Студопедия
Случайная страница | ТОМ-1 | ТОМ-2 | ТОМ-3
АрхитектураБиологияГеографияДругоеИностранные языки
ИнформатикаИсторияКультураЛитератураМатематика
МедицинаМеханикаОбразованиеОхрана трудаПедагогика
ПолитикаПравоПрограммированиеПсихологияРелигия
СоциологияСпортСтроительствоФизикаФилософия
ФинансыХимияЭкологияЭкономикаЭлектроника

Print Media in Germany: current status and problems of development



"Print Media in Germany: current status and problems of development"

 

“Leseland” Deutschland – Quo vadis?

 

Printmedien systematisch:

 

Printmedien sind Sekundärmedien, d.h. bei der Produktion ist Technikeinsatz erforderlich, nicht aber bei der Rezeption. Audiovisuelle Medien sind Tertiärmedien, d.h. sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption ist Technikeinsatz notwendig.

Periodisch verbreitete Printmedien sind die Massenmedien Zeitung und Zeitschrift, nicht obligatorisch periodisch erscheinen Buch, Heft und Blatt/Flugschrift.

 

 

Wir betrachten zunächst die Presse in Deutschland (Zeitung und Zeitschrift) als Printmedien in ihrer spezifischen nationalen Ausprägung. Allen Pressemedien gemein sind neben der Periodizität ihre Publizität und ihre Disponibilität. Die Prinzipien der Aktualität und der Universalität gelten grundsätzlich für das Medium Zeitung, bei den Zeitschriften nicht regelmäßig.

 

 

 

Das private Eigentum und die Konkurrenz gelten als Garant für für externen Meinungs­ pluralismus, bis zur Einführung des Privatfernsehens (1984) galt das Monopol des binnenpluralistischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Korrektiv im nationalen System der Massenmedien.

 

Typisch für die deutsche Presse ist ihr „Föderalismus“ oder Polyzentrismus. Die wichtigsten national verbreiteten Titel erscheinen nicht in der Hauptstadt, sondern werden von Verlagen in Frankfurt, München, Hamburg und Düsseldorf produziert. Die „Hauptstadtpresse“ ist, abgesehen von der kleinen „taz – die tageszeitung“ und der „Welt“ ebenso lokal und regional adressiert, wie die meisten der über 300 Tageszeitungen, die überwiegend im Abonnement vertrieben werden.

Quantitativ relevant sind auch die sog. „Straßenverkaufszeitungen“ (Tabloids), hier ist die BILD-Zeitung national verbreitet (mit Regionalausgaben), daneben einige kleinere Titel in Hamburg, München und Köln.

Bei den Wochenzeitungen sind von Belang die Hamburger ZEIT sowie die BLD AM SONNTAG sowie die Sonntagsausgaben der WELT und der großen Tageszeitungen.

Wöchentlich erscheinen auch gratis verteilte Anzeigenblätter und Beilagen der Abonnementszeitungen z.B. Fernsehprogramme und Veranstaltungskalender.

 

Bei den meist monatlichen lokalen „Stadtmagazinen“ gibt es sowohl Kauf- als auch Gratisobjekte

 

Die Parteipresse ist in Deutschland irrelevant geworden.

 

Bei den Zeitschriften unterscheiden wir Publikumszeitschriften (wie Nachrichtenmagazine, Unterhaltungsblätter, Special Interest-Magazine) Fachzeitschriften, Organisationsorgane sowie nicht öffentlich vertriebene Kunden-, Vereins- und Betriebszeitschriften. Eine Systematisierung ist angesichts von tausenden Objekten schwierig, die wichtigste Typologie dient den Zielgruppen-Zwecken der Werbewirtschaft, da sich Publikumszeitschriften weit überwiegend durch Werbung finanzieren (bis zu 80%).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Medienverbreitung und Mediennutzung

 

Im Verlauf der letzten fünf Jahrzehnte gab es in Deutschland deutliche Verschiebungen bei der Mediennutzung zugunsten der audiovisuellen Medien und neuerdings auch der Online-Medien anstelle der Printmedien. So wurde die Tageszeitung vom Fernsehen als Leitmedium deutlich verdrängt. Seit Beginn des neuen Milleniums ist ein steiler linearer Trend des Internets zu verzeichnen, das im Begriff ist, sich vor die Tagesreichweite der Zeitung zu setzen.

