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Natalia Omeltschenko, Gruppe Inn-51M



Natalia Omeltschenko, Gruppe Inn-51M

Vorlesung „Nachkriegsliteratur (1945) / Trümmerliteratur“

Plan

  1. Zum Begriff der Nachkriegsliteratur
  2. Historischer Hintergrund
  3. Nachkriegsliteratur

3.1 Themen der Nachkriegsliteratur

  1. Trümmerliteratur: historisch-literarischer Hintergrund

4.1 Philosophie des Existentialismus

4.2 Stil und Thematik der Trümmerliteratur

  1. Kahlschlagliteratur
  2. Schriftsteller der Nachkriegszeit
  3. Lyrik der Nachkriegszeit
  4. Prosa der Nachkriegszeit: Wolfgang Borchert

8.1 Erzählungen von W. Borchert

8.2 „Draußen vor der Tür“ von W. Borchert

8.3 Borcherts Werk

 

Zum Begriff der Nachkriegsliteratur

Die Literatur, die man als Nachkriegsliteratur bezeichnet, lässt sich direkt nach dem zweiten Weltkrieg einordnen. Die Nachkriegsliteratur stellt eine eigene Literaturgattung dar. Sie umfasst Trümmerliteratur und Kahlschlagliteratur. Ihr schreibt man den Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg bis ins Jahr 1950 zu.

Historischer Hintergrund

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Ganz Deutschland war durch die Bombenangriffe der Alliierten zerstört. Das Selbstvertrauen des deutschen Volkes war im Keller. Alle hatten genug vom Krieg und wollten endlich Frieden. Die heimkehrenden Soldaten hatten traumatische Erlebnisse hinter sich. Diese ganze Zeit war geprägt vom Wiederaufbau der Städte und Dörfer.

Auf der Potsdamer Konferenz im August 1945 beschlossen die Siegermächte die Aufteilung Deutschlands und Berlins in vier Besatzungszonen (Sowjetische, Englische, Amerikanische und Französische Besatzungszone), die Entwaffnung, Entnazifizierung und die Demokratisierung.

Am 7. Oktober 1949 wurde die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit Genehmigung der UdSSR verkündet. Am 7. September 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet. So wurde die politische Teilung Deutschlands vollzogen.

Nachkriegsliteratur

Die jungen, aus dem Krieg heimgekehrten Schriftsteller (z. B. Alfred Andersch, Günter Eich, Heinrich Böll, Günter Grass, Arno Schmidt, Wolfdietrich Schnurre oder Wolfgang Borchert) hatten den Kontakt zu den älteren, aus dem nationalsozialistischen Deutschland emigrierten Autoren verloren und fanden ein nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch kulturell zerstörtes Land vor.

Die Werke, die in dieser Zeit entstanden, sind gezeichnet von der Wirklichkeit des Krieges und den Erfahrungen von Tod und Überleben. Wie der Name schon sagt, wird in der Nachkriegsliteratur über die Wirren und Schicksalsschläge während des Zweiten Weltkrieges berichtet. Besonders Menschen, die nach dem Krieg wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind, wurden in den Werken behandelt. Auf sie trifft der Begriff Trümmerliteratur am ehesten zu, denn nach ihrer Heimkehr fanden sie ihre alte Heimat in Trümmern wieder.

Aber nicht nur das zerstörte Land, sondern auch ihre Wertvorstellungen lagen in Trümmern. Sie hatten keinen Besitz und keine Heimat mehr. Zudem waren ihre Ideale und Utopien zerstört. Sie mussten sich damit abfinden und damit zurechtkommen, in den zurückgelassenen Trümmern des Krieges zu leben. Das Schicksal und die neuen Forderungen der Gesellschaft wurden ab 1945 in zahlreichen Zeitschriften, Flugblättern und Romanen veröffentlicht. Erwähnenswert ist hier die Literaturzeitschrift "Der Ruf", in welcher eine radikale Erneuerung der Literatur gefordert wird.

Die Zerspaltetheit Deutschlands ließ sich auch in der Literatur erkennen. In der DDR wurde sich weitestgehend mit der Vergangenheit befasst (Verarbeitung), in der BRD dagegen versuchte man, die Vergangenheit so gut es ging auszublenden (Verdrängung).

