem Tyrannen unterordnet, ohne welchen sie gar nicht Leben äußern, functioniren, kurz, gar nicht existiren könnten. Dieser Tyrann ist im Menschen das Blut oder vom Ding-an-sich- Standpunkt aus: der bewußtlose Dämon.

Die Zelle schlechthin ist der Fetisch der Physiologen, wie das Atom der Fetisch der Physiker ist. Aber ich darf getrost sein und mit mir die Wahrheit: über kurz oder lang wird in den Naturwissenschaften ein ganz gewaltiger Bildersturm ausbrechen, viel gewaltiger als Der, welcher in der Kirche stattfand. Es werden die naturwissenschaftlichen Götzen: reale Materie, Atom, Zelle (als individueller Lebensgrund) selbstständige Naturkräfte, wie Elektricität, Wärme, Licht u.s.w., Wirkung in die Ferne, Attractions- und Fliehkraft (im Sinne Newton’s), Newton’sche Farbenlehre, einfache Einheit hinter oder über der Welt, unendliches Weltall, Gattung (metaphysische Wesenheit) u.s.w. mit Hohn und Verachtung gestürzt werden.

Wenn man die unendliche Theilbarkeit der subjektiven, idealen Formen, wie Raum, Zeit, Substanz, auf das Ding an sich überträgt, so ist eben ein Stillstehen in der Theilung gar nicht möglich. Es ist ein Act der Verzweiflung, wenn man urplötzlich das letzte Theilstück fallen läßt und das Atom postulirt.

In ähnlicher Weise wird mit der Zelle gespielt. Spricht man von der Zelle schlechthin, ohne Unterschiede zu machen, als selbstständigem Lebensprincip, so muß man irren. Ein Weizenkorn ist eine selbstständige Zelle, aber eine Zelle des Halms ist nicht selbstständig. Schneidet man eine solche aus dem Halm, so hat man doch gewiß kein individuelles selbstständiges Lebensprincip in der Hand.

Wird berichtet, daß die alte Linde zu Zürich bei dem Tiefenhof jedes Jahr etwa zehn Billionen neuer lebender Zellen bilde, oder daß im Blute eines erwachsenen Mannes in jedem Augenblicke sechzig Billionen kleinster Zellkörper kreisen, so hebt dies doch nicht die einheitliche Individualität der Linde und die einheitliche Individualität des Menschen auf. Hauet der Linde die Wurzeln ab, so wird keine Zelle des Stamms oder der Aeste auf die Dauer |

ii610 leben können, und stecht dem Menschen einen Dolch in’s Herz, so wird keiner der sechzig Billionen Zellkörper des Blutes weiter existiren können. Warum? Weil die Linde und der Mensch einen einheitlichen Lebensgrund haben, der jede Zelle und jeden Zellkörper trägt, belebt, erhält, mit dem Leben belehnt. –

Außer den Atomen kann es im Unorganischen keine Individuen geben.

(512.)

Ich erlaube mir, Ihnen zu wiederholen, Herr von Hartmann, daß im unorganischen Reich jede homogene Kraft ein Individuum ist, und zwar ist sowohl die ganze Kraft, als jeder reale Theil derselben ein Individuum, also: alles Kupfer und jedes Stück Kupfer, aller Salmiak und jedes beliebige Quantum Salmiak u.s.w. Warum? Weil die Bewegung einer jeden homogenen Kraft eine einheitliche ist. Ist es je einem Chemiker gelungen, aus einem Stückchen Gold Silber, aus einem Quantum Wasserstoff Sauerstoff zu machen? So lange dies aber nicht gelingt, sind Sauerstoff, Wasserstoff, Gold und Silber Individuen, und Sie werden an dieser Wahrheit Nichts ändern, ob Sie auch zehn Jahre lang mit allen Waffen aus Ihrer romantischen düsteren Rüstkammer dagegen kämpften.

Hierauf gehen Sie in Ihrer himmelschreienden, in den keuschen Hallen der Philosophie noch nicht vorgekommenen Raserei so weit, daß Sie einen Himmelskörper einen Organismus nennen. Ja, Sie behaupten sogar:

Die Einheit der Welt kann wieder von einer metaphysischen Einheit verschiedener, uns unerkennbarer coordinirter Welten überragt sein.