Das Medium Buch erreicht auf seit Jahrzehnten stabilem Plafond täglich gut ein Fünftel der Bevölkerung ab 14 Jahren, das Medium Zeitschrift gut ein Zehntel und hat damit in 30 Jahren ca. die Hälfte seiner Tagesreichweite eingebüßt.

 

(Der Anteil der Kulturtechnik „Lesen“ im Internet bleibt hier unberücksichtigt.)

 

 

 



Bei der täglichen Nutzungsdauer von heute ca. 10 Stunden liegen TV und Radio mit je 3-4 Stunden deutlich vorn, gefolgt vom Internet. Das Zeitbudget für Printmedien beträgt knapp eine Stunde, wobei auch hier das Medium Buch auf einem stabilen Plafond von knapp ½ Stunde verharrt.

 

 

 

Ökonomie

 

Volkswirtschaftlich betrachtet war 2011 das Volumen des deutschen Buchmarktes mit knapp EUR 10 Mrd. höher als die Summe der Rundfunkgebühren mit ca EUR 7,5 Mrd. oder die Werbeeinnahmen aller TV-Sender mit ca. EUR 4 Mrd.

Die Gesamtauflage aller Zeitungsverlage betrug 2019 24 Mio. täglich und erreichte jeweils fast 50 Mio. Leser. Der Jahresumsatz der Zeitungsverlage betrug 2010 EUR 8,5 Mrd.

 

Daraus ergibt sich, dass der Printmarkt in Deutschland, speziell auch der Buchmarkt nach wie vor zu den Big Playern in der „Bewusstseinsindustrie“ zählt.

 

Die Frankfurter Buchmesse ist nach wie vor das Gravitationszentrum im Bücherkosmos und empfängt in diesen Tagen mit über 7.000 Ausstellern rd. 300.000 Besucher.

 

Woher kommt diese Wertschätzung des mediums Buch in Deutschland?

 

 

Deutschland als Bücherland – Historische Schlaglichter

 

 

 

Die Ursprünge des Buchs als Medium vor der frühen Neuzeit liegen ja außerhalb Mittel­europas, sie liegen wohl in den alten Codices in handschriftlich vervielfältigten Pergamentbündeln. Diese erfüllten im frühen Abendland kultische und Herrschaftszwecke bis ins späte Mittelalter und erlangten damit ihr spezifisches Leistungsvermögen und ihre soziale Dominanz. Der Kult um das Medium Buch erzielte durch das Abschreiben in Klöstern und Universitäten auch eine Speicher- und Tradierungsleistung für die Überlieferung des Wissens der Antike.

 

Der Wandel vom Kult - zum allgemeinen Kulturmedium nahm dann im 15. Jhdt. aber von Deutschland aus seinen Anfang.

 

 

Mit der Einführung des Gutenbergschen Letterndrucks, der das umständliche seit dem 14. Jhdt. in Deutschland übliche Verfahren ablöste, komplette Druckstöcke zu schneiden, wurde die Produktion von Büchern schneller und billiger, das Buch wird auch zur Handelsware.

 

