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Schopenhauer. 2 страница

Analytik des Erkenntnißvermögens. | Schopenhauer. 4 страница | Schopenhauer. 5 страница | Schopenhauer. 6 страница | Schopenhauer. 7 страница | Schopenhauer. 8 страница | Schopenhauer. 9 страница | Schopenhauer. 10 страница | Schopenhauer. 11 страница | Schopenhauer. 12 страница |


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Für die reflectirende Vernunft erfüllen allerdings alle Veränderungen ohne Ausnahme, wie die Anschauung selbst, eine gewisse Zeit; aber wie die Anschauung ist auch die Wahrnehmung solcher Ortsveränderungen nicht vom Bewußtsein der Zeit abhängig; denn das Subjekt erkennt sie unmittelbar auf dem Punkte der Gegenwart, was wohl zu bemerken ist. Die Zeit ist eine ideale Verbindung; sie verfließt nicht, sondern ist eine gedachte feste Linie. Jeder vergangene Augenblick ist gleichsam erstarrt und kann nicht um eine Haarbreite verschoben werden. Ebenso hat jeder zukünftige Augenblick seine bestimmte feste Stelle auf der idealen Linie. Was sich aber continuirlich bewegt, das ist der Punkt der Gegenwart: er verfließt, nicht die Zeit.

Auch wäre es ganz verkehrt zu sagen: eben dieses Verfließen der Gegenwart sei die Zeit; denn verfolgt man nur den Punkt der Gegenwart, so kommt man nie zur Vorstellung der Zeit: da bleibt man immer in der Gegenwart. Man muß zurück- und vorwärtssehen und dabei gleichsam feste Uferpunkte haben, um die ideale Verbindung Zeit zu gewinnen.

Hingegen werden Ortsveränderungen, welche nicht unmittelbar auf dem Punkte der Gegenwart wahrgenommen werden können, und alle Entwickelungen nur vermittelst der Zeit erkannt. Die Bewegung der Zeiger einer Uhr entzieht sich unserer Wahrnehmung. Soll ich nun erkennen, daß der selbe Zeiger zuerst auf 6, dann auf 7 stand, so muß ich mir der Succession bewußt werden, d.h. um zwei contradictorisch entgegengesetzte Prädicate dem selben Objecte beilegen zu können, bedarf ich der Zeit.

Ebenso verhält es sich mit Ortsveränderungen, welche ich, in der Gegenwart verbleibend, hätte wahrnehmen können, aber nicht wahrgenommen habe (Verschiebung eines Objekts hinter meinem Rücken) und mit Entwickelungen. Unser Baum blüht eben. Versetzen wir uns nun in den Herbst und geben dem Baum Früchte, so bedürfen wir der Zeit, um den blühenden und den früchtetragenden Baum als das selbe Object zu erkennen. Ein und derselbe Gegenstand kann hart und weich, roth und grün sein, aber er kann immer nur eines von beiden Prädicaten in einer Gegenwart haben.

i17

15.

Wir haben jetzt das ganze Gebiet der Anschauung durchmessen.

Ist es, d.h. die Gesammtheit räumlich- materieller Objekte, die ganze Welt unserer Erfahrung? Nein! Sie ist nur ein Ausschnitt aus der Welt als Vorstellung. Wir haben Sinneseindrücke, deren Ursache der Verstand, seine Funktion ausübend, sucht, welche er aber nicht räumlich und materiell gestalten kann. Und dennoch haben wir auch die Vorstellung von nicht- anschaulichen Objekten und dadurch allererst die Vorstellung einer Collectiv-Einheit, des Weltalls. Wie gelangen wir dazu?

Jede Wirkungsart eines Dinges an sich wird, insofern sie die Sinne für die Anschauung (Gesichts- und Tastsinn) afficirt, von der Verstandesform Materie objektivirt, d.h. sie wird für uns materiell. Eine Ausnahme findet in keiner Weise statt, und ist deshalb die Materie das ideale Substrat aller sichtbaren Objekte, welches an und für sich qualitätslos ist, an dem aber alle Qualitäten erscheinen müssen, ähnlich wie der Raum ausdehnungslos ist, aber alle Kraftsphären umzeichnet.

In Folge dieser Qualitätslosigkeit des idealen Substrats aller sichtbaren Objekte wird der Vernunft ein gleichartiges Mannigfaltiges dargereicht, welches sie zur Einheit der Substanz verknüpft.

Die Substanz ist mithin, wie die Zeit, eine Verbindung a posteriori der Vernunft auf Grund einer apriorischen Form. Mit Hülfe dieser idealen Verbindung nun denkt die Vernunft zu allen denjenigen Sinneseindrücken, welche sich in die Formen des Verstandes nicht eingießen lassen, die Materie hinzu und gelangt auf diese Weise auch zur Vorstellung unkörperlicher Objekte. Diese und die körperlichen Objekte machen ein zusammenhängendes Ganzes von substanziellen Objekten aus. Jetzt erst werden uns die Luft, farblose Gase, Düfte und Töne (vibrirende Luft) zu Objekten, ob wir sie gleich nicht räumlich und materiell gestalten können, und der Satz hat nunmehr unbedingte Gültigkeit: daß Alles, was einen Eindruck auf unsere Sinne macht, nothwendig substanziell ist.

Der Einheit der idealen Verbindung Substanz steht auf realem Gebiete das Weltall, die Collectiv-Einheit von Kräften gegenüber, welche von jener total unabhängig ist.

i18

16.

Es verbleiben die Geschmacksempfindungen. Sie führen nicht zu neuen Objekten, sondern zu solchen, welche bereits durch Eindrücke auf andere Sinne entstanden sind. Der Verstand sucht nur die Ursache und überläßt dann der Vernunft das Weitere. Diese übt einfach ihre Funktion aus und verbindet die Wirkung mit dem bereits vorhandenen Objekt, also z.B. den Geschmack einer Birne mit dem materiellen Bissen davon in unserem Munde.

Ueberhaupt kann nur die Vernunft die verschiedenen von einem Objekt ausgehenden Wirkungen als einer einzigen Kraftsphäre entfließend erkennen; denn der Verstand ist kein synthetisches Vermögen. –

Fassen wir jetzt Alles zusammen, so erkennen wir, daß die Vorstellung weder sensual, noch intellectual, noch rational, sondern spiritual ist. Sie ist das Werk des Geistes, d.h. sämmtlicher Erkenntnißvermögen.

 

17.

Wie ich oben gezeigt habe, führen alle Sinneseindrücke zu Objekten, welche in ihrer Gesammtheit die objective Welt ausmachen.

Die Vernunft spiegelt diese ganze objektive Welt in Begriffen und gewinnt dadurch, neben der Welt der unmittelbaren Wahrnehmung, eine Welt der Abstraktion.

Schließlich gelangt sie noch zu einer dritten Welt, zur Welt der Reproduction, welche zwischen den beiden ersten liegt.

Die Vernunft reproducirt, getrennt von der Außenwelt, alles Wahrgenommene mit Hülfe des Gedächtnisses, und zwar bewerkstelligt sie entweder ganz neue Verbindungen, oder stellt sich Entschwundenes genau, aber verblaßt und schwach wieder vor. Der Vorgang ist ganz derselbe, wie bei unmittelbaren Eindrücken auf die Sinne. Die Vernunft erinnert sich durchaus nicht ganzer Bilder, Gerüche, Geschmacksempfindungen, Worte, Töne, sondern nur der Sinneseindrücke. Sie ruft, mit Hülfe des Gedächtnisses, in den Sinnesnerven (und zwar nicht an deren Spitzen, sondern da, wo sie in denjenigen Theil des Gehirnes münden, welchen wir uns als Verstand denken müssen) einen Eindruck hervor und der Verstand objektivirt ihn. Nehmen wir unseren Baum an, so gestaltet der Verstand die Eindrücke, die das Gedächtniß bewahrt hat, zu Theilvorstellungen, die |

i19 Urtheilskraft stellt diese zusammen, die Vernunft verbindet das Zusammengestellte, die Einbildungskraft hält das Verbundene fest und ein blasses Abbild des Baumes steht vor uns. Die außerordentliche Schnelligkeit des Vorgangs darf uns nicht, wie gesagt, zu der falschen Annahme verleiten, daß ein unmittelbares Erinnern der Objekte stattfinde. Der Vorgang ist gerade so complicirt, wie die Entstehung von Objekten auf Grund realer Einwirkungen auf die Sinne.

Die Träume entstehen auf ähnliche Weise. Sie sind vollkommene Reproductionen. Ihre Objectivität verdanken sie im Allgemeinen der Ruhe des schlafenden Individuums und im Besondern der vollen Unthätigkeit der Enden der Sinnesnerven.

 

18.

Wir haben jetzt den Rest der wichtigen Verbindungen zu betrachten, welche die Vernunft, auf Grund apriorischer Functionen und Formen des Erkenntnißvermögens, bewerkstelligt.

Die Funktion des Verstandes ist der Uebergang von der Wirkung im Sinnesorgan zur Ursache. Er übt sie unbewußt aus, denn der Verstand denkt nicht. Er kann auch seine Funktion nicht umgekehrt ausüben und von der Ursache zur Wirkung gehen, denn nur eine Wirkung setzt ihn in Thätigkeit, und so lange ein Gegenstand auf ihn wirkt, d.h. so lange der Verstand überhaupt in Thätigkeit ist, kann er sich mit Nichts weiter beschäftigen, als mit der aufgefundenen Ursache. Gesetzt, er könne denken und wolle von der Ursache zur Wirkung gehen, so würde in diesem Moment das Objekt verschwinden und es könnte nur dadurch wieder gewonnen werden, daß der Verstand neuerdings zur Wirkung die Ursache suchte.

Der Verstand kann also seine Funktion in keiner Weise erweitern. Aber die Vernunft kann es.

Zunächst erkennt sie die Funktion selbst, d.h. sie erkennt, daß die Funktion des Verstandes darin besteht, die Ursache einer Veränderung in den Sinnesorganen zu suchen. Dann legt die Vernunft den Weg von der Ursache zur Wirkung zurück. Sie erkennt also zwei causale Verhältnisse:

1) das Causalitätsgesetz, d.h. das Gesetz, daß jede Veränderung in den Sinnesorganen des Subjekts eine Ursache haben muß;

2) daß Dinge an sich auf das Subjekt wirken.

i20 Hierdurch sind die causalen Verhältnisse von unbestrittener Gültigkeit erschöpft, denn das erkennende Subjekt kann nicht wissen, ob andere Wesen in gleicher Weise erkennen, oder ob sie anderen Gesetzen unterworfen sind. So lobenswerth indessen das behutsame Vorgehen der kritischen Vernunft ist, so tadelnswerth würde sie sein, wenn sie das weitere Eindringen in die causalen Verhältnisse hier aufgäbe. Sie läßt sich auch nicht beirren und stempelt zunächst den Leib des erkennenden Subjekts zu einem Objekt unter Objekten. Auf Grund dieser Erkenntniß gelangt sie zu einem wichtigen dritten causalen Verhältniß. Sie erweitert nämlich das Causalitätsgesetz (Verhältniß zwischen Ding an sich und Subjekt) zur allgemeinen Causalität, welche ich in folgende Formel bringe:

Es wirkt Ding an sich auf Ding an sich und jede Veränderung in einem Objekt muß eine Ursache haben, welche der Wirkung in der Zeit vorangeht. (Ich halte absichtlich Ding an sich und Objekt auch hier auseinander, da wir zwar erkennen, daß Ding an sich auf Ding an sich wirkt, aber Dinge an sich vom Subjekt nur als Objekte wahrgenommen werden können.)

Vermittelst der allgemeinen Causalität verknüpft also die Vernunft Objekt mit Objekt, d.h. die allgemeine Causalität ist Bedingung der Möglichkeit, das Verhältniß, in dem Dinge an sich zu einander stehen, zu erkennen.

Hier ist nun der Ort, den Begriff der Ursache festzustellen. Da Ding an sich auf Ding an sich wirkt, so giebt es überhaupt nur wirkende Ursachen (causae efficientes), die man eintheilen kann in

1) mechanische Ursachen (Druck und Stoß),

2) Reize,

3) Motive.

Die mechanischen Ursachen treten hauptsächlich im unorganischen Reiche, die Reize hauptsächlich im Pflanzenreich, die Motive nur im Thierreich auf.

Da ferner der Mensch, vermöge der Zeit, dem Kommenden entgegensehen kann, so kann er sich Ziele setzen, d.h. für den Menschen und nur für ihn giebt es Endursachen (causae finales) oder ideale Ursachen. Sie sind, wie alle anderen Ursachen, wirkende, weil sie immer nur wirken können, wenn sie auf dem Punkte der Gegenwart stehen.

Der Begriff Gelegenheitsursache ist dahin einzuschränken, daß er |

i21 nur die Veranlassung bezeichnet, welche ein Ding an sich einem anderen giebt, auf ein drittes zu wirken. Zieht eine Wolke, welche die Sonne verhüllte, fort und wird meine Hand warm, so ist das Wegziehen der Wolke Gelegenheitsursache, nicht Ursache selbst, der Erwärmung meiner Hand.

 

19.

Die Vernunft erweitert ferner die allgemeine Causalität, welche zwei Dinge verknüpft (das wirkende und leidende) zu einem vierten causalen Verhältnisse, welches die Wirksamkeit aller Dinge an sich umfaßt, zur Gemeinschaft oder Wechselwirkung. Dieselbe besagt, daß jedes Ding continuirlich, direkt und indirekt, auf alle anderen Dinge der Welt wirkt, und daß gleichzeitig auf dasselbe alle anderen continuirlich, direkt und indirekt, wirken, woraus folgt, daß kein Ding an sich eine absolut selbstständige Wirksamkeit haben kann.

Wie das Gesetz der Causalität zur Setzung einer vom Subjekt unabhängigen Wirksamkeit und die allgemeine Causalität zur Setzung der vom Subjekt unabhängigen Einwirkung der Dinge an sich auf einander führte, so ist auch die Gemeinschaft nur eine subjektive Verknüpfung, vermöge welcher der reale dynamische Zusammenhang des Weltalls erkannt wird. Der letztere würde auch vorhanden sein ohne ein erkennendes Subjekt; das Subjekt könnte ihn aber nicht erkennen, wenn es nicht die Verbindung der Gemeinschaft in sich zu bewerkstelligen vermöchte, oder mit anderen Worten: die Gemeinschaft ist die Bedingung der Möglichkeit, den dynamischen Zusammenhang des Weltalls zu erfassen.

 

20.

Die Vernunft hat jetzt nur noch eine Verbindung herzustellen: den mathematischen Raum.

Der (Punkt-) Raum unterscheidet sich von der Gegenwart dadurch wesentlich, daß er vollkommen ausreicht, um die Anschauung hervorzubringen, während die Gegenwart nicht genügend ist, um sämmtliche Bewegungen der Dinge zu erkennen.

Es möchte mithin überhaupt als unnütz erscheinen, zur Construction des mathematischen Raumes, der eine Verbindung a posteriori, wie die Zeit, ist, zu schreiten. Dies ist aber nicht der |

i22 Fall; denn der mathematische Raum ist für die menschliche Erkenntniß unentbehrlich, weil die Mathematik auf ihm beruht, deren hohen Werth auch Derjenige willig anerkennen wird, welcher ihr Freund nicht ist. Nicht nur ist die Mathematik die unerschütterliche Basis verschiedener Wissenschaften, namentlich der für die Cultur der Menschengattung so überaus wichtigen Astronomie, sondern sie ist auch der Eckstein der Kunst (Architektur) und die Grundlage der Technik, welche in ihrer weiteren Entwickelung die sozialen Verhältnisse der Menschen total umgestalten wird.

Der mathematische Raum entsteht, indem die Vernunft den Punkt-Raum bestimmt, auseinanderzutreten, und dann beliebige reine Räumlichkeiten zu einem Ganzen von unbestimmter Ausdehnung verbindet. Sie verfährt hierbei, wie bei der Bildung ganzer Objekte, aus Theilvorstellungen.

Der mathematische Raum ist die einzige Verbindung auf apriorischem Grunde, welche das Ding an sich nicht bestimmen hilft. Demgemäß steht ihm auf realem Gebiete kein Ding an sich, noch eine Gesammtheit solcher, sondern das absolute Nichts gegenüber, welches wir uns in keiner anderen Weise als durch den mathematischen leeren Raum vorstellen können.

 

21.

Zu den mannigfachen Beziehungen, welche die Vernunft zum Verstande hat, tritt schließlich noch diese: den Schein, d.h. den Irrthum des Verstandes, zu berichtigen. So sehen wir den Mond am Horizont größer, als in der Höhe, einen Stab im Wasser gebrochen, einen Stern, der bereits erloschen ist, überhaupt alle Sterne an Orten, wo sie sich thatsächlich nicht befinden (weil die Lufthülle der Erde alles Licht bricht und der Verstand die Ursache des Sinneseindrucks nur in der Richtung der in das Auge fallenden Strahlen suchen kann); so meinen wir ferner, die Erde bewege sich nicht, die Planeten ständen zuweilen still oder bewegten sich zurück u.s.w., was Alles die denkende Vernunft berichtigt.

 

22.

Wir wollen nun das Vorhergehende eng zusammenfassen.

Das menschliche Erkenntnißvermögen hat:

i23 a. verschiedene apriorische Functionen und Formen und zwar:

1) das Causalitätsgesetz,

2) den (Punkt-) Raum,

3) die Materie,

4) die Synthesis,

5) die Gegenwart,

denen auf realem Gebiete, vollkommen unabhängig, folgende Bestimmungen des Dinges an sich gegenüberstehen:

1) die Wirksamkeit überhaupt,

2) die Wirksamkeitssphäre,

3) die reine Kraft,

4) die Einheit jedes Dinges an sich,

5) der Punkt der Bewegung.

Das menschliche Erkenntnißvermögen hat:

b. verschiedene von der Vernunft, auf Grund apriorischer Funktionen und Formen, bewerkstelligte idealen Verbindungen, resp. Verknüpfungen:

1) die Zeit,

2) die allgemeine Causalität,

3) die Gemeinschaft,

4) die Substanz,

5) den mathematischen Raum.

Den vier ersteren entsprechen auf realem Gebiete folgende Bestimmungen der Dinge an sich:

1) die reale Succession,

2) die Einwirkung eines Dinges an sich auf ein anderes,

3) der dynamische Zusammenhang des Weltalls,

4) die Collectiv-Einheit des Weltalls.

Dem mathematischen Raume steht das absolute Nichts gegenüber.

Wir haben ferner gefunden, daß das Objekt Erscheinung des Dinges an sich ist, und daß die Materie allein den Unterschied zwischen beiden hervorbringt.

 

23.

Das Ding an sich, so weit wir es bis jetzt untersucht haben, ist Kraft. Die Welt, die Gesammtheit der Dinge an sich, ist ein Ganzes von reinen Kräften, welche dem Subjekt zu Objekten werden. |

i24 Das Objekt ist Erscheinung des Dinges an sich, und obgleich es vom Subjekt abhängt, so haben wir doch gesehen, daß es in keiner Weise das Ding an sich fälscht. Wir dürfen deshalb der Erfahrung vertrauen. Was nun die Kraft an sich selbst sei, das hat uns jetzt noch nicht zu beschäftigen. Wir verbleiben zunächst noch auf dem Boden der Welt als Vorstellung und betrachten die Kraft im Allgemeinen, wobei wir der Physik so wenig als möglich vorgreifen werden. –

Das Causalitätsgesetz, die Function des Verstandes, sucht immer nur die Ursache einer Veränderung in den Sinnesorganen. Verändert sich in denselben Nichts, so ruht es ganz. Verändert sich dagegen ein Sinnesorgan durch eine reale Einwirkung, so tritt der Verstand sofort in Thätigkeit und sucht zur Wirkung die Ursache. Hat er sie gefunden, so tritt das Causalitätsgesetz gleichsam zur Seite.

Der Verstand, und dies ist wohl zu merken, kommt gar nicht in die Lage, das Causalitätsgesetz weiter anzuwenden und etwa nach der Ursache der Ursache zu fragen, denn er denkt nicht. Er wird also nie das Causalitätsgesetz mißbrauchen; auch liegt auf der Hand, daß kein anderes Erkenntnißvermögen dies thun kann. Das Causalitätsgesetz vermittelt lediglich die Vorstellung, d.h. die Wahrnehmung der Außenwelt.

Verändert sich unter meinen Augen das aufgefundene Objekt so dient das Causalitätsgesetz nur dazu, die Ursache der neuen Veränderung im Sinnesorgan, nicht der Veränderung im Objekt, zu suchen: es ist, als ob ein ganz neues Ding an sich eine Wirkung auf mich ausgeübt hätte.

Auf Grund des Causalitätsgesetzes können wir also niemals, z.B. nach der Ursache der Bewegung eines Zweigs, der vorher bewegungslos war, fragen. Wir können nur auf Grund desselben die Bewegung wahrnehmen und nur deshalb, weil sich, durch den Uebergang des Zweiges aus dem Zustande der Ruhe in den der Bewegung, mein Sinnesorgan verändert hat.

Können wir nun überhaupt nicht nach der Ursache der Bewegung des Zweiges fragen? Gewiß können wir es, aber nur auf Grund der allgemeinen Causalität, einer Verbindung der Vernunft a posteriori; denn nur vermittelst dieser können wir die Einwirkung von Objekt auf Objekt erkennen, während das Cau|salitätsgesetz

i25 lediglich die Fäden zwischen Subjekt und Ding an sich spinnt.

So fragen wir denn mit vollem Recht nach der Ursache der Bewegung des Astes. Wir finden sie im Wind. Gefällt es uns, so können wir weiter fragen: zuerst nach der Ursache des Windes, dann nach der Ursache dieser Ursache u.s.w., d.h. wir können Causalitätsreihen bilden.

Was ist aber geschehen, als ich nach der Ursache des bewegten Zweiges fragte und dieselbe fand? Ich sprang gleichsam vom Baume ab und ergriff ein anderes Objekt, den Wind. Und was ist geschehen, als ich die Ursache des Windes fand? Ich habe einfach den Wind verlassen und stehe bei etwas ganz Anderem, etwa beim Sonnenlicht oder der Wärme.

Hieraus folgt überaus klar:

1) daß die Anwendung der allgemeinen Causalität immer von den Dingen an sich ableitet,

2) daß Causalitätsreihen immer nur die Verknüpfung von Wirksamkeiten der Dinge an sich sind, niemals also die Dinge selbst als Glieder in sich enthalten.

Versuchen wir ferner (Jeder für sich) die oben bei der Wärme abgebrochene Causalitätsreihe weiter zu verfolgen, so wird sich für Jeden deutlich ergeben, daß es

3) ebenso schwer ist, richtige Causalreihen zu bilden, als es im ersten Augenblicke leicht zu sein scheint, ja daß es für das Subjekt ganz unmöglich ist, von irgend einer Veränderung ausgehend, eine richtige Causalreihe a parte ante herzustellen, welche einen ungehinderten Fortgang in indefinitum hätte.

Die Dinge an sich liegen mithin nie in einer Causalitätsreihe, und ich kann nach der Ursache des Seins eines Dinges an sich weder an der Hand des Causalitätsgesetzes, noch an der Hand der allgemeinen Causalität fragen; denn verändert sich ein Ding an sich, das ich vermöge des Causalitätsgesetzes als Objekt gefunden habe, und frage ich vermöge der allgemeinen Causalität nach der Ursache der Veränderung, so führt mich eben die allgemeine Causalität sofort vom Dinge an sich ab. Die Frage: was ist die Ursache irgend eines Dinges an sich in der Welt, darf nicht nur, sondern sie kann überhaupt gar nicht gestellt werden.

i26 Hieraus erhellt, daß uns die causalen Verhältnisse nie in die Vergangenheit der Dinge an sich führen können, und man zeigt einen unglaublichen Mangel an Besinnung, wenn man die sogenannte unendliche Causalreihe für die beste Waffe gegen die bekannten drei Beweise vom Dasein Gottes hält. Sie ist die stumpfste Waffe, die es geben kann, ja sie ist gar keine Waffe: sie ist das Lichtenberg’sche Messer. Und merkwürdig! Gerade was diese Waffe zu Nichts macht, das macht auch die gedachten Beweise unhaltbar, nämlich die Causalität. Die Gegner der Beweise behaupten frischweg: die Kette der Causalität sei endlos, ohne auch je nur versucht zu haben, eine Reihe von fünfzig richtigen Gliedern zu bilden; und die Urheber der Beweise machten ohne Weiteres die Dinge dieser Welt zu Gliedern einer Causalreihe und fragen dann außerordentlich naiv nach der Ursache der Welt. Beiden Parteien ist, wie oben, zu erklären: Die allgemeine Causalität führt nie in die Vergangenheit der Dinge an sich.

Das Samenkorn ist nicht die Ursache einer Pflanze; denn Samenkorn und Pflanze stehen in keinem causalen, sondern in einem genetischen Zusammenhang. Dagegen kann man nach den Ursachen fragen, welche das Samenkorn in der Erde zur Keimung brachten, oder nach den Ursachen, welche die fußhohe Pflanze zu einer solchen von sechs Fuß Höhe machten. Beantwortet man aber diese Fragen, so wird Jeder finden, was wir oben gefunden haben, nämlich: daß jede dieser Ursachen von der Pflanze ableitet. Schließlich wird man die Pflanze ganz eingesponnen in Gliedern von Causalreihen finden, in denen sie jedoch niemals als Glied erscheint.

Giebt es nun gar kein Mittel, um in die Vergangenheit der Dinge eindringen zu können? Der erwähnte genetische Zusammenhang zwischen Samenkorn und Pflanze beantwortet die Frage bejahend. Die Vernunft kann Entwicklungsreihen bilden, welche etwas ganz Anderes als Causalreihen sind. Diese entstehen mit Hülfe der Causalität, jene lediglich mit Hülfe der Zeit. Causalitätsreihen sind die verkettete Wirksamkeit nicht eines, sondern vieler Dinge; Entwicklungsreihen dagegen haben es mit dem Sein eines Dinges an sich und seinen Modificationen zu thun. Dieses Resultat ist sehr wichtig.

i27

24.

Gehen wir nun, gestützt auf die Naturwissenschaft, auf diesem einzigen Weg, welcher in die Vergangenheit der Dinge führt, weiter, so müssen wir alle Reihen organischer Kräfte auf die chemischen Kräfte (Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Eisen, Phosphor u.s.w.) zurückführen. Daß es gelingen wird, auch diese einfachen chemischen Kräfte, die sogenannten einfachen Stoffe, auf wenige Kräfte zurückzuführen, ist eine unerschütterliche Ueberzeugung der meisten Naturforscher. Es ist indessen für unsere Untersuchung durchaus gleichgültig, ob dies geschehen wird oder nicht, da es eine unumstößliche Wahrheit ist, daß wir auf immanentem Gebiete nie über die Vielheit hinaus zur Einheit gelangen werden. Es ist mithin klar, daß uns auch nur drei einfache chemische Kräfte nicht weiter bringen würden als hundert oder tausend. Bleiben wir also bei der Anzahl stehen, welche uns die Naturwissenschaft unserer Tage noch angiebt.

Dagegen finden wir in unserem Denken nicht nur kein Hinderniß, sondern geradezu logischen Zwang, die Vielheit wenigstens auf ihren einfachsten Ausdruck, die Zweiheit, zu bringen, denn für die Vernunft ist das, was allen Objekten zu Grunde liegt, Kraft, und was wäre natürlicher, als daß sie, ihre Function ausübend, sogar für die Gegenwart und alle Zukunft gültig, die Kräfte zu einer metaphysischen Einheit verbände? Nicht die verschiedenartige Wirksamkeit der Kräfte könnte sie daran hindern, denn sie hat nur das Allgemeine, die Wirksamkeit schlechthin jedes Dinges an sich, im Auge, also die Wesensgleichheit aller Kräfte, und ihre Function besteht doch einzig und allein darin, das mannigfaltige Gleichartige, das ihr die Urtheilskraft übergiebt, zu verbinden.

Wir dürfen ihr jedoch hier nicht nachgeben, sondern müssen, die Wahrheit fest anblickend, die Vernunft durch kräftige Zügelung vor einem sicheren Sturze bewahren.

Ich wiederhole: Wir können auf immanentem Gebiet, in dieser Welt, niemals über die Vielheit hinaus. Selbst in der Vergangenheit dürfen wir, als redliche Forscher, die Vielheit nicht vernichten und müssen wenigstens bei der logischen Zweiheit stehen bleiben.

Dennoch läßt sich die Vernunft nicht abhalten, immer und immer wieder auf die Nothwendigkeit einer einfachen Einheit hinzuweisen. Ihr Argument ist das schon angeführte, daß für sie alle |

i28 Kräfte, die wir getrennt halten, als Kräfte, auf tiefstem Grunde wesensgleich seien und deshalb nicht getrennt werden dürften.

Was ist in diesem Dilemma zu thun? So viel ist klar: die Wahrheit darf nicht verleugnet und das immanente Gebiet muß in seiner vollen Reinheit erhalten werden. Es giebt nur einen Ausweg. In der Vergangenheit befinden wir uns bereits. So lassen wir denn die letzten Kräfte, die wir nicht anrühren durften, wenn wir nicht Phantasten werden wollten, auf transscendentem Gebiete zusammenfließen. Es ist ein vergangenes, gewesenes, untergegangenes Gebiet, und mit ihm ist auch die einfache Einheit vergangen und untergegangen.

 

25.

Indem wir die Vielheit zu einer Einheit verschmolzen, haben wir vor Allem die Kraft zerstört; denn die Kraft hat nur Gültigkeit und Bedeutung auf immanentem Gebiete, in der Welt. Schon hieraus ergiebt sich, daß wir uns von dem Wesen einer vorweltlichen Einheit keine Vorstellung, geschweige einen Begriff, bilden können. Ganz klar aber wird die totale Unerkennbarkeit dieser vorweltlichen Einheit, wenn wir alle apriorischen Functionen und Formen und alle a posteriori gewonnenen Verbindungen unseres Geistes, nach einander, vor sie hinführen. Sie ist das Medusenhaupt, vor dem sie alle erstarren.

Zunächst versagen die Sinne den Dienst; denn sie können nur auf die Wirksamkeit einer Kraft reagiren und die Einheit wirkt nicht als Kraft. Dann bleibt der Verstand vollkommen unthätig. Hier, ja im Grunde nur hier, hat die Redensart: der Verstand steht still, volle Gültigkeit. Weder kann er sein Causalitätsgesetz anwenden, da kein Sinneseindruck vorhanden ist, noch kann er seine Formen Raum und Materie benutzen, denn es fehlt ein Inhalt für diese Formen. Dann sinkt die Vernunft ohnmächtig zusammen. Was soll sie verbinden? Was nützt ihr die Synthesis? was ihre Form, die Gegenwart, welcher der reale Punkt der Bewegung fehlt? Was frommt ihr die Zeit, die, um überhaupt etwas zu sein, der realen Succession als Unterlage bedarf? Was soll sie der einfachen Einheit gegenüber mit der allgemeinen Causalität anfangen, deren Aufgabe es ist, die Wirksamkeit eines Dinges an sich, als Ursache, mit der Einwirkung auf ein anderes, als Wirkung, zu verknüpfen? Kann |


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