(495.)

Herr von Hartmann! Eben war ich im Begriff, zu vergessen, daß Sie auf der Bühne das herrliche Gedicht:»Gedanken eines Wahnsinnigen«recitiren und ich nur Zuhörer bin. Ich wollte mich wirklich ärgern, – ich gestehe es Ihnen offen, – und wären Sie in diesem Moment in meinem Philosophen-Salon gewesen, so hätte ich mich wühl zum Aeußersten, dessen ich fähig bin, hinreißen lassen, d.h. ich hätte Sie gebeten, meine gastliche Schwelle schleunigst»nach außen«zu übertreten. So aber will ich gegen Sie nur den härtesten Ausdruck Budha’s gebrauchen: ich nenne Sie mogha purisa (eitler Mann).

ii611

VII. Die All-Einheit des Unbewußten.

Niemand kennt das unbewußte Subjekt seines eigenen Bewußtseins direkt, Jeder kennt es nur als die an sich unbekannte physische Ursache (!) seines Bewußtseins; welchen Grund könnte er zu der Behauptung haben, daß diese unbekannte Ursache seines Bewußtseins eine andere, als die seines Nächsten sei, welcher deren Ansicht ebenso wenig kennt? Mit einem Worte, die unmittelbare innere oder äußere Erfahrung giebt uns gar keinen Anhaltspunkt zur Entscheidung dieser wichtigen Alternative, die mithin vorläufig völlig offene Frage ist.

(520.)

Die Frage ist, seit der erste Mensch in die Erscheinung trat, keine offene mehr, Herr von Hartmann: nur noch im Tollhaus kann sie eine offene sein. Die Thatsache der inneren und äußeren Erfahrung ist das individuelle Ich. Jeder Mensch erkennt sich und fühlt sich unmittelbar. In der burschikosen Sprache haben Sie mit obiger Stelle einen sogenannten»Sauhieb«gegen die Individualität und das menschliche Selbstbewußtsein ausgeführt, der Ihr Talent schändet.

Nur deshalb, weil der eine Theil meines Hirnes mit dem anderen leitend verbunden ist, ist das Bewußtsein beider Theile geeint, und könnte man die Gehirne zweier Menschen durch eine den Gehirnfasern gleichkommende Leitung verbinden, so würden die beiden nicht mehr zwei, sondern ein Bewußtsein haben.

(520.)

Welches erbärmliche Sophisma! Das müßte ja ein ganz herrliches Bewußtsein sein. Der Dämon des Einen liebt, der Dämon des Anderen haßt, der Dämon des Einen will die Kunigunde, der Dämon des Anderen die Adelheid, der Eine hat Zahnschmerzen, der Andere eine Wollustempfindung u.s.w. und das Alles würde nun in Einem Bewußtsein gespiegelt!

Liegt denn der innerste Kern des Menschen im Gehirn? O Sie eingefleischter Cartesianer! Sie Verräther der Wahrheit wider besseres Wissen und Gewissen; denn auch Sie haben zu Füßen Schopenhauer’s gesessen, auch Sie haben von ihm gehört, daß der Wille kein psychisches Princip, daß der Geist und sein Bewußtsein nur Spiegel dieses nicht- psychischen Princips sind.

ii612 Wenn es der unbewußten Seele eines Thieres möglich ist, in allen Organen und Zellen des Thieres gleichzeitig anwesend und zweckthätig wirksam zu sein, warum soll nicht eine unbewußte Weltseele in allen Organismen und Atomen zugleich anwesend und zweckthätig wirksam sein können, da doch die eine wie die andere unräumlich gedacht werden muß (!)?

(522.)

So wären wir denn glücklich in das Allerheiligste Ihrer Philosophie gelangt: ich befinde mich vor der blauen Dunstwolke, in der Ihr All-Eines Unbewußtes, wie das Brahm der Inder, das absolute Ich Fichte’s, das Subjekt-Objekt Schelling’s, die Idee Hegel’s, der All-Eine Wille Schopenhauer’s, die Substanz Spinoza’s, die Materie der Materialisten, verhüllt liegen soll. Ich stehe mit einem Worte vor dem Pantheismus der Brahmanen im Costüm des Deutschen Michels, d.h. in der Hausknechtsschürze und der Schlafmütze.