Buchrelevante Messen gibt es in Frankfurt (1240) und Leipzig (1268) bereits im 13. Jhdt., die Gründung der Büchermesse wird aufgrund der Aktenlage auf 1462 datiert. Die Messe war zunächst eine turnusmäßige Warenmesse, bei der die Drucker den an- und Verkauf von Druckschriften in Bögen und Ballen organisierten. Die Ware wurde komplett vor Ort transportiert, z.B. von Schiffen in Fässern angelandet. Da Deutschland kein einheitlicher Wirtschaftsraum war, dominierte unter Umgehung des Geldverkehrs der Tauschhandel. Bereits im 16. Jhdt. Ist eine zunehmende Einflussnahme des Staates zu verzeichnen. Und zwar bei der Zensur und der Reklamation von Freiexemplaren zur Auffüllung der fürstlichen Bibliotheken im Tausch gegen Privilegien, d.h eingeschränkte Rechtsgarantien. Da im liberaleren Leipzig der Buchhandel stärker gefördert und weniger reglementiert wurde, verlagerte sich der Buchhandel im 17. Jhdt. stärker dorthin. Die Zeit nach dem 30jährigen Krieg ist geprägt von einem Nord-Süd-Konflikt unter den tauschenden Drucker-Verlegern: zum einen führte der Tauschhandel zu einer Überproduktion neuer Titel (man wollte damit mehr Tauschware haben) und Qualitätsverlusten, was vor allem die Niederländer monierten, zum anderen war die Dominanz der lateinischen Titel aus Süddeutschland, was für die norddeutschen Händler ein schlechtes Geschäft war. Sie forderten zunehmend Barzahlung und Rabatte. Dadurch endete letztlich der genossenschaftliche Tauschhandel und in Leipzig entstand der Typus des kapitalistischen Großverlegers, v.a. für gelehrte Literatur. Die traditionellen Drucker-Verleger koexistierten mit diesem neuen System, indem sie sich risikoarm auf den lokalen und regionalen Markt zurückzogen (in der Nähe von Offizien, Universitäten, Kanzleien etc.). Ihre Produktion hatte überwiegend „Service-Charakter“, Haus- und Gebetsbücher, Kalender, Flugschriften, Neue Zeitungen. Als weiterer Berufsstand traten in der Barockzeit die Buchbinder auf den Plan, die auf ihr Privileg pochten, exklusiv gebundene Bücher auf Messen und Märkten anzubieten. Sie vetrieben ihre gebundenen Schulbücher, Romane, Kalender und Katechismen zusätzlich ambulant über den Wander­handel, in geringerem Umfang auch stationär in den Städten. Der gegenseitige Boykott der nord- und süddeutschen Händler und der nach der Reformation einsetzende national­sprachliche Boom sorgte für einen Bedeutungsverlust der internationalen (=lateinischen) Frankfurter Messe und den Aufschwung Leipzigs, das auch verkehrsgünstiger mit den norddeutschen Hafenstädten verbunden war.

Nach der Reformation ist bereits deutlich erkennbar, dass sich die Deutschen schon damals eher als Kulturnation denn als Staatsnation sehen – in der Politgeschichte gelten sie ja auch als „verspätete Nation“. Dies mag – in Verbindung mit der Bilderfeindlichkeit der Reformation, sowie den referierten technologischen, ökonomischen und geographischen Fakten – als Grund für die Bibliomanie der Deutschen gelten.

Die zunehmende Bedeutung deutschsprachiger Titel prägt das 17. Jhdt.: waren vor den Religionskriegen noch knapp 60% der Titel lateinisch, gibt es 1714 bereits doppelt soviele und 1735 bereits dreimal soviele deutsche gegenüber lateinischen Titeln. Die Dominanz der volkssprachlich-nationalen Titel hängt natürlich auch mit der Zunahme des alphabetisierten Bevölkerungsanteils zusammen.

Folgen der Marktexplosion und des Nord-Süd-Konflikts waren auch neue Austauschformen. Der körperliche Tauschhandel funktionierte nicht mehr und Geld als Tauschäquivalent wurde unvermeidlich. Neben dem sächsischen Nettohandelsprinzip ohne Rückgaberecht, das im Süden wegen seiner „Profitgier“ kritisiert wurde, entwickelte sich der Konditionshandel und das Kommissionswesen. Beide Prinzipien haben gemein, dass die Handlungsrollen von Verlag und Sortiment nicht mehr in Personalunion ausgeübt werden mussten, außerdem wurde der ganzjährige Buchvertrieb durch stationären Handel begünstigt. Verleger waren daher nicht mehr elementar auf die beschwerliche Reise zur Buchmesse angewiesen. Die Zirkulation von Geld und Buch ordnete sich also neu und war nicht mehr an Messetermine gebunden. Außerdem wurde so die Entwicklung von der ursprünglichen Warenmesse zur Mustermesse heutigen Typs begünstigt.

