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Der neunte April, ein herrlicher, duftender Sonnentag, der den bereits grünbehauchten Makrowald noch grüner, die Lichtung unter dem Stützpunktbaum bunter und die Stimmen gefiederter, 10 страница



Hal war jedenfalls eines klargeworden: Hier war die Ausnutzung des Raumes zur Perfektion getrieben, waren Objekte verwirklicht, die an Größe und Bedeutung zum Beispiel der Jupiterbasis oder der Ekliptikinsel in nichts nachstanden. Er begann zu begreifen, daß es Menschen gab bei den Kleinen, die aus ihrer Sicht und ohne genügend Kenntnis der Welt der Großen einer Rückkehr skeptisch gegenüber­standen. Ihm wurde auch ungefähr klar, wie lange sie brauchen würden, selbst bei höchstem Aufwand, die Errungenschaften der Kleinen zu erfassen und einige davon in der Makrowelt anzuwenden. Und Hal bekam Respekt! Das waren sie, die Kleinen: irregeführte Menschen guten Willens, Betrogene, Verstümmelte, Gefangene. Aber nicht nur, daß sie das Muffige ihrer Vergangenheit im Kopf langst abgeschüttelt hatten, sich der Kraft bewußt geworden waren, die, von den Workmen ausgehend, Motor der Entwicklung wurde, sondern sie haben auch in ihrem Willen, zu überleben, der gesamten Menschheit neue Räume erschlossen. Ja, so werde ich argumentieren, nahm Hal sich vor, wenn ich nach meiner Meinung gefragt werde. Alle müssen es so sehen!

Neben Hal entstand Bewegung. Er sah, wie Res und gleich darauf Djamila an ihrem Pult einen Knopf drückten. Hal stülpte den Helm wieder auf und sah - nichts. Er betätigte ebenfalls schleunigst den Knopf. Ein Film lief an, offenbar aus der Zentrale der Kleinen überspielt. Wahrscheinlich war dem eine Erklärung vorausgegangen,


die Hal versäumt hatte. Es dauerte einige Zeit, bevor er ahnte, worum es ging. Je mehr er jedoch verstand, desto erregter wurde er, desto fester wurde auch sein Vorsatz, für die Kleinen so einzutreten, wie er es sich bereits überlegt hatte.

Der Filmstreifen zeigte nüchtern eine Palette organisch-biologischer Werkzeuge in einer Perfektion, die die kühnste Vermutung in den Schatten stellte.

Eine Bildfolge wird Hal unauslöschlich im Gedächtnis bleiben: Da war Wald, ein stattlicher Wald, offenbar noch nicht auf die Größe der Kleinen mutiert, der Untergrund scheinbar steinig - für Miniverhält­nisse. Da kamen zwei Traktoren, die sprühten um den Wald aus aufmontierten Fässern ein Viereck. Dann fuhr ein motorisierter Großtank auf. Er nebelte auf der Traktorenspur eine Seite des Waldvierecks ein. Das ging sehr schnell. Und dann starb dieser Wald - wie von Geisterhand. Aber er starb nicht ab wie von Gift, er verschwand, wurde gefressen. Eine graue Masse überzog Blätter und Äste, wälzte sich darüber hin und hinterließ kahle Stämme, an denen einige Hauptäste trostlos gen Himmel ragten. Als diese Welle dreißig Meter vorgedrungen war, kam der Tank erneut. Er goß jetzt entlang seiner alten Spur einen dünnflüssigen Brei aus. Dieser Brei begann allmählich, aber unaufhaltsam zu leben, er kroch die kahlen Stämme und Äste hinan, überzog sie weiß. Eine Nahaufnahme: Unzählige, lebende Fäden umklammerten das Holz, ein zartes, unentwirrbares Geflecht drang in Ritzen und Poren, ein Myzel! Es entstand, wuchs, kroch, zerstörte und - starb! Geäst und Stamm, einschließlich Stubben, zerfielen zu Modder. Es rieselte schwerer Staub, die weiße Woge kroch weiter, eine häßliche, braunschwarze Ebene zurücklas­send, scheinbar leblos, auf Jahre unfruchtbar.

