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Stilfragen und Stilmittel im lexischen bereich



STILFRAGEN UND STILMITTEL IM LEXISCHEN BEREICH

 

Die Gebrauchsmöglichkeiten und Regularitäten des lexi­kalischen Bestandes der deutschen Sprache in funktional­stilistischer Hinsicht, d.h. im Hinblick auf Art und Grad seiner Abhängigkeit von Besonderheiten des entsprechen­den Kommunikationsbereichs und der darin einbezogenen sozialen und situativen Bedingungen, sind heute bei wei­tem noch nicht genügend erforscht und zusammengefaßt. Es liegen aber manche mehr oder weniger begründete Forschungsergebnisse über funktionalstilistische Potenzen einzelner lexischer Gruppen oder Typen von lexikalischen Einheiten vor, sie schaffen die Grundlage für den Inhalt und Aufbau dieses Kapitels. So soll es von vornherein klar sein, daß die Darlegung in seinem Rahmen aus objektiven Gründen keine Vollständigkeit anstreben kann und manche Lücken zeigen wird.

 

Das Problem der stilistischen Differenzierung des deutschen Wortschatzes

Die allgemeine Charakteristik des Problems. – Die Idee der Klassifikation von E. Riesel. – Die Gliederung des deutschen Wortschatzes nach L Scharnhorst.

Für die stilistische Charakteristik des gesamten deutschen Wortschatzes braucht man neben dem Begriff „Stilfärbung" noch einen Begriff — „die funktionale Färbung" des Wortes. Funktionale Färbungen sind für besondere Gruppen von Wörtern charakteristisch: bestimmte Wörter können eine zeitliche Markierung haben, d.h. als „neu" oder „veraltet" gelten; ferner gibt es Wörter, die eine regionale Markierung tragen usw. So stellt der deutsche Wortschatz im allgemeinen ein buntes Bild dar: in seinem Rahmen existieren einerseits Gruppierungen von Wörtern, die verschiedenartig emotio­nal (expressiv) differenziert sind, andererseits lexische Gruppen mit funktionalen Färbungen, d.h. mit bestimmten Gebrauchsbeschränkungen. Daraus ergibt sich für die linguistische Forschung ein wichtiger Gegenstand — das Problem der stilistischen Differenzierung des Wortschatzes. Unter Berücksichtigung der beiden genannten Differen­zierungslinien entwerfen die Stilforscher verschiedene Muster für die Klassifikation des deutschen Wortschatzes. Zwei von ihnen sind in der heutigen deutschen Stilistik besonders gut bekannt.

E. Riesel versuchte in ihrer Stilistik, den gesamten Wortschatz in zwei Teile zu gliedern: den „funktional-stilistisch undifferenzierten" und den „funktional-stilistisch differenzierten" Teil des Wortschatzes [E. Riesel, S. 65]. Der erste Teil sollte durch die Merkmale „Allgemeingebräuchlichkeit" und „stilistische Neutralität" gekennzeichnet sein, dem zweiten Teil dagegen sollten die Merkmale „nicht allgemeingebräuchlich" und „nicht stilistisch neutral" zukommen.

Unter dem ersten Teil verstand E. Riesel den sogenannten Kernwortschatz — das sprachliche Fundament in allen Funktionalstilen. Die Wörter des zweiten Teils sollten als funktionalstilistisch begrenzt aufgefaßt werden. „Sie kön­nen in einem Stil wenig oder gar nicht, in einem anderen hingegen viel gebraucht werden oder sogar für ihn typisch sein..." [E. Riesel, S. 67]

Diese Idee der Einteilung schien in ihrer theoretischen Auffassung sehr produktiv zu sein, aber in der Praxis war sie nur teilweise realisierbar. Die Ursache aller Schwie­rigkeiten mußte man nicht in der Idee, sondern im Wort­schatz selbst suchen: seine beiden Teile „sind in ständigem Fluß", betont E. Riesel. Die Wörter des einen Teils gehen in den anderen über, der Charakter ihrer funktionalen Verwendung unterliegt ständigen Änderungen und Beeinflussungen.

Etwas später unternimmt J. Scharnhorst seinen Versuch, die stilistische Differenzierung des deutschen Wortschatzes mit einem klar übersichtlichen Schema zu erfassen [J. Scharnhorst]. Er geht von der Vorstellung aus, daß der gesamte Wortschatz unter drei Aspekten zu betrachten ist: unter dem emotionalen, dem funktionalen und dem funktional- stilistischen Aspekt. Dementsprechend werden nach seiner Klassifikation mehrere Wortschichten ausgegliedert. Unter dem emotionalen Aspekt sind zu unterscheiden:



I. Wörter mit allgemeinemotionaler Stilfärbung. Dazu gehören alle diejenigen Ausdrucksschattierungen, die die Skala der normativen Stilfärbungen bilden. Gerade die normative Stilfärbung wird bei J. S.charnhorst als „allgemeinemotionale Stillfärbung" bezeichnet.

II. Wörter mit speziellemotionaler Stilfärbung. Unter dem Terminus „speziell-emotional" werden alle expressiven Schattierungen vereinigt, die zur allgemeinemotionalen Stilfärbung hinzutreten können. Sie bedeuten, wie es schon früher betont wurde, zusätzliche stilistische Tönungen, die sich weniger bei isolierten Wörtern und sehr stark im Kontext fühlen lassen. In der stilistischen Charakteristik des Wortes bilden sie seine expressiv-stilistische Komponente.

Unter dem funktionalen Aspekt lassen sich abgrenzen:

I. Wörter mit fachlicher Färbung. In ihrer Gesamtheit existieren sie im Wortschatz als „Fachlexik". Nach J. Scharnhorst gibt es so viele Arten fachlicher Stilfärbung wie es Fachgebiete gibt. Wichtig ist dabei folgendes: der Grad einer fachlichen Färbung kann bei den Wörtern verschieden sein; bei einem Teil der Wörter tritt ihre fachliche Zugehörigkeit in geringem Maße auf, bei dem anderen dagegen sehr stark. Das erklärt sich aus der Beschaffenheit des Fachwortschatzes selbst: ein Teil der Fachlexik steht den allgemeingebräuchlichen und allgemeinverständlichen Wörtern sehr nahe, diese Fachwörter befinden sich an der Grenze des speziellen und des gewöhnlichen, funktional unbegrenzten Sprachgebrauchs; der andere Teil (spezielle Termini, spezialisierte Fachlexik) ist vom Allgemeinwortschatz entfernt und nur den Vertretern bestimmter Fachgebiete zugänglich.

II. Wörter mit zeitlicher („chronologischer" — W. Fleischer und G. Michel) Färbung. J. Scharnhorst unterscheidet hier drei Arten: neue Färbung, charakteristisch für Neuwörter (Neologismen); alte Färbung als Merkmal der Archaismen; historische Färbung, den Wörtern eigen, die verschiedene Realien (Gegenstände, Sitten und Bräuche) vergangener historischer Epochen bezeichnen. In der Gegenwartssprache hat jede dieser Färbungen ihre unterschiedliche Geltung.

III. Wörter regionaler (territorialer) Färbung. Dazu gehören Erscheinungen aus verschiedenen Mundarten oder Dialekten. Ihr Gebrauch ist hauptsächlich auf den Stil der Alltagsrede eingeschränkt, obwohl sie auch dem Stil der schönen Literatur nicht ganz fremd sind.

Unter dem funktionalstilistischen Aspekt könnte man, wie E. Riesel vorgeschlagen hat, den gesamten deutschen Wortschatz in zwei große Bestandteile gliedern: den funktionalstilistisch undifferenzierten Teil und den funktio­nalstilistisch differenzierten Teil. Aber wie es schon gezeigt worden ist und wie J. Scharnhorst selbst bemerkt, ist eine solche Einteilung zur Zeit noch sehr problematisch. Die Erforschung der Stilwerte des deutschen Wortschatzes unter diesem Gesichtspunkt steht erst am Anfang. Auch das System der Funktionalstile ist noch nicht endgültig festgelegt und in seinen Einzelheiten ausgearbeitet. Deshalb bildet der letzte Aspekt ein aktuelles Problem der gegenwärtigen Stilistik, das der weiteren Forschung offen steht. Das oben angeführte Schema der stilistischen Cha­rakteristik des deutschen Wortschatzes ist in seinen Grund­zügen, nur mit wenigen Abänderungen, auch in den neue­sten Stilbüchern angenommen [J. Scharnhorst, S. 60—63; W. Fleischer, G. Michel, S. 69— 72].