Die Literatur der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war in verschiedener Hinsicht gespalten: ein Teil der Autoren wollte die NS-Diktatur in ihren Werken Verarbeiten, ein anderer Teil war dabei, sie zu verdrängen. Es bestand auch eine Kontroverse zwischen den Autoren, die in Deutschland geblieben und in die “Innere Emigration” gegangen waren und den Vertretern der Exilliteratur.



Themen der Nachkriegsliteratur

Die Nachkriegsliteratur beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Schicksal von Kriegsheimkehrern die sowohl vor den Trümmern ihrer Häuser und ihres Besitzes als auch vor den Trümmern ihrer Wertvorstellungen stehen und damit umgehen müssen.

· Kriegsverletzungen

· Probleme nach dem Krieg: z.B.: Nahrungsknappheit

· Verluste des Krieges

· Kriegserlebnisse werden verschwiegen, werden dadurch indirekt verarbeitet.

Trümmerliteratur: historisch-literarischer Hintergrund

Die Autoren der Trümmerliteratur waren zum Großteil junge Männer, die nach dem Krieg in Gefangenenlagern festgehalten wurden oder in die Heimat zurückgekehrt waren. Darum lagen die Anfänge der Epoche auch in den Zeitschriften der Kriegsgefangenenlager (z.B. „ Der Ruf “). Die meisten Autoren dieser jungen Generation standen am Anfang ihres literarischen Schaffens.

Ausländische Bezugspunkte und Vorbilder waren die amerikanischen Short Stories und deren knapper, einfacher und unreflektierter Stil. Besonders die Werke von Ernest Hemingway, John Steinbeck und William Faulkner sind hier zu nennen. Als weitere ideologisch einflussreiche Autoren, zum Teil aus dem Spektrum des Existentialismus galten die Franzosen Jean-Paul Sartre, Albert Camus. Weitere Vorbilder waren deutsche Emigranten wie Arthur Koestler und Gustav Regler, Alfred Andersch.

Die so genannte „Trümmerliteratur“ war der Versuch, Krieg und Nachkrieg mit den Themen Tod, Untergang, Gefangenschaft, Heimkehr, Not und Zerstörung im Zusammenhang mit der Frage der Schuld, darzustellen.

Die Trümmerliteratur endete, als Deutschland zunehmend wohlhabender wurde, die Städte aufgebaut wurden und die Schrecken des Krieges in den Hintergrund rückten. Einige der Autoren prägten auch die weitere deutsche Nachkriegsliteratur, zum Beispiel in der Gruppe 47 oder der DDR-Literatur.

Philosophie des Existentialismus

Mit Existentialismus wird im allgemeinen Sinne die französische philosophische Strömung der Existenzphilosophie bezeichnet. Ihre Hauptvertreter sind: Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Albert Camus und Gabriel Marcel.

Der Begriff Existenzphilosophie bezeichnet eine philosophische Richtung, die im Zentrum ihres Denkens die Existenz des Menschen im weitesten Sinne hat. Innerhalb der Existenzphilosophie werden zwar verschiedene Positionen beschrieben, die sich jedoch alle durch den grundlegenden Vorrang der Erhellung des eigentlichen Existierens vor allem spekulativen Idealismus oder dem Wissenschaftsglauben des Positivismus auszeichnen. Von der Existenzphilosophie im allgemeinen Sinne kann der Existentialismus als besondere Ausdrucksform der französischen Existenzphilosophie unterschieden werden.

Eine der bekanntesten existentialistischen Äußerungen, die jedoch sinngemäß schon bei Schelling nachgewiesen werden kann, ist die Aussage Sartres „Die Existenz geht der Essenz (dem Wesen) voraus“ aus dem 1946 veröffentlichten Essay „Der Existentialismus ist ein Humanismus“.