Erneut kam ein Tank. Er sprühte einen gelben Spray aus der gleichen Spur. Nach wenigen Augenblicken schien es dort, wo das Aerosol aufgetroffen war, zu brodeln oder zu kochen. Dampf stieg auf, und wieder kroch eine Welle vor.

Plötzlich schob sich Hal Res' Bild ins Gedächtnis, wie sie im Spezialanzug mitten im afrikanischen Organismenstrom stand.

Jetzt kam eine Totale: Hal wurde es unheimlich, er fühlte, wie ihm Schweiß ausbrach. Dort stand noch ein grüner Waldstreifen, unerbittlich fraß sich die erste Welle in ihn hinein. An einigen Stellen


hatte sie ihn bereits aufgezehrt und - erstarb in der Sprayspur, die der Traktor gezogen hatte.



Dem weißgefärbten Myzel erging es ebenso. Mit dem letzten Stamm zerfiel es an der Spur. Hal war sich sicher, daß die dampfende Woge ebenso ersterben würde. Und das alles ging rasend schnell - hier war kein Zeitraffer im Spiel. Mit den Maßstäben der Großen gemessen, marschierte die Vernichtung in zehn Minuten einen Meter auf breiter Front.

Die dritte Welle hinterließ, eine Nahaufnahme machte es deutlich, einen lockeren Boden kleinstkrümeliger Struktur. Ins Bild rückten Kombines mit Pflügen, Eggen und Sämaschinen im Komplexverband. Erst jetzt kam ein Kommentar: In sechzig Stunden würde jeder beliebige Samen aufgehen...

Hal blieb unklar, was mit der Fauna dieses Flächenstückes geschehen sein mochte. Er fragte die Zentrale nicht, weil er überzeugt war, daß auch dieses Problem gelöst worden war.

Das Bild hatte gewechselt: Eine Walze fuhr über ein dickes Blech und hinterließ ein Muster, hervorgebracht aus Benetzung und Nichtbenetzung. Als Hal sich bereits zu wundern begann, weshalb die Einstellung so unverständlich lange blieb, bemerkte er, wie die benetzten Stellen zunächst immer deutlicher hervortraten und dann begannen aufzuwuchern. Das war, als verbrannten und verkohlten dort Eierkuchen. Es bildeten sich schwärzliche Bläschen, die aufplatz­ten, krustig zusammenfielen, als schwarzer Mulm herausquollen und so die Scharfzeichnung des Musters störten. Es dauerte nicht lange, da fiel vom Blech dunkler Staub auf den Boden. Hal übersah das alles noch nicht, als zwei Männer ins Bild traten und die Platte aufrichteten, um der Kamera die Draufsicht zu ermöglichen. Hal glaubte zu träumen: Das vorher aufgedruckte Muster hatte die Platte durchfres­sen. Was die zwei Männer zeigten, mutete an wie der Flügel eines in lebenslanger Mühe entstandenen filigranen Kunstschmiedetores.

Hal riß sich den Helm vom Kopf. Die Kopfhaut prickelte. Schweiß­ließ Kleidung und Haare am Körper kleben. Ungeheuerlich! Welch eine Beherrschung des Mikrokosmos, welche Perspektive! Hal begann, sich einiges begeistert auszumalen, was alles veränderbar wäre, was er nun für Katalysatoren entwickeln würde! Er wäre am liebsten aufgesprungen, um das Glashaus gerannt und hätte diejeni-


gen, die das entwickelt hatten, umarmen mögen. Dann blickte er ungeduldig auf Djamila, zu Res. Aber offenbar lief da noch etwas. Djamila folgte dem Bild ebenso erregt, wie er es getan hatte.

Hal hatte das Bedürfnis, sich auszutauschen, wollte, daß die anderen genauso empfanden wie er, daß sie seine Begeisterung teilten. Res! Sie saß unnatürlich vorgebeugt, hatte Lippen und Augen halb geöffnet, das Gesicht schweißglänzend, fiebrig. Die Hände krampfte sie zu Fäusten, daß die Fingerknöchel weiß hervorstachen. Sie schien so erregt, daß Hal einen Augenblick um ihre Gesundheit fürchtete und daran dachte, sie aus ihren Empfindungen zu reißen. Dann überlegte er: Die Res, die da im Organismenstrom stampfte, wirft das nicht um!