Stilistische Potenzen der Synonymie

Allgemeines über die Synonymie.Die Quellen und Regelungsfaktoren des synonymischen Gebrauchs.Die stilistischen Potenzen der Synonymie.Die kontextualen Synonyme.

Der Begriff „Synonymie" („Synonyme") ist in der sprach­wissenschaftlichen Literatur noch nicht befriedigend geklärt. Es entstehen dabei manche strittige Fragen, z.B. der alte Streit über die Existenz der sogenannten voll­ständigen Synonyme in der Sprache. Viele Sprachfor­scher vertreten die Meinung, daß es überhaupt keine voll­ständigen Synonyme gebe. Im Duden-Stilwörterbuch und besonders im Synonymwörterbuch wird anhand zahlreicher sprachlicher Beispiele gezeigt, daß sogar sehr ähnliche Wörter nicht in allen Fällen als Synonyme behandelt wer­den können [Der Große Duden, Stilwörterbuch; Der Große Duden, Synonymwörterbuch]: sie besitzen feine Bedeutungsunter­schiede, die bei isolierten Wörtern nicht auffällig sind, aber im Kontext deutlich hervortreten. Man braucht zum Be­weis nur eine entwickelte synonymische Reihe näher zu betrachten, z.B. die Abjektive ausgezeichnethervorragendprächtigvollkommen usw. Isoliert ge­nommen, bedeuten sie alle den höchsten Grad einer Eigenschaft. Aber bei diesem gemeinsamen Bedeutungskern bringen die einzelnen Glieder der Reihe verschiedene semantische Varianten oder Schattierungen zum Ausdruck. Mit Recht schreiben W. Fleischer und G. Michel: „Die synonymische Beziehung besteht streng genommen nicht zwischen Wörtern, sondern zwischen... Bedeutungsvarian­ten. Man kann z.B. nicht ohne weiteres Zimmer oder Stube als Synonyme von Raum bezeichnen“ [W. Fleischer, G. Michel, S. 73] Eben das charakterisiert die angeführten Wörter: jedes Wort verkörpert eine andere Bedeutungsvariante, weswegen sie nicht in jedem Kontext einander ersetzen können: ein herrlicher Tag ist z.B. nicht dasselbe, was ein hervorragender Tag bedeutet; ein hervorragendes Ereignis kann nicht ein herrliches Ereignis heißen; eine ausgezeichnete Frau bedeutet auf keinen Fall eine prächtige Frau usw. Die Differenzen treten klar an den Tag, obwohl die gemeinsame seman'tische Grundlage aller Wörter — „hoher Grad der positiven Einschätzung"— dieselbe bleibt, sie konstituiert gerade die synonymische Reihe. „Die Bestandteile einer solchen Synonymreihe... haben einen gleichen außersprach-lishen Bezugspunkt", heißt es bei W. Fleischer und G. Michel [W. Fleischer, G. Michel, S. 74]. Ein anderes Beispiel solcher Art ist die synonymische Reihe von Substantiven BetrübnisKummerSchmerzGram. D. Faulseit hält schon die Anordnung selbst für bedeutsam: jedes Wort drückt im Vergleich zum vorgestellten „immer stärkeres Leidempfin­den" aus [D. Faulseit, S. 17]. Betrübnis kann man nach seiner Mei­nung über eine nicht sehr bedeutungsvolle Angelegenheit empfinden. Kummer dagegen sitzt tiefer und hat ernstere Ursachen. Schmerz (als „seelischer Schmerz" verstanden) sitzt sehr tief, ihm liegt meistens ein erschütterndes Ereignis zugrunde. Gram bedeutet einen starken Kummer, der lange dauern und zur völligen seelischen Erschöpfung führen kann. Also, wie man sieht, geben die angeführten synonymischen Substantive ihren einheitlichen Bedeutungskern — „seelisches Leidempfinden" — in seinen ver­schiedenen semantischen Schattierungen wieder. Zahlreiche Beispiele der Bedeutungsunterschiede innerhalb der synonymischen Reihen liefert auch das Wörterbuch von H. Küpper [H. Küpper Wörterbuch der deutschen Umgangssprache]. Es handelt sich dabei um die Lexik der Umgangssprache. Ein Beispiel dazu kann die syno­nymische Reihe von Verben sein, die sich auf den gemein­samen Bedeutungskern „schimpfen" („j-n anschreien") be­ziehen: j-n heftig ansprechen, j-n anblasen, anhusten, anpfeifen, anschnauzen, anwettern. Diese Verben tragen verschiedene Bedeutungsschattierungen, jedes von ihnen konkretisiert die Art des Schimpfens, spezifiziert den allge­meinen Begriff, zerteilt den Bedeutungskern in mehrere semantische Möglichkeiten. Aus vielen Beispielen dieses Wörterbuchs ist einerseits die Tatsache ersichtlich, daß fast zu jedem Grundbegriff des Lebens neben den litera­tursprachlichen Wörtern noch umgangssprachliche Syno­nyme vorhanden sind. Die meisten von ihnen geben solche Varianten der betreffenden Bedeutung, die konkreter und anschaulicher sind als die Bedeutungen der literatur­sprachlichen Wörter. Andererseits überzeugen die Bei­spiele davon, daß auch in der Umgangssprache die syno­nymischen Wörter nicht ohne Differenzierung gebraucht,werden können, weil sie unter sich semantisch spezifiziert sind. Das soll noch ein Beispiel aus dem Wörterbuch von Küpper veranschaulichen: zum literatursprachlichen Wort sehen existieren umgangssprachliche Synonyme gucken — „neutrales Blicken"; glotzen — „Blicken mit einfältigem Gesichtsausdruck"; gaffen — „neugieriges Zusehen"; schielen — „schräges Gucken" usw.

Auf der heutigen Entwicklungsstufe der deutschen Sprache vollzieht sich wie bekannt ein sehr aktiver Prozeß der Annäherung zwischen der Literatursprache (der Schriftsprache) und der Umgangssprache (der Sprechsprache). Als Folge dieses Prozesses dringen in die Literatursprache, hauptsächlich in die schöne Literatur und teilweise in die Presse und Publizistik, immer mehr Wörter aus der Um­gangssprache ein, die den Bereich der synonymischen Ausdrucksmöglichkeiten der Literatursprache erweitern. Für die Funktionalstile, die zur echten Sachprosa gehören, ist dieser Prozeß nicht charakteristisch, sie lassen solche Auflockerung nicht zu. Die Auflockerung besteht nicht nur in konkreteren Bedeutungen der umgangssprachlichen Synonyme, sondern auch in ihren stilistischen Schattierungen. Dieser Aspekt der Differenzierung innerhalb der Synonyme überhaupt ist genauso wichtig wie der Aspekt ihrer semantischen Differenzierung. Dies anerkennend, betrachten die Stilforscher die Erscheinung der Synonymie, ihre Rolle für die Wortwahl des Textes von zwei Seiten — von den Schattierungen der Bedeutung und den Schattierungen der Stilfärbung. Darin sieht z.B. D. Faulseit das Wesen der Synonyme: sie sind,,verschiedene sprachliche Formulierungen eines einheit­lichen Grundgedankens", geben ihn aber „in verschiedenen Schattierungen der Bedeutung und der Stilfärbung" wider [D. Faulseit, S. 17—18]. Wenn man sich unter diesen beiden Gesichtspunkten den schon oben behandelten Beispielen noch einmal zuwendet, kann folgendes festgestellt werden: bei den Synonymen LeidSchmerzKummerGramBetrübnis bedeutet z.B. Gram neben einer anderen Bedeutungsschattierung noch eine gehobenere, gewähltere Stilfärbung im Vergleich zu Schmerz; Kummer ist dagegen umgangssprachlich gefärbt. Unter den Synonymen zum Begriff „schimpfen" („j-n anschreien") sind anschnauzen und anwettern Grobwörter, während anpfeifen, anhusten durch die Stilfärbung „salopp" gekennzeichnet sind. Andere Beispiele: fressen ist eine grobgefärbte Variante zum normalsprachlichen essen, saufen — salopp zu trinken, verrecken — grob zu sterben, sich vermählen — gehoben (gewählt-offiziell) zu heiraten usw. Eine reiche Quelle der Erweiterung des synonymischen Bereichs sind Fremdwörter. Sie erscheinen zunächst als zulässige Ersetzung entsprechender deutscher Wörter, z.B.: FaktumTatsache, EnergieTatkraft, ResümeeZusammenfassung, formierenbilden, ResultatErgeb­nis, ignorierenaußerachtlassen, dominierenvorherr­schen usw. Dann bestehen im sprachlichen Gebrauch solche Fremdwörter, die im Vergleich zu ihren deutschen Entsprechungen verschiedene inhaltliche und stilistische Nuancen besitzen, d.h. abwertend, gehoben, offiziell, iro­nisch usw. wirken können. Im Buch von K. Heller [41], das speziell dem Problem des Fremdwortes in der deutschen Gegenwartssprache gewidmet ist, werden Fremdwörter angeführt, die stets oder gelegentlich einen negativen sti­listischen Wert haben, z.B.: Aggressor, Gangster, Phili­ster, philisterhaft, denunzieren, Asphaltpresse, Visage u.a. Dagegen gehören andere Fremdwörter ausschließlich zur gehobenen Lexik, z.B.: Souper („Abendmahlzeit"), soupieren („zu Abend speisen"), Vestibül (Vorraum"), Audienz („Empfang"), debütieren, Debüt, Debütant und viele andere. Im Kontext können die Fremdwörter solche Schattierun­gen der Stilfärbung erhalten, die ihnen ungewöhnlich sind, aber vom Autor beabsichtigt werden. Das ist z.B. aus fol­genden Kontexten ersichtlich:

„Sie dirigierten, intrigierten, denunzierten aus Geldgier und Herrschsucht..." [K. Heller]; „...eine spezielle amerikanisch­bürgerliche Operette in moderner, ja modischer Machart." (Ebenda.)

Die Fremdwörter stehen manchmal neben den synonymischen deutschen Wörtern innerhalb der sogenannten synonymischen Wiederholung zum Zweck einer besonderen Verstärkung oder Nuancierung des betreffen­den Inhalts. Solche Art der synonymischen Wiederholung erscheint im Kontext „als expressive, affektisch betonte sprachliche Äußerung" [W. Fleischer, G. Michel, S. 75]; vgl. z.B.:

„Sofort waren die kraftvollen, energischen Leipziger wieder da." (Reportage über ein Fußballspiel.) „Die alte Dichtform, abgewandelt und modifiziert, ist zum neuen Leben erweckt worden." [K. Heller] Die Sprache erfindet in ihrem Entwicklungsgang noch spezielle Mittel, die zur Erweiterung ihrer synonymischen Ausdrucksmöglichkeiten dienen können. Eines dieser Mittel sind Streckformen (nominale Fügungen) — Äquivalente der einfachen Verben (inhaltlich, aber keinesfalls stilistisch äquivalent): einen Beschluß fassenbeschließen; unter Beweis stellenbeweisen; zur Durchführung bringendurchführen; Kontrolle ausübenkontrollieren; in Erwägung ziehenerwägen; in Wegfall kommenwegfallen u.a.

Die Streckformen als Synonyme gebräuchlicher Verben sind für den Alltagsstil nicht charakteristisch. Sie finden ihre Verwendung hauptsächlich in der Sachprosa, weil sie einerseits oft eine offiziell-gehobene Stilfärbung besitzen und andererseits der Verdeutlichung dienen. Die deutschen Stilforscher (G. Möller, D. Faulseit, E. Koelwel u.a.) sind der Meinung, daß nominale Fügungen solchen Typs wie unter Beweis stellen, zur Durchführung bringen usw. als schablonenhafte Ausdrücke empfunden werden. Die einfa eben Verben beweisen und durchführen als ihre Synonyme würden in den meisten Fällen genügen. Doch darf man diese Ansicht nicht verallgemeinern: ihr Gebrauch, wie der Gebrauch von Synonymen überhaupt, bezweckt bestimmte inhaltliche und besonders stilistische Wirkungen, es muß erwogen werden, wo und warum das einfache Verb oder die nominale Fügung (die Streckform) angemessener ist. Neben den drei besprochenen Bereicherungsmöglichkeiten der Synonymie existieren auch andere Wege ihrer ständi­gen Erweiterung. Aber die Differenzierung nach zwei Seiten — nach dem Inhalt (Semantik) und nach dem stilistischen Wert — hat ihre Geltung für alle Fälle. Solche differenzierte Ausnutzung der Synonymie spielt eine sehr große Rolle in der Textgestaltung. Die Bevorzugung dieser ober jener Ausdrucksvariante, ihre Auswahl aus dem synonymischen Bereich der Sprache liegt nicht nur am Geschmack des Verfassers (des Sprechers). Entscheidend sind gerade die inhaltliche Spezifik des Synonyms und seine stilistische Markierung. Es werden die Varianten der Bedeutung und der Stilfärbung bevorzugt, die dem Funktionalstil, dem Thema und der gesamten Stilatmos­phäre des Textes am besten entsprechen. Darin besteht die objektive Linie des synonymischen Gebrauchs. Seine subjektive Seite ist damit verbunden, daß der Verfasser (der Sprecher) bei der Auswahl der Synonyme von der Absicht geleitet wird, auch seine persönliche Einstellung, sein persönliches Verhalten zu dem, was (oder wen) er schildert, fühlbar oder ganz deutlich zu machen. Die synonymische Grundlage ist somit die Stütze der stilisti­schen Seite des Textes. Nicht zufällig meinen einige Stil­forscher, darunter auch G. Michel, daß man den Stil eines Schriftstellers und eines Textes nur auf dem Hintergrund der in ihm vorhandenen synonymischen Variabilität be­trachten und auswerten kann [G. Michel, S. 17]. Die Synonyme gehen als mannigfaltige Schattierungen in die Textbeschreibung ein, sie ermöglichen dadurch die Variierung der Gesichtspunkte, unter denen ein Sachver­halt vom Verfasser betrachtet wird. Das heißt: der Ver­fasser kann mit ihrer Hilfe verschiedene Seiten des Ge-genstandes und verschiedene Arten seines Verhaltens angeben und speziell betonen. E. Riesel und E. Schendels schreiben über die Ausdruckspotenzen der Synonymie folgendes: die bedachte Verwendung aller synonymischen Schattierungen hilft vor allem, den Ideengehalt klar, deutlich und überzeugend zu gestalten. Außerdem dient sie auch zum Ausdruck der persönlichen und oft der poli­tisch-ideologischen Einstellung des Autors [E. Riesel, E. Schendels, S. 55]. Zu einer besonderen stilistischen Leistung der Synonyme gehört es, daß durch ihre treffende Verwendung sogar eine Kontrastwirkung erzielt werden kann, was ihrem Wesen als sprachlicher Erscheinung eigentlich widerspricht:

„Man bringt ihn in einen Raum. Nicht in ein Zimmer, in einen Rauml" [W. Fleischer, G. Michel]

„Er lebt nicht mehr, er existiert nur noch.u [W. Fleischer, G. Michel]

Wie in jeder anderen Sprache, gibt es auch im Deutschen einen weit entwickelten Bereich der kontextualen Syno­nymie. Als kontextuale Synonyme können Wörter gelten, die nicht einmal thematisch verwandt sind: im Textzusammenhang werden sie auf denselben Gegenstand der Rede bezogen und beginnen auf solche Weise als Synonyme zu wirken. Es handelt sich also nur um die Synonymie der Verwendung. E. Riesel und E. Schendels sehen in der kontextualen Synonymie die „Austauschbar­keit lexikalischer Einheiten im Kontext" [E. Riesel, E. Schendels, S. 58]. Die stilistischen Funktionen der kontextualen Synonyme sind fast unbegrenzt: einmal dienen sie der Variation des Ausdrucks, bewahren ihn vor Eintönigkeit; zum ande­ren tragen sie zusätzliche Information, sei es eine objektive Feststellung, eine Präzisierung des Gesagten oder eine subjektive Bewertung (ein emotionales Verhalten usw.). Mit dieser letzten Leistung ist der Ausdruck einer bestimmten Stellungnahme, eines bestimmten persönlichen Verhaltens zum Gegenstand der Rede verbunden. Ein interessantes Beispiel soll das veranschaulichen:

„Vom Knick der Straße kommt plötzlich Gesang:,...Die Straße frei den braunen Bataillionen!— Die Straße frei dem Sturmabteilungsmann!...' Sie singen nicht, sie brüllen" (Jan Petersen, Unsere Straße.) [D. Faulseit, G. Kühn]

Die verhaßten SA-Leute singen ihr Lied. Es wird verdeutlicht, wie wenig ihr Gesang — Brüllen — mit normalem Singen zu tun hat: er erinnert eher an eine gellende Provokation. Die Wahl des Verbs brüllen als kontextua-len Synonyms zu singen erfüllt hier zwei Aufgaben: inhaltlich unterstreicht sie den Charakter, die Art des Benehmens und Handelns; stilistisch macht sie die Position des Autors deutlich.