Eine weitere Dynamik führte dazu, dass die Buchmessen ihre Funktion als Ort des intel­lektuellen Austauschs verloren: Die Wissensexplosion der Aufklärungsepoche wurde zu „schnell“ für jährliche Messetermine. Daher übernimmt das Medium der gelehrten Zeitschrift und der gedruckten Korrespondenz die Funktionen von Räsonnement, Debatte und Kritik, das Buch dann eher als dauerhafter Wissensspeicher. Im 18. Jhdt. macht sich in Deutschland auch der Trend breit, über die nationalsprachlichen Begrenzungen hinaus zu gehen und durch Übersetzungen sich mit dem Weltwissen auseinanderzusetzen. Insbe­sondere die romantische Shakespearomanie sei hier erwähnt, oder Schillers Auseinander­setzung mit französischen Theaterkonventionen. Kant konnte an den philosophischen Debatten dank der Journale teilhaben, ohne Königsberg auch nur einmal zu verlassen. Der Glaube, aus Büchern zuverlässig etwas über die große weite Welt erfahren zu können, macht die Deutschen seit jener Zeit zu Übersetzungsweltmeistern. Spätestens die Bildungs­reformen um 1800 z.b. in Preußen leiteten eine Massenalphabetisierung ein, die nicht nur den potentiellen Lesermarkt verbreiterten, sondern auch sinnfällig machten, dass in puncto Zugehörigkeit zur Gesellschaft das Prinzip der Konfession und der Abstammung endgültig abgelöst worden war durch das Prinzip der Bildung und des erworbenen Wissens und Wohlstands.

Das 19. Jhdt. ist geprägt von der zunehmenden Trennung von Kapital- und Warenzirkulation: Auch die Buchmesse entwickelt sich nicht nur zur Mustermesse, sondern auch zur Abrechnungsmesse und „Börse“. 1825 wurde in Leipzig der „Börsenverein der Deutschen Buchhändler“ und das „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel …“ als Zentralorgan gegründet, der seither die Interessen des Buchwesens vertritt und als Messeveranstalter auftritt. Er setzte auch die Buchpreisbindung durch, um den Herausforderungen durch die Medienkonkurrenz der Zeitungen und Zeitschriften zu begegnen und um eine ruinöse Konkurrenz zu verhindern.

Die Buchpreisbindung in Deutschland, Österreich und der Schweiz musste zuletzt (1999) gegen den Wettbewerbskommissar der europäischen Union mit dem Argument verteidigt werden dass die EU nicht für Kultur zuständig sei und Bücher eher als Kulturgut denn als Handelware zu gelten haben.

Als weiterer Erfolg des Börsenvereins kann die Einführung eines einheitlichen Copyright -Gesetztes nach der (preußisch-kleindeutschen) Reichseinheit von 1871 gelten. Es wird aber die Dissidentenposition vertreten, dass erst die Abwesenheit eines Copyrights die Wissensexplosion und den Aufstieg Deutschlands im 19. Jhdt. möglich gemacht habe.

Die Dynamik der Kapital- und Warenströme durch die Technogiefortschritte im 19. Jhdt. (Eisenbahnlogistik, industrielle Druck- und Setz- und Bindemaschinen) brachte die noch bis heute tradierte Rollenverteilung in Verlag, Druck, Barsortiment und Zwischenhandel, sowie stationärer Endverkauf und Versandhandel hervor.

Die erste Hälfte des 20. Jhdts. ist nach dem Funktionsverlust der Buchmessen gepägt vom Versuch der Städte Frankfurt und Leipzig in Absprache mit dem Börsenverein die Tradition als Branchentreff mit Öffentlichkeitswerbung wiederzubeleben. Diese Renaissance endete 1933 mit der Instrumentalisierung der Buchmessen als propagandistische „Braune Bücherschau“ im Nazi-Regime.

Die Frankfurter Buchmesse nach 1945 verdankt ihre Wiedergeburt mehreren Faktoren. Zum einen war das Bedürfnis nach Büchern, besonders nach von den Nazis verbotenen bei gleichzeitiger Ressourcenknappheit sehr groß, zum anderen errichtete der Leipziger Börsenverein in der US-Zone eine Dependence, die nach der Teilung Deutschlands und der damit einhergehenden Verdoppelung der Strukturen zu dessen West-Erben mit eigenem Börseblatt wurde. Frankfurt (als Sitz der amerikanischen Militärregierung mit seinem demokratischen Erbe von 1848 war ja auch als Hauptstadt eines neuen Deutschlands im Gespräch) machte sich stark, neben der Industriemesse auch wieder eine Buchmesse zu etablieren, beseelt von der Idee „einer Internationalität der Literatur ohne nationale Zensur, Freiheit der Meinungsbildung als Grundlage der Demokratie“.

Auch hier zeigt sich die dauerhafte Neigung, die Kulturnation über die Staatsnation zu stellen, was nach der dunklen Zeit von 1933-1945 nicht verwundert.