Er brauchte nichts mehr zu sehen, für ihn war alles weitere vorstellbar geworden. Und wenn die Kleinen hier einige Beispiele, und wenn auch die eindrucksvollsten, gezeigt hatten, so war sich Hal im klaren darüber, daß seine Vorstellung in dieser Richtung wahrschein­lich nicht komplex genug sein konnte. Und wir wundern uns, dachte er, daß diese Organismen unseren Beton zerfressen. Es wird eines Lächelns bedürfen, um diesen Strom zu stoppen. Und was hat er den Menschen um Res schon für eine Mühe bereitet. Für Hal - und sicher auch für Res — gab es keinen Zweifel mehr: Nur die Kleinen konnten den afrikanischen Organismenstrom verursacht haben. Was bezweck­ten sie damit?

Einen Augenblick durchrieselte Hal Freude, die auch ein Quantum Schadenfreude enthielt. Ich gönne diesem Mexer die Niederlage! Jemanden wie Res tut man nicht ungestraft als Spinner ab. Aber nun muß sie handeln!

Endlich! Gwen nahm verschwitzt seinen Heim ab. Er sah zu Hal, ihre Blicke trafen sich. Sie dachten offenbar das gleiche, standen auf und gingen hinter den in sich Versunkenen aufeinander zu. „Du meinst...?" fragte Gwen erregt. „Ja." Hal nickte.

„Wollen wir unterbrechen?" fragte Gwen und deutete auf den Transopter.

Hal schüttelte den Kopf. „Nimm ihnen nichtdas Vergnügen", sagte er lächelnd, auf Djamila und Res deutend, „im Augenblick kann nichts passieren, der Strom ist eingedämmt. Unser Gas vertragen die Biester doch nicht so gut."


„Trotzdem", entgegnete Gwen, „vielleicht haben sie einen Vorrat an Gegenmitteln. Rein in den Gleiter, versprüht und fertig!"

„Der Vorrat wird in einen Fingerhut passen", spottete Hal. „Aber überlege lieber einmal, was sie mit dem Strom bezwecken!"

Gwen sah Hal überrascht an. „Natürlich", sagte er dann nachdenk­lich, und er ging zum Funkgerät, um einen Spruch abzusetzen.


Zwanzigstes Kapitel

So war Res: Gwen traf sie videophonisch in ihrer Wohnung beim Sonnenbad. Sie hatte sich nicht etwa der Mühe unterzogen, sich zu bekleiden. Mit dem Fuß hatte sie offenbar die Drucktaste des Gerätes betätigt, als Gwens Ruf anstand, und nun sagte sie lässig: „Hallo, Gwen, läßt doch noch von dir hören?" Freilich stand die Routinefrage im Gegensatz zu ihren hochgezogenen Brauen und den Falten, in die sie die Stirn legte und die ihrem ebenmäßigen Gesicht etwas von der Neugier ei'nes Eichhörnchens gaben. Sie ahnte, was der Anruf bringen konnte.

„Wir werden sie nun austilgen", sagte Gwen ein wenig verwirrt und nicht eben aufschlußreich.

Prompt fragte Res spöttisch zurück: „Wen willst du austilgen?"

„Denk ein bißchen mit, zum Teufel! Ich sitze hier auf den Leewards, und es hat verdammt viel Mühe gekostet, zu dir durchzukommen!" maulte Gwen freundlich. „Wir haben uns nun entschlossen, mit Hilfe der Kleinen deinen programmierten Biestern an den Kragen zu gehen!"

„Ach", Res begann sich leger aufzurichten. „Schon?" fragte sie ironisch. „Na dann!" Sie richtete sich vollends auf und sah sich suchend nach Kleidungsstücken um.

„Was heißt,na dann'?" fragte Gwen.

„Das heißt zwei Dinge: Erstens sende ich meine Arbeit erneut zur Akademie - mit einem gepfefferten Schreiben, versteht sich, und zweitens sagst du mir sofort, wann sie hier eintreffen."

„Am besten, du kommst augenblicklich wieder her", sagte Gwen, und es klang verlegen, „und fliegst mit ihnen zurück!"