Ich bekenne Ihnen offen, Herr von Hartmann, daß ich, in Ihrer gothischen dunklen Capelle vor der blauen Wolke über dem Altar und vor Ihnen, dem mystisch- verzückten Hohenpriester des All-Einigen Unbewußten stehend, ein sehr bedrückendes Gefühl empfinde. Mein individuelles»Unbewußtes«schreit nach dem Sonnenschein draußen, dem Gesang der Vögelein im grünen Walde, nach dem Plätschern der Bäche, nach dem blauen Duft der Ferne – und ich muß in der romantischen düsteren Gruft weilen, wo Sie die scheintodte Wahrheit beisetzen wollen. Ich verzage. Aber haben eben nicht liebliche Worte mein Ohr getroffen? Schon wieder! Ja, es ist keine Täuschung: meine linke Hand hat Budha, meine rechte Christus erfaßt, die treuen Beschützer des Individuums, und sprechen mir Muth zu.

Und so rufe ich Ihnen mit dem entschlossensten Ernste zu: Fassen Sie das Individuum nicht an, das Sie tödten und in die glühenden Arme Ihres Götzen Moloch, des Bildes Ihrer erträumten, erfaselten All-Einheit legen wollen! Zurück! –

Sie wollen den Kampf? –

Wohlan! – Einer von uns muß bleiben.

Sie sagen:

Der mit dem Pantheismus gleichbedeutende Monismus.

(529.)

ii613 Wie Sie immer von»unbewußter Vorstellung«, d.h. von silbernem Gold sprachen, so wagten Sie auch, den Monismus mit dem Pantheismus zu identificiren. Ein Quartaner würde Bedenken gehabt haben, eine solche heroische logische That zu vollbringen.

Monistisch ist jede Philosophie, welche auf Einem Princip beruht. Monistisch ist demnach allerdings der Pantheismus, aber auch der Budhaismus, das gerade Gegentheil des Pantheismus ist es; monistisch sind ferner das echte Christenthum, wie meine Philosophie Sie belehrt haben wird, und eben deshalb auch meine Philosophie, welche nur den individuellen Willen als einziges Princip in der Welt anerkennt.

Wenn Sie also sagen: der Monismus ist Pantheismus, so ist es dasselbe, als ob Sie sagten: der Deutsche ist der Hesse, der Europäer ist der Russe. Sie stellen den weiteren Begriff unter den engeren: eine reine Narrethei. –

Hier will ich nur so viel sagen, daß die Selbstentzweiung nur dann unbegreiflich sein würde, wenn das Eine seine Einheit (und mit ihr ein Stück seiner Wesenheit) aufgäbe; daß hingegen eine Selbstentzweiung zu einer sekundären (weil phänomenalen) Vielheit, bei welcher die Einheit in der Vielheit gewahrt bleibt, gerade erst die Mannigfaltigkeit in die abstrakte Einheit bringt; oder genauer ausgedrückt, daß ein Auseinandergehen des Einen zur Vielheit nichts Anstößiges haben kann, wenn damit nur nicht Zersplitterung der Einen Substanz in viele isolirte Substanzen, sondern Manifestation des Eins seienden und bleibenden Wesens in einer Vielheit von Functionen gemeint ist.

(523.)

Sie fahren fort:

Es ist also ganz derselbe Proceß, der sich im Bewußtsein des Individuums als Kampf zwischen verschiedenen Strebungen, Begehrungen und Affekten vollzieht; so gut hier ein Streit möglich ist, unbeschadet der Einheit der Seele, deren Functionen die sich kreuzenden Begehrungen sind, ebenso gut auch im All-Einen Unbewußten.

(524.)