Die kontextualen Synonyme sind ein wesentliches Kennzeichen der schönen Literatur. Im offiziellen Stil und in der wissenschaftlichen Prosa können sie keine breite Verwendung finden, sie werden nur ab und zu zum Zweck der Präzisierung herangezogen, weil in diesen Stilen der Ersatz eines speziellen Begriffs oder einer speziellen Bezeichnung durch synonymische Begriffe und Bezeich­nungen nur in sehr beschränkten Grenzen zulässig ist.

 

Die stilistische Ausnutzung der funktional beschränkten Lexik

Gruppen der funktionalen Lexik.Fachwörter.Jargon- und Grobwörter.Mundartwörter.Fremdwörter.Neologismen und Archaismen.

Die im vorhergehenden Kapitel behandelten Gruppen von Wörtern und unterschiedlichen funktionalen Färbungen (beruflichen, räumlichen, zeitlichen usw.) beziehen sich auf den Allgemeinwortschatz der deutschen Sprache als ihre Sonderwortschätze oder besondere lexische Schichten. Derartige Schichtung charakterisiert jede entwickelte Nationalsprache, weil sie der vielseitigen Kommunikation der entsprechenden Sprachgemeinschaft gerecht werden muß. Die normalisierte Form der Nationalsprache ent­spricht der im gesamten Sprachraum aktivierten Schrift­sprache oder,,Standardsprache", ihre Geltung überwindet jede Schranke und setzt die allgemeine Verständigung voraus. Dem Wortschatz der Standardsprache liegen gerade Wörter zugrunde, die von allen Angehörigen der Sprachgemeinschaft in der sprachlichen Kommunikation gebraucht und verstanden werden. Dagegen gehören zu den besonderen lexischen Schichten Wörter, die in ihrem Gebrauch auf bestimmte Sachbereiche, soziale Schichten, Territorien u. a. beschränkt sind. Man faßt sie unter dem Begriff „funktional beschränkte Lexik" zusammen und betrachtet sie als ein spezielles Problem der Stilistik. Davon zeugen die meisten modernen Werke über die Stilistik.

Fachwörter (Professionalismen)

Der gesellschaftliche Fortschritt führt zur steigenden Ver­wendung verschiedener Fachwörter im Bereich der menschlichen Kommunikation. Die Funktionalstile der Sachprosa sind an solchen Wörtern besonders reich, weil sie in überwiegender Mehrheit zu ihrer Fachlexik (Terminologie) gehören. In den übrigen Funktionalstilen (der Alltagsrede und der schönen Literatur) wird die Verwendung der Fachwörter durch andere Faktoren bedingt, obwohl sie auch hier „eine unumgängliche Tatsache" ist [D. Faulseit, G. Kühn, S. 40]. Die Ursachen sind darin zu suchen, daß die Themen der Arbeit, der Berufsinteressen den Gesprächs­stoff vieler alltäglicher Kommunikationssituationen bilden und dadurch auch in den Werken der schönen Lite­ratur einen breiten Raum beanspruchen. Aber neben den dienstlichen sind persönliche Interessen der Menschen gewöhnlich genauso mit bestimmten Fachgebieten verbunden — mit Sport, Technik, Musik, Rundfunk usw., was für die Charakteristik der Figuren in literarischen Texten sehr wichtig sein kann.

Während Fachwörter in der Sachprosa „zu Hause" sind und ein wesentliches Merkmal ihrer Textgestaltung bil­den, kommen ihnen in den Texten der schönen Literatur andere Aufgaben zu: als funktional-beschränkte Lexik können sie mit stilistischem Effekt verwendet werden. Ihre wichtigste stilistische Funktion besteht darin, daß sie ein vom Inhalt vorausbestimmtes fachliches Kolorit angeben. Der Verfasser eines literarischen Wer­kes braucht irgendeine Tätigkeit oder Berufssphäre nicht präzise, d. h. konkret-sachlich darzustellen. Eine solche Darstellung würde vom Leser entsprechende Fachkennt­nisse verlangen und dadurch seine Aufnahme des Inhalts behindern, abgesehen davon, daß sie ihm als langweilig erscheinen wird. Dagegen kann die Verwendung nur einiger Fachwörter der Verständlichkeit nicht im Wege stehen und zugleich das notwendige Fachkolorit erzeugen. Dabei können in den Text z.B. eines Romans sogar spe­zielle, wenig gebräuchliche Fachwörter — Termini — eingeführt werden. Der Autor kann damit beabsichtigen, den Leser die Atmosphäre einer spezifischen Tätigkeit stark fühlen zu lassen. Interessante Beispiele enthalten in die­ser Hinsicht manche Werke von Th. Mann, worauf die deutschen Stilforscher verweisen. In einigen von ihnen fallen viele Termini aus dem Bereich der Musik, des musikalischen Schaffens (z.B. in den Romanen „Buddenbrooks", „Doktor Faustus" u.a.) auf. Der Schriftsteller wendet sich dem Thema der Musik immer aufs neue zu, es dient ihm dazu, die Charakterzüge und Interessen eini­ger Romanfiguren aufzuschließen. Diese Termini erfüllen bestimmte stilistische Funktionen: erstens geben sie das Kolorit einer bestimmten Atmosphäre — der Musik, der Kunstverehrung — deutlich an, zweitens dienen sie der Personencharakterisierung. Das zeigt folgender Textauszug:

„Was ist das für ein theatralischer Schluß, Johann! Das paßt ja gar nicht zum übrigen! Zu Anfang ist alles ganz ordentlich, aber wie verfällst du hier plötzlich aus H-Dur in den Quart-Sext-Akkord der vierten Stufe mit erniedrigter Terz, möchte ich wissen? Das sind Possen. Und du tremollierst ihn auch noch..." (Th. Mann, Buddenbrooks.) [D. Faulseit, G. Kühn]

Die Anhäufung von musikalischen Termini dient hier der Charakteristik von Hanno Buddenbrook: der achtjährige Knabe wird mit ernsten fachlichen Anweisungen belehrt, aber er zeigt sich vor diesen spezifischen Fachwörtern nicht verständnislos und nimmt das Urteil des Lehrers sehr genau auf.

Die Fachlexik erfüllt weiter wichtige Funktionen bei der Schaffung eines Sprachporträts. Das Sprachporträt ist die Charakterisierung einer Figur durch ihre Sprache (ihre Sprechweise, Wortauswahl usw.). Die Sprache der Figur wird zum Spiegel ihrer inneren Welt: sie erlaubt den Einblick in ihre Gedanken, Gefühle, Stimmungen, Interessen, in ihren Charakter usw. Die berufliche Cha­rakteristik der Person kann im Sprachporträt eine wich­tige Rolle spielen. Ausdrucksstark sind in diesem Sinne die sogenannten Berufsjargonismen. Durch ihre Verwen­dung werden verschiedene stilistische Schattierungen erzielt: die Person kann positiv, ironisch, negativ charak­terisiert werden. Wenn der Autor z.B. eine von ihm dar­gestellte Person fachsimpeln läßt, macht er sie lächerlich: mit ihrem Fachsimpeln beginnt sie den anderen auf die Nerven zu fallen, und beim Leser werden entsprechend negative Gefühle hervorgerufen, ein spöttisches oder ironisches Verhalten mit böser oder gutmütiger Schattie­rung. Ein Beispiel solchen harmlosen Fachsimpeins lie­fert der Roman „Die Väter" von W. Bredel [D. Faulseit, G. Kühn, S. 38]. Fritz, der jüngste Hardekopf, hat sich die „Fußballer­sprache" angeeignet und bedenkt nicht dabei, daß ihre speziellen Bezeichnungen und Ausdrücke nicht allen zugänglich sind, daß sie beim Gesprächspartner irgend­welche Sachkenntnisse voraussetzen. Er überschüttet sei­ne Mutter mit diesen Ausdrücken:

„Frau Hardekopf konnte sich...damit nicht befreun­den. Fußball fand sie gräßlich roh. Und dann diese unverständlichen Ausdrücke.,Modder, datt sitt wie'n Goal von Adje. Ist ja pyramidal!' —,Also — was sitzt? Was hast du da eben gesagt? Wie sitzt das?' —,Wie 'n Goal von Adje!' — Frau Hardekopf meinte, ihr Junge spreche Chinesisch.,Also — was ist 'n Goal?' —,Das ist 'n Tor beim Fußballspiel.' —,Also, was das ist, weiß ich auch nicht —,und wer ist Adje?' —,Ach, Modder, du weißt aber auch gar nichts. Das ist doch Adolf Jäger von „Altona 93".'—, Von Altona 93? Wo ist das?'—,Aber das ist doch der berühmte Fußballver­ein. Deutscher Meister'. Ja, Frau Hardekopf war sehr unwissend."