„Ach nein!" Mehr sagte Res nicht. Etwas wie Genugtuung huschte über ihr Gesicht.

„Hättest ja auch nicht gleich zu schmollen brauchen", bemerkte Gwen. „Auf die Woche wäre es nicht angekommen."

Res winkte ab. „Du müßtest dich eben mit den Leuten in der Stadt einmal selbst anlegen -- und außerdem darf ich wohl auch mal Sehnsucht nach meinen Kindern haben. Lassen wir das jetzt. Ich komme. Bitte sorge dafür, daß es schnell geht."


Sie traf noch am gleichen Abend mit einem Ferngleiter ein. Wie sie. es geschafft hatte, daß ihr so schnell ein Transozeanflug genehmigt worden war, blieb unklar, zumal sie mit einer handgesteuerten Maschine gekommen war. Der Pilot hatte es sehr eilig, den Rückflug anzutreten, offenbar empfand er die vielen Leit- und Sperrstrahlen um die Insel herum als umheimlich.

Sie bereiteten imIglu am Strand die wesentliche Zusammenkunft mit dem Wissenschaftsrat der Kleinen vor, als Res hereinschneite. Hal stand draußen vor dem Eingang, als sie kam. Sie nickte ihm zu, deutete mitdem Daumen auf den Iglu und fragte: „Gwen?", und als Hal bejahte, stürmte sie hinein. Hal hörte ein „Hoi, hoi" von Gwen, und als er ebenfalls eintrat, sah er, daß sie sich auf die Ecke eines Tisches gesetzt, dazu einige nach Bild- und Brennweite bereits eingerichtete Apparaturen zur Seite geschoben hatte. Als Gwen sie darauf hinwies, schnitt sie lediglich eine bedauernde Grimasse und sagte: „Hier bin ich, erzähle!"

Gwen wird mit ihr besser fertig als ich, dachte Hal. Ich hatte sie wahrscheinlich im Augenblick in aller Freundschaft an die frische Luft expediert. Statt dessen rückte Gwen seelenruhig einen Feldrahmen zurecht und sagte beiläufig: „Hal wird dir sagen, wie wir vorgehen wollen und dich auch im weiteren unterstützen, wenn ihr gleich etwas unternehmen wollt."

Hal konnte sich nicht verkneifen zu bemerken: „So, wollte ich das?" „Was heißt,gleich etwas unternehmen wollt'?" fragte Res nicht ohne Schärfe. Dann sah sie Hal mit gerunzelter Stirn lächelnd an. Er lächelte unsicher zurück.

Hal konnte nicht sagen, daß ihm Gwens Auftrag unangenehm gewesen wäre. Res war eine hübsche Frau, vielleicht zu asketisch mager; vor allem aber interessierte Hal die Arbeit. Res war dem Beginn einer neuen Epoche der Wissenschaft so nahe wie kein anderer Mensch, und er hatte die Chance, dabeizusein, mehr von ihrer Arbeit zu erfahren. Zunächst sah es jedoch ganz und gar nicht danach aus. „Mit wem habt ihr gesprochen?" fragte sie direkt.

Gwen und Hal sahen sich an. „Bisher mit niemandem über diesen Fall", antwortete Gwen, und es schien, als sei es ihm unangenehm, Res eine negative Antwort zu geben. Er beeilte sich, als sich ihre Stirn beängstigend zu runzeln begannn, hinzuzufügen: „Das sollte nicht


ohne dich geschehen. Nur, versteh, wir sind uns nicht im klaren, auch jetzt nicht. Was bezwecken sie damit, und warum machen sie ein Geheimnis daraus?"

„So", sagte Res, Gwens letzte Frage ignorierend, „also Stand wie vor meiner Abreise!" Sie machte eine Pause. „Wenn sie es selbst nicht wissen? Hm? - In einem solchen Fall können sie uns natürlich auch nichts sagen!"

„Eben", bestätigte Gwen. „Deshalb sollst du das Nötige einleiten -von Anfang an."

Res sah von einem zum anderen. Sie schien besänftigt. „Na, dann weiht mich mal ein!"

Hal bat Res in den Nahgleiter, der draußen stand, wies auf den Schirm und gab eine Order hinüber zum Katamaran, die Bänder der letzten Ereignisse zu überspielen. Dann schloß er sich den anderen an, die lärmend ein abendliches Bad nahmen.