Thematisch angeknüpft wird hier an die Wesensbestimmung (Essenz) des Menschen in der Philosophie. Durch die Bestimmung des Menschen als biologisches Wesen, als Vernunftwesen, als göttliches Wesen etc. erhält der Mensch vor seiner Existenz zunächst schon eine Bedeutung, eben biologisch, vernünftig, gottähnlich. Der Existentialismus kritisiert diese der Existenz vorgängige Sinnbestimmung und setzt ihr die Existenz entgegen: Der Mensch ist als Mensch nicht zu erfassen, wenn nicht je von seiner eigenen individuellen Existenz ausgegangen wird. Jede Wesensbestimmung enthält, so die Kritik durch den Existentialismus, immer schon einen Theorieaspekt, der sich nicht aus einer unmittelbaren Erfahrung der Existenz speist, sondern in der Existenz „nachrangig“ gebildet wird.

Hieraus erklärt sich auch die Fokussierung des Existentialismus auf die Themen: Angst, Tod, Freiheit, Verantwortung und Handeln als elementar menschliche Erfahrungen. Der Mensch versteht sich selbst nur im Erleben seiner selbst. Demnach bezieht sich der Existentialismus nicht mehr auf eine göttliche oder kosmologische Ordnung, sondern entwickelt seine Theorie vom Einzelnen aus. Dadurch wird eine religiöse Grundhaltung nicht abgelehnt, sondern der Glaube wird vielmehr selbst zum existentiellen Erleben.

In Begriffen wie Geworfenheit, Selbstentwurf, Freiheit und Selbstbestimmung zeigt sich die Zentrierung des Existentialismus auf das Problem der Befreiung des Menschen zu seinen eigenen Möglichkeiten hin. Die Notwendigkeit dieser Möglichkeit zu sein, zeigt sich in den Erfahrungen von Absurdität, Ekel, Angst, Sorge, Tod und Langeweile und zeigt eindrucksvoll darauf, dass gerade dieses subjektive Empfinden das Leben des Menschen bestimmt, Objektivitätsansprüche vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen verblassen.

Stil und Thematik der Trümmerliteratur

Die Trümmerliteraten haben eine radikal neue Literatur geschaffen. Sie versuchten ausdrücklich, sich inhaltlich und formal von den vorhergehenden Strömungen abzuheben. Die Sprache als Ideologieträger der Nationalsozialisten sollte durch einen Sprachreinigungsprozess ganz neu aufgebaut werden. Ebenso lehnte man die Kalligrafie als literarische Schönschreiberei ab, der Ausdruck von Ideologie und Gefühl wurde tabuisiert. Die neue Literatur sollte realistisch, unpsychologisch und wahrhaftig sein, sie erhob also ein Wahrheitspostulat. Sie sollte das Geschehene und das Existierende genau erfassen.

Die Werke der Nachkriegsliteratur sind selten länger als eine oder eineinhalb Seiten und in Prosaform geschrieben. Andere Merkmale sind:

· Straffe Handlung und Aufbau

· Erzählt in kurzen und knappen Sätzen

· Offenes Ende, zur eigenen Interpretation und eigenem Denken auffordernd

Inhaltlich beschäftigte sich die Trümmerliteratur mit direkten Beobachtungen des notvollen Lebens in den Ruinenstädten, in Flüchtlingslagern. Ein weiteres Thema war das Schicksal isolierter und herumirrender Menschen, die vor den Trümmern ihrer Heimat und ihres Besitzes, und auch vor den Trümmern ihrer Wertevorstellungen standen und damit umgehen mussten. Viele Menschen fühlten sich von der Heimkehrer-Thematik angesprochen, Geschichten der aus dem Krieg oder den Gefangenenlagern Heimkehrenden, die sich plötzlich in einer Welt wiederfanden, die keinen Platz mehr für sie hatte. Ebenso stand die Frage nach der Schuld und Kollektivschuld an Krieg und Holocaust im Vordergrund. Dies war keine einfache Frage, da viele der Autoren selbst als Soldaten am Krieg beteiligt waren und nun ihre eigene Rolle überprüfen mussten. Die Trümmerliteratur übte Kritik an der politischen und gesellschaftlichen Restauration Deutschlands.