Sie sind groß! Sie sind wirklich groß, Herr von Hartmann. Sie vergleichen den Menschen mit Ihrem Jehovah und entdecken, daß in Beiden derselbe Proceß stattfindet. Wie konnten Sie so Etwas schreiben! Im Menschen kann in jedem gegebenen Augenblick immer nur eine Bestrebung zu einem Willensact werden. Alle |

ii614 Momente eines vorhergegangenen Conflicts von Bestrebungen sind diesem Einen Willensact gegenüber ideal, oder besser: sie sind, als ob sie gar nicht stattgefunden hätten. Bei der von Ihnen gelehrten Weltseele wird aber jeder Conflict sofort real oder mit anderen Worten: Ihre Weltseele will Etwas und das Gegentheil davon zu gleicher Zeit und verwirklicht Beides. Und nun sagen Sie gelassen: una eademque res est.

Wer an eine Seelenwanderung glaubt, darf getrost behaupten, daß in Ihrem Körper die Seele des Sophisten Gorgias lebt. Mogha purisa! –

Stellt man hingegen die Frage so:»Warum müssen die vielen Functionen des Einen Wesens so beschaffen sein, daß sie miteinander collidiren, anstatt ungestört neben einander herzulaufen?«so ist die Antwort:»Ohne Collision verschiedener Willensacte kein Bewußtsein«, – und das Bewußtsein ist es, worauf es ankommt.

(524.)

Herr von Hartmann! Besinnen Sie sich. Erwachen Sie um Gotteswillen, träumen Sie nicht so fieberhaft!

Vor dem Entstehen eines Bewußtseins soll der ganze Weltproceß gar keine Bedeutung gehabt haben? War da die Welt todt, oder wälzte sie sich resultatlos so fieberhaft hin und her, wie Sie sich auf dem Bett der philosophischen Lüge wälzen?

Ich wiederhole Ihnen, daß das Gehirn ein Bewegungsfactor ist, daß das Gehirn aus dem Willen heraus geboren ist, der ihm nur verleiht was er längst vorher schon besaß, womit er steht und fällt: die Bewegung. Auch ohne bewußte Wesen käme die Welt zum Ziele, aber nicht so rasch wie mit bewußten Individuen. Doch ich habe ganz vergessen, daß Sie auch den Steinen Bewußtsein gegeben haben. Ich bitte um Entschuldigung.

Das Unbewußte ist unräumlich, denn es setzt erst den Raum. Das Unbewußte ist also weder groß noch klein, weder hier noch dort, weder im Endlichen noch im Unendlichen, weder in der Gestalt noch im Punkte, weder irgendwo noch nirgends.

(524.)

Wie Schelling und Hegel»räusperten und spuckten«, Das haben Sie denselben»glücklich abgeguckt.«Proh pudor!

Gesetzt den Fall, daß die phänomenale Getrenntheit der Individuen nicht bloß auf einer Vielheit der Functionen des ihnen zu Grunde liegenden Wesens, sondern auf einer Nicht-Identität |

ii615 des Wesens, auf einer Vielheit seiender Substanzen beruhte, so wären unter den Individuen keine realen Relationen möglich, wie sie doch thatsächlich bestehen.

(526.)

Der Einfluß des Absoluten auf die Vielen wird nur dann begreiflich, wenn das sogenannte Absolute aus einer thatsächlich durch die Vielen beschränkten Substanz zu einer unbeschränkten, wahrhaft allumfassenden wird, welche also die Vielen als integrirende Theile ihrer selbst enthält. Dann sind aber in Wahrheit die Vielen ihrer Selbstständigkeit und Substantialität entkleidet und zu aufgehobenen Momenten des Einen Absoluten herabgesetzt.

(527.)

Zurück! rufe ich Ihnen noch einmal zu. Den Dolch weg vom Individuum, Sie Rasender! Das Individuum soll ein»aufgehobenes Moment des Einen Absoluten«sein? Das heißt: Sie wollen das einzig Reale in der Welt ermorden!

Aber warum ereifere ich mich? Sie haben ja inzwischen gewiß die echte Versöhnung des Pantheismus mit dem Pluralismus, von mir über dem Kopfe des allein realen Individuums bewerkstelligt, kennen gelernt, und beziehe ich mich darauf.