Gwen grinste nur, als Hal seine Verwunderung über Res' schroffes Auftreten zum Ausdruck brachte. „Du täuschst dich! Sie ist im Augenblick besessen von dieser Arbeit und obendrein verbiestert. Sie ist sonst ein lieber Keri. Ev kennt sie gut. Und ich bin sicher, wenn sie alles hinter sich hat, ist sie wieder friedlicher."

Hal ging mit neuen Vorsätzen zu Res. Die Übertragung war zu Ende, sie saß und rührte sich nicht. „Nun?" fragte er.

Sie sah hoch, brauchte eine Sekunde, um zurückzufinden, und dann sagte sie langsam: „Kannst du es möglich machen, daß ich mit denen, die nach eurer", das „eurer" sagte sie ironisch, „Meinung von den Kleinen hinzugezogen werden sollen, schnell Kontakt bekomme?"

Hal zuckte mit den Schultern. „Sicher", sagte er. „Aber kommt es auf den Tag an?"

Sie sah ihn durchdringend an. „Es kommt", sagte sie bestimmt. „Sie legen in der Stunde trotz eures Gases immer noch einen Meter zurück. Sie sind heimtückisch und raffiniert. Ich weiß nicht, ob sie im Augenblick noch immer Beton mögen! Und Zeit ist genug verbum­melt!" „Gut, ich werde es versuchen", sagte Hal.

Zunächst rief er Djamila und sagte ihr, daß er noch zu tun hätte. „Länger", sagte er auf ihre Frage hin, denn ihm schwante einiges,


wenn er in Res' entschlossenes Gesicht blickte. Dann versuchte er auf der vereinbarten Welle Gela zu erreichen. Statt ihrer meldete sich eine Zentrale, und es dauerte eine Weile, bis sie Gela gefunden hatten. Und das erste, was sie Hal fragte: „Ist es sehr wichtig? Ich bin bei meinen Eltern."

Zunächst wußte Hal nichts zu antworten. Er blickte vorwurfsvoll auf Res. Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. Hal war das peinlich. „Und Chris?" fragte er.

„Chris ist beim Rat, eine Sonderzusammenkunft - wegen morgen." Plötzlich schien Gela etwas zu begreifen. „So war es nicht gemeint, Hal, entschuldige. Nur wenn es wichtig ist, nachweisbar, darf ich einen Hubschrauber anfordern. Unter der Überdachung ist Fliegen nicht üblich."

Hal stand vor einer Entscheidung. Dann entschloß er sich angesichts der aufgebrachten Res', alle Zurückhaltung aufzugeben, geschehe, was da wolle, und er sagte, was sie wußten, was sie vermuteten.

Gela hörte so still zu, daß Hal mehrmals dazwischenfragte, ob sie noch da sei. Erst antwortete sie nur aufgeregt zustimmend, dann zögernd, nachdenklich. Plötzlich unterbrach sie ihn brüsk und sagte, nein, rief: „Seid bitte in einer Stunde empfangsbereit, ich melde mich. Ende!"

Reichlich verdutzt blickte Hal auf Res.

„Schöne Freundin", sagte sie spöttisch.

„Warte ab", sagte Hal schroffer als beabsichtigt. Was hatte Gela? Es war nicht ihre Art, ein Gespräch so abrupt abzubrechen. Wir hätten ihnen damals während ihres Besuches reinen Wein einschenken müssen. Aber das jetzt einzugestehen hieße Öl in Res' Feuer gießen!

„Was bleibt anderes übrig", sagte Res.

Sie liefen zunächst am Strand hin und her, Res und Hal. Die anderen saßen drüben auf dem Katamaran in einer großen Runde.und berieten. Einmal winkte Djamila herüber. Hal wäre gern zugegen gewesen; dann hätte er aus erster Hand erfahren, was sie morgen den Kleinen vorschlagen wollten. Es waren mit neuen Abgesandten der UNO auch neue Instruktionen gekommen. Andererseits reizte Hal die Arbeit mit Res. Im kleinen fühlte er wie sie, nur daß sie es eben umfassender packen wollte. Und sie ist bedeutend mutiger als ich, dachte er. Sie hat von ihrer Idee nie abgelassen, hat an ihrer Überzeugung


festgehalten und, was das wichtigste war, sie auch überall vertreten
und verteidigt, während ich eben weiter an den Chemokataiysatoren
herumpussele. Deshalb, und jetzt wurde Ha1 das klar, bewunderteer
Res. Und wenn sie in ihrem Wollen das eine oder andere übertrieb
- was tat das schon!