Kahlschlagliteratur

Als eine thematisch ähnliche Nebenströmung existierte die Kahlschlagliteratur. Sie beschrieb das unmittelbare Erleben des Krieges und Nachkrieges aus der Sicht der „kleinen Leute“. Die Literatur sollte bei der Bewältigung des Vergangenen und beim Neuaufbau der Zukunft behilflich sein. Stilistisch kennzeichnete sich die Sprache durch Knappheit und wenige Umschreibungen und Attributen. Ziel war es, die von der nationalsozialistischen Ideologie missbrauchte Sprache durch Verknappung (=Kahlschlag) zu reinigen. Als inhaltliche Themen wurden zum einen die genaue Analyse der Wahrheit, also der Not in Ruinenstädten, das Schicksal von Menschen, die vor dem Trümmerhaufen ihrer Existenz standen, zum anderen die Frage nach der Schuld am Krieg und Holocaust und der Kritik an politischer und gesellschaftlicher Restauration Deutschlands aufgegriffen.

Schriftsteller der Nachkriegszeit

· Wolfgang Borchert

· Günter Eich

· Heinrich Böll

· Erich Kästner

· Wolfdietrich Schnurre

· Arno Schmidt

· und andere

Lyrik der Nachkriegszeit

Die Lyrik wurde in der Nachkriegsliteratur aus dem folgenden Grund zur wichtigsten Gattung: die Prosa erschien vielen Autoren durch die nationalistische Sprache als unglaubwürdig. Viele Autoren sahen daher in der Lyrik die beste Möglichkeit, ihre Gefühle und Erfahrungen auszudrücken.

Ziele der Lyrik zu der Zeit:

v Verdrängung und Bearbeitung der Zeit des Krieges;

v Missstände zu der Zeit aufzeigen;

v Gedanken und Gefühle der Menschen nach dem Krieg wiedergeben;

v Verarbeitung der eigenen Schuldfrage;

v Rückbesinnung auf eine Nicht-nationalistische Sprache / Säuberung der Sprache durch Verfassen von Gedichten ohne nationalistische Sprache.

Charakteristische Merkmale der Nachkriegslyrik

· keine erkennbare Struktur (selten erkennbares Metrum, Reimschema usw.);

· Rückblickend auf Geschehenes/Aufarbeitung des Geschehens;

· erschienen zwischen 1945 und 1960;

· klarer Bezug auf die Zeit nach dem Krieg;

· Poetischer Neubeginn: Verzicht auf Bilderreichtum, Metaphernfülle, lyrische Schönheit;

· Wahrheit, illusions- und schmucklose Sprache, Verknappung der Form, Konzentration auf die Mitteilung von Gegenständlichem.

Themender Nachkriegslyrik:

Ø sprachlicher Neuanfang nach Missbrauch der Sprache durch die NS;

Ø Warnung vor Verdrängung der NS-Vergangenheit, Auseinandersetzung mit der Schuldfrage, Anklage (Pirker „Die Geißel“, von Külmer „Heute wie damals“, Hermlin „Terzinen“);

Ø Orientierungsprobleme der Kriegsheimkehrer;

Ø Trauer um die Verstorbenen und das Verlorene, u.a. Erinnerung an die Juden in den KZs und an die Widerstandskämpfer (Celan „Todesfuge“, Nelly Sachs „Chor der Geretteten“);

Ø Kritik an einzelnen Kriegshandlungen und an der Haltung der Deutschen gegenüber dem 2. Weltkrieg in der Nachkriegszeit.

Prosa der Nachkriegszeit: Wolfgang Borchert

Die wichtigste Prosaform in der Nachkriegszeit war die Kurzgeschichte. Sie wurde von vielen Autoren, besonders von Borchert und Schnurre, genutzt. Zu den bekanntesten Kurzgeschichten Borcherts gehören: „Die Küchenuhr“, „An diesem Dienstag“ und „Die Kirschen“.

Wolfgang Borchert wird am 20. Mai 1921 in Hamburg geboren. Sein Vater, Fritz Borchert, ist Lehrer an einer Volksschule in Hamburg-Eppendorf. Seine Mutter, Hertha Borchert, geborene Salchow, ist Schriftstellerin.