Die Buchbranche wollte zunächst aber nur eine Fachmesse mit „Sortimentertagen“ unter Ausschluss des Privatpublikums. Erst die große öffentliche Resonanz der 1951 beginnenden „Friedenspreisverleihung“ führte zu einem Umdenken. Die Buchmesse internationalisierte sich und ließ auch an bestimmten Tagen die breite Öffentlichkeit zu. Die begleitenden Kulturveranstaltungen brachten eine breite Medienberichterstattung über dieses Publikumsevent und damit erhebliche Imagegewinne für die Branche. Damit setzte erneut die Kulturalisierung einer bisherigen Handelsmesse ein, mit wachsender Präsenz von prominenten Politikern und Kulturschaffenden aus aller Welt.

Auch ein neuer ökonomischer Trend wurde erkannt und umgesetzt: die Verlage machten wie in den Anfangszeiten wieder Geschäfte untereinander, allerdings auf einem anderen Abstraktionsniveau: die Messe entwickelte sich zum Ort des immateriellen Handels mit Lizenzen – und dies zunehmend auf internationaler Ebene. Bereits in den 1950er Jahren dominierten die (vorwiegend internationalen) Lizenzgeschäfte schnell die Ordergeschäfte. Dies wurde auch begünstigt durch das „Neutralitätsprinzip“ der Messeleitung. Dennoch gab es klerikale und politische Pressionsversuche von außen, z.B. 1957 den Boykott der VR China, weil Taiwan auch vertreten war.

Die Bedeutung der Buchmesse für die Medienkultur zeigt sich auch in der Zeit des „Wertewandels“: oppositionelle Studenten nutzen die messe als Protestarena (z.B. gegen
die USA, Südafrika, Griechenland, den Springerverlag oder den minister Franz-Josef Strauß), um ins Fernsehen zu kommen. Damals ist ironisch von der „Polizeimesse“ die Rede, weil Stadt und Messeleitung öffentliches und Hausrecht gegen solche „Aktionsformen“ durchsetzen wollen.

Entscheidend für diese Zeit ist langfristig aber weniger das medienwirksame Aufbegehren der „Gegenöffentlichkeit“, sondern vielmehr die Entwicklung der Buchmesse zu einer gigantischen Marketing-Arena für internationale Bestseller, die strategisch um die Messe plaziert wurden, mit der crossmedialen Vermarktung von Stoffen, und Prominenten. Es beginnt auch der Handel mit bloßen Planungsideen.

Zugleich trat aber auch ein gewisses kulturelles Funktionsvakuum ein, weshalb seit mitte der 1970er Jahre die Tradition der „Gast- und Schwerpunktländer“ eingeführt wurden, die sich für ihre „Nationen“-PR an den Kosten beteiligen und der Messe zusätzliche Attraktivität mit der Induzierung von Medienberichterstattung verleihen.

Der Themenschwerpunkt „Orwell 2000“ im Jahr 1984 leitet eine neue funktionale Epoche für die Frankfurter Buchmesse ein: sie reagiert auf den Vormarsch der elektronischen Medien,

evoziert mit der Allussion auf Orwells Distopie „1984“ das Ende der Gutenberg-Galaxis (und ihrer Geschäftsgrundlage) nebst Gefährdung von Freiheit und Demokratie. In den 1990er Jahren wird zunächst ein „Forum für elektronische Medien“ begründet, 1993 wird die Halle für „Electronic Publishing“ etabliert; in den Folgejahren integrierten viele Aussteller allerdings ihre elektronischen Angebote in ihre üblichen Verlagsstände.

Die Frankfurter Buchmesse und die digitale Wirtschaft befinden sich seither in einer Win-Win-Situation: die Neuen Medien werden durch ihre Kopräsenz mit dem Kulturgut Buch nobilitiert, andererseits präsentiert sich die Buchmesse als zukunftsorientierter Handelsplatz für die Rechte an Content, unabhängig vom jeweiligen Trägermedium.