Res schritt kraftvoll neben ihm her. Der Wind bog ihre silbermelier­ten Haarstoppeln und blähte den bis zu den Oberschenkeln reichenden Blouson. „Irgend etwas ist bei denen nicht in Ordnung", sagte sie plötzlich. „Daß es sie beunruhigt, ist verständlich. Schließlich steckt in unserer Bitte um Hilfe auch eine Anschuldigung, ein Verdacht."

„Wir haben nichts unterstellt", wandte Hal ein.

„Auf den Kopf gefallen sind die nicht!"

„Wir haben ihnen gesagt, daß wir nach dem, was wir bei ihnen gesehen haben, meinen, sie könnten mit einer uns unbegreiflichen Erscheinung fertig werden."

„Nur sieht diese unbegreifliche Erscheinung ihren Mikroben aus dem Film verteufelt ähnlich!" Res gab dem leeren Panzer einer Krabbe einen Fußtritt, daß er ins Wasser flog.

„Allerdings gibt mir Gelas Reaktion auch zu denken", räumte Hal ein.

Sie hatten kehrtgemacht und schritten wieder auf den Gleiter zu, als sie fast gleichzeitig' losrannten. Rhythmisch glomm - im Dämmerschatten deutlich zu erkennen — im Gleiter der Rufer auf. Fünfundzwanzig Minuten zu früh, stellte Hal nach einem Blick auf die Uhr fest.

Es war Gela. Sie sagte förmlich und unpersönlich: „Hallo, ich gebe weiter an Chris Noloc."

„Hier Noloc." Auch er sprach irgendwie verändert, erregt. „Bitte überprüft, ob kurzfristig ein Treffen mit einigen Beauftragten von euch möglich ist, mit dem Ziel, so bald als möglich zu diesem, diesem Organismenstrom aufzubrechen. Es ist für uns wahrscheinlich von größter Bedeutung."

Res sah Hal auffordernd an. Er sagte mit einem Blick auf die Uhr: „In einer halben Stunde oben an unserem Transopter. Alles weitere dort."

Noch bevor Hal Näheres erfragen konnte, entgegnete Chris hastig: „Gut, bis nachher. Ende", und war aus der Verbindung.


Hal hielt den Finger auf die rote Notruftaste, sah aber zunächst abwartend zu Res. Sie nahm seinen Blick auf, nickte nachdrücklich ungeduldig und sagte außerdem noch: „Na los, worauf wartest du?" Als sie oben ankamen, war Chris Noloc bereits da, aber nicht allein. Auf einem Ziegelstein, im Licht der Scheinwerfer, stand eine Hubschrauberflottille bestehend aus etwa zwanzig Maschinen -darunter solche, die man seinerzeit fliegende Waggons nannte. Die Kleinen hatten auf einen Transopter verzichtet, so daß nicht auszumachen war, wo sie sich befanden.

Kaum hatten sie den Platz erreicht, als sie Chris Noloc anrief: „Hallo'— ohne Umschweife: Es ist wahrscheinlich, daß die Verursa­cher des Organismenstroms, von dem ihr annehmt, daß er program­miert ist, bei uns zu suchen sind. Wir vermuten, daß er mit unserer verschollenen,Ozean I' zusammenhängt. Von welcher Tragweite das für uns ist, brauche ich nicht zu betonen. Wir sind ausschließlich auf eure Hilfe angewiesen, da wir nicht in der Lage sind, den Ort schnell aufzusuchen. Den Strom können wir wahrscheinlich vernichten, wir sind gerüstet."

„Und die Zusammenkunft morgen?" fragte Gwen.

„Findet von uns aus trotzdem statt", antwortete Chris.

„Wer fliegt von euch mit zum Strom?" fragte Hal.