Seit seinem 15. Lebensjahr schreibt Borchert Gedichte. Sein erstes publiziertes Gedicht, „Reiterlied“, erscheint 1938 im „Hamburger Anzeiger“. Doch bleiben seine frühen Gedichte, von denen nur einige Wenige erhalten geblieben sind, ohne Eigenheit, Borchert ist stark geprägt von vielerlei Leseeindrücken, von Rilke bis Ringelnatz, Trakl und Benn bis Alfred Lichtenstein.

Seinen eigenen Stil findet Borchert erst gegen Ende seines Lebens: Als Schwerkranker schreibt er ab Januar 1946 in rascher Folge Prosatexte; eine erste Sammlung, „Die Hundeblume“, erscheint im April 1947 im Verlag Hamburger Bücherei, eine zweite Sammlung, „An diesem Dienstag“, erscheint postum im November 1947 im Hamburger Rowohlt Verlag. Eine Auswahl seiner Gedichte aus den Jahren 1940-1945 erscheint im Dezember 1946 unter dem Titel „Laterne, Nacht und Sterne“ im Verlag Hamburger Bücherei.

Zwischen September 1946 und Juni 1947 schreibt Borchert in drei großen Arbeitsschritten sein Hauptwerk, das Hör- und Schauspiel „Draußen vor der Tür“. Dieses Werk wurde am 13. Februar 1947 im NWDR als Hörspiel gesendet und am 21. November 1947, einen Tag nach Borcherts Tod, in den Hamburger Kammerspielen als Schauspiel uraufgeführt.

Erzählungen von W. Borchert

Borcherts Erzählungen sind Kurzgeschichten verschiedener Muster. Manche sind Situationsausschnitte statischen Charakters („Die Krähen fliegen abends nach Hause“), andere sind Zustands- und Vorgangsbeschreibungen mit verfremdendem Gestus („Die Kegelbahn“); es gibt handlungszentrierte Erzählungen mit innerem Wendepunkt („Nachts schlafen die Ratten doch“, „Holz für morgen“) und Simultanerzählungen, deren Pointe gerade im Nichtformulierten, im unausgesprochenen Zusammenhang zwischen dem zeitlich Gleichen und räumlich Entfernten liegt („An diesem Dienstag“). Daneben stehen Kurztexte mit politischer Zielrichtung („Lesebuchgeschichten“), Gefühls- und Gedankenprotokolle („Die lange Straße lang“), manifestartige Bekenntnisse („Generation ohne Abschied“, „Das ist unser Manifest“) und der pazifistische Appell („Dann gibt es nur eins!“).

Borcherts Erzählungen handeln vom Krieg und von der kriegsversehrten Zeit danach; sie spielen im Gefängnis, an der russischen Winterfront und in Hamburg, sind also stark autobiografisch beeinflusst, sie handeln fast immer von Männern, von Einsamkeit und leiser Freundschaft, vom Tod und zuweilen von unklarem erotischem Getriebensein, das sich im Verhältnis zu Frauen unfertig und scheu äußert.

Das zweite Motiv ist jeweils die unerfüllte Sehnsucht einer Generation, die das erste, die Leidensseite, erfahren hat. Das Missverhältnis von Lebensalter und Kriegsentsetzen, lässt dem Autor nicht die Möglichkeit traditionelle Darstellungsmittel anzuwenden.

„Draußen vor der Tür“ von W. Borchert

In dem Hauptwerk Borcherts geht es um den Kriegsheimkehrer Beckmann, der mit steifem Bein, Gasmaskenbrille und psychisch verstört aus Sibirien zurückkommt. Auf seiner Suche nach einem neuen Lebenssinn schlagen ihm Ablehnung, Kälte und Unverständnis entgegen. Alle Versuche, sich in der zerrütteten deutschen Nachkriegsgesellschaft zurechtzufinden, scheitern: Seine Eltern haben sich aus Angst vor den Alliierten umgebracht, seine Frau hat mittlerweile einen anderen Mann, der Direktor des Kabaretts, bei dem Beckmann sich bewirbt, lehnt ihn mit der Begründung ab: „Bei Ihrem Anblick wird“ den Leuten „ das nasskalte Grauen den Nacken hochkriechen. Das nasskalte Grauen vor diesem Gespenst aus der Unterwelt wird ihnen hochkommen “ (4. Szene).