 

AUSBLICK

 

Die Frankfurter Buchmesse hat sich mit ihrer Öffnung für digitalisierte Inhalte, sei es auditiver oder schriftlicher Art als Institution zukunftsfest gemacht und zehrt nach wie vor von der Aura des Kulturmediums Buch. Andere Institutionen wie der Zwischenhandel und der Fach-Einzelhandel befinden sich allerdings in einer Krise. Ihnen setzen neben den ohnehin waltenden Konzentrationstendenzen vor allem der Versandhandel, namentlich der US-Konzern Amazon zu. Beim Vertrieb digitaler Inhalte über das Internet wird der Zwischenhandel und der stationäre Einzelhandel schlicht überflüssig. Verlage hingegen können sich mit Hybrid Publishing auf diese Situation einstellen.

 

Der Absatz von „E-Books“ kommt allerdings in Deutschland nicht so recht voran. Dies mag einerseits an der guten Infrastruktur für den Bücherkauf und -verkauf und der traditionell hohen Wertschätzung für das Medium Buch liegen („das kann man schwarz auf weiß getrost nach Hause tragen).

 

(Aldiko-Reader)

Außerdem ist es wohl für das kapitalkräftige Publikum der mittleren Generation wohl schwer einsehbar, für das Recht, digitale Inhalte auf unergonomischen „Readern“ zu lesen, fast genauso viel zu bezahlen, wie für optisch und haptisch prestigiöse Bücher, die man nach dem Erwerb dann auch tatsächlich besitzt. Die Reader könnten sich allerdings komplementär etablieren, etwa um beim Lesestoff das Reisegepäck zu reduzieren.

Spezifisch für Deutschland ist auch der zeitgeistige Unwille (reluctance) nicht zu unterschätzen, sich bei der Ausübung von Kulturtechniken rechtlichen Einschränkungen zu unterwerfen oder dem amerikanischen Google-Konzern oder Apple Inc. seine persönlichen Daten und Lesegewohnheiten preiszugeben.

Mehr noch als für den Informations- und Unterhaltungscontent des breiten Publikums ist im Bereich der Wissenschaft zu sehen, dass wie im 18. Jhdt. die Journale als „schnellere“ Medien das Buch in Teilbereichen funktional ablösten, dass heute digitale Kommunikations­formen in Debatte und Kritik einen vergleichbaren Funktionswandel einleiten. Abgesehen vielleicht von der Dissertationsschrift, deren Publikation als Buch zumindest in den Geisteswissenschaften nach wie vor der Aufnahme in die Gilde der Gelehrten vorausgeht – und dies hat ja auch kultischen Charakter.

 

Bei der sich abzeichnenden neuen Kommunikationskultur in der Wissenschaft komme ich abschließend auf meine Heimatuniversität Leuphana zu sprechen. Dort wurde ein Forschungsschwerpunkt „Digitale Medien“ eingerichtet, wo mein Kollege Martin Warnke, der Izhevsk herzlich grüßen lässt, folgendes Teilprojekt initiiert hat:

 

Das Forschungsprojekt „Hybrid Publishing“ beschäftigt sich mit den veränderten Bedingungen für wissenschaftlichen Austausch und Weiterbildung im digitalen Zeitalter. „Heutzutage tauschen sich Wissenschaftler nicht mehr ausschließlich in Forschungslaboren, Hörsälen und Fachzeitschriften aus, sondern immer intensiver auch digital auf Blogs, Listservern und in wissenschaftlichen Foren,“ beschreibt Prof. Dr. Martin Warnke die aktuelle Situation. Er leitet das neue Projekt gemeinsam mit seinem Kollegen Professor
Dr. Timon Beyes. Statt über Buch und Zeitschrift werde zunehmend mittels E-Journals,
E-Books oder Videos von Vorträgen und Symposien kommuniziert.

Damit ändern sich die Formate für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse und die Vermittlung von Weiterbildungsangeboten. Das stellt das wissenschaftliche Verlags­wesen vor neue Herausforderungen. Gemeinsam mit Verlegern und Softwareentwicklern wollen die Wissenschaftler neue Technologien für das so genannte digital publishing erforschen. Dabei wollen sie der Forderung nach einem freien Zugang zu Wissen, Wissen­schaft und Forschung gerecht werden.

 


Дата добавления: 2015-11-05; просмотров: 18 | Нарушение авторских прав




<== предыдущая лекция | следующая лекция ==>
1. A ball is thrown upward. While the ball is in free fall, does its acceleration | база данных химических соединений, лекарственных и биологических препаратов

mybiblioteka.su - 2015-2024 год. (0.019 сек.)