„Karl Nilpach und ich. Gela vertritt die Expedition bei der Zusammenkunft. Daß Gela nicht mitfliegt - hat noch einen anderen Grund..." Das letzte hatte Chris leise, zögernd gesagt.

Wenig später vor dem startbereiten Gleiter. Gwen nahm einen Spruch auf, dann schaltete er an seinem Handfunkgerät und sagte zu Chris: „Eure Fluggenehmigung ist soeben eingetroffen. Hal Reon hat alle Vollmachten" - eine Tatsache, die für Hal durchaus neu war — „ihr könnt starten!"

„Danke", sagte Chris. „Bitte gebt Anweisung zum Einflug'in euer Flugzeug!"

Während Res die Minischrauber einwies, wartete Hal vor dem Gleiter. „Was sind das für Vollmachten?" fragte er Gwen hinterhältig. Gwen sah ihn an, grinste und zuckte mit den Schultern. Dann sagte er ernst: „Du bist zu dem bevollmächtigt, was du für richtig hältst." Das nächste klang wieder unernster: „Paß auf Res auf, daß sie nicht über die Stränge schlägt!"


„Spinner!" rief Res aus dem Gleiter heraus.

Sie erreichten in den frühesten Morgenstunden den afrikanischen Kontinent. Unter iKnen lag Nouakchott mit dem historischen Hafen, den Zweckbauten des zwanzigsten Jahrhunderts, die unter Denk­malschutz standen, aber auch mit den Satellitenstädten mitTurmhäu-sern des Wendeltyps aus Glas und Plaste. Und leider mit Betonfunda­menten, weil es so immer noch am effektivsten war..,

Sie flogen niedrig mit gedrosselter Geschwindigkeit- Es herrschte noch wenig Verkehr.

In den östlichen Stadtteilen standen große Tankfahrzeugkolonnen, Pump- und Bohraggregate. Freiwilligeneinheiten versuchten Tag und Nacht den Organismenfraß zu dämmen, in dem sie vorbeugend, denn vorläufig befand er sich noch vor der Stadt, den vorhandenen Beton mit einer Flüssigkeit imprägnierten, die den Bestien den Appetit verderben sollte.

„Wird nichts?" fragte Hal Res beim Überfliegen dieser Stadtteile.

„Auf die Dauer nicht." Res schüttelte wie abwesend den Kopf. „Diese Organismen kreisen die Sprühherde ein und gehen dann mit Ausdauer und einer zunehmenden Resistenz von allen Seiten darauf los. Das Ende vom Lied ist ihr Sieg. Man hat den Eindruck, sie organisieren sich um."

„Und Feuer?" fragte Hal naiv.

„Das war ein schlimmer Versuch", antwortete Res. „Sie kugeln sich ein, lassen sich von der Wärme nach oben tragen - natürlich verbrennen die äußersten. Die Kugeln bersten dann noch in der Luft. Wo Teile auftreffen, bilden sich neue Herde. Ein Teufelszeug!"

„Schlimmer, als ich dachte." Auch Chris Nofoc beteiligte sich am Gespräch.

„Wir sind gleich da", bemerkte Res.

Unter ihnen tauchten erneut Tankfahrzeuge und ein Flugstützpunkt auf, von dem, wie es schien, pausenlos Flugzeuge der aufgehenden Sonne entgegen starteten.

„Da, der Strom! Siehst du ihn?" fragte Res.

„Ja", antwortete Chris.

Res und Hal sahen Chris nicht, waren aber sicher, daß er mit den meisten seiner Gefährten hinter den Feldlinsen des kleinen Transop-ters stand, den sie unmittelbar an die Vollsichtscheibe geklebt hatten.


Wie eine Roltpiste zog sich unten ein bis zum Horizont reichender, etwa fünfzig Meter breiter grauer Streifen hin, umschwärmt von Flugzeugen und schweren Räumern.

Res, die das Steuer übernommen hatte, kreiste niedrig über dem Schauplatz.

Unwillkürlich erinnerte sich Hal an seinen ersten Aufenthalt am Strom und an den Film der Kleinen. Die Bilder glichen sich sehr -bis auf das hektische Treiben hier am Rand der Vernichtungszone.