Doch Beckmann kommt vom Vergangenen nicht los, das ihn Nacht für Nacht heimsucht; sein Versuch, die Verantwortung, die ihm im Krieg von seinem Oberst übertragen wurde und derentwegen er sich am Tod von elf seiner Kameraden schuldig fühlt, seinem ehemaligen Vorgesetzten „zurückzubringen“, scheitert. Der Oberst lacht ihn aus, nimmt ihn nicht ernst, nennt ihn einen „ von denen, die ein bisschen müde sind, ein bisschen weich “.

Und so bleibt für Beckmann letztlich die Frage offen, nach deren Antwort er das ganze Stück hindurch sucht: „(...) ich soll leben! Wozu? Für wen? Für was? (...) Wohin soll ich denn? Wovon soll ich leben? Mit wem? Für was? Wohin sollen wir denn auf dieser Welt! Verraten sind wir. Furchtbar verraten. “ (5. und letzte Szene) Dieser Sinnlosigkeit seines zerstörten Lebens erliegt am Ende auch Beckmanns Lebenswille, von Borchert als eigenständig auftretende Figur, als Beckmanns Gegenüber allegorisiert in der Figur des Anderen, des „Ja-Sagers“, welcher im Verlauf des Dramas immer wieder mit Beckmann in Dialog tritt, um ihm Mut zu machen, ihn vom Selbstmord abzuhalten, ihm einen noch möglichen Weg zu zeigen.

Beckmann bleibt aus der Nachkriegsgesellschaft ausgeschlossen. Die Zukunft gehört den anderen, die ihn zurückweisen und das Vergangene vergessen haben. Die Schuldverteilung ist also eindeutig: Die Schuldigen, Angehörige der älteren Generation, sind satt, aufgehoben, drinnen und ohne Schuldbewusstsein. Der durch Schuldbewusstsein von seiner Mitschuld Entlastete gehört der jungen Generation an. Er bleibt „draußen vor der Tür“. Als Stimme dieser Generation wird Borchert bis heute gehört; als ihre Stimme hat er sich selbst verstanden.

Borcherts Werk

Die Figuren in Borcherts Geschichten, einsame, vom Krieg verstörte Menschen, zumeist Männer und Kriegsheimkehrer, die sich im kaputten Nachkriegsdeutschland nicht mehr zurecht finden, spiegeln einerseits Borcherts eigenes, zerstörtes Leben wider, andererseits stehen sie aber auch stellvertretend für eine ganze Generation von Kriegsheimkehrern, die sich in Borcherts Figuren, ihrem Leid und ihrer Suche nach einem neuen Lebenssinn wieder erkennen.

Borcherts Stücke fanden großes Interesse und Begeisterung bei einem jungen Publikum von Kriegsheimkehrern und Kriegsopfern, die sich um ihre Vergangenheit betrogen sahen und mit der Aufarbeitung der Vergangenheit überfordert waren. Sie wollten nicht angeklagt werden, sondern bemitleidet.

In den 1990er Jahren wurde dieses frühe Verständnis von Borcherts Werk von der deutschen Literaturwissenschaft in die Werkbeurteilung einbezogen. Aus der zeitlichen Distanz ist nun zu erkennen, dass Borchert mit seinen Erzählungen und vor allem mit seinem Drama „Draußen vor der Tür“ dem deutschen Publikum die Formeln und Bilder geliefert hat, mit denen es sich von seiner Vergangenheit lossagen konnte, ohne die Frage nach Verantwortung und Schuld stellen, geschweige denn beantworten zu müssen. Die Stilisierung des aus dem Krieg heimgekehrten Deutschen als Opfer ist der Grund dafür, dass bis weit in die 1950er Jahre hinein nach anderen Opfern kaum gefragt wurde.

 


Дата добавления: 2015-11-04; просмотров: 23 | Нарушение авторских прав




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