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Analytik des Erkenntnißvermögens. 14 страница

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(ib. 306.)

Das Subjekt des Erkennens ist die Laterne, welche ausgelöscht wird, nachdem sie ihren Dienst geleistet hat.

(ib. 570.)

Es ist gewiß nicht nöthig, daß ich das Verhältniß zwischen Willen und Geist nochmals klarstelle. Ich erinnere an Gesagtes und daran, daß Schopenhauer selbst schließlich widerrufen und bekennen mußte, daß der Intellekt der Wille zu erkennen sei, wie der Magen der Wille zu verdauen u.s.w. Ich will nur ganz einfach fragen: was lehrt uns ein Leichnam? Er lehrt uns, daß nicht nur das Selbstbewußtsein, die Vernunft, der Verstand etc. erloschen sind, sondern auch der Wille. Die ganze Idee Mensch,

d.h. dieser bestimmte Charakter mit diesem bestimmten Intellekt

(Parerga II. 246.)

ist todt. –

Dem Intellekt folgt die bevorzugte intuitive Erkenntniß.

Daß nur eine Erscheinung ihr Ende finde, ohne daß das Ding an sich selbst dadurch angefochten werde, ist eine unmittelbare, intuitive Erkenntniß jedes Menschen.

(Parerga II. 287.)

Hat sich Schopenhauer hierbei irgend etwas Deutliches gedacht? Wie soll der genialste Mensch intuitiv erkennen können, daß er unsterblich ist? Und mehr noch: jeder Mensch soll es können! Fürwahr, die Irrthümer Schopenhauer’s treten zuweilen mit einer Dreistigkeit und Unverschämtheit auf, welche das sanfteste Blut in Wallungen versetzen. In mystischer Verzückung, hervorgerufen durch Fasten und Kasteien, mag sich mancher fromme heilige Büßer in einem verklärten Bilde gesehen haben, welche Vision ihm die Gewißheit, daß seine Seele unsterblich sei, eingeflößt haben mag; aber daß jeder Mensch anschaulich seine Unsterblichkeit erkennen kann, das übersteigt doch alle Begriffe. Auch eilt Schopenhauer diese intuitive Erkenntniß auf das Gefühl zurückzuführen, denn nur vier Zeilen weiter ist zu lesen:

i544 Jeder fühlt, daß er etwas Anderes ist, als ein von einem Anderen einst aus Nichts geschaffenes Wesen.

Schließlich möge der Hauptfehler Schopenhauer’s, sein metaphysischer Hang, ex tripode reden:

Hinter unserem Dasein steckt etwas Anderes, das uns erst dadurch zugänglich wird, daß wir die Welt abschütteln.

(W. a. W. u. V. I. 479.)

Ich glaube, wir werden im Augenblick des Sterbens inne, daß eine bloße Täuschung unser Dasein auf unsere Person beschränkt hatte.

(ib. II. 689.)

Tod und Geburt sind die stete Auffrischung des Bewußtseins des an sich end- und anfangslosen Willens, der allein gleichsam die Substanz des Daseins ist (jede solche Auffrischung aber bringt eine neue Möglichkeit der Verneinung des Willens zum Leben).

(ib. II. 571.)

Das Hin- und Herschwanken Schopenhauer’s zwischen einem immanenten Gebiete und einem mit demselben zugleich existirenden transscendenten (ein Oscilliren, dem kein Philosoph seither entgehen konnte, und welchem erst durch meine Philosophie ein jähes Ende bereitet worden ist), und sein vergebliches Bemühen, beide Gebiete in Einklang zu bringen, zeigen sich in keiner Stelle so deutlich wie in dieser:

Man kann auch sagen: Der Wille zum Leben stellt sich dar in lauter Erscheinungen, welche total zu Nichts werden. Dieses Nichts mitsammt den Erscheinungen bleibt aber innerhalb des Willens zum Leben, ruht auf seinem Grunde.

(Parerga II. 310.)

Er ist wenigstens so ehrlich, hinzuzufügen:

Das ist freilich dunkel!