„Wir versuchen eine neue Taktik", erläuterte Res. „Wir schieben von der Spitze her Material in den Strom, dorthin, wo die Flutwelle schon drüber hinweg ist. Es bilden sich Inseln, die, wenn das Freßmaterial verputzt ist, absterben. Sie kommen dadurch langsamer voran."

„Einige der Genträger kapseln sich ein und überleben", warf Chris ein. „Die Methode ist sehr gefährlich!"

„Ich weiß... Wir haben bereits einige isoliert und untersuchen sie.

Bist du sicher, daß du sie kennst?" fragte Res plötzlich hart. „Wenn sie von uns stammen, was ich nicht bezweifle, sind sie von unseren besten Züchtungen. Versteh mich nicht falsch: Es sind die aggressivsten und organisiertesten. Sie können kurzfristig auf eine Vielzahl von Verzehrmaterialien umgestellt werden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß sie es selbst tun, wenn sie sich - wie hier - außer Kontrolle befinden. Viel mehr interessiert mich jedoch, wo sie herkommen. Fliegen wir weiter."

Hal sah auf Res. Sie blickte betroffen.

„Chris, ich dachte, wir könnten etwas unternehmen gegen sie!" Hal deutete nach unten, ohne daß ihm bewußt wurde, daß es Chris nicht sehen konnte.

„Es ist in wenigen Stunden zu Ende mit rhnen, wenn wir eingreifen", erwiderte Chris ungeduldig. „Aber der Ursprung kann nur bei der,Ozean I' liegen. Vielleicht haben einige überlebt, versteht doch!"

„In kurzer Frist wird die Stadt evakuiert, weißt du, was das bedeutet? Ich denke gar nicht an den Aufwand. Das macht Panik, schafft Unsicherheit, Angst, setzt Zweifel..."

Es entstand eine spannungsvolle Pause. Dahinein sagte Res sarkastisch: „Es gibt keinen Ursprung. Sie kommen aus der Wüste. Im Sand verliert sich die Spur."


„Bitte verzeih", sagte Chris, „aber das würde ich gern selbst sehen."

„Aber nicht sofort!" Hals Stimme klang bestimmt. „Erst muß der Strom zum Stehen kommen."

Res sah von ihm zum Transopter. „So geht das nicht!"sagte sie dann beschwichtigend. „Geht es nicht gleichzeitig?"

Hal war ihr dankbar für den Vorschlag. „Entschuldige, Chris, aber das macht nervös."

„Schon gut", antwortete Chris. „Natürlich können wir beides gleichzeitig machen, wir sind genügend Spezialisten. Nur - genau wie du, Hal — habe ich einen Auftrag, und dessen oberstes Gebot ist Sicherheit, Sicherheit vor allem für die Menschen, die eingesetzt werden."

„Meinst du, die wird höher, wenn du dabei bist?" fragte Hal gereizt, was er sofort bedauerte. Glücklicherweise würde der Wandler nicht alle Nuancen wiedergeben.

„Nein; aber nur ich kann eingreifen. Zum Beispiel abbrechen."

„Jetzt aber Schluß!" raunzte Res leise. Laut fügte sie hinzu: „Natürlich, Chris, ist für die größte Sicherheit gesorgt. Das menschen­mögliche ist getan."

„Das makromenschenmögliche", sagte Chris lachend. „Gut. Ich leite die Aktion ein, dann starten wir. Bitte landen!"

Dicht neben ihnen ging ein zweiter Gleiter nieder. Marc stieg aus, er begrüßte Hal flüchtig, Res knapp, aber, Hal hatte den Eindruck, für Nur-Arbeitskollegen ein wenig zu innig, zumal sie sich sicher am Vortag gesehen hatten, und Hal freute sich für Res. Dann konnte er sich nicht verkneifen zu behaupten: „In wenigen Stunden ist hier alles vorbei. Bitte zieht alles, was jetzt hier ist, hundert Meter vom Strom zurück. Sperrt das Gebiet und weist den Mitarbeitern Bewegungsträg­heit an. Auch - Wißbegierige haben in der Gefahrenzone nichts zu suchen."


Дата добавления: 2015-11-04; просмотров: 26 | Нарушение авторских прав







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