D. Faulseit und G. Kühn warnen vor einem unnötigen Gebrauch der Fachwörter: „Ihr Einsatz muß sinnvoll, sach- und zweckdienlich sein; er muß stilistisch gerecht­fertigt sein, sei es, daß die Fachwörter als thematische Stützbegriffe dienen, sei es, daß sie die Aussage konkretisieren, sei es, daß sie Kolorit erzeugen, oder sei es, daß sie im Dienste der Personencharakterisierung verwendet werden." [D. Faulseit, G. Kühn, S. 39]

Jargon- und Grobwörter (Jargonismen und Vulgarismen)

Innerhalb jeder entwickelten Nationalsprache existieren immer verschiedene Jargons. Unter Jargon versteht man keine spezielle Sprache, sondern eine besondere Sprech­weise, die für einen bestimmten Kreis von Menschen typisch ist. Man unterscheidet hauptsächlich soziale Jar­gons und Jargons als besondere professionelle Lexiken, z.B. die der Studenten, Soldaten, Mediziner, Sportler u.a. In der Gesellschaft existieren auch Gruppen von Menschen, die durch eine gemeinsame nichtprofessionelle Beschäftigung (Kartenspiel, Autofahren usw.) zusammengeführt werden, sie besitzen auch ihre Jargons. Es gibt weiter spezielle Jargons der sogenannten deklassierten Elemente (Diebe, Verbrecher u.a.). Die Eigenart jedes Jargons zeigt sich in seiner lexischen Seite, weshalb sie auch Lexiken heißen.

Die Jargonwörter und jargonhafte Ausdrücke übernehmen in literarischen Texten wichtige stilistische Funktionen. Wie schon festgestellt wurde, sind die Berufsjargonismen an der Schaffung eines Sprachporträts beteiligt. Dieselbe Aufgabe können die sozialen Jargons erfüllen: auch sie werden sehr oft zur Sprachcharakteri­sierung eingesetzt, um die entsprechende soziale Schicht eindeutig zu markieren. W. Fleischer und G. Michel schreiben in ihrer Stilistik, daß die Verwendung der Jargonismen im Sprachporträt ein beliebtes Mittel der schönen Literatur ist. Die sozialen Jargons schaffen aber vor allem ein bestimmtes soziales Kolorit. Ein klassisches Beispiel eines solchen Jargons stellt die Sprache des russischen Adels in den Werken der schönen Literatur dar: er bedient sich vieler französischer Wörter und Ausdrücke, das Französisch dient überhaupt als Symbol seiner Klasse.

An die Jargonwörter grenzen die sogenannten Vulgarismen oder Grobwörter (auch Schimpfwörter). Sie liegen auf der niedrigsten Stufe der gesenkten Lexik und haben ihre Anziehungskraft nur für bestimmte Formen der Umganssprache. Die schöne Literatur bedient sich des groben Wortes vor allem im Sprachporträt. Dadurch macht der Verfasser die Grobheit der betreffenden Figur sichtbar. Anders gesagt, dient solcher Gebrauch von Grobwörtern hauptsächlich einer negativen Charakteri­sierung. In der Sprache des Autors selbst erscheinen die Grobwörter als Ausdruck seines persönlichen Verhaltens:

„Seht sie euch an, die kalten Fressen! Sie sollen unvergessen sein! Wir Deutsche liebten zu vergessen. Das sei vorbei! Prägt sie euch ein!" (E. Weinert, SS schafft Ordnung.) [D. Faulseit, G. Kühn]

Der Dichter verwendet nicht das neutrale Wort Gesicht, sondern das grobe Wort Fresse. Seine Wahl ist vom Haß gegen die. Faschisten diktiert. Das Wort Fressen soll im Leser die vom Verfasser beabsichtigte Vorstellung wecken, also dieselben Gefühle hervorrufen, die er selbst gegenüber dem Feind empfindet. Man kann diesen Fall verallgemeinern und folgendes Prinzip formulieren: die stilistische Funktion der Grobwörter besteht in der Erzeugung gefühlsmäßiger Abneigung gegen eine negativ einzuschätzende Person oder Situation.

Das grobe Wort ist nach der Einschätzung der Stilforscher ein kräftiges Stilmittel. Es kommt deshalb nicht darauf an, den Leser mit einer Fülle solcher Wörter zu beeindrucken: das wäre in einem literarischen Text überflüssig. Ein oder zwei gutgewählte Grobwörter genügen, um der betreffenden Textstelle „den Stempel der Grobheit aufzudrücken" [D. Faulseit, G. Kühn, S. 52]. Davon zeugt gerade die obenangeführte Strophe E. Weinerts.

Mundartwörter (Dialektismen)

Dialektismen sind territorial begrenzte Wörter: sie sind nicht im gesamten deutschen Sprachraum geläufig, sondern werden nur von den Sprachträgern eines konkreten landschaftlichen Bezirks gebraucht. Im deutschen Sprachraum existieren bedeutende dialektale Unterschiede, die weniger in der grammatischen Seite und stärker im Wortschatz zum Vorschein kommen. Die Stilforscher müssen in ihren Werken dem noch sehr lebendigen mundartlichenWortschatz Rechnung tragen, wenn sie eine überzeugende, d.h. eine ausdrucksvolle Schilderung anstreben. Die Verwendung der Mundartwörter ist nur für zwei Funktionalstile charakteristisch: für die Alltagsrede und für die schöne Literatur. Der Alltagsrede verleihen sie nach E. Riesel „das natürliche Kolorit", d.h. sie betonen und bestimmen die landschaftliche Spezifik der Kommunikation.

Im Funktionalstil der schönen Literatur können die Mundartwörter verschiedene stilistische Dienste leisten. Die wichtigste ihrer Funktionen wird von den Stilforschern so bestimmt: die Mundartwörter dienen einer anschaulichen Zeichnung des lokalen Kolorits [E. Riesel, E. Schendels, S. 73]. Folgende Textauszüge können das veranschaulichen:

„Obwohl er gar keine Lust mehr hatte...nahm er doch wieder einen Apfel, aß ihn hastig auf und warf den Grützen [ = Kerngehäuse des Apfels] in den Garten." (A. Seghers, Das siebte Kreuz.)

„Unmerklich waren die Buben von ihrem Grasplacken [ = Grasflecken] weg auf den Sand dicht um Georg herumgerückt..." (Ebenda.) [D. Faulseit, G. Kühn]

Die speziell verwendeten Mundartwörter Placken und Grützen lassen sofort die rhein-fränkische Gegend als Ort der Handlung erkennen.

D. Faulseit und G. Kühn meinen, daß die Verwendung einzelner Wörter und Wendungen des Dialekts sehr wirk­sam sein kann, wenn sie einer bestimmten stilistischen Funktion untergeordnet ist; funktionslos eingesetzt, könn­ten sie dagegen Fremdkörper im Text sein [Е.С. Троянская, S. 54]. In den oben angeführten Beispielen sind die Dialektismen keine Fremdkörper in der Textgestaltung, sie stehen im Dienst einer knappen und realistischen Darstellungsweise. Die Knappheit des Ausdrucks ist dem thematischen Wesen der geschilderten Situation sehr gut angepaßt.

Eine andere stilistische Funktion der Mundartwörter in literarischen Texten ist ihre Verwendung zur Darstellung eines Sprachporträts. Bekannt ist der Gebrauch von Dialektismen zur Charakterisierung litera­rischer Figuren, zur Gestaltung der Figurenrede [W. Fleischer, G. Michel, S. 96]. Die Einführung der Mundartwörter in die Sprache einer Figur kann verschiedenes betonen: die territoriale Herkunft, den sozialen Stand, das Bildungsniveau u.a. Wenn der Held oder die Heldin einfache Menschen aus den niederen Schichten sind, sprechen sie in der Regel kein Hochdeutsch, sondern die Umgangssprache, vermischt mit der entspre­chenden Mundart. Dadurch kann in bestimmten Fällen ein notwendiger sozialer Kontrast erzielt werden. Ein interessantes Beispiel solcher Art enthält der Roman „Buddenbrooks". Th. Mann zeigt eine zufällige Begegnung der Vertreter zweier sozialer Stände der damaligen deut­schen Gesellschaft: des Kleinbürgers Permaneder aus München und der hochangesehenen großkaufmännischen Familie Buddenbrook aus Norddeutschland. Der Klein­bürger ist ein geistig beschränkter, wenig gebildeter Mann, der sich in solcher Gesellschaft wie Buddenbrooks nicht einmal richtig benehmen kann.