—————

Natürlich ist dem transscendenten Schopenhauer nicht die Zeugungsstunde, sondern die Todesstunde die wichtigste im ganzen Leben. Von ihr spricht er in demselben hochfeierlichen, salbungsvollen Tone, wie Kant vom Gewissen.

Der Tod ist die große Gelegenheit, nicht mehr Ich zu sein: wohl Dem, der sie benutzt.

(W. a. W. u. V. II. 580.)

i545 In der Stunde des Todes entscheidet sich, ob der Mensch in den Schooß der Natur zurück fällt, oder aber dieser nicht mehr angehört, sondern – – – – für diesen Gegensatz fehlt uns Bild, Begriff und Wort.

(ib. 697.)

Der Tod des Individuums ist die jedesmalige und unermüdlich wiederholte Anfrage der Natur an den Willen zum Leben: Hast Du genug? Willst Du aus mir hinaus?

(–)

In diesem Sinne gedacht ist die christliche Fürsorge für gehörige Benutzung der Sterbestunde, mittelst Ermahnung, Beichte, Kommunion und letzte Oelung: daher auch die christlichen Gebete um Bewahrung vor einem plötzlichen Ende.

(–)

Das Sterben ist allerdings als der eigentliche Zweck des Lebens anzusehen: im Augenblick desselben wird Alles das entschieden, was durch den ganzen Verlauf des Lebens nur vorbereitet und eingeleitet war.

(ib. 730.)

In der Stunde des Todes drängen alle die geheimnißvollen (wenngleich eigentlich in uns selbst wurzelnden) Mächte, die das ewige Schicksal des Menschen bestimmen, sich zusammen und treten in Action. Aus ihrem Conflikt ergiebt sich der Weg, den er jetzt zu wandern hat, bereitet nämlich seine Palingenesie sich vor, nebst allem Wohl und Wehe, welches in ihr begriffen und von dem an unwiderruflich bestimmt ist. – – – Hierauf beruht der hochernste, wichtige, feierliche und furchtbare Charakter der Todesstunde. Sie ist eine Krisis im stärksten Sinne des Worts, ein Weltgericht.

(Parerga I. 238.)

Mit Plato möchte man sagen: O du Wunderlicher! – Wenn die kleinen Kinder sich fürchten, so muß die Amme singen. Sollte Schopenhauer – sollte er wirklich – – – – –?

—————

Es ist hier der richtige Ort, um ein Wort über den Selbstmord zu sagen. Schopenhauer, als Mensch, steht demselben vollkommen vorurtheilsfrei gegenüber, was ich ihm hoch anrechne. Nur kalte, herzlose, oder in Dogmen befangene Menschen können einen Selbstmörder verdammen. Wohl uns Allen, daß uns von milder Hand eine Thüre geöffnet worden ist, durch die wir, wenn uns die Hitze im schwülen Saale des Lebens unerträglich wird, in die |

i546 stille Nacht des Todes eingehen können. Nur der crasseste Despotismus kann den versuchten Selbstmord bestrafen.

Wenn die Kriminaljustiz den Selbstmord verpönt, so ist dies kein kirchlich gültiger Grund und überdies entschieden lächerlich: denn welche Strafe kann Den abschrecken, der den Tod sucht? Bestraft man den Versuch zum Selbstmord, so ist es die Ungeschicklichkeit, durch welche er mißlang, die man bestraft.

(Parerga II. 329.)

Dagegen stempelt der Philosoph Schopenhauer, ohne irgend einen stichhaltigen Grund, den Selbstmord überhaupt zu einer zwecklosen That. Er meint:

Ein Lebensmüder hat nicht vom Tode Befreiung zu hoffen und kann sich nicht durch Selbstmord retten; nur mit falschem Schein lockt ihn der finstere, kühle Orcus als Hafen der Ruhe.

(W. a. W. u. V. I. 331.)

Der Selbstmörder verneint nur das Individuum, nicht die Species.

(ib. 472.)

Der Selbstmord ist die willkürliche Zerstörung einer einzelnen Erscheinung, bei der das Ding an sich ungestört stehen bleibt.

(–)

Dies ist falsch. Wie Schopenhauer ex tripode erklärte: der Wille ist metaphysisch, der Intellekt physisch, während uns doch jeder Leichnam deutlich zeigt, daß die ganze Idee zerstört ist, so behandelt er auch den Selbstmord. Er nimmt die Miene an, als ob er ganz genau, aus sicherster Quelle, erfahren habe, was mit einem Selbstmörder nach dem Tode vorgehe. Die Wahrheit ist, daß der Selbstmörder, als Ding an sich, im Tode vernichtet wird, wie jeder Organismus. Lebt er nicht in einem anderen Leibe fort, so ist der Tod seine absolute Vernichtung; im anderen Falle entflieht er nur mit seinem schwächsten Theile dem Leben. Er hält das Rad ein, das sonst noch eine Weile geschwungen hätte, nachdem die bewegende Kraft es verließ.

Man lese auch die Seite 474 im I. Bd. von W. a. W. u. V., wo der in der Askese gewählte Hungertod einen anderen Erfolg, als der gewöhnliche Selbstmord haben soll, und man wird über die Irrfahrten eines großen Geistes erstaunen. –

Diese Voruntersuchungen zur Ethik schließe ich am besten mit einem anderen guten Gedanken Schopenhauer’s:

i547 Die Philosophie soll mittheilbare Erkenntniß, muß daher Rationalismus sein.

(Parerga II. 11.)

—————

Wir treten jetzt vor die Hauptfragen der Ethik:

1) Ist der Wille frei?

2) Was ist das Fundament der Moral?

Daß der Wille nicht frei sei, ist eine sehr alte, aber stets angefochtene Wahrheit. Christus sprach sie aus, und Paulus, Augustinus, Luther, Calvin, bekannten sich zu ihr. Die größten Denker aller Zeiten haben ihr gehuldigt, und nenne ich: Vanini, Hume, Hobbes, Spinoza, Priestley, Kant und Schopenhauer.

Wir haben nun die Stellung zu prüfen, welche die beiden letzteren Philosophen dem libero arbitrio indifferentiae gegenüber einnehmen.

Nach Kant ist die Welt ein Ganzes von Erscheinungen. Diese Erscheinungen sowohl, als ihre Verknüpfungen untereinander, bringt das denkende Subjekt, aus eigenen Mitteln, hervor (durch Raum, Zeit und Kategorien). Indessen liegt doch jeder Erscheinung ein Ding an sich zu Grunde. Kant hat sich, wie wir wissen, das Ding an sich erschlichen, indem er es an der Hand der Causalität auffand, welche doch nur auf dem Gebiete der Erscheinungen Gültigkeit haben sollte. Auf diesem erschlichenen Verhältniß der Erscheinung zu etwas, das in ihr erscheint, ist nun seine berühmte Unterscheidung des intelligibelen Charakters vom empirischen begründet, die Schopenhauer

zum Schönsten und Tiefgedachtesten, was dieser große Geist, ja, was Menschen jemals hervorgebracht haben

rechnet und für

die größte aller Leistungen des menschlichen Tiefsinns

hält. Vor allen Dingen liegt uns jetzt ob, zu sehen, ob sie dieses Lob verdient oder nicht.

Zunächst leidet sie an einer petitio principii aus den angeführten Gründen; denn Kant legt dem empirischen Charakter einen intelligibelen ohne Weiteres unter: ohne Beweis, den er eben, seiner Philosophie zufolge, gar nicht beizubringen im Stande war. Sehen |

i548 wir indessen hiervon ab und werden wir uns klar darüber, was Kant unter den beiden Charakteren versteht. Er sagt:

Ich nenne dasjenige an einem Gegenstand der Sinne, was selbst nicht Erscheinung ist, intelligibel.

(Kk. d. V. 420.)

Es muß eine jede wirkende Ursache einen Charakter haben, d.i. ein Gesetz ihrer Causalität, ohne welches sie gar nicht Ursache sein würde. Und da würden wir an einem Subjekte der Sinnenwelt erstlich einen empirischen Charakter haben, wodurch seine Handlungen als Erscheinungen durch und durch mit anderen Erscheinungen nach beständigen Naturgesetzen im Zusammenhange ständen, und von ihnen, als ihren Bedingungen abgeleitet werden könnten. – –

Zweitens würde man ihm noch einen intelligibeln Charakter einräumen müssen, wodurch es zwar die Ursache jener Handlungen als Erscheinungen ist, der aber selbst unter keinen Bedingungen der Sinnlichkeit steht und selbst nicht Erscheinung ist.

(ib. 421.)

Dieser intelligible Charakter könnte zwar niemals unmittelbar gekannt werden, weil wir Nichts wahrnehmen können, als so fern es erscheint, aber er würde doch dem empirischen Charakter gemäß gedacht werden müssen.

(ib. 422.)

Es handelt sich also um die bestimmte Art der Wirksamkeit eines Subjekts der Sinnenwelt: seine Natur, der gemäß es immer wirken muß. Diese Natur ist sein empirischer Charakter. Als solcher ist er aber nur Erscheinung eines X, eines unausgedehnten, zeitlosen Dinges an sich, das, aller Nothwendigkeit enthoben, in voller Freiheit Grund der Erscheinung ist und nur dem empirischen Charakter gemäß gedacht werden kann.

An den empirischen Charakter müssen wir uns demnach halten, um den intelligibeln, gleichsam an einem kurzen Endchen, erfassen zu können; denn dieser ist unmittelbar nicht zu verkennen.

Im Beispiel vom Lügner (Kk. 431) heißt es:

Man geht seinen empirischen Charakter durch bis zu den Quellen desselben, die man in der schlechten Erziehung, übler Gesellschaft, zum Theil auch in der Bösartigkeit eines für Beschämung |

i549 unempfindlichen Naturells aufsucht, zum Theil auf den Leichtsinn und Unbesonnenheit schiebt.

und aus anderen Stellen geht hervor, daß der empirische Charakter die Receptivität einer gegebenen Sinnlichkeit ist.

Nun sollte man nach Obigem meinen, daß der intelligible Charakter das Substrat dieser in die Erscheinung tretenden Eigenschaften, Charaktereigenthümlichkeiten, kurz, die stets gleiche Beschaffenheit des Herzens sei; denn der empirische Charakter ist nur die Erscheinung des intelligibeln und dieser ist nur die transscendentale Ursache von jenem, mithin kann zwischen beiden, wenn auch der intelligibele seinem Wesen nach nicht unmittelbar zu erkennen ist, kein absoluter Unterschied bestehen.

Trotzdem legt Kant den intelligibelen Charakter in den Kopf des Menschen.

Der Mensch, der die ganze Natur sonst lediglich nur durch Sinne kennt, erkennt sich selbst auch durch bloße Apperception, und zwar in Handlungen und inneren Bestimmungen, die er gar nicht zum Eindrucke der Sinne zählen kann, und ist sich selbst freilich einestheils Phänomen, anderentheils aber, nämlich in Ansehung gewisser Vermögen, ein blos intelligibler Gegenstand, weil die Handlung desselben gar nicht zur Receptivität der Sinnlichkeit gezählt werden kann. Wir nennen diese Vermögen Verstand und Vernunft; vornehmlich wird die letztere ganz eigentlich und vorzüglicher Weise von allen empirisch bedingten Kräften unterschieden, da sie ihre Gegenstände bloß nach Ideen erwägt.

(ib. 426.)

Also ein Erkenntnißvermögen ist der transscendentale Grund der moralischen Eigenschaften eines Menschen, der bestimmten Art seines Willens, seines Begehrungsvermögens.

Hiergegen muß ich mit Entschiedenheit protestiren; nicht nur vom Standpunkte meiner Philosophie aus, sondern auch im Namen Schopenhauer’s, der glänzend nachgewiesen hat, daß zum Wesen des Dinges an sich Intellekt und Selbstbewußtsein nicht nothwendig gehören, diese also niemals der transscendentale Grund einer Erscheinung sein können.

Kant fährt fort:

i550 Die reine Vernunft als ein bloß intelligibles Vermögen ist der Zeitform, und mithin auch den Bedingungen der Zeitfolge nicht unterworfen. Die Causalität der Vernunft im intelligiblen Charakter entsteht nicht, oder hebt nicht etwa zu einer gewissen Zeit an, um eine Wirkung hervorzubringen. Denn sonst würde sie selbst dem Naturgesetz der Erscheinungen, so fern es Causalreihen der Zeit nach bestimmt, unterworfen sein, und die Causalität wäre alsdann Natur, und nicht Freiheit. Also werden wir sagen können: wenn Vernunft Causalität in Ansehung der Erscheinungen haben kann, so ist sie ein Vermögen, durch welches die sinnliche Bedingung einer empirischen Reihe von Wirkungen zuerst anfängt.

(ib. 429.)

Dies ist gleichfalls falsch und entspringt aus der reinen Anschauung a priori Zeit, welche der Sinnlichkeit angehören soll. Wir wissen, daß erstens die Gegenwart die Form der Vernunft ist, und zweitens, daß, unabhängig von der idealen Zeit eines erkennenden Subjekts, das Ding an sich in realer Bewegung lebt. Wenn ich das Ding aus der Zeit heraushebe, so habe ich ihm damit in keiner Weise die reale Bewegung genommen und es zu einem einsam und bewegungslos über dem Strom der Entwicklung schwebenden Wesen gemacht. Der intelligibele Charakter kann also, man setze ihn nun in die Vernunft, oder in den Schopenhauer’schen Willen zum Leben, schlechterdings keine empirische Reihe von Wirkungen von selbst anfangen; denn jede seiner Handlungen, die eine Reihe von Wirkungen hervorbringt, ist selbst immer das Glied einer Reihe, deren Glieder durch die strengste Nothwendigkeit verkettet sind.

Sehen wir indessen auch hiervon ab und denken wir uns, der intelligibele Charakter sei frei. Wie

könnte da wohl die Handlung desselben frei heißen, da sie im empirischen Charakter desselben (der Sinnesart) ganz genau bestimmt und nothwendig ist?

(Kk. d. V. 429.)

Von zwei Möglichkeiten eine nur: entweder hat der intelligibele Charakter (die Denkungsart) ein- für allemal die Natur des empirischen Charakters (der Sinnesart) bestimmt und der empirische Charakter eines Menschen bleibt zeitlebens der selbe, ist nur der in eine Reihe einzelner Acte auseinandergezogene intelligible, |

i551 oder der Mensch nimmt in der Natur eine Ausnahmestellung ein und ist auch als Erscheinung frei, hat das liberum arbtrium.

Kant umgeht diese Alternative und spricht dem intelligibelen Charakter die Fähigkeit zu, den empirischen jederzeit zu bestimmen.

Denn da Vernunft selbst keine Erscheinung und gar keinen Bedingungen der Sinnlichkeit unterworfen ist, so findet in ihr, selbst in Betreff ihrer Causalität, keine Zeitfolge statt, und auf sie kann also das dynamische Gesetz der Natur, was die Zeitfolge nach Regeln bestimmt, nicht angewandt werden. –

In Ansehung des intelligibeln Charakters, wovon der empirische nur das sinnliche Schema ist, gilt kein Vorher oder Nachher, und jede Handlung ist die unmittelbare Wirkung des intelligibeln Charakters der reinen Vernunft, welche mithin frei handelt... und diese ihre Freiheit kann man nicht allein negativ als Unabhängigkeit von empirischen Bedingungen ansehen, sondern auch positiv durch ein Vermögen bezeichnen, eine Reihe von Begebenheiten von selbst anzufangen.

(430.)

Und nun folgt das Beispiel vom Lügner, aus welchem klar und deutlich erhellt, daß der intelligibele Charakter den empirischen jederzeit bestimmen kann.

Der Tadel gründet sich auf ein Gesetz der Vernunft, wobei man diese als eine Ursache ansieht, welche das Verhalten des Menschen, unangesehen aller genannten empirischen Bedingungen, anders habe bestimmen können und sollen. – – –

Die Handlung wird dem intelligibelen Charakter des Lügners beigemessen, er hat jetzt, in dem Augenblicke, da er lügt, gänzlich Schuld, mithin war die Vernunft unerachtet aller empirischen Bedingungen der That völlig frei, und ihrer Unterlassung ist diese gänzlich beigemessen.

Ferner (Kk. d. prac. V. 139.)

Dem kategorischen Gebote Genüge zu leisten ist in Jedes Gewalt zu aller Zeit.

Mit anderen Worten: der Mensch ist jederzeit frei und die Nothwendigkeit seiner Handlungen ist ein Schein, wie er selbst (als Körper), die Welt, Alles nur Schein ist.

i552 Ein anderes Resultat war nicht zu erwarten vom Standpunkte des nominell kritischen, in der That aber empirischen Idealismus. Mit den Lippen bekennt sich Kant zur Nothwendigkeit, mit dem Herzen zur Freiheit der menschlichen Handlungen. Es ist auch nicht möglich, Freiheit und Nothwendigkeit mit einer Hand in der Welt zu umspannen. Entweder nur Freiheit, oder nur Nothwendigkeit.

Kant selbst muß gestehen:

In der Anwendung, wenn man sie (Freiheit und Nothwendigkeit) als in einer und derselben Handlung vereinigt und also diese Vereinigung selbst erklären will, thun sich doch große Schwierigkeiten hervor, die eine solche Vereinigung unthunlich zu machen scheinen.

(Kk. d. pract. V. 211.)

und:

Die hier vorgetragene Auflösung der Schwierigkeiten hat aber, wird man sagen, doch viel Schweres in sich, und ist einer hellen Darstellung kaum empfänglich. Allein, ist denn jede andere, die man versucht hat, oder versuchen mag, leichter und faßlicher?

(ib. 220.)

Das Problem war übrigens, von Allem abgesehen, zu Kant’s Zeit noch nicht für die Lösung reif. Jeder Mensch hat einen bestimmten Wirkungskreis; der Kant’s war das Gebiet des Erkenntnißvermögens, auf dem er Unsterbliches leistete. In der Moral fiel ihm nur die Aufgabe zu, sämmtliche einschläglichen Fragen zu ventiliren. Er hat es in der umfassendsten Weise gethan, aber nichts Dauerhaftes zu Wege gebracht. Einer anderen frischen Kraft (Schopenhauer) war es vorbehalten, das wahre Ding an sich zu entschleiern, welches doch allein die Quelle aller moralischen Handlungen sein kann. Kant hatte das Ding an sich in der Erkenntnißtheorie als x stehen lassen; in der Ethik dagegen, wo es in einer bestimmenden Weise berührt werden mußte, legte er es in die menschliche Vernunft, wo es offenbar nicht hingehört. Schopenhauer entschleierte es, aber, als ob seine Denkkraft sich hierbei nahezu erschöpft habe, konnte er keine makellose Ethik liefern und mußte es mir überlassen, durch die absolute Trennung des immanenten vom transscendenten Gebiete, die Vereinigung von Freiheit und Nothwendigkeit in einer und derselben Handlung deutlich und überzeugend für Jeden zu erklären.

i553 Nicht den Worten, wohl aber ihrem Sinne nach, ging Kant von einer reinen erkennenden und von einer unreinen sinnlichen Seele aus. Der Mensch gehört zwei Welten an: der Sinnenwelt und der intelligibelen Welt,

in der wir schon jetzt sind, und in der unser Dasein der höchsten Vernunftbestimmung gemäß fortzusetzen, wir durch bestimmte Vorschriften angewiesen werden können.

(Kk. d. prac. Vern. 226.)

Bald giebt er nun jeder Seele einen besondern Willen, bald stellt er beiden nur einen zur Verfügung, bald ist auch der Wille an sich nichts, bald ist er etwas. Folgende Stellen werden dies klarlegen.

Eine Willkür ist bloß thierisch (arbitrium brutum), die nicht anders, als durch sinnliche Antriebe, d.i. pathologisch bestimmt werden kann. Diejenige aber, welche unabhängig von sinnlichen Antrieben, mithin durch Bewegursachen, welche nur von der Vernunft vorgestellt werden, bestimmt werden kann, heißt die freie Willkür (arbitrium liberum), und Alles, was mit dieser, es sei als Grund oder Folge, zusammenhängt, wird practisch genannt. Die practische Freiheit kann durch Erfahrung bewiesen werden. Denn nicht bloß Das, was reizt, d.i. die Sinne unmittelbar afficirt, bestimmt die menschliche Willkür, sondern wir haben ein Vermögen, durch Vorstellungen von Dem, was selbst auf entferntere Art nützlich oder schädlich ist, die Eindrücke auf unser sinnliches Begehrungsvermögen zu überwinden.

(Kk. d. V. 599.)

Nur ein vernünftiges Wesen hat das Vermögen, nach der Vorstellung der Gesetze, d.i. nach Principien zu handeln, oder einen Willen. Da zur Ableitung der Handlungen von Gesetzen Vernunft erfordert wird, so ist der Wille nichts anders als practische Vernunft. Wenn die Vernunft den Willen unausbleiblich bestimmt, so sind die Handlungen eines solchen Wesens, die als objektiv nothwendig erkannt werden, auch subjektiv nothwendig, d.i. der Wille ist ein Vermögen, nur dasjenige zu wählen, was die Vernunft unabhängig von der Neigung als practisch nothwendig, d.h. als Gut erkennt. Bestimmt aber die Vernunft für sich allein den Willen nicht |

i554 hinlänglich, ist dieser noch subjektiven Bedingungen (gewissen Triebfedern) unterworfen, die nicht immer mit den objektiven übereinstimmen, mit einem Worte, ist der Wille nicht an sich völlig der Vernunft gemäß (wie es bei Menschen wirklich ist), so sind die Handlungen, die objektiv als nothwendig erkannt werden, subjektiv zufällig, und die Bestimmung eines solchen Willens, objektiven Gesetzen gemäß, ist Nöthigung.

(Kk. d. p. V. 33.)

Außer dem Verhältnisse, darin der Verstand zu Gegenständen (im theoretischen Erkenntnisse) steht, hat er auch eines zum Begehrungsvermögen, das darum der Wille heißt, und der reine Wille, sofern der reine Verstand (der in solchem Falle Vernunft heißt) durch die bloße Vorstellung eines Gesetzes praktisch ist. Die objektive Realität eines reinen Willens, oder, welches einerlei ist, einer reinen practischen Vernunft....

(ib. 162.)

Wir haben also

1) a. einen thierischen Willen,

b. einen freien Willen;

2) nur einen Willen.

Dieser eine Wille ist

1) indifferent, da er sich bald von der reinen, bald von der unreinen Seele bestimmen läßt;

2) ist er nicht indifferent, sondern

a. der Wille schlechthin, wenn er das Verhältniß des Verstandes zum Begehrungsvermögen ausdrückt;

b. der reine Wille, wenn die Vernunft durch die bloße Vorstellung eines Gesetzes practisch ist.

Es ist nicht möglich, einem Begriff eine größere Vieldeutigkeit zu geben, kurz, die Confusion weiter zu treiben.