In der Welt giebt es nur reale Individuen, vor der Welt gab es nur eine einfache Einheit. Die Entstehung aller Individuen aus dieser gestorbenen Einheit schlingt um dieselben das Band, welches allein von jeher denkende Köpfe zu einer Einheit in oder über der Welt, immer coexistirend mit der Welt, geführt hat. Die Versöhnung ist eine totale, radicale, und sie kann auch nicht mehr, von wem es auch sei, gebrochen werden. Ein neuer Tag hebt an. –

Wo wir uns auch umblicken unter den genialen philosophischen oder religiösen Systemen ersten Ranges, überall begegnen wir dem Streben nach Monismus, und es sind nur Sterne zweiten und dritten Ranges, die in einem äußerlichen Dualismus oder noch größerer Zersplitterung Befriedigung finden.

(528.)

Sie verstehen natürlich hier unter Monismus nur Pantheismus. Ich sage deshalb: Wie fein! Sie nennen diese Sterne ersten Ranges nicht, damit der fehlende Budhaismus nicht stutzig machen soll. Dagegen nennen Sie gleich darauf das Christenthum und sagen:

Aber ich meine, die Zeit ist nahe, wo das Christenthum monistisch werden oder untergehen muß.

(529.)

ii616 Das Christenthum, Herr von Hartmann, ist Monismus, dem wissenschaftlichen Sinne des Worts nach, es muß nicht erst Monismus werden: es ist auf der Oberfläche, als jüdischer, theoretischer Theismus, Monismus (Jehovah und die Welt bilden keinen Dualismus) und ist in der Tiefe Monismus: denn in seinem esoterischen Theil ist das Individuum allein real. Sie meinen aber, es müsse Pantheismus werden. Hierauf erwiedere ich Ihnen: Armer Romantiker!

Sie betippen gleichsam mit dem Nagel Ihres Zeigefingers unabsehbar tiefe Gewässer und urtheilen dann über deren Tiefe: das Wesen des echten Christenthums ist Ihnen total verhüllt. –

Es ist eine Sinnestäuschung im weiteren Sinne, wenn wir an der Welt, an dem Nicht-Ich etwas unmittelbar Reales zu haben glauben; es ist eine Täuschung des egoistischen Instinktes, wenn wir an uns selber, an dem lieben Ich etwas unmittelbar Reales zu haben glauben; die Welt besteht nur in einer Summe von Thätigkeiten oder Willensacten des Unbewußten, und das Ich besteht in einer anderen Summe von Thätigkeiten oder Willensacten des Unbewußten.

(534.)

Diese zwischen Ihre Einheit hinter der Welt und das denkende Ich gesetzte ideal-reale Erscheinungswelt ist eben die Hausknechtsschürze und die Schlafmütze, welche Sie, wie ich vorhin sagte, dem Pantheismus der Brahmanen angezogen haben. Ein Kundiger erkennt sofort die unwürdige Maskerade.

Um einen Gott hinter der Welt zu retten, lassen Sie zunächst das unmittelbar gegebene einzige Reale in der Welt, Ihr erkanntes und gefühltes Ich, dann die Objekte der Außenwelt fallen. Und das nennen Sie Philosophie! Als Strafe dafür hat die Wahrheit Sie für vogelfrei erklärt.

Das Unbewußte höre auf, die Welt zu wollen, und dieses Spiel sich kreuzender Thätigkeiten des Unbewußten hört auf zu sein.

(534.)

Das Unbewußte ändere die Combination von Thätigkeiten oder Willensacten, welche mich ausmacht, und ich bin ein Anderer geworden; das Unbewußte lasse diese Thätigkeiten aufhören, und ich habe aufgehört zu sein. Ich bin eine Erscheinung wie der Regenbogen in der Wolke;... was an mir Wesen ist, bin ich nicht... Nur die Sonne strahlt ewig, die auch in |

ii617 dieser Wolke spielt, nur das Unbewußte waltet ewig, das auch in meinem Hirn sich bricht.

(535.)

Wollen Sie wissen, was ich denke? Ich denke, daß sich wirklich Ihr All-Einiges Unbewußtes, aller Pantheismus überhaupt, in Ihrem Hirn den Hals gebrochen hat.

Im Absoluten existirt in der That eine Intelligenz, welche wir bei unserer Unfähigkeit, die Art ihrer Anschauungsweise positiv zu erfassen, nur durch das negative Merkmal der Unbewußtheit zu charakterisiren vermögen, von der wir aber wissen (!), daß ihre nichts weniger als blinde, sondern vielmehr sehende und sogar hellsehende Weisheit der jedes möglichen Bewußtseins überlegen (überbewußt) ist.