Die Angehörigen der Familie Buddenbrook halten dagegen sehr auf die Etikette, sind gut erzogen und gebildet. Das alles wird durch den Sprachunterschied zum Ausdruck gebracht: Permaneder spricht nur seine Mundart — das Bayrisch, während die Buddenbrooks es fast nicht verste­hen, weil sie an das Hochdeutsch gewöhnt sind. Der sprachliche Kontrast dient eigentlich zur Verdeutlichung, sogar Hervorhebung des tiefer wurzelnden sozialen Kontrastes. Wie W. Fleischer und G. Michel schreiben, handelt es sich in diesem und anderen ähnlichen Fällen um eine „durchgehend dialektale Gestaltung der Figurenrede" [W. Fleischer, G. Michel, S. 97], weswegen der Kontrast besonders stark hervortritt.

Beim Gebrauch der Mundartwörter in literarischen Texten können noch verschiedenartige zusätzliche Schattierungen erzielt werden: Humor, Ironie u.a. Das hängt von der Absicht des Autors ab, von seinem persön­lichen Verhalten zum betreffenden Sachverhalt. So charak­terisiert Th. Mann seinen Kleinbürger mit unversteckter Ironie, wodurch auch der Leser in seiner Empfindung beeinflußt wird.

Fremdwörter

Die Übernahme der Wörter aus einer Sprache in die andere ist, wie bekannt, ein natürlicher unaufhörlicher Prozeß. Viele übernommene Fremdwörter haben sich dem deutschen Sprachsystem völlig angepaßt, im Gebrauch sind sie von den echt deutschen Wörtern kaum zu unterscheiden. Aber es gibt immer solche Fremdwörter, die in der Übergangs­zone verbleiben — zwischen dem echten Fremdwort und dem echten deutschen Wort. Ihre Verwendung muß deshalb mehr oder weniger den Charakter des Auffälligen haben. Gerade sie können für die Stilistik von Interesse sein. In den Funktionalstilen der Sachprosa sind die Fremdwör­ter sehr verbreitet: die meisten von ihnen existieren als unersetzbare Bezeichnungen für spezielle Begriffe, z.B. im Stil der Presse und Publizistik als gesellschaftlich-politische Termini (Internationalismen) usw. So hat K. Heller festgestellt, daß ungefähr jedes dritte Fremdwort, das in der deutschen Gegenwartssprache verwendet wird, zu den Internationalismen gehört [K. Heller, S. 37 ff.]. Ihr Gebrauch in den genannten Stilen bildet kein stilistisches Problem. Die Alltagsrede dagegen verwendet vorwiegend solche Fremd­wörter, die einfach und verständlich sind und als Entlehnungen nicht mehr empfunden werden (Armee, Balkon, Garage, Delegation u.a.). Ein spezielles Problem der Stilistik wurzelt in der Verwendung der Fremdwörter im Stil der schönen Literatur. Sie sind in diesem Stil, nach der Bestimmung von W. Fleischer und G. Michel,,,vielfältig stilistisch zu nutzen" [37, S. 108]. Die Zusammenfassung ihrer stilistischen Funktionen bleibt ein aktuelles Thr.ma der weiteren Forschungen *, und heute kann man sie nur folgenderweise verallgemeinern:

1. Vor allem treten die Fremdwörter als Synonyme zu echten deutschen Wörtern auf. Diese ihre Rolle dient dazu,,,den sprachlichen Ausdruck dadurch vor Eintönigkeit zu bewahren" [D. Faulseit, G. Kühn, S. 86]. Mit anderen Worten kann man sagen, daß die Fremdwörter zur Vermeidung von Wiederholun­gen gebraucht werden. Das veranschaulichen folgende Textauszüge:

„Es ist unmöglich, diese Tatsachen zu übersehen, die durch unzählige Fakten bewiesen werden können." „Die junge Frau entwickelte eine Energie wie schon seit vielen Tagen und Monaten nicht mehr....er war aus dem Verwundern über die plötzliche Tatkraft seiner Frau nicht herausgekommen..." (H. Fallada, Der Alpdruck.) [D. Faulseit, G. Kühn]

2. Oft ergibt der Gebrauch des Fremdwortes bestimmte inhaltliche und stilistische Schattierungen. Das Fremdwort besitzt in solchen Fällen eine stärkere Ausdruckskraft, kann also eine stärkere Wertung zum Ausdruck bringen als seine deutschen Entsprechungen.

„Oskar ließ den Brief verblüfft sinken... Der Andreas war noch raffinierter, als er gedacht hatte..." [K. Heller].

Das Fremdwort raffiniert kann mehreren deutschen Wörtern entsprechen — „durchtrieben", „schlau", „klug", „fein" u.a. Hier ist mit seinem Gebrauch eine stark pejorative Schattierung verbunden.

3. Das Fremdwort kann im Kontext eine gehobene Stilfärbung bewirken, Schattierungen des Feierlichen, Gewählten usw. tragen. Das ist vor allem für die Fremdwörter charakteristisch, die im Deutschen nicht eingebürgert sind, bei denen sich ihr fremder Charakter immer fühlen läßt (Portal, Salon, Gratulationen,Präsentation, Audienz u.a.).

4. Eine wichtige Funktion der Fremdwörter in literarischen Texten ist die Erzeugung des fremdländischen Kolorits, „des Nationalkolorits" nach E. Riesel und E. Schendels [E. Riesel, E. Schendels, S. 73]. Diese Funktion erfüllen oft verschiedene Realienbezeichnungen in entsprechender Fremdsprache. Sie ist z.B. für manche historische und antifaschistische Romane von L. Feoichtwanger charakteristisch. Zahlreiche Realienbezeichnungen in französischer Sprache enthält sein Roman „Der Teufel in Frankreich", mit ihrer Hilfe gelingt es dem Autor, die Atmosphäre gerade dieses Landes zu vermitteln. Ein anderes Beispiel ist das publizistische Werk „Der rasende Reporter" von E. Kisch: viele englische Wörter und Realienbezeichnungen verleihen der Beschreibung ebenfalls das Kolorit des Landes. Und wenn auch die meisten dieser Wörter und Ausdrücke dem Leser, der die englische Sprache nicht beherrscht, völlig unbekannt sind, erschweren sie die Verständlichkeit nicht. Ihre Fremdheit dient zur Verstärkung des Eindrucks, gerade sie läßt den Leser die Fremdheit des Landes empfinden.

5. Zu den wichtigsten stilistischen Funktionen der Fremdwörter gehört ihre Verwendung für die Gestaltung eines Sprachporträts. Das ist ein bekanntes Stilmittel in den Texten der schönen Literatur. Die stilistischen Schattierungen können dabei verschiedenartig sein: a) neutral, wenn die Figur ein Ausländer ist, der eine gebrochene Sprache spricht, weil er anders nicht sprechen kann („das natürliche Kolorit"); b) pejorativ, ironisch, spöttisch usw., wenn die Figur fremde Wörter unnötig verwendet, ohne sie richtig zu verstehen und auszuspre­hen; c) gehoben, gewählt usw., wenn es die Sprechart einer Figur ist, die die betreffende Fremdsprache gut be­herrscht und sie sorgfältig, bedacht verwendet; d) die Fremdwörter können im Sprachporträt als Jargonismen auftreten, z.B. das Französische im Munde des russischen Adels usw.

6. Eine ganz besondere stilistische Funktion der Fremdwörter ist ihre Verwendung als Euphemismen. Sie tragen dann eine zusätzliche stilistische Schattierung, die in Wörterbüchern,,verhüllend" genannt wird. Das We­sen des euphemistischen Gebrauchs besteht darin, daß eine unangenehme Wahrheit nicht unmittelbar, sondern in diplo­matischer Weise, schonend ausgesagt wird. Vgl. folgende Beispiele: zum Verb sterben, das eine sehr unangenehme Wahrheit verkörpert, gibt es viele euphemistische Ausdrücke im Deutschen: heimgehenentschlafenverschei­denabiebendie Augen für ewig schließen,ein­schlummernhinüber gehenseinen letzten Gang antretenseine Tage beschließen, darunter auch einen Ausdruck mit gehobener Stilfärbung, der ein Fremdwort enthält: den Acheron überqueren [32]. K. Heller führt noch folgende Beispiele an: Wenn ich jemanden um Diskretion bitte, ist es mir weniger unange­nehm, als wenn ich ihn unverblümt um Schonung, Verschwiegenheit oder Rücksicht'snahme ersuchen muß. Portier hört sich angenehmer an als Pförtner oder Hauswart. Die letzteren erinnern sehr an den Türschließer. Unterwäsche scheint vielen Kaufleuten zu derb. Sie bevorzugen Untertrikotagen [41].

7. Noch eine spezifische Funktion der Fremdwörter offen­bart sich darin, daß sie als Modewörter erscheinen können. Man verwendet sie mit Vorliebe in einem oder anderem begrenzten Zeitraum: dabei, wie die deutschen Sprachforscher bemerken,,,in allen möglichen Zusammenhängen", so daß sie „als inhaltsleer empfunden werden". Vgl. folgende Beispiele: interessant, effektiv, relevant, Aspekt, positiv u.a.1 K. Heller nennt auch enorm, attraktiv, Etappe, demonstrieren, Klasse, ideal usw. [K. Heller, S. 135].

Neologismen

Die eigentlichen im Gesellschaftsleben entstandenen Neuwörter finden meistenfalls ihren ersten Gebrauch in ver­schiedenen Arten der Sachprosa: in Wissenschaft, Technik, Verwaltung, Presse usw. Das steht mit der Tatsache im Zusammenhang, daß die Zunahme des Wortbestandes vor allem durch die rasche wissenschaftlich-technische Entwick­lung bedingt ist, worüber besonders die Presse auf allen Stufen dieser Entwicklung informiert. Im Stil der schönen Literatur kann die Wirklichkeit nicht so unmittelbar widergespiegelt werden wie im Pressestil. Die Neuwörter gelangen in die literarischen Texte erst später, wenn sie schon mehr oder weniger verbreitet sind. Ihre Funktion besteht darin, die Gegenwart oder besser gesagt die Zeit zu betonen. Über diese Funktion schreiben W. Fleischer und G. Michel: als Bezeichnungen für neue Begriffe und Erscheinungen können die Neuwörter in einem Text vorkommen, ohne bewußt als stilistische Neologismen verwen­det zu sein. Sie schaffen ein bestimmtes zeitliches Kolorit [W. Fleischer, G. Michel, S. 101].

Neben echten Neuwörtern existieren in der Sprache Neologismen bestimmter Zeitabschnitte. Solche Wörter sind nur eine bestimmte Zeit im Gebrauch als Widerspiegelung entsprechender politischer, sozialer oder kultureller Umstände. Nachdem diese Umstände aber vorbei sind, verschwinden auch die Wörter aus dem ständi­gen Gebrauch, sie bleiben nur im passiven Bestandteil des Wortschatzes aufbewahrt. Ein sehr anschauliches Beispiel solcher Art ist die sogenannte „Naziterminologie" — Wörter, Wendungen und Ausdrücke aus dem Lexikon der deutschen Faschisten. Die Naziterminologie existierte im Gebrauch solange, wie die Faschisten in Deutschland an der Macht waren. Man verwendet in bezug auf solche Wörter die Bezeichnungen,,vorübergehende Neologismen" oder „kurzlebige Neuwörter".

Im allgemeinen werden die vorübergehenden Neologismen mit bestimmter Absicht verwendet, nämlich wenn die Charakteristik entsprechender Zeitperioden ge­geben wird oder wenn eine solche Zeitperiode der Gegen­wart gegenübergestellt werden soll. Aber konkretere sti­listische Funktionen vorübergehender Neologismen sind: 1) die Schaffung des Zeitkolorits einer bestimmten Epoche (oder Zeitperiode); 2) die Darstellung eines Sprach­porträts; 3) das Auftreten im Dienst von Satire, Entlarvung usw. In allen Fällen können selbstverständlich noch ver­schiedenartige zusätzliche Schattierungen entstehen. So dominiert in den Werken der deutschen Literatur, wenn es sich um die Schilderung der Nazizeit handelt, nur die gro­be Stilfärbung in ihrer mannigfaltigsten Abstufung (zum Zweck der Entlarvung).

Zur Gruppe Neologismen gehören auch Modewörter. Sie charakterisieren ebenfalls bestimmte Zeitperioden und hauptsächlich die Sprache der jungen Generationen. So lesen wir bei D. Faulseit und G. Kühn: „Besonders empfänglich für Modewörter ist die junge Generation... Dabei ist die Vorliebe für wertende Modewörter bei der Jugend auffällig. So war vorübergehend einmal alles,knorke', ‘klasse', ‘pyramidal, ‘schau’..." [D. Faulseit, G. Kühn, S. 67] E. Riesel nennt als Beispiele dafür fabelhaft, phantastisch, kolossal, prima, toll u.a.

Den Modewörtern kommen folgende stilistische Funktionen zu: 1) sie dienen zur zeitlichen Kolorierung; 2) hauptsächlich aber erscheinen sie im Sprachporträt; 3) oft stehen sie im Dienst einer Kontrastwirkung (alte Generation — junge Generation) u.a. Als Beispiel kann im letzten Fall noch einmal die Stelle aus W. Bredels Roman „Die Väter" angeführt werden — das Gespräch zwischen Frau Hardekopf und ihrem Sohn Fritz. Der jüngste Vertreter der Familie gebraucht stets ein Modewort, das bei ihm alles bedeutet, und seine Mutter ist einfach unfähig, diesem unbekannten Gebrauch des Wortes zu folgen. Der Verfasser schildert die Szene so:

„Ja, Frau Hardekopf war sehr unwissend. Es gab klare Sachen; wenn beispielsweise das Erdbeben von Messina ‚pyramidal’ war, verstand sie das schon. Auch der neue Ozeandampfer,Auguste Victoria war pyramidal. Geheimnisvoller wurde es schon, wenn ihr Fritz ausrief: „Die Kinder des Kapitän Grant sind pyramidal!" Oder wenn „ein Goal von Adje" pyramidal war."

Die so gut eingesetzte sprachliche Besonderheit — das Modewort pyramidal — betont den Kontrast zwischen zwei Generationen; zugleich bedeutet es den Unterschied in der Stellung und Haltung zu den Dingen und Ereignissen der Welt. Die ganze Textstelle ist so gestaltet, daß die Ein­stellung des Autors selbst, seine leichte Ironie für den Leser spürbar bleibt.

Ein spezielles Mittel der Stilistik bilden Neuwörter, die als Einmalbildungen vorkommen: sie stellen einmalige individuelle Bildungen des Autors dar, sind an einen bestimmten Text gebunden und brauchen nicht in den Wortschatz der Sprache einzugehen. Sie wirken infolge ihres einmaligen Erscheinens expressiv [37, S. 102]. Ihre stilistische Hauptfunktion ist Bewirkung der höchsten Anschaulichkeit, ihre Verwendungsbereiche sind schöne Literatur, Presse und Publizistik. In den politischen Arti­keln und publizistischen Schriften verhelfen sie oft zu einer satirischen Entlarvung, stehen im Dienst der ideolo­gischen Polemik. Die deutschen Stilforscher erwähnen in diesem Zusammenhang die Werke von K. Marx und F. Engels: sie liefern zahlreiche Beispiele stark gefärbter polemischer Einmalbildungen, mit denen die Klassiker des Marxismus ihre politischen und ideologischen Gegner geißelten: „Prinzipspekulanten", „Systemfabrikanten", „Weißbierbürger" usw. [35, S. 65].

Auch in literarischen Texten erscheinen die Einmalbildun­gen als Mittel im Dienst von Humor und Satire: die Kriegs- und die ersten Nachkriegsjahre in Deutschland bezeichnet H. Marchwitza z.B. als „Angstjahrzehnt" (es wird betont, daß die Menschen eine bestimmte Zeit in Angst leben mußten, das waren ihre schicksalsschweren Jahre). H. Heine kritisiert in seiner „Harzreise" die geistige Starre der alten deutschen Professoren und bezeichnet sie durch die Einmalbildung „Universitätspyramiden":

„...nur die alten Professoren bleiben stehen in dieser allgemeinen Bewegung, unerschütterlich fest, gleich den Pyramiden Ägyptens — nur daß in diesen Universitätspyramiden keine Weisheit verborgen ist." [35]

In der Poesie können die Einmalbildungen etwas Gehobenes, Gewähltes in sich tragen, mit einem hohen Grad der emotionalen Expressivität, z.B. die Lenzluft, war so jung und morgenschön, wellenatmend ihr Gesicht u.a. [35, S. 63–64]; „Das allerletzte Märzlicht zog sich langsam in den Wald zurück" [D. Faulseit, S. 21–22] u.a. An der Verwendung der Einmalbildungen in literarischen Werken und politisch-publizistischen Schriften, an der Art ihrer Expressivität kann man immer die persönliche Einstellung des Autors erkennen, sonst würden sie nicht „Einmalbildungen" heißen.

Archaismen

In der Gruppe veralteter Wörter existieren auch verschiedene Erscheinungsarten. Einige Wörter haben ihre ur­sprüngliche, alte Bedeutung verändert, aber sind in der Sprache geblieben, z.B.: die alte Bedeutung des Wortes Spießbürger („mit einem Spieß bewaffneter Bürger") hat abgelebt, ist zum Historismus geworden, während die Hülle des Wortes weiter lebt. In seiner neuen Bedeutung dient das Wort zum Ausdruck einer negativen Charakteristik: Spießbürger ist „beschränkter Kleinbürger", diese Benennung weist eine verächtliche Stilfärbung auf [35, S. 69].

Die Archaismen erfüllen in literarischen Texten folgende stilistische Funktionen:

1. Sie dienen zur zeitlich-historischen Kolorierung, das ist besonders charakteristisch für die Historismen, wie es z.B. in vielen Balladen von Fr. Schiller der Fall ist: Rit­ter, Knappen usw. Dazu auch die Textstellen, die D. Faulseit und G. Künn anführen:

„...und schon sausten von beiden Seiten die von den Soldatenfäusten geschwungenen Ladestöcke auf sei­nen Rücken herab. Die Stöcke klatschten im Takt des dumpfen Trommelklanges."

Daß es so etwas bei den Soldaten gab, davon hatte der alte Korporal in der Schule nichts erzählt." (C. Winter, Der Troßjunge.) [D. Faulseit, G. Kühn]

Zwei Wörter sind in dieser Schilderung Archaismen: Ladestöcke und Korporal. Sie zeichnen sehr überzeugend das geschichtliche Kolorit.

2. Die Archaismen können im Dienst der Satire stehen, vgl. folgendes Beispiel:

„Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität, gehört dem König von Hannover und enthält 999 Feuerstellen..." (H. Heine, Harzreise.)

Das Wort Feuerstellen ist ein Archaismus. Es soll die Rückständigkeit dieser deutschen Kleinstadt betonen: sie ist rückständig, weil ihre Bewohner in der Mehrheit Kleinbürger oder Philister sind. Das ganze Werk bedeutet doch eine scharfe satirische Entlarvung des deutschen Philistertums.

3. Die Archaismen können in einer entgegengesetzten Richtung wirken — zum Ausdruck oder zur Betonung des Feierlichen einer Situation verwendet werden, wodurch der Beschreibung eine gehobene, offiziellfeierliche Stil­färbung verliehen wird. Die deutschen Stilforscher bezei­chnen diese Rolle der Archaismen als „feierliche Stilisie­rung ins Alte", wofür die hier nachstehenden Sätze als anschauliches Beispiel dienen sollen:

„Mit wilder Tränen Flut betroff sie weinend die Wal..."' (R. Wagner.)

„Der Tag der Vermählung...kam näher..." (Th. Mann.) [Die deutsche Sprache. Kleine Enzyklopädie]

4. Manchmal läßt der Verfasser eine Figur seines Werkes archaisierte Sprache sprechen und schafft auf solche Weise ein vorbedachtes Sprachporträt. Sein stilistischer Effekt kann verschieden sein — positiv, negativ, je nach der Einstellung des Autors zu der betreffenden Person. Wenn man zum Abschluß das Wichtigste über die stilistische Leistung der Archaismen zusammenfaßt, so wird es dasselbe sein, was D. Faulseit und G. Kühn in ihrem Buch hervorheben: „Altertümliche Wörter und Wendungen kann der Autor also benutzen, um das Kolorit vergangener geschichtlicher Epochen zu schaffen, um einer Aussage eine gewisse Gehobenheit zu verleihen... oder um Rückständigkeiten ironisierend, mit dem Mittel der Satire anzugreifen." [D. Faulseit, G. Kühn, S. 71]

Anachronismen

Die Anachronismen bilden keine besondere Gruppe im Wortschatz, sie bedeuten ein spezielles Stilmittel oder eine spezielle Erscheinung im Text. Aber ihre Betrachtung im Zusammenhang mit der zeitlichen Markierung lexika­lischer Elemente ist berechtigt. W. Fleischer und G. Michel bestimmen sie folgenderweise:,,Ein Anachronismus kommt zustande, wenn ein Wort oder eine Wendung, die an eine bestimmte historische Epoche gebunden sind, mit Bezug auf eine andere Epoche gebraucht werden, der sie nicht entsprechen." [37, S. 104] Man spricht bei dieser Erscheinung auch von „zeitwidrig gebrauchten Wörtern" [35, S. 75]. Sie werden,,wider" oder „gegen" die Zeit verwendet, denn sie sind in dieser Zeit, wie die Sprach­forscher es bestimmen, entweder „noch nicht" oder „nicht mehr" im Gebrauch. Gerade dank ihrem Nicht-Passen entsteht eine starke stilistische Wirkung. Zahlreiche Beispiele der Anachronismen lassen sich besonders in literarischen Werken mit deutlicher politi­scher Einstellung des Verfassers beobachten, z.B. in der deutschen politischen Dichtung. „Der bewußt eingesetzte Anachronismus ist ein wirksames Stilmittel der Ironie, sogar der „beißenden Satire", bemerken W. Fleischer und G. Michel [W. Fleischer, G. Michel, S. 104]. Das kann in erster Linie von H. Heine gesagt werden. Auch der moderne Dichter E. Weinert hat mit seinem Gedicht „Bänkelballade vom Kaiser Nero" ein Musterbeispiel für die stilistische Aus­nutzung der Anachronismen gegeben. Die ganze Aus­druckskraft dieses Gedichts wird durch die Anachronis­men bestimmt. Dem Gedicht zugrunde liegt die von den Nazis organisierte Brandstiftung des Reichstags 1933, aber das erkennt der Leser nur anhand der anachronisch verwendeten Ausdrücke aus dem Lexikon der Faschisten und einiger Realienbezeichnungen. Gerade sie verdeut­lichen, wen und welche Zeit der Dichter gemeint hat, z.B. Leibschutzstaffel, Untermenschheit sind charakteristische Termini der Naziterminologie; und agitieren, Kommunisten, Benzin sind Begriffe und Termini, die in den Zeiten des römischen Reichs noch nicht da waren. Vgl. einen Auszug aus diesem Gedicht:

„Der Kaiser Nero saß an voller Tafel, Doch ohne Appetit und sorgenvoll.

Er klingelte nach seiner Leibschutzstaffel

Und sprach: Ich weiß nicht, was das werden soll!

Gefährlich agitieren diese Christen.

Doch jetzt ist Schluß mit diesen Kommunisten!

In dieser Nacht ward Rom in Brand gesteckt.

Nun was versprecht ihr euch von dem Effekt?'

Da brüllten die Soldaten:

,Die woll'n wir lustig braten!

Wo ist der Kien? Wo ist Benzin?

Wir kriechen gleich durch den Kamin.

O triumphator saeculorum!

Um 9 Uhr 15 brennt das Forum!

Und morgen ist es jedem klar,

Daß das die Untermenschheit war.' "

Die Anachronismen sind hier, wie der Text zeigt, Schlüsselwörter: sie erschließen seinen wahren Sinn. Der angeführte Text hilft die Eigenart des Anachronismus als Stilmittel richtig begreifen: sie besteht darin, daß die Satire, besonders wenn sie eine konkrete politische Richtung hat, nicht offen, sondern verschleiert oder maskiert zum Ausdruck gebracht wird, was sehr wichtig sein kann, wenn man z.B. das bestehende Zensurverbot umgehen will.


Дата добавления: 2015-11-04; просмотров: 40 | Нарушение авторских прав




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