—————

Kant’s Unterscheidung des intelligibelen Charakters vom empirischen verdient also nicht das Lob, das ihr Schopenhauer so reichlich spendete. Kant griff nach der Freiheit und nach der Nothwendigkeit zu gleicher Zeit, und die Folge davon war, daß er weder die eine, noch die andere erfaßte: er setzte sich zwischen zwei Stühle.

i555 Warum nun bekannte sich Schopenhauer zu dieser Lehre? Weil sie seinem metaphysischen Hang zusagte, und weil es so angenehm war, je nach Bedarf, bald die Nothwendigkeit, bald die Freiheit in den Vordergrund stellen zu können.

Er hat indessen die Lehre Kant’s nicht unangetastet gelassen, sondern sie ebenso gewaltsam umgemodelt, wie Plato’s Ideenlehre. Zunächst machte er Kant’s intelligibeln Charakter zum Willen, als Ding an sich, während Kant ganz unzweideutig, klar und bündig sagte, er sei die Vernunft; zweitens ließ er den empirischen Charakter ein- für allemal durch den intelligibelen bestimmt worden sein, während Kant dem intelligibelen die Fähigkeit zusprach, jederzeit sich am empirischen Charakter zu offenbaren. Schopenhauer lehrt:

Der empirische Charakter ist, wie der ganze Mensch, als Gegenstand der Erfahrung eine bloße Erscheinung, daher an die Formen aller Erscheinung, Zeit, Raum und Kausalität, gebunden und deren Gesetzen unterworfen: hingegen ist die als Ding an sich von diesen Formen unabhängige und deshalb keinem Zeitunterschiede unterworfene, mithin beharrende und unveränderliche Bedingung und Grundlage dieser ganzen Erscheinung, sein intelligibler Charakter, d.h. sein Wille als Ding an sich, welchem, in solcher Eigenschaft allerdings auch absolute Freiheit, d.h. Unabhängigkeit vom Gesetze der Kausalität (als einer bloßen Form der Erscheinungen) zukommt. Diese Freiheit aber ist eine transscendentale, d.h. nicht in der Erscheinung hervortretende.

(Ethik 96.)

Demnach steht für die Welt der Erfahrung das Operari sequitur esse ohne Ausnahme fest. Jedes Ding wirkt gemäß seiner Beschaffenheit und sein auf Ursachen erfolgendes Wirken giebt diese Beschaffenheit, kund. Jeder Mensch handelt nach dem wie er ist, und die demgemäß jedes Mal nothwendige Handlung wird, im individuellen Fall, allein durch die Motive bestimmt. Die Freiheit, welche daher im Operari nicht anzutreffen sein kann, muß im Esse liegen.

(ib. 97.)

Es ist klar, daß Schopenhauer in seiner wichtigen Schrift:»Ueber die Freiheit des Willens«, welche ohne Frage

zum Schönsten und Tiefgedachtesten gehört, was je geschrieben worden ist,

i556 die Lehre Kant’s wesentlich verbesserte – aber seine Unterscheidung des intelligibeln vom empirischen Charakter ist doch nicht die Kant’s. Die tiefe Kluft zwischen beiden Erklärungen umgeht er stets geflissentlich; nur zweimal, vom Unwillen fortgerissen, beklagt er sich ganz kurz:

Der Wille, den Kant höchst unstatthaft, mit unverzeihlicher Verletzung alles Sprachgebrauchs, Vernunft betitelt.

(W. a. W. u. V. I. 599.)

Man sieht in der Kantischen Ethik, zumal in der Kritik der practischen Vernunft, stets im Hintergrunde den Gedanken schweben, daß das innere und ewige Wesen des Menschen in der Vernunft bestände.

(Ethik 132.)

In der angeführten vortrefflichen Schrift beweist Schopenhauer unwiderleglich und unumstößlich, daß der Wille, als empirischer Charakter, niemals frei ist. War die Sache auch nicht neu, so hat er doch das unbestreitbare Verdienst, die Controverse über Freiheit und Unfreiheit menschlicher Handlungen für alle Vernünftigen definitiv abgethan zu haben. Die Unfreiheit des Willens gehört fortan zu den wenigen Wahrheiten, die sich die Philosophie bis jetzt erkämpft hat. Von der transscendenten Freiheit werde ich gleich sprechen.


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