(537.)

»Erbärmliches dogmatisches Gewäsche!«(Kant.)

Nachdem Sie nun glücklich Ihre lebende All-Einheit in oder hinter der Welt erträumt haben und an dieselbe glauben oder, wie Sie die Dreistigkeit haben zu sagen: nachdem Sie die All-Einheit des Unbewußten erwiesen haben (527), versuchen Sie auf die ergötzlichste Weise die den furchtbarsten Widerstand allüberall in der Natur leistenden»aufgehobenen Momente«(Individuen) gewaltsam mit dieser Einheit zu versöhnen. Es gelingt Ihnen aber nicht; immer wann Sie das Individuum knebeln wollen, entschlüpft Ihnen das Herrliche, und dasselbe bedarf in der That meines Schutzes nicht mehr. So ziehe ich mich denn wieder auf meinen Sessel im Zuschauerraum zurück. Zu einer Abschlachtung kann es gar nicht kommen. Das Individuum trägt eine Hornhaut wie Siegfried, und zwar eine durchaus hornichte Haut: als es sich in der Wahrheit badete, fiel kein Lindenblatt auf seine Schulter.

Wollen Sie, edler Mime, daher Ihre Recitation immerhin fortsetzen.

 

VIII. Das Wesen der Zeugung vom Standpunkte der
All-Einheit des Unbewußten.

Die Seele sowohl jedes der Eltern, als auch des Kindes, ist nur (!) die Summe der auf den betreffenden Organismus gerichteten Thätigkeiten des Einen Unbewußten.

(547.)

Wir Menschen sind also todte Marionetten, leere Formen. Herr von Hartmann, was haben Sie gethan?!

ii618 Daraus nun, daß ein Organismus, so lange er gefroren ist, weder des Lebens, noch einer Seele theilhaftig ist, folgt, daß wenn nach einer gewissen Zeit Leben und Seele in ihn zurückkehrt, diese Seele nicht mehr als ein und dieselbe mit der vor dem Uebergange in den gefrorenen Zustand ihm einwohnenden betrachtet werden kann, da zur Dieselbigkeit zweier zeitlich getrennter Seelen die zeitliche Continuität der Thätigkeiten der ersteren mit den Thätigkeiten der letzteren erforderlich ist.

(554. 555.)

Horribile dictu! Herr von Hartmann, besinnen Sie sich nur während eines Augenblicks. Ist es möglich, daß ein solcher gefrorener Organismus je wieder aufleben könnte, wenn das letzte Fünkchen Leben in ihm verlöscht worden wäre? Sie lehren unverblümt das Wunder in einem wissenschaftlich sein sollenden Werke. O, es ist unerhört!

 

IX. Die aufsteigende Entwicklung des organischen Lebens
auf der Erde.

Da das Unbewußte stets der dispositionell vorgezeichneten Entwickelungsrichtung, als der im Allgemeinen seinen vorgesetzten Zwecken entsprechenden und die geringsten Realisationswiderstände (!) darbietenden Richtung folgt, wenn es keinen besonderen Grund hat, für bestimmte Zwecke eine Abweichung vorzunehmen, und da ein solcher Grund für die gewöhnliche Zeugung, wo es nur auf die Erhaltung der Art ankommt, fehlt, so schlägt es... den leichtesten Weg ein, d.h. das Erzeugte gleicht den Erzeugern, und diese Erscheinung nennt man die»Vererbung oder Erblichkeit der Eigenschaften.«

Da nun die Schwierigkeiten schon groß genug sind (!), welche durch das Hinausgehen über die alte Art und das Hinzufügen neuer Charaktere entstehen, so wird das Unbewußte suchen,... die neue höhere Art aus solchen Arten hervorzubilden, bei denen nur neue Charaktere hinzuzufügen, aber möglichst wenig oder gar keine bestehenden positiven Charaktere zu vernichten sind.

(568.)

Was soll man zu einer solchen geschraubten gewaltsamen Anbequemung Ihrer Cartesianischen Philosophie an den siegreichen Darwinismus sagen? Gesetzt, Sie hätten Recht, das psychische |

ii619 Unbewußte fände in seinem organischen Bilden einen Widerstand an der Materie, so müßte doch dieser Widerstand für das All-Eine Unbewußte gar kein Widerstand sein; denn das All-Eine Unbewußte ist durch Nichts beschränkt, es ist wie jede einfache Einheit allmächtig. Sie gehen zwar der Allmacht des Unbewußten aus guten Gründen, wo Sie es können, aus dem Wege, aber einmal wenigstens mußten Sie ihr begegnen. Auf Seite 538 geben Sie Ihrem Moloch Allmacht. Und trotzdem reden Sie, einer Allmacht gegenüber, von Schwierigkeiten. Unverzeihlich!

Ein Sprung bleibt freilich immer bestehen, denn sonst müßten von einer Art zur nächsten unendlich (!) viele Zeugungen hinüberführen, was bei der endlichen Entwicklungszeit der Organisation auf der Erde unmöglich ist.

(573.)

In diesem Satz ernten Sie wieder einmal den in der Erkenntnißtheorie gesäten Wind als vollen Sturm; denn Sie werden sich erinnern, daß»unendlich«ein Prädicat ist, das dem Ding an sich nicht zukommt.

Goethe sagte:

Du Kräftiger, sei nicht so still,

Wenn auch sich Andere scheuen.

Wer den Teufel erschrecken will,

Der muß laut schreien.

So will ich denn recht laut schreien: Mogha purisa! und mögen Sie, in richtiger Selbsterkenntniß, einen passenderen Ausruf an die Stelle des meinigen setzen.

Sehen wir doch Fälle eintreten, wo das Unbewußte lieber Mißgeburten zur Welt schickt, als daß es sich bis zur Ueberwindung der vorliegenden materiellen Schwierigkeiten anstrengte.

(576.)

Ach! was für ein hektischer, auszehrender, schwacher oder besser: fauler Gott doch Ihr All-Eines Unbewußtes ist! Ich glaube, daß sich einen solchen trägen, faulen Fetisch selbst die Hottentotten nicht gefallen ließen, und Sie wollen ihn einer Nation aufbinden, welche Kant und Schopenhauer zu den ihrigen zählt!

Das»Eingreifen«Ihres Unbewußten in die reale Welt der Individuen ist eine widerliche, barbarisch rohe Lehre. Sie lassen beständig die Nothwendigkeit der empirischen Vorgänge von unzähligen Wundern durchbrechen. Nicht einmal in einer Versammlung von Tollen sollte man Sie zu Wort kommen lassen, geschweige unter Gelehrten.

ii620

X. Die Individuation.

1. Möglichkeit und Vermittlung der Individuation.

Endlich finde ich einen Tropfen Wasser in der Wüste! Sie bekennen Seite 597:

Wer nie das Bedürfniß gehabt und die Schwierigkeit gefühlt hat, vom Standpunkte des Monismus (soll heißen: Pantheismus) aus die Individuation zu begreifen....

Das wenigstens ist doch redlich und ehrlich.

Die Wahrheit des Herbart’schen Pluralismus liegt in der Behauptung, daß das Recht der Vielheit und Individualität gerade so weit reicht wie die Realität des Daseins überhaupt, seine Unwahrheit liegt in dem Verkennen der Phänomenalität aller Realität und alles Daseins.

(597. 598.)

Warum sagten Sie nicht lieber gleich: Idealität aller Realität? Denn Sie werden doch nicht im Ernst behaupten wollen, daß Ihre phänomenale Welt etwas Anderes sei, als die ideale Welt Kant’s? Eine Welt, welche Manifestation einer noch lebenden Einheit ist, muß nothwendigerweise Schein sein, wegen der»aufgehobenen Momente«, der Marionetten- Individuen. Ihre»objektiv (göttlich) gesetzte Erscheinungswelt«ist, wie die Welt der alten Brahmanen, ein Trugbild der Maja. Es ist auch, wie gesagt, gar nicht anders möglich. Aller consequente Pantheismus muß crasser empirischer Idealismus oder besser: reiner Illusionismus